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Full text of "Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe"

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COMPARATIVE    ZOÖLOGY, 

AT  HARVARD  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 


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I 


SITZUNGSBERICHTE 


DKR 


ÜISFllJCeFJ  MAil  IR  WISllMR 


MATI1KMTI1^(;II  -NÄTÜRWISSENSCIUFTLICHR  CLÄSSE. 


DREIUNDNEUNZIGSTER    BAND. 


WIEN, 

AUS  UEK  K.  K.  HOF-  UND  STAATS  DRUCKEREI. 

IN   CQMMISSION   BEI   CARL  GERQLD'S  SOHN, 

BUCHHÄNDLER  PKK  K/^tSEriLlCHEN  AKADEMIE   UEK  WISSENSCHAFTEN 

1886. 


SITZUNGSBERICHTE 


DEB 


m  CLM 


D  E  K    K  A  r  S  E  U  L 1  C  n  E  N 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


XCIII.  Mm.  1.  ABTHEILUIG, 
Jahrgang  1886.  —  Heft  I  bis  V. 


fMit  ii  Tafeln  und  7  Holzschnitten.) 


WIEN, 


AUS    DER  K.  K.  HOF-    UND    STAATSDKUCKEHEI. 


IN   GQMMISSIQN   BEI  CARL   GEROLD'S   SQNN, 

B  ü  C  H  H  i  N  n  L  K  R    DER    K  \  I  S  E  R  L  I  C  H  K  N    AKADEMIE    DER  WISSENSCHAFTEN. 


]886. 


INHALT. 


Seite 

I.  SitzuHg:  vom  7.  Jänner  1886:  Übersicht 

V.  Kerner  u.  v.  Wettstein ,  Die  rhizopodoi'leu  Verdauimgs- 
organe  thierfangeuder  Ptianzen.    (Mit  1  Tafel.)   [Preis : 

25  kr.  =  f)0  ?%.] 4 

II.  Sit/ung-  vom  14.  Jänner  1886:  Übersicht 16 

Wiesner ,  Untersuchungen  über  die  Organisation  der  vegetabi- 
lischen Zellhaut.  (Mit  5  Holzschuitten.)  [Preis:  50  kr.  = 

1  RMk.]      17 

Schuster ,  Resultate  der  Untersuchung  des  nach  dem  Schlamm- 
regen vom  14.  October  1885  in  Klagenfurt  gesammelten 
Staubes.  (Mit  2 Tafeln.)  [Preis:  .50  kr.  =1  RMk. I  .    .    .        81 

III.  Silzuug  vom  21.  Jänner  1886:  Übersicht     .        117 

IV.  Sitznn^  vom  4.  Februar  1886:  Übersicht .121 

y.  Sitzuug  vom  11.  Februar  1886:  Übersicht 122 

Haberlaiidt,    Zur  Anatomie  und  Physiologie   der  pflanzlichen 

Brennhaare.  (Mit  2  Tafeln.)  [Preis:  40  kr.  =  80  Pfg.'    .     123 
VI.  Sitzung  vom  18.  Februar  1886  :  Übersicht 146 

Molisch,    Untersuchungen    über   Laubfall.    [Preis:  30   kr.   = 

60Pfg.] 148 

VII.  Sitzung  vom  4.  März  1886:  Übersicht .187 

VIII.  Sitzung  vom  18.  März  1886:  Übersicht 189 

Bruder,  Neue  Beiträge  zur  Kenutniss  der  Juraablagerungen  im 
nördlichen  Böhmen.  II.  (Mit  1  Tafel  und  1  Holzschnitt ) 

[Preis:  30  kr.  =  60  Pfg.] 193 

IX.  Sitzung  vom  1.  April  1886:  Übersicht 217 

Forssell,  Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechten      .....    219 

Heimerl,  Über  Einlagerung  von  Calciumoxalat  in  die  Zellwand 

bei  Nyctagineen.  (Mit  1  Tafel)  [Preis  25  kr.  =  50  Pfg.]  .    231 

X.  Sitzung  vom  8.  April  1886:  Übersicht   .        247 

Zlatarski,  Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan 
und  in  den  angrenzenden  Gebieten.  Beiträge  zur  Geo- 
logie des  nördlichen  Balkanvorlandes  zwischen  deu 
Flüssen  Isker  und  Jantra.  (Mit  3  Tafeln  und  1  Holz- 
schnitte.) [Preis:  1  fl.  20  kr.  =  2  RMk.  40  Pfg.]     ....    249 


VI 


Seite 

Firtscil,  Anatomisch -physiologische  Untersuchungen  über  die 
Keimpflanze  der  Dattelpalme.  (Mit  1  Tafel.)  [Preis:  45  kr. 
=  90  Pfg.] 342 

XI.  Sit/uug  vom  6.  Mai  1886:  Übersicht 357 

XII.  Sitzang-  vom  13.  Mai  1886:  Übersicht 360 

XIII.  Sitzung  vom  20.  Mai  188H:  Übersicht 361 

Verzcichniss  der  in  der  mathematisch -naturwissenschaftlichen 
Classe  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  in 
den  Monaten  Jänner  bis  inclusive  Juni  1886  vorgelegten 
periodischen  Druckschriften 363 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


mmoÄüPEiiEMEWissEimm. 


MATUEMATISCH-NATÜRWISSENSCHAFTLICHE  CLASSE. 


XOIII.  Band.   I.  Heft. 


ERSTE   ABTHEILUNG. 


Enthält  die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Mineralogie,  Botanik,  Zoologie, 
Geologie  und  Paläontologie. 


I.  SITZUNG  VOM  7.  JÄNNER  1886. 


Das  k.  k.  Ministerium  für  Cultus  und  Unterricht 
übermittelt  zu  dem  von  der  k.  grossbritannischen  Regierung  der 
Akademie  zum  Geschenke  gemachten  grossen  Werke  über  die 
Challenger-Expedition  einen  erschienenen  zoologischen 
Theil  (Vol.  XIII). 

Der  Secretär  legt  folgende  eingesendete  Abhandlungen 
vor: 

1.  „Über  die  Bestimmung  des  Kohlenstoffs  und 
Wasserstoffs  mittelst  Kupferoxyd- Asbest'',  von 
den  Herren  Prof.  Dr.  E.  Lippmann  und  F.  Fleissner 
in  Wien. 

2.  „Über  die  Linien  gleicher  Stromdichte  auf  flä- 
chenförmigen  Leitern",  von  Herrn  Dr.  J.  Haubner 
in  Wien. 

Das  w.  M.  Herr  Director  E.  Weiss  berichtet  über  die  Ent- 
deckung eines  neuen  Kometen  durch  Herrn  Brooks  in  Phelps 
N.  Y.  vom  27.  December  v.  J.,  dessen  Elementensystem  an  der 
hiesigen  Sternwarte  von  Herrn  Dr.  J.  Palisa  berechnet  und  in 
dem  Circular  LVIH  der  kais.  Akademie  vom  4.  Jänner  1.  J.  be- 
kannt gemacht  wurde. 

Ferner  theilt  Herr  Director  Weiss  einen  Nachtrag  zu  der 
im  Circular  Nr.  LVI  publicirten  Berechnung  der  Elemente  des 
Kometen  Fabry  von  Herrn  Dr.  S.  Oppenheim  mit. 

Das  w.  M.  Herr  Director  A.  v.  Kern  er  überreicht  eine  von 
ihm  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Dr.  R.  v.  Wettsteiu  ausgeführte 
Untersuchung,  betitelt:  „Die  rhizopodoiden  Verdauungs- 
organe thierfangender  Pflanzen". 


Die  rhizopodoiden  Verdauungsorgane  thierf äugender 

Pflanzen. 

(Mit  1  Tafel.) 

Vou  A.  Kerner  v.  Marilaun  und  R.  Wettsteiu  v.  Westersheim. 

An  zahlreichen  Pflanzen  finden  sich  Einrichtungen,  darch 
welclie  kleine  Thiere,  die  mit  den  Blättern  in  Berührung-  kommen, 
festgehalten  werden.  In  einigen  Fällen  sind  es  Leimspindeln,  an 
welchen  die  Thiere  kleben  bleiben,  in  anderen  Fällen  haben  sich 
Klappen  ausgebildet,  welche  über  den  aufsitzenden  Thieren  zu- 
sammenschliessen  und  wieder  in  anderen  Fällen  beobachtet  man 
Fallgruben,  in  welche  die  Thiere  zwar  leicht  einzudringen,  aus 
denen  sie  nber  nicht  mehr  zu  entwischen  vermögen. 

Mit  Rücksicht  auf  die  biologische  Bedeutung,  welche  diesen 
Einrichtungen  zukommt,  hat  sich  ergeben,  dass  bei  einem  Theile 
der  in  Rede  stehenden  Gewächse  durch  den  Faugapparat  ge- 
wisse nach  Honig  lüsterne  Tnsectcn  von  dem  Besuche  der  Blütheu, 
beziehungsweise  von  dem  Honiggenuss  in  den  Blüthen  ab- 
gehalten werden,  dass  aber  die  thierfangenden  Pflanzen  keinen 
weiteren  Nutzen  aus  den  gefangenen  Thieren  ziehen.  —  In  Be- 
treff eines  anderen  Theiles  ist  es  nachgewiesen,  dass  die  ge- 
fangenen Thiere  den  betreffenden  Pflanzen  zur  Nahrung  dienen. 

Was  die  Nahrungsaufnahme  anbelangt,  so  sind  bisher 
zweierlei  Vorgänge  beobachtet. 

Einige  Thierfänger  secerniren,  sobald  sie  durch  den  Coutact 
miteiweissartigen  Verbindungen,  beziehungsweise  mit  thierischen 
Körpern  gereizt  werden,  aus  besonderen  Drüsen  eine  der  Haupt- 
sache nach  aus  Pepsin  und  organischen  Säuren  bestehende 
Flüssigkeit,  in  welcher  sich  die  eiweissartigen  Verbindungen 
lösen,  und  sie  haben  auch   die  Fähigkeit,  diese  Lösung  mittelst 


Die  rhizopodoideii  Verclauiingsorgane  etc.  5 

besonderer  Organe  aufzusaugen.  —  Eine  zweite  Gruppe  von 
Thierfängern  entbehrt  der  pepsinabsondernden  Diüsen.  Die 
von  ihnen  gefangenen  Thiere  verenden  in  den  Fallen,  verwesen 
und  zerfallen  dort  und  die  Produete  der  Verwesung  werden 
durch  besondere  im  Grunde  der  Fallen  entwickelte  Saugzellen 
aufgenommen. 

An  diese  zwei  Fälle  kann  nun  noch  ein  dritter  angereiht 
werden,  welcher  von  uns  an  Lathraea  Squamaria  und  Bartsia 
aipina  beobachtet  wurde. 

Lathraea  Squamaria  ist  eine  chloropliylllose  Pflanze,  welche 
in  den  Auen  und  Laubwäldern  Europas  weit  verbreitet  ist.  — 
Ihre  unterirdischen  weissen  Stengel  erscheinen  fleischig,  fest  und 
prall  und  sind  der  ganzen  Länge  nach  mit  dicht  übereinander- 
gestellten,  dicken  schuppenförmigen  Blättern  besetzt. 

In  der  Farbe  und  Consistenz  stimmen  diese  Blätter  mit  dem 
Stengel  überein;  ihr  Umriss  ist  breit  herzförmig  und  es  macht 
den  Eindruck  als  ob  sie  mit  dem  herzförmigen,  stark  gedunsenen 
Ausschnitte  an  der  Basis  voll  und  breit  dem  Stengel  aufsitzen 
würden.  Löst  man  aber  eine  dieser  Schuppen  vom  Stengel  ab, 
so  überzeugt  mau  sich,  dass  dem  nicht  so  ist  und  dass  jener  Theil 
der  Schuppen,  welchen  man  im  ersten  Anblicke  für  die  untere, 
beziehungsweise  für  die  Rückseite  hält,  nur  ein  Theil  der  oberen 
Seite  ist. 

In  Wirklichkeit  ist  jedes  dieser  dicken  schuppenförmigen 
Blätter  zurückgerollt  und  es  lassen  sich  au  demselben  folgende 
Theile  unterscheiden.  Zunächst  die  Verbindungsstelle  mit  dem 
Stengel  (Fig.  4  a),  welche  verhältnissmässig  schmal  ist,  dann 
jener  Abschnitt  (Fig.  4  6),  den  man  bei  flüchtiger  Betrachtung 
für  die  ganze  obere  Blattfläche  hält  und  der  sich  ak-  eine  schief 
aufsteigende  von  einem  scharfen  Rande  (Fig.  4  c)  eingefasste 
Platte  darstellt,  weiterhin  von  diesem  scharfen  Rande  angefangen, 
der  plötzlich  unter  spitzem  Winkel  herabgebogene  steil  abfallende 
Theil  (Fig.  4  d),  welchen  man  gewöhnlich  für  die  Rückseite, 
beziehungsweise  die  untere  Seite  des  Blattes  hält,  der  aber  in 
der  That  der  oberen  Blattseite  angehört;  viertens  das  freie  Ende 
des  Blattes  (Fig.  4  e),  welches  sich  als  eingerollter  Rand  der 
Schuppe  darstellt  und  fünftens  die  eigentliche  Rückseite,  welche 
verhältnissmässig  selir  klein  ist  und   ei'st  dann   sichtbar  wird, 


6  V.  Kerner  u.  v.  Wettsteiu, 

wenn  man  den  gerollten  Rlattrand  entfernt.  —  Indem  sich  der 
Blattraud  rollt,  entsteht  ein  Canal  oder  besser  gesagt  eine 
Hohlkehle,  welche  an  der  hinteren  Seite  des  Blattes  dicht 
unter  jener  Stelle,  wo  sich  das  Blatt  an  den  Stengel  ansetzt, 
quer  herumläuft  (Fig.  4  /:).  —  In  diese  Hohlkehle  münden 
nun  mittelst  einer  Reihe  von  kleinen  Löchern  fünf  bis  dreizehn, 
meist  zehn  Kammern,  welche  die  dicken  Schuppeublätter  aus- 
höhlen und  die,  in  dieser  Form  wenigstens,  einzig  im  ganzen 
Pflanzenreiche  dastehen  dürften.  (Fig.  3),  Es  müssen  diese  merk- 
würdigen Kammern  als  tiefe,  von  der  Rückseite  des  Blattes 
ausgehende,  grubenförmige  Einsenkungen  in  die  Blattsubstanz 
gedeutet  werden,  und  mit  Rücksicht  auf  die  zu  erörternde  Frage 
nach  der  Bedeutung  derselben  für  das  Leben  und  insbesondere 
für  die  Nahrungsaufnahme  der  Pflanzen  ist  es  von  Wichtigkeit, 
sie  etwas  näher  in  Augenschein  zu  nehmen. 

Wie  schon  erwäimt,  sind  deren  fünf  bis  dreizehn  vorhanden. 
Sie  stehen  miteinander  seitlich  nicht  in  Verbindung,  alle  sind  höher 
als  breit  und  mit  unregelmässig  wellig  gebogenen  Wandungen  ver- 
sehen. An  diesen  Wandungen  fallen  zweierlei  Organe  auf,  welche 
der  Form  nach  an  die  Drüsenbildungen  anderer  tliierfangender 
Pflanzen  erinnern.  Die  einen  bestehen  aus  je  vier  Zellen,  von 
welchen  zwei  ein  Köpfchen  bilden,  während  die  dritte  den  Stiel 
des  Köpfchens  darstellt  und  die  vierte  als  eine  schwach  nach 
aussen  vorgewölbte  Oberhautzelle  erscheint.  Sie  entstehen  in 
dem  jungen  Blatte  unmittelbar  nach  der  Entwicklung  der  ersten 
Gefässbündel  und  gehen  aus  einer  Epidermiszelle  hervor.  Diese 
theilt  sich  zunächst  durch  zwei  zur  Oberfläche  parallele  Wände 
in  drei  Zellen  und  die  Spitzenzelle  wird  dann  durch  eine  senk- 
recht zur  Oberfläche  stehende  Wand  zu  einem  Zellenpaar  von 
köpfchenförmigem  Aussehen.  (Fig.  5  a  u.  7.)  Seltener  bestehen 
die  Köpfchen  aus  3 — 4  Zellen.  Was  die  Vertheilung  dieser 
Gebilde  anbelangt,  so  ist  dieselbe  eine  ziemlich  regelmässige. 
Sie  bedecken  die  ganze  Oberfläche  der  Kammern,  nur  an  den 
nach  innen  vorspringenden  Leisten  und  Ausbuchtungen  ist  eine 
grössere  Ansannulung  wahrzunehmen;  dabei  ist  ihre  Zahl  eine 
sehr  bedeutende,  im  Durchschnitte  kommen  25 — 32  auf  einen 
Quadratmillimeter  der  Oberfläche.  Die  unterhalb  derselben  ge- 
legenen Parenchvmzellen  sind  in  keiner  Weise  verändert. 


Die  rhizopodoiden  Veidaunngsorgane  etc.  « 

An  dem  Zellenpaar  des  Köpfchens  fällt  zunächst  die  ver- 
hältnissmässig'  bedeutende  Dicke  der  Membran  auf,  während  die 
Membran  der  Stielzellen,  sowie  der  benachbarten  Oberhautzellen 
sehr  dünn  ist.  Im  Zellenleib  der  Köpfchenzellen  findet  sich  ein 
grosser,  gut  unterscheidbarer,  meist  der  Mittel  wand  anliegender 
Zellkern,  sowie  ein  dichtes  centrales  Plasma,  von  dem  dicke 
Stränge  zu  dem  klumpig  geballten  Wandprotoplasma  hinführen. 
(Fig.  7.) 

Die  Stielzellen  sind  viel  plasmaärmer.  Das  Protoplasma  ist 
hyalin  und  in  ein  centrales  und  peripheres  gesondert.  Organische 
Inhaltskörper  fehlen  in  den  Köpfchenzellen  ganz,  im  Stiele  finden 
sich  zuweilen  Stärkekörner  oder  Krystalloide. 

Von  wesentlich  anderer  Gestalt  sind  die  der  zweiten  Art 
angehörenden  Organe,  welche  auch  an  Zahl  bedeutend  geringer, 
nur  vereinzelt  zwischen  den  eben  besprochenen  eingestreut  sind. 
(Fig.  5,  b  und  6.)  Es  kommen  von  denselben  selten  mehr  als  7  bis 
9  auf  einen  Quadratmillipieter  der  Oberfläche  und  immer  sind 
dieselben  mehr  in  den  Vertiefungen,  als  an  den  Erhöhungen 
der  welligen  Wand  der  Kammer  zu  finden.  Sie  bestehen 
aus  einer  plattenförmigen ,  im  Umkreise  elliptischen  oder 
kveisförmigen  Basalzelle  und  aus  2  oder  4,  seltener  3  Zellen, 
die  sphärisch  hervorgewölbt  und  durch  sehr  zarte,  meist  schief 
verlaufende  Scheidewände  getrennt  sind,  zusammen  aber  im 
Umrisse  in  den  Rahmen  der  elliptischen  oder  rundlichen  Basal- 
zelle passen,  von  der  blos  ein  schmaler  Randstreifen  hervor- 
ragt. (Fig.  5  6  u.  6.) 

Die  Entstehung  dieser  Organe  fällt  mit  jener  der  oben  ge- 
schilderten zusammen  und  erfolgt  in  der  Weise,  dass  eine  schon 
früher  durch  ihre  bedeutende  Grösse  auffallende  Oberhautzelle 
sich  durch  eine  mit  der  Oberfläche  parallele  Membran  zunächst 
in  zwei  plattenförmige  Zellen  theilt.  Von  diesen  geht  dann  die 
obere,  nach  aussen  vorgewölbte  eine  neue  Theilung  ein  und  zer- 
fällt durch  eine  auf  die  früher  gebildete  Membran  senkrechte 
oder  etwas  schiefe  Wand  in  zwei,  später  bei  nochmaliger  Thei- 
lung in  vier  Zellen. 

Auch  bei  diesen  Organen  sind  die  nach  aussen  gekehrten 
Membrantheile  verhältnissmässig  dick  und  die  Querwände  im 
Innern,   sowie   die  Zellhäute   der  Basalzellen  dünn.    Der  Inhalt 


8  V.  Kerncr  u.  v.  Wettstein, 

aller  Zellen  ist  hyalines  Plasma,  das  die  Zellen  fast  ganz  erfüllt 
lind  einen  deutlichen  grossen  Zellkern  führt.  Häufig  nimmt  der 
Inhalt  jener  Zellen  die  aussen  in  Berührung  mit  den  noch  zu 
besprechenden  in  die  Höhlungen  gelangten  abgestorbenen  Orga- 
nismen kamen,  eine  braune  Färbung  an,  die  sich  auch  der  Mem- 
bran mittheilt,  ohne  dass  ein  Absterben  der  betreffenden  Zellen 
eine  Folge  davon  wäre.  —  Während  die  früher  geschilderten 
köpfchentragenden  Gebilde  in  keiner  anatomischen  Beziehung 
zu  den  in  der  Umgebung  liegenden  Gewebetheilen  stehen,  macht 
sich  eine  solche  Beziehung  bei  den  zuletzt  besprochenen  Organen 
sehr  deutlich  bemerkbar.  Dieselbe  besteht  einerseits  darin,  dass 
diese  Orgaue  in  einem  nicht  zu  verkennenden  Zusammenhang  mit 
den  Gefässbündeln  des  betreffenden  Blattes  stehen,  anderseits  sich 
die  umliegenden  Oberhautzellen  strahlenförmig  um  die  untere 
grosse,  platt enförmige  Zelle  gruppireu.  Die  aus  dem  Stamme  in 
das  Blatt  eintretenden  Gefässbündel  verlaufen  längs  der  Wan- 
dungen der  Kammern  und  lösen  sich  in  der  Nähe  derselben  in 
einzelne  schmale  Gefässe  auf,  die  mit  ringförmigen  Verdickun- 
gen versehen  sind  und  zu  je  einem  der  in  Rede  stehenden  Organe 
führen.    (Fig.  4  u.  6.) 

Etwa  zwei  bis  drei  Zelllagen  unterhalb  der  grossen,  platten- 
förmigen  Basalzelle  endet  das  Gefäss  und  die  Verbindung  seines 
Endes  mit  dem  Organe  wird  durch  eine  kurze  cylindrische  oder 
tonnenförmige  Zelle  hergestellt,  die  in  ihrem  unteren,  dem  Ge- 
fässe  zugewendeten  Theile  ringförmige  oder  spiralige  Wand- 
verdickungen aufweist,  im  oberen  Theile  jedoch  dünnwandig  ist. 
Ihre  obere  Wand  liegt  unmittelbar  der  erwähnten  Basalzelle  an, 
seltener  ist  noch  eine  kurze,  dünnwandige  Zelle  eingeschaltet. 
(Fig.  6.) 

Unter  gewissen,  noch  näher  zu  erörternden  Unjstäuden  sieht 
man  von  den  Membranen  der  in  den  Innenraum  der  Kammern 
vorragenden  Zellen  beider  oben  beschriebenen  Organe  eine 
grosse  Anzahl  überaus  zarter  Fäden  ausstrahlen.  (Fig.  7.) 

Die  Ausstrahlungspunkte  derselben  sind  über  die  Oberfläche 
der  Zellen  gleichmässig  vertheilt.  Die  Fäden  selbst  sind  hyalin, 
gerade,  an  der  Spitze  abgestumpft  und  von  verschiedener  Länge 
bald  so  bedeutend  verkürzt,  dass  sie  blos  als  warzige  Hervor- 
ragungen  erscheinen,  bald  den  Durchmesser  der  Köpfchen  au 


Die  rhizopodoiden  Verdaiumg-sorgane  etc.  9 

Länge  bedeutend  übertreffend.  In  mancher  Hinsicht  ähneln  sie 
Krystallen  oder  stumpfstacheligen  Hervorragungen  der  Mem- 
branen. 

Dass  sie  keines  von  beiden  sind,  ergibt  sich  nach  wenigen 
Versuchen.  Dagegen  erwiesen  sie  sich  merkwürdigerweise  als 
Plasmafäden,  die  mit  dem  Zellenleib  der  Zellen  im  Zusammen- 
hange stehen  und  von  demselben  durch  regelmässig  vertheilte 
Durchlässe  in  der  Zellenmembran  nach  aussen  in  Folge  eines 
Reizes  gesendet  werden.  Dieser  Sachverhalt  ergibt  sich  nicht 
blos  aus  den  verschiedenen  mikrochemischen  Reactionen,  die  die 
Plasmanatur  der  Fäden  erweisen,  sondern  auch  durch  plasmo- 
lytische Versuche,  die  ein  allsogleiches 'Einziehen  der  Fäden  zur 
Folge  haben,  endlich  durch  die  directe,  mittelst  Färbungen  er- 
möglichte Beobachtung. 

Diese  Fähigkeit  des  Hervorstreckens  von  Plasmafäden 
kommt  blos  den  Zellen  zu,  deren  verhältnissmässig  dicke  Aussen- 
wände  in  die  Höhlung  der  Kammer  vorspringen,  während  sie 
den  Stiel-  und  Basalzellen  der  beschriebenen  Organe  fehlt. 

Das  Vorstrecken  der  Plasmafäden  erfolgt  nicht  unter  allen 
Umständen,  stets  aber,  wenn  durch  Wasserzufuhr  die  Turgescenz 
der  Drüsenzellen  gesteigert  wird.  Doch  kann  dasselbe  auch 
dadurch  herbeigeführt  werden,  dass  kleine  Thiere  in  die  laby- 
rintische  Kammer  des  Laihraea-Bluttes  eindringen  und  die  eben 
beschriebenen  Organe  berühren.  Die  in  Folge  der  Reizung  aus- 
strahlenden Plasmafäden  legen  sich  an  die  Eindringlinge  an, 
kleinere  Thiere,  zumal  Infusorien,  werden  wie  von  Fangarmen 
festgehalten,  grösseren  Thieren  aber  wird  durch  diese  Plasma- 
fäden die  Bewegung  erschwert  und  der  Rückweg  abgeschnitten. 

Die  Ausscheidung  eines  besonderen  Secretes  in  der 
Kammer  des  Lathj\iea-B] Rttes  wurde  nicht  beobachtet.  Da  man 
aber  von  den  in  die  Kammern  gelangten  Thieren  nach  einiger 
Zeit  nur  mehr  Klauen ,  Beinschienen  ,  Borsten  und  kleine, 
braune,  formlose  Klümpchen  antrifft,  während  Sarkode  sowie 
Muskeln  und  Blut  derselben  spurlos  verschwunden  ist,  so  muss 
man  annehmen,  dass  hier  die  Nahrungsaufnahme  aus  den  veren- 
deten Thieren  durch  Contact  mit  den  gleich  Fangarmen  vorge- 
streckten Plasmafäden  erfolgt,  ganz  ähnlich  wie  bei  den  Wurzel- 
füsslern,  mit  welchen  diese  Organe  eine  so  auffallende  Ähnlichkeit 


10  V.  Kerner  u.  v.  Wettsteiu, 

besitzen.  —  Es  wäre  nicht  unmöglich,  dass  nur  die  ungestielten 
Organe  der  Aufsaugung ,  die  gestielten  köpfchentragenden  da- 
gegen dem  Festhalten  der  Beute  dienen ,  wenigstens  würde  der 
Umstand  für  diese  Auffassung  sprechen,  dass  zu  den  ersteren, 
die,  wie  schon  oben  erwähnt,  viel  spärlicher  sind,  Gefässe  hin- 
ziehen, die  durch  eine  eigenthümliclie  tonnenförmige  Zelle  mit 
jener  grossen  elliptischen  Tafelzelle  in  Verbindung  stehen,  was 
bei  den  köpfchentragenden  Gebilden  nicht  der  Fall  ist. 

Da  die  Öffnungen,  mit  welchen  die  Kammern  in  die  Hohl- 
kehle an  der  Hinterseite  des  Lafhrnen-Bla.tteB  ausmünden,  sehr 
enge  sind,  so  können  nur  winzige  Tliiere  Infusorien,  Amoeben, 
Rhizopoden,  Räderthierchen,  kleine  Milben,  Apliis-Arten,  Podu- 
ren  und  dergleichen  einschliefen.  Was  sie  dazu  bewegt,  gerade 
diese  versteckten  Kammern  aufzusuchen,  ist  ebenso  schwierig  zu 
sagen,  wie  es  schwer  hält,  anzugeben,  wodurch  die  Daphnia- 
und  Cyclops- Arten  veranlasst  werden,  in  die  Schläuche  der  Utri- 
cularien  einzufahren. 

Am  wahrscheinlichsten  ist  es,  dass  die  winzigen  Thiere 
Nahrung  suchend  in  die  Hohlräume  vordringen  und  dort  durch 
die  oben  geschilderte  Einrichtung  ihren  Tod  finden. 

Es  wurde  schon  erwähnt,  dass  die  Schuppenwnrz  eine 
Schmarotzerpflanze  ist,  welche  die  Hauptmasse  ihrer  Nahrung 
vermittelst  eigener  .Saugwarzen  den  Wurzeln  sommergrüner 
Laubhölzer  entzieht. 

Sie  wächst  nur  in  Gegenden,  in  welchen  die  Thätigkeit  der 
Bäume  und  Sträucher  durch  einen  ziemlich  langen  Winter  unter- 
brochen wird;  ihre  Saugwarzen  sterben  regelmässig  ab,  sobald 
die  Holzpflanzen,  auf  deren  Wurzeln  die  Lafhmcfi->>iöcke  schma- 
rotzen, sich  herbstlich  verfärben  und  das  Laub  abwerfen.  Wenn 
dann  im  darauffolgenden  Frühlinge  das  Aufsteigen  des  Saftes  in 
den  Holzpflunzen  beginnt,  sendet  auch  die  Lathrnea  wieder  neue 
Wurzeln  aus,  welche  sich  mit  Saugwarzen  unterirdisch  an  die 
saftstrotzenden  Baum  wurzeln  anlegen.  Die  Nahrung,  welche  auf 
diesem  Wege  in  die  Lnthraea  kommt,  ist  nicht  wesentlich  ver- 
schieden von  jener,  welche  die  Wurzeln  des  betreffenden  Baumes 
oder  Strauches  aus  der  umgebenden  Erde  aufgenommen  haben, 
vorwaltend  also  Wasser  und  in  diesem  gelöst  eine  geringe  Menge 


Die  rhizopodoideu  Verdammgsorgane  etc.  11 

mineralischer  Salze,  eine  Flüssigkeit,  welche  man  früher  nicht 
unpassend  den  „rohen  Nahrungssaft"  genannt  hat. 

Da  die  Lathraed  unterirdisch  lebt  und  des  Chlorophylls  ent- 
behrt und  da  sie  nicht  befähigt  ist,  im  Sonnenlichte  aus  dem 
Kohlendioxyd  der  Luft  und  dem  durch  Vermittlung  der  Saugwarzen 
aufgenommenen  ..rohen  Nahrungssafte"  des  angefallenen  Baumes 
oder  Strauches  selbst  alle  zum  weiteren  Wachsthum  nothwen- 
digen  organischen  Verbindungen  zu  erzeugen,  da  namentlich  die 
Menge  der  stickstoffhaltigen  Verbindungen  in  der  den  angefal- 
lenen Wurzeln  entzogenen  Flüssigkeit  nur  eine  sehr  geringe  ist, 
so  muss  jeder  Zuschnss  an  organischer  Nahrung,  zumal  an  stick- 
stoffhaltigen Verbindungen  aus  den  gefangenen  Thieren  sehr 
willkommen  sein.  Obschon  es  vorwaltend  winzige  Infusorien  sind, 
welche  von  der  Schuppenwurz  gefangen  und  verdaut  werden,  so 
darf  dieser  Zuschuss  doch  durchaus  nicht  unterschätzt  werden; 
es  ist  eben  in  Anschlag  zu  bringen,  dass  jedes  der  unzähligen 
schuppenförmigen  Blätter  des  L«^/iraea- Stockes  einen  Fang- 
apparat darstellt  und  dass  der  Fang-  und  Verdauungsapparat  das 
ganze  Jahr  hindurch  in  Wirksamkeit  ist,  da  es  in  jener  Tiefe  des 
Erdreiches^  in  welcher  die  Stöcke  der  Schuppenwurz  eingebettet 
liegen,  im  Winter  nicht  einfriert,  so  dass  dort  auch  in  der  Jahres- 
periode, in  welcher  oberirdisch  alles  im  Winterschlafe  ruht,  die 
Infusorien  und  andere  kleine  Thiere  ihr  Wesen  treiben  und  von 
der  Lathraea  gefangen  werden  können. 

Die  überaus  grosse  Zahl  der  im  Laufe  des  Jahres  gefan- 
genen Thiere  vermag  also  sicherlich  die  Grösse  der  einzelnen 
Individuen  zu  ersetzen. 

Wenn  es  nach  alledem  nichts  weniger  als  befremdend  ist, 
dass  sich  ein  chlorophyllloser,  unterirdisch  lebender  Wurzel- 
schmarotzer mit  dem  Aussaugen  des  rohen  Nahrungssaftes  aus 
anderen  Pflanzen  und  gleichzeitig  auch  mit  dem  Thierfange  be- 
schäftigt, so  muss  es  anderseits  unser  Erstaunen  wachrufen, 
wenn  wir  Pflanzen  finden,  welche  ihre  Nahrung  einmal  mittelst 
Saugzellen  aus  der  Erde,  dann  schmarotzend  mittelst  Saugwarzen 
aus  angefallenen  Wurzeln  anderer  Pflanzen  und  drittens  auch 
noch  aus  gefangenen  Thieren  entnehmen. 

Als  eine  solche  Pflanze  aber  stellt  sich  Bartsia  alphia  dar. 
Dieses  merkwürdige  Gewächs  ist  im  arktischen  Gebiete  und  in 


12  V.  Kerner  ii.  v.  Wettsteiu, 

der  Flora  der  Hochgebirge  durch  fast  ganz  Europa  verbreitet 
lind  fällt  sofort  dadurch  auf,  dass  die  Farbe  der  Laubblätter  aus 
Schwarz,  Violett  und  Grün  gemengt  erseheint.  Auch  die  Bliithe 
ist  trüb  dunkelviolett  gefärbt  und  die  Pflanze  macht  durch  dieses 
eigenthümliche  Colorit  den  Eindruck  einer  rechten  Trauerpflauze. 

Einschaltungsweise  mag  hier  erwähnt  sein,  dass  Linne  für 
diese  düstere  Pflanze  den  Namen  ^«r/sm  wählte,  um  damit  seiner 
tiefen  Trauer  über  den  Tod  des  ihm  innig  befreundeten  eifrigen 
Naturforschers  und  Arztes  Bartsch,  der  in  jungen  Jahren  dem 
Klima  Guiana's  erlag,  einen  Ausdruck  zu  geben. 

Feuchter  schwarzer  Boden  und  die  Umgebung  von  Quellen 
bilden  den  bevorzugten  Standort  dieser  Pflanze.  Gräbt  man  im 
Sommer  ihren  Wurzeln  nach,  so  sieht  man,  dass  von  denselben 
einige  Saugwarzen  ausgehen,  welche  sich  den  Wurzeln  der  nach- 
barlich wachsenden  Seggen  und  anderer  Pflanzen  anlegen;  man 
findet  aber  auch  unterirdische  Sprosse,  welche  in  der  Nähe  der 
mit  gegenständigen  weissen  Schuppen  besetzten  Knoten  „Wurzel- 
haare" entwickeln,  die  deutlich  gegliedert  sind  und  als  gewöhn- 
liche Saugzellen  fungireu. 

Gegen  den  Herbst  zu  bilden  sich,  und  zwar  gleichfalls  unter- 
irdisch, eiförmige  Knospen  aus,  welche  in  ihrer  Form  den  Knos- 
pen der  Kosskastanie  nicht  unähnlich  sehen  (Fig.  8)  und  deren 
in  vier  Keihen  angeordnete  chlorophylllose  Schuppen  wie  Dach- 
ziegel theilweise  übereinander  geschoben  sind,  so  zwar,  dass  von 
jeder  Schuppe  nur  die  Rückseite  des  oberen  Theiles  zur  Ansicht 
kommt,  während  der  untere  Theil  von  tieferstehenden  Schuppen 
zugedeckt  ist.  An  der  frei  sichtbaren  convexen  Rückseite  jeder 
Schuppe  sieht  man  auf  dem  Mittelfelde  drei  scharf  vorspringende 
Rippen;  die  beiden  seitlichen  Ränder  der  Schuppe  aber  sind 
zurückgerollt,  und  zwar  so,  dass  dadurch  an  jedem  Rande  eine 
Hohlkehle  gebildet  wird.  —  Nun  sind  aber,  wie  an  dem  Quer- 
schnitte einer  unterirdischen  Bartsia-KmmißG  (Fig.  9)  zu  sehen 
ist,  die  tieferstehendeu  Schuppenpaare  so  über  die  nächst  oberen 
gelegt,  dass  die  Hohlkehlen  zugedeckt  und  zu  Kanälen  werden. 
Das  Innere  der  Knospe  ist,  diesemBaue  entsprechend,  von  doppelt 
so  vielen  Kanälen  durchzogen,  als  gedeckte  Blattschuppen  vor- 
handen sind  und  die  Mündungen  von  je  zwei  Kanälen  finden  sich 
an  jenen  Stellen,  wo  die  Deckung  der  zurückgerollten  seitliehen 


Die  rhizopodoiden  Verdamingsorgaue  etc.  13 

Ränder  einer  oberen  Schuppe  durch  das  Mitteiteid  einer  unteren 
Schuppe  beginnt.  Au  der  einen  Seite  dieser  Kanäle,  nämlich  in 
den  Hohlkehlen  sind  ganz  dieselben  zdiigen  Gebilde  entwickelt, 
welche  sich  in  den  Kammern  der  Z„7//ir«tY<-Schuppeu  finden, 
wieder  jene  aus  zwei  Zellen  zusammengesetzten  Köpfchen,  die 
einer  Fusszelle  aufsitzen,  dann  gepaarte  als  Halbkugel  vor- 
gewölbte Zellen  und  endlieh  noch  gewöhnliche  plattenförmige 
Oberhautzellen.  \  Fig.  10)  Es  ist  wohl  nicht  zu  zweifeln,  dass  der 
ganze  Apparat  auch  in  derselben  Weise  wie  bei  der  Schu])pen- 
wurz  wirksam  und  auf  den  Fang  von  kleinen  Thieren  berech- 
net ist. 

Da  aus  den  eben  geschilderten  unterirdischen  Knospen  der 
Bartsia,  welche  im  Spätsommer  angelegt  werden,  im  Laufe  des 
nächsten  Frühlings  ein  oberirdischer  Stengel  hervorgeht,  dessen 
chlorophyllreiche  Laubblätter  im  Sonnenlichte  ausGemengtheilen 
der  Luft  und  der  aus  dem  Boden  durch  die  Saugzellen  auf- 
genommenen flüssigen  Nahrung  organische  Verbindungen  erzeu- 
gen, so  drängt  sich  die  Frage  auf,  ob  denn  in  diesem  Falle  auch 
noch  ein  Zuschuss  an  Nahrung  aus  den  Leichen  gefangener 
Thiere  nothwcndig  oder  doch  vortheilhaft  sein  kann.  Berück- 
sichtiget man  die  Verhältnisse,  unter  welchen  Bartsia  alpina  in 
der  freien  Natur  wächst,  so  wird  man  diese  Frage  unbedingt 
bejahen  müssen. 

Diese  Pflanze  gehört,  wie  schon  erwähn^^,  der  arktischen 
und  Hochgebirgsflora  an  und  wächst  in  Gebieten,  wo  die  ober- 
irdische Thätigkeit  der  Pflanzen  auf  die  kurze  Zeit  von  ein  paar 
Monaten  eingeschränkt  ist.  Nach  Ablauf  dieser  kurzen  Vegeta- 
tionszeit sterben  die  oberirdischen  Theile  der  arktischen  und 
alpinen  Pflanzen  entweder  vollständig  ab  oder  sie  bleiben  zwar 
grün,  sind  aber  im  Schnee  vergraben  und  alle  Bewegung  und 
Lebensthätigkeit  ist  in  ihnen  auf  9  bis  10  Monate  sistirt. 

Der  erste  Schnee  fällt  in  den,  von  der  ^«r^sm  bewohnten 
Gebieten  regelmässig  schon  zu  einer  Zeit,  in  welcher  der  Boden 
noch  nicht  gefroren  ist,  und  die  später  immer  mächtiger  sich 
aufthürmeude  winterliche  Schneedecke  schützt  den  Boden  so 
ausgiebig  gegen  den  Einfluss  der  Wiuterkälte,  dass  die  Tem- 
peratur selbst  der  oberflächlichsten  Erdschichten  nicht  unter  den 
Nullpunkt  herabsinkt.    In   dieser  frostfieien   Schichte    aber  ist 


34  V.  Kerner  u.  v.  Wettstein, 

weder  das  pflanzliche,  noch  das  tWerische  Leben  ganz  erstarrt 
und  es  ist  in  dem  langen  Zeiträume  für  die  unterirdischen 
Knospen  der  Bartsia  gewiss  nur  von  Vortheil,  wenn  ihnen  eine 
ausgiebige  Nahrung  aus  den  Leibern  gefangener  Infusorien  zu- 
kommt. Der  Vortheil  wird  um  so  einleuelitender,  wenn  man 
bedenkt,  dass  aus  den  organischen  Verbindungen,  welche  die 
Schuppen  der  unterirdischen  Knospen  in  ihren  Zellen  aufgespei- 
chert enthalten,  in  der  darauffolgenden  Vegetationszeit  in  zwei 
bis  drei  Wochen  der  oberirdische  Stengel  mit  seinen  Laubblät- 
tern und  Blüthen  aufgebaut  werden  soll  und  dass  der  feuchte 
Boden,  in  welchem  die  Bartsia  wächst,  so  wie  auch  die  Wurzeln 
der  Sumpfpflanzen,  an  welche  die  Bartsia  einige  Saugwarzen 
anlegt,  zwar  Wasser  und  mineralische  Salze,  aber  nur  wenig 
Materiale  zur  Erzeugung  stickstoffhaltiger  Verbindungen  liefern. 


A.v:I\erner  luid  R.v.irettsteiii.  Bie  rhizopodüidenVerdamingsorganß  toerfangei-ider  Pflanzer.. 


Autor  isl  Lith  v.M.  Streicher 


Lith.Aist  7:Tii  Banmvaitk.TOsr.- 

Sitzimösl)er.  d.kaiserl .  Akad.d.Wss. math.natuTH^  a.XCIl[.Bd.Lifl)äi.l886. 


Die  rhixopodoiden  Verdau ungsorgane  etc.  15 


Erklärung  der  Tafel. 


Fig.  1.  Stück  eines  unterirdischen  Stammes  vonLat/naea  Squamaria.^-dtüv], 
Grösse. 

„  2.  Dasselbe,  im  Längsschnitte,  au  dem  die  Kammern  in  den  einzelneu 
Blättern  sichtbar  sind.  Natürl.  Grösse. 

„  3.  Ein  einzelnes  Blatt  vergrössert.  Durch  die  durchscheinende  Ober- 
seite sind  die  zehn  Kammern  im  Innern  des  Blattes  sichtbar. 

„  4.  Längsschnitt  durch  ein  Blatt;  bedeutend  vergrössert.  a  Anheftungs- 
stelle  des  Blattes;  6 — e  Oberseite  des  Blattes,  bei  c  nach  rückwärts 
gekrümmt;  f  Blattunterseite  mit  dem  Eingange  in  die  Höhlung  «7; 
h  Stamm. 

„      5.  Stück  der  Wand  emer  Höhlung,  stark  vergrössert. 

„  6.  Stück  eines  Querschnittes  durch  ein  Blatt,  zeigt  ein  stielloses  Organ 
und  die  Verbindung  der  Basalzelle  (b)  mit  den  Endigungen  des  Ge- 
fässbündels  (G)]  stark  vergrössert. 

„  7.  Köpfchentragendes  Organ  mit  den  über  die  Wand  der  Köpfchen- 
zellen vorragenden  Plasmafäden,  stark  vergrössert. 

„      8.  Unterirdische  Knospe  von  Bartüa  alpina.  Natürl.  Grosse. 

„      9.  Querschnitt  durch  einen  Theil  derselben;  vergrössert. 

„  10.  Der  Rand  einer  Knospenschuppe  von  Bartsia  im  Durchschnitte  mit 
gestielten  {a)  und  uugestielten  (6)  Organen,  stark  vergrössert. 


16 


II.   SITZUNG  VOM  14.  JÄNNER  1886. 


Das  c.  M.  Herr  Prof.  L,  Gegen  bau  er  in  Innsbruck  tiber- 
sendet eine  Abliandlung:  „Über  die  Classenanzabl  der 
quadratischen  Formen  von  negativer  Determinante". 

Der  Secretär  legt  eine  Abhandlung  von  Herrn  August 
Adler  in  Wien:  „über  ein  allgemeines  Princip  des 
graphischen  Rechnens"  I.  vor. 

Herr  Dr.  Friedrich  Wächter  in  Wien  übersendet  eine 
Abhandlung:  „Über  die  Artunterschiede  der  positiven 
und  negativen  Elektricität". 

Herr  Hofrath  6.  Tschermak  überreicht  eine  Abhandlung 
des  Herrn  Dr.  Max  Schuster:  „Resultate  der  Untersuchung 
des  Staubes,  welcher  nach  dem  Schlammregen  vom 
14.  October  1885  zu  Klagenfurt  gesammelt  wurde." 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  E.  Weyr  Überreicht  eine  Abhandlung 
des  Herrn  Regierungsrathes  Prof.  Dr.  F.  Hertens  in  Graz: 
„Über  die  Invarianten  dreier  terniären  quadratischen 
Formen." 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  J.  Wiesner  überreicht  eine  Abhand- 
lung: „Untersuchung  über  die  Organisation  der  vege- 
tabilischen Zellwand". 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Prof.  C.  Claus  tiberreicht  eine 
Abhandlung  des  Herrn  Dr.  J.  H.  List  in  Graz,  betitelt:  „Die 
Rudimentzellentheorie  und  die  Frage  der  Regenera- 
tion geschichteter  Pflasterepithelien". 


17 


Untersuchungen  über  die  Organisation  der  vegetabili- 
schen Zellhaut. 

i^Iit  5  Holzschnitten. j 

Von  dem  w.  M.  Julias  Wiesner. 

Einleitung. 

Die  feinsten  Stnicturverhältnisse  der  pflanzlichen  und 
thierischen  Organe  aufzudecken,  bildet  bekanntlich  einen  der 
wichtigsten  Zielpunkte  der  Morphologie  und  Physiologie  der 
Pflanzen  und  Tliiere. 

Von  rein  morphologischem  Gesichtspunkte  aus  wird  man  an 
diesem  —  heute  noch  in  weiter  Ferne  liegenden,  aber  selbst  dem 
besonnensten  Naturforscher  erreichbar  erscheinenden  —  Ziele 
angelangt  sein,  wenn  die  letzten,  das  ist  die  einfachsten  Structur- 
elemente  der  Lebewesen  aufgefunden  sein  werden.  Die  Phy- 
siologie aber  wird  die  Veränderungen  und  Eigenschaften  dieser 
Elementargebilde  erst  zur  Erklärung  der  Lebens  Vorgänge  heran- 
zuziehen haben. 

Im  Bereiche  der  Morphologie  ist  es  die  Anatomie,  welche 
auf  analytischem  "Wege  den  inneren  Bau  der  Organismen  darzu- 
legen strebt.  Wie  die  Chemie  die  Verbindungen  zerlegt  und  zu 
den  wahren  Elementen  zu  gelangen  sucht,  so  trachtet  die  Anatomie 
durch  analoge  Operationen  zu  den  letzten  Formelementen  der 
Pflanzen  und  Thiere  vorzudringen.  Auf  diesem  Wege  gelang  es 
zunächst,  die  Organe  in  Gewebe  und  diese  in  die  bisher  als 
Elementarorgane  angesehenen  Zellen  zu  zerlegen. 

Dass  die  sogenannten  chemischen  Elemente  die  gesuchten 
Grundstoffe  der  Verbindungen  nicht  repräsentiren,  wird  derzeit 
wohl  allgemein  zugestanden.  Aber  auch  die  „Zellen"  können 
heute  nicht  mehr  als  das  angesehen  werden,  wofür  man  sie  so 
lange  hielt,  als  die  letzten  organisirten  Bausteine  der  Pflan- 
zen   und  Thiere.    Es   ist   das  Verdienst  Brücke's,   die   grosse 

Sitzb.  d.  malhem.-naturw.  Cl.  XCIII.  Ed.   I.  Abth.  2 


18  Wiesuer, 

Complication  im  Baue  der  sogenannten  ,. Elementarorgane" 
zuerst  nacliclriieklich  hervorgehoben  und  gezeigt  zu  haben, 
dass  die  damals  herrschenden  auf  den  Bau  der  Zellen  bezug- 
nehmenden Vorstellungen  :  Kerne  oder  Membranen  seienhomogen, 
wenn  sie  uns  homogen  erscheinen,  oder  besässen  keine  andere 
als  Molecularstructur,  oder  das  Protoplasma  sei  eineEiweisslösung 
u,  s.  w.j  als  völlig  unberechtigt  zurückgewiesen  werden  müssen.  Es 
geschah  dies  bekanntlich  in  seiner  mit  Recht  berühmten  Schrift, 
„die  Elementarorganismen"*,  aufweiche  ich  in  dieser  Abhandlung 
noch  oftmals  zurückkommen  werde.  Sehr  treffend  nennt  Brücke 
die  Zellen  dort  „  Elementarorganismen "  ,  um  schon  durch 
das  für  dieselben  gewählte  Wort  seine  Anschauung  über  ihren 
wahren  Bau  in  Gegensatz  zu  stellen  mit  jenen  seiner  Vorgänger, 
welche  die  Zellen  als  die  letzten  Structurelemente  des  Organis- 
mus, als  „Elementarorgane"  betrachteten. 

Der  genannte  Forscher  begnügte  sich  damit,  die  Organisation 
des  Protoplasmas  aus  dessen  Functionen  zu  erschliessen,  ohne 
über  die  Structur  des  „lebenden  Zellenleibes"  eine  bestimmte 
Vorstellung  zu  formuliren,  wozu  aus  Mangel  au  thatsächlichen 
Kenntnissen  damals  alle  positiven  Anhaltspunkte  fehlten.  Hin- 
gegen betonte  Brücke,  dass  eine  selbst  noch  so  complicirte 
Molecularstructur  die  in  den  Zellen  sich  abspielenden  Lebens- 
vorgänge nicht  zu  erklären  im  Stande  wäre  und  räumt  die 
Möglichkeit  ein,  dass  die  Elementarorganismen  aus  organische 
Structur  besitzenden  Elementen,  aus  wahren  Elementarorganen 
zusammengesetzt  seien. 

In  der  Geschichte  dieses  schwierigen  Forschungsgebietes 
erblicken  wir  zwei  scharf  getrennte  Wege.  Der  eine  geht  von  den 
Schichtungsverhältnissen  der  vegetabilischen  Zellenmembran 
und  der  Stärkekörnchen  aus,  der  andere  sucht  durch  die  unmittel- 
bare Beobachtung  unterAnwendung  bestimmterMethoden  (Härtung, 
Färbung  etc.)  die  Structur  des  Protoplasmas  und  desZellkernes  auf- 
zufinden. Der  erstere,  bekanntlich  von  Nägeli  eingeschlagen, 
bewegt  sich  fast  gänzlich  auf  hypothetischem  Gebiete,  der 
letztere  steht  durchaus  auf  dem  Boden  der  Thatsachen.  Nägeli's 


1  .Sitzuns'sb.  d.  kais.  Ak.  d.  Wiss.  math.  iiat.  Cl.  Bd.  44  (1861)  II.  Abth. 
p.  381  ffd. 


Untersuchimg-en  über  tl.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhaut.  19 

Hypothese,  heute  allgemein  als  Micellartheorie  bekannt,  entstand 
etwa  gleichzeitig-  mit  Brücke's  „Elementarorganismen",  die 
Untersuchungen  über  die  Structuren  des  Protoplasmas  und  Zell- 
kernes gehören  bekanntlich  der  neuesten  Zeit  an. 

Nägeli  leitete  seine  Theorie  aus  dem  optischen  Verhalten 
der  Zellmembran  und  der  Stärkeköruchen  und  aus  jenen  Structur- 
eigenthümlichkeiten  ab,  welche  als  Schichtung  und  Streifung  der 
Zellwand  bekannt  sind.  Es  gelang  ihm,  durch  einige  einfache, 
mit  grossem  Scharfsinn  ersonnene  Annahmen  nicht  nur  die  Doppel- 
brechung der  genannten  Gebilde,  deren  Schichtung  und  Streifung 
n  höchst  einleuchtender  Weise,  sondern  auch  manche  physiolo- 
gisch wichtige  Erscheinung,  wie  z.B.  die  Quellung  der  Zellmembran 
zu  erklären  und  überhaupt  die  Structurverhältnisse  mit  den  damals 
bekannten  physiologiscben  Phänomenen  in  nahen  Zusammenhang 
und  —  von  einzelnen  zumeist  überseheneu  Thatsaclien  abge- 
sehen— in  eine  geradezu  imponirende  Übereinstimmung  zu  bringen. 

Nägeli's  Micellartheorie  geht  von  folgender  Annahme  aus: 
Die  vegetabilische  Zellmembran  besteht  aus  ausserordentlich 
kleinen,  niikroskopiscli  nicht  wahrnehmbaren  Molekülgruppen 
(Micellen.)  Dieselben  haben  die  Form  und  optischen  Eigen- 
schaften von  (nicht  tessularen)  Krystallen,  und  sind  nicht  imbibir- 
bar.  Absolut  trocken  gedachte  organisirte  Gebilde  bestehen  aus 
sich  berührenden  Micellen.  Da  die  Anziehung  der  Micelle  zum 
"Wasser  grösser  als  die  der  Micelle  untereinander  ange- 
nommen wird,  so  muss  das  in  die  organisirten  Gebilde  ein- 
dringende Wasser  die  Micelle  wie  ein  Keil  auseinander  treiben.  Je 
kleiner  die  Micellen  sind,  desto  grösser  werden  bei  der  Imbibi- 
tion die  sie  umhüllenden  Wasserschichten.  Damit  im  Zusammen- 
hange steht  die  Annahme,  dass  der  grösste  Querschnitt  der 
Wasserhülle  dem  kleinsten  Querschnitte  des  Micells  entspricht 
und  umgekehrt.  Da  die  Micelle  —  nach  einer  weiteren  Annahme 
Nägeli's  —  sich  während  des  Wachsthums  der  von  ihnen 
zusammengesetzten  Gebilde  selbst  vevgrössern,  so  müssen  die 
Schichten  der  Zellwand  in  späteren  Entwicklungsstadien  wasser- 
armer werden. 

Aus  der  Doppelbrechung  der  Micelle  leitet  Nägeli  die  Ani- 
sotropie der  Zellhäute  und  der  Stärkekörnchen  ab,  hingegen  aus 
der  Vertheilung  von    Micellen  und  Wasser  alle  im  Laufe  der 

2-- 


20  W  i  e  s  n  e  r, 

Entwicklung  und  in  den  verschiedensten  Verbältnissen  des- 
Lebens sieb  ergebenden  Erscheinungen  der  Aufnahme  und  Abgabe 
des  Wassers,  der  Schichtung  und  Streuung  der  Zellhäute^ 
beziehungsweise  der  Stärkekörnchen  u.  s.  w.  Dass  beispielsweise 
aus  Form  und  Lage  der  eine  Faser  zusammensetzenden  Micelle 
sich  die  starke  Quellung  in  der  Richtung  des  Querschnittes  und 
die  relativ  geringe  in  der  Richtung  der  Längsschnitte  erklären 
lässt,  leuchtet  ein. 

Die  Nägeli'sche  Lehre  hat  eine  fast  allgemeine  Anerkennung 
gefunden.  Der  bewundernswerthe  Scharfsinn,  mit  welchem  die- 
selbe construirt  und  die  strenge  Consequenz  der  Durchführung, 
welche  ihr  den  Charakter  einer  vollendeten  Theorie  aufdrückt, 
lassen  den  Erfolg,  welchen  dieselbe  errang,  begreiflich  erscheinen 
und  machen  es  verständlich,  dass  von  vielen  Seiten  die  so  spär- 
liche thatsächliche  Unterlage,  auf  welcher  die  Micellarhypothese 
gebaut  ist,  übersehen  worden  ist.  Und  auch  heute  noch  kann 
Nägel i's  Lehre  im  Gebiete  der  Botanik  als  herrschend  ange- 
sehenwerden, obwohl  manche  Erscheinung  in  viel  naturgemässerer 
Weise  erklärt  wird  und  manche  dieser  Lehre  zu  Grunde  liegende 
Annahme  zweifelhaft  geworden  oder  als  unhaltbar  sich  heraus- 
gestellt hat. 

So  vor  allem  der  krystallinische  Charakter  der  Micelle. 
Ich  habe  schon  vor  Jahren  die  Anisotropie  der  vegetabilischen 
Zellwand  aus  Spannungsunterschieden  abgeleitet  ^  Später  machte 
Ebner^  die  schwerwiegendsten  Argumente  gegen  den  Kry  stall - 
Charakter  der  Micelle  geltend  und  lieferte  den  Beweis,  dass  die 
Anisotropie  der  organischen  Gebilde  weder  auf  Interferenz  depo- 
larisirter  Strahlen  beruhe,  welche  beim  Durchgange  durch  optisch 
nicht  homogene  einfach  lichtbrechende  Körper  entstehen, 
noch  auf  krystallinische  Bescliaifenheit  zurückzuführen  sei, 
sondern  dass  dieselbe  von  nach  verschiedenen  Richtungen 
ungleichen  Spannungen  verursacht  werde,  von  Spannungen, 
welche  im  Lebenslaufe  des  Organismus  sich  vielfach  ändern 
und  die   auf  künstliche  Weise  geändert  werden  können. 


1  Elemente  der  Aii;itomie  und  Physiologie  der  Pflanzen  1.  Aufl.  p.  260. 
-  Ebner,    Untersuchungen    ülxu-    die    Ursachen     der    Anisotropie 
organischer  Substanzen.  Leipzig  1882. 


Untersuehuiigeii  über  d.  Orgcauisation  d.  vegetab.  Zellliaut.  21 

Auch  N.  J.  C.  Müller \  HöhneP  und  Strasburger^ 
haben  die  Annahme  der  krystalliuischen  Micelle  zur  Erklärung 
der  Doppelbrechung  der  Zellmembran  verworfen  und  fassen  das 
Zustandekommen  dieser  Erscheinung  im  Wesentlichen  in  gleicher 
Weise  wie  Ebner  und  ich  auf. 

Höhnel  führte  auch  die  Quellungserscheinungen  auf 
Spannungszustände  zurück,  nachdem  er  die  aus  der  Micellar- 
theorie  sich  ergebende  Erklärung  für  unzureichend  gefunden  hat. 

Diejenigen,  welche,  wie  Schmitz,  Höhnel  und  Andere, 
besonders  Strasburger,  dessen  Stellung  zur  Nägeli'schen 
Lehre  ich  später  im  Zusammenhange  erörtern  werde,  das  ge- 
sammte  Wachsthum  auf  Apposition  zurückführen,  leiten  die 
Schichtung  der  Zellwand  nicht  wie  Nägeli  aus  ungleichem 
Wassergehalt  ab,  sondern  führen  dasselbe  auf  successive 
erscheinende,  aus  dem  Protoplasma  entstehende  und  sich  gegen- 
seitig differenzirende  Ablagerungen  zurück. 

Seit  Jahren  vertreteich  die  Ansicht*,  dass  der  geschichtete  Bau 
der  Zellmembran  im  Wesentlichen  nicht  auf  einer  Wechsellagerung 
wasserarmer  und  wasserreicher  Schichten,  sondern  auf  vom 
Wassergehalt  unabhängiger  Ungleichheit  der  Schichten  im  Licht- 
brechungsvermögen beruhe,  welches  ungleiche  optische  Ver- 
halten wieder  auf  eine  Differenz  in  chemischer  Beziehung  zurück- 
zuführen sei.  Ich  stütze  mich  hiebei  auf  Thatsachen  zweierlei  Art. 
Erstlich  darauf,  dass  vollkommen  ausgetrocknete  Membranen  sich 
geschichtet  erweisen,  auf  welche  Thatsache  ich  in  den  unten 
folgenden  ., Untersuchungen"  noch  in  anderem  Zusammenhange 
zurückkomme,  sodann  auf  die  Hervorrufung  von  Schichtung  in 
Zellwänden  durch  Reagentien,  welche  weder  wasserentziehend 
noch  wasseranziehend  wirken,  z.  B.  Chromsäure,  welche  durch 
Oxydation  einzelne  Schichten  früher  angreift  als  andere  und 
dadurch  die  letzteren  deutlicher  macht. 


1  Handbuch  der  Botanik  I.  1880. 

2  Bot.  Zeitung  1882  p.  595  flfd. 

3  In  der  weiter  nuten  citirteu  Abhandlung  über  Bau  und  Wachsthum 
der  Zellhäute. 

i  Wiesner,  Elemente  der  Anatomie  und  Physiologie  der  Pflanzen, 
I.  Aufl.  p.  257  und  2G0. 


22  W  i  e  s  11  e  r, 

Näg'eli  hat  auf  diese  und  andere  seine  Mieellartheorie  be- 
treffenden Einwände  nicht  erwidert,  vielmehr  später  seine  Hypo- 
these mit  noch  grösserer  Bestimmtheit,  als  dies  früher  gelegent- 
lich geschah,  auf  alle  organisirten  Gebilde  ausgedehnt  und  sie 
zur  Grundlage  seiner  Abstammungslehre  gemacht  ^ 

Er  fasst  nämlich^,  indem  er  das  von  ihm  aufgestellte  Idio- 
plasma  (den  Träger  der  erblichen  Anlagen  des  Organismus) 
charakterisirt,  die  Grundlage  seiner  Theorie  in  folgende  Worte 
zusammen:  „Sie  (die  Structur  des  Idioplasmas)  ist  nur  einer 
bereits  feststehenden  analogen  Structur  anderer  organisirter 
Körper  nachgebildet.  Jeder  dieser  Körper  besteht  aus  krystalli- 
nischen  Micellen  (mikroskopisch  unsichtbaren,  aus  einer  grösseren 
oder  kleineren  Zahl  von  Molekülen  bestehenden  Kryställchen,  von 
denen  jedes  im  imbibirten  Zustande  mit  einer  Wasserhülle  um- 
geben ist)." 

Da  die  Micelle  nur  als  Molekülgruppen  zu  betrachten  sind^ 
und  von  Nägeli  auch  nur  dafür  ausgegeben  werden,  so  ist 
ersichtlich,  dass  nach  der  Auffassung  dieses  Forschers  dem 
Protoplasma,  dem  Zellkerne  und  der  Zellwand  ganz  direct  ein 
molecularer  Bau  zukömmt,  eine  Auffassung,  welche  den 
Ideen  Brücke's  über  die  Structur  der  Zelle  zuwiderläuft. 
Freilich  nimmt  auch  Brücke,  wie  sich  von  selbst  versteht,  gleich 
Nägel i  eine  molekulare  Structur  der  organisirten  Gebilde  an, 
wie  selbe  einer  Lösung,  einem  festen  amorphen  oder  krystallisirten 
Körper  zukömmt,  und  jedem  Körper  eigen  ist.  Diese  Structur 
trennt  er  aber  vollständig  von  der  Organisation,  einer  Structur, 
welche  nur  den  lebenden  Wesen  eigen  ist.  Der  Gegensatz  der 
beiderseitigen  Ansichten  spricht  sich,  wie  ich  glaube,  am  deutlich- 
sten in  folgender,  den  „Elementarorganismen'^  (p.  385)  entnom- 
menen Stelle  aus:  „Die  zusammengesetzten  Moleküle  der  organi- 
schen Verbindungen  sind  nur  die  Werkstücke,  die  nicht  in  ein- 
förmiger Weise,  eines  neben  dem  andern  aufgeschich- 
tet, sondern  zu  einem  lebenden  Baue  künstlich  zusammen- 
gefügt sind." 

1  Nägeli,  Mechiinisch-physiologischeTheorie  der  Abstamminigslehre. 
München  und  Leipzig  1884. 
-  1.  c.  p.  35. 
•"'  Vergl.  hierüber  u.  a.  Ebner.  1.  c.  p.  11. 


Uutersncliungen  über  d.  Organisation  d.  vfgetab.  Zellhant.  23 

Ehe  ich  einige  bisher  noch  nicht  gemachte,  aber,  wie  ich 
vielleicht  erwarten  darf,  nicht  unwesentliche  Einwände  gegen  die 
Nägeli'sche  Hypothese  vorbringe,  möchten  folgende  Bemer- 
kungen gerade  hier  am  Platze  sein. 

Erstlich,  dass  die  Micelle  Nägeli's  mehrfach  als  die  letzten 
organisirten  Bausteine  gehalten  worden  sind,  welche  etwa  den 
von  Brücke  vorausgesetzten  oder  doch  zugegebenen  eigent- 
lichen Elementarorganen  entsprechen.  Es  ist  aber  schon  gesagt 
worden,  dass  zwischen  Molekülgruppen  und  Micellen  kein 
wesentlicher  Unterschied  bestehe.  Auch  schliesst  schon  die  An- 
nahme Nägeli's,  dass  die  Micelle  für  Wasser  undurchdringlich 
seien,  deren  organische  Structur  aus. 

Sodann  möchte  ich  hier  hervorheben,  dass  Nägeli's 
Micellartheorie,  so  sehr  sie  auf  botanischem  Gebiete  Anklang 
gefunden,  im  Bereiche  der  zoologischen  Forschung  ohne  Wirkung 
geblieben  ist.  In  Flemming's  bekanntem  Werke  über  Zell- 
substanz* wird  die  Nägeli'sche  Theorie  nicht  erwähnt,  obwohl 
dieses  Werk  die  bis  dahin  bekannten  Versuche,  die  feinsten 
Structurverhältnisse  der  Zellsubstanz  aufzufinden,  am  ausführlich- 
sten schildert  und  unter  allen  hierauf  bezüglichen  Arbeiten  am 
meisten  gefördert  hat.  Auch  in  anderen,  den  genannten  Gegen- 
stand betreffenden  Schriften  finde  ich  kein  oder  doch  kein 
näheres  Eingehen  auf  die  Nägeli'schen  Ideen  ^.  Eine  Annäherung 
an  Nägeli's  Vorstellungen  über  micellaren  Bau  liegt  in 
Rauber's  ^  Auffassung  der  Zellstructur,  welche  letztere  auf  einen 
radialconcentrischen  Typus  zurückzuführen  sei,  einen  Typus, 
nach  welchem  die  Stärkekörnchen  gebaut  sind*.  Obgleich   nun 


1  Leipzig  1882. 

-  Mit  Ansnahme  einer  Schrift,  die  ich  nur  aus  einer  Stelle  in  Ebner 's 
Werk  (1.  c.  p.  9.;  kenne,  wo  es  heisst,  dass  Bernstein  (Über  die  Kräfte 
der  lebenden  Materie,  Universitätsschrift,  Halle  1880)  die  Ansichten 
Nägeli's  auf  den  Bau  des  thierischen  Körpers  übertragen  habe,  und  als 
Ursache  der  Doppelbrechung  thierischer  Gewebe  Krj'^stallmoleküle  voraus- 
setze. Eine  ähnliche  Voraussetzung  machen  Wundt  (Lehrbuch  der  Physio- 
logie des  Menschen  2.  Aufl.  p.  55)  und  Ranke  (Grundzüge  der  Physiologie 
2.  Aufl.  p.  65.)  Vrgl.  auch  Eb  n  er,  1.  c.  p.  233  und  fifd. 

3    Thier  und  Pflanze,  Leipzig  1881,  p.  7. 

1  Xägeli,  Abstammungslehre  p.  35. 


24  W  i  c  s  11  u  r. 

Raub  er  die  auf  Zellstructur  und  Waclisthum  bezugnehmende 
botanische  Literatur  kennt,  so  beruft  er  sich  bei  Aufstellung 
seiner  Lehre  über  den  radial-coucentrischen  Bau  der  thierischen 
Gebilde  nicht  auf  Kägeli,  woraus  vielleicht  hervorzugehen 
scheint,  dass  er  der  Nägeli'schen  Micellartheorie  nicht  zustimmt. 

Hingegen  sind  Brücke's  Ideen  über  die  Organisation  der 
Zelle  bei  denjenigen,  welche  die  thierischen  Gewebe  zum  Gegen- 
stand ilirer  Forschungen  gemacht  haben,  unvergessen  geblieben 
und  bilden  in  mancher  wichtigen  Abhandlung  den  Ausgangspunkt 
der  Untersuchung  \ 

Es  sind  also  die  theoretischen  Grundanschauungen  in  Betreff 
der  Innern  Structur  der  Organismen  bei  Zoologen  und  Botanikern 
getheilt.  Indess  beginnt  jetzt  ein  Umschwung  einzutreten,  seit- 
dem nämlich  auch  von  Seite  der  Botaniker  in  den  Fragen  der 
Structur  der  einzig  richtige  Weg,  nämlich  der  der  Beobachtung 
eingeschlagen  wird.  Angeregt  durch  die  Zoologen,  studiren 
gegenwärtig  die  Botaniker  die  Structurverhältuisse  des  Zell- 
kernes und  des  Protoplasmas  an  der  Hand  der  Beobachtung  und 
beide  sind  bezüglich  des  feineren  Aufbaues  dieser  Zellbestand- 
theile  zu  im  Wesentlichen  übereinstimmenden  Besultatcn  ge- 
kommen. — 

Die  wichtigsten  Einwände,  welche  gegen  die  Nägeli'sche 
Lehre  erhoben  werden  können,  scheinen  mir  aber  die  folgenden 
zu  sein. 

Die  von  Nägel i  gemachten  Annahmen  waren  zur  Erklärung 
einiger  ganz  einfachen  Verhältnisse  berechnet:  es  handelte  sich 
ja  nur  darum,  die  Schichtung,  die  Streifung,  die  Quellung  und 
Doppelbrechung  der  Zellwände,  beziehungsweise  der  Stärke- 
körner zu  erklären;  dies  ist  ja  seinerzeit  gelungen  und  es  hat 
die  Micellarlehre  für  jene,  die  bloss  auf  die  genannten  Ver- 
hältnisse Rücksicht  nehmen,  auch  heute  noch  eine  gewisse  Be- 
rechtigung. Allein  es  handelt  sich  gegenwärtig  um  die  Verdeut- 
lichung, wo  möglich  Erklärung  viel  wichtigerer  und  schwierigerer 
Verhältnisse  der  Zellwand,  um  jene  Vorgänge,  die  die  Zellwand 
zu  einem  lebenden  Organismus  stempeln,  vor  Allem  um  die 
Organisationsveränderungen    und      chemischen     Umbildungen, 


1  Vgl.  beispielweise  Fl(nuiniug-,  1.  c.  p.  11. 


Untcrsuchnugen  übi-r  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhaut.  25 

welche  das  Wachsthum  bedingen  und  begleiten,  durchaus  Yer- 
bältuisse,  für  deren  ungezwungene  und  naturgemässe  Erklärung 
w4r  in  Nägeli's  Annahmen  keine  Stütze  finden. 

Die  Micellarhypothese  setzt  eine  gewisse  Homogenität  der 
Zellhaut  voraus,  eine  Gleichartigkeit  des  Gefüges,  die  eben  noch  mit 
der  Schichtung  und  Streifung  verträglich  ist.  Nim  haben  aber  die 
durch  T  a  n  g  l's  wichtige  Entdeckung  eingeleiteten  Untersuchungen 
über  die  Continuität  des  Protoplasmas  benachbarter  Zellen  ge- 
lehrt, dass  neben  den  starren  Wandbestandtheilen  Protoplasma- 
züge die  Haut  der  Pflanzenzelle  durchsetzen.  Die  Structur  der 
Zellwand  muss  infolge  dessen  weit  inhomogener  sein,  als  mit 
der  Micellartheorie  vereinbar  ist. 

Ich  werde  in  dieser  Abhandlung  mehrfache  thatsächliche 
Belege  für  die  Auffassung,  dass  in  der  wachsenden  Zellwand  stets 
Protoplasma  vorhanden  sein  muss,  anführen  und  werde  zeigen 
können,  dass  nicht  nur  dieOrganisatiousänderungen  in  derZellbaut 
unter  der  Annahme  lebenden  Protoplasmas  inmitten  derselben 
verständlicher  werden,  sondern  auch  die  chemischen  Verhältnisse, 
auf  welche  die  Nägeli'sche  Theorie  keine  Rücksicht  nimmt 
und  die,  sofern  sie  mit  der  Structur  der  Zellhaut  in  Zusammen- 
hange stehen,  überhaupt  bisher  nicht  genügend  gewürdigt  wor- 
den sind. 

Nach  beiden  hier  angedeuteten  Richtungen  ist  mir  die 
Tangl'sche  Entdeckung  über  die  Communication  des  Proto- 
plasmas benachbarter  Zellen  von  Wichtigkeit  geworden.  Man  hat 
diese  nunmehr  im  Pflanzenreiche  so  vielfach  bestätigte  Entdeckung 
bisher  nur  unter  jenem  Gesichtspunkte  betrachtet,  von  welchem 
Tang]  selbst  sich  leiten  Hess,  und  den  zu  unterschätzen  ich 
weit  entfernt  bin.  Man  betrachtete  den  Durchgang  des  Proto- 
plasmas durch  die  Wand  nur  als  ein  Verhältniss,  welches  den 
Zusammenhang  benachbarter  Zellen  beeinflusst;  dass  man  unter 
diesem  Gesichtspunkte  eine  viel  naturgemässere  Vorstellung  über 
Reizfortpflanzung  und  ähnliche  physiologische  Vorgänge  erhielt, 
halte  ich  für  einen  hohen  Gewinn. 

Ich  habe  nun  Tan  gl 's  Entdeckung  von  einem  ganz  anderen 
Gesichtspunkte  aus  betrachtet:  ich  frug  mich,  was  hat  die  An- 
wesenheit des  Protoplasmas  in  der  W^and  für  die  Organisations- 
verhältnisse derselben,  ferner  für  ihren  Chemismus  zu  bedeuten? 


26  Wiesuer, 

Diese  Frag-estellung-  in  Vei-binduug  mit  einer  vorher  schon  auf 
analytischem  Wege  gemachten  Auffindung',  dem  Vorhandensein 
kleiner  individualisirter  Hautkörperchen,  auf  die  ich  noch  in 
dieser  Einleitung  zu  sprechen  kommen  werde,  waren  die  Ver- 
anlassung, meine  vor  langer  Zeit  begonnenen  Untersuchungen 
über  die  feineren  Structurverhältnisse  der  vegetabilischen  Zell- 
wand wieder  aufzunehmen. 

Ich  muss  noch  einer  wichtigen,  die  Structur  der  Zellhäute 
betreffenden  Untersuchung  Erwähnung  thun  aus  zweierlei  Grün- 
den: erstlich  weil  ich  deren  Verhältniss  zu  Brücke  und  Nägel i 
zu  beleuchten  für  nöthig  finde,  und  zweitens,  weil  ich  mich  auf 
dieselbe  in  dieser  Abhandlung  mehrfach  beziehen  werde. 

Ich  meine  die  umfassenden  Untersuchungen,  welche  in 
neuerer  Zeit  Strasburger  ,,tiber  den  Bau  und  über  das  Wachs- 
thum  der  Zellhäute"  ^  veröffentlichte. 

Strasburger  steht  in  einer  das  Wesen  der  organischen 
Structur  betreffenden  Hauptfrage  auf  dem  Standpunkte  Nägeli's; 
auch  er  sucht  eine  Förderung-  unserer  Anschauungen  über  die 
Leistungen  des  Organismus  in  der  Aufstellungeiner  Hypothese  über 
die  Molecular  structur  der  organisirten  Gebilde.  Aber  seine  Vor- 
stellung über  den  molekularen  Bau  der  Organismen  ist  eine  von 
der  Nägel i 'sehen  vollkommen  verschiedene. 

Nägeli  fuhrt  den  Aufbau  der  Organismen  auf  lose,  aber 
in  bestimmter  regelmässiger  Anordnung  nebeneinander  liegende 
Molekülgruppen  (Micelle)  zurück.  Strasburger  hingegen  nimmt 
eine  specifische  Verkettung-  der  Substanzmoleküle  —  eine 
netzartige  Vereinigung  —  an  und  spricht  sehr  bestimmt  die 
Meinung  aus,  dass  diese  Vereinigung  der  Moleküle  nicht  etwa  eine 
Eigenthümlichkeit  der  colloidalen  Substanzen,  sondern  eine 
specifisclie  Eigenthümlichkeit  der  lebenden  Gebilde  ist.  „Organi- 
sirt  ist  für  mich  ein  CoUoid  erst  dann,  wenn  es  eine  durch  die 
specifische  Thätigkeit  des  Organismus  bedingte  Structur  besitzt.-^ 

Durch  diese  Äusserung  setzt  sich  aber  Strasburger  in 
bestimmten  Gegensatz  zu  jenen  Forschern,  welche,  wie  z.  B. 
Pfeffer-^,    gar    kein    Unterschied    zwischen    „organisirt"     und 

1  Jena  1882. 

-  Strasbu  rgei-,  1.  c.  p.  218. 

3  Osmot.  Unters,  p.  151  und  Pflanzenphysiologie.  p.  13. 


Untersuchuügen  über  d.  Organisation  cl.  vegetab.  Zellhaut.  27 

„quellung'sfähig-"  zulassen.  Diese  Identifieinmg'  der  org'anisirten 
mit  der  eolloidaleu  Substanz  scheint  mir  der  schärfste  Ausdruck 
für  die  Käg-eli'sche  Grundauffassung  der  Organisation  zu  sein, 
und  man  wird,  indem  man  von  hier  aus  den  Vergleich  zwischen 
dieses  Forschers  und  S  trasburger's  Ansicht  unternimmt,  wohl 
zugeben,  dass  letzterer  sich  mehr  der  Grundauffassung  Brücke's 
als  jener  Nägel i 's  hinneigt. 

Die  Untersuchungen  Strasburger's  haben  noch  einen 
anderen  grossen  Vorzug:  sie  bringen  die  über  die  Structur  des 
Protoplasmas  und  Zellkernes  erworbenen  Kenntnisse  mit  den  Zell- 
wandstudien in  Verbindung  und  versuchen  mehrfach  die  Structur 
der  Zellmembran  aus  jener  des  Protoplasmas  entwicklungs- 
geschichtlich abzuleiten. 

Strasburg  er  bew^eist,  dass  das  Protoplasma  direct  die 
Wand  erzeugt  und  nicht  etwa  bloss  ausscheidet,  er  zeigt,  dass 
die  erste  Anlage  der  Haut  selbst  ein  Protoplasmagebilde  ist. 
Gerade  diese  bedeutungsvolle  Entdeckung,  welche  mit  der  be- 
kannten von  Pringsh  ei  m  herrührenden  Darstellung  der  Zellhaut- 
entwicklung aus  dem  Protoplasma  mehrfach  im  Einklänge  steht, 
ist  für  meine  Studien  über  die  Organisation  der  Zellwand  von 
Wichtigkeit  geworden. 

Auch  Strasburger  führt  die  Doppelbrechung  der  Zell- 
häute und  Stärkekörnchen  auf  Spannungsverhältnisse  zurück  und 
bestreitet  den  krystallinischen  Charakter  der  den  Micellen  ent- 
sprechenden Formtheilchen. 

Die  Schichtung  der  Zellhäute  und  Stärkekörnehen  wird  von 
Strasburger  auf  reines  Appositionswachsthum,  also  auf 
eine  successive  Substanzanlagerung  vom  Protoplasma  her  durch 
Umwandlung  von  Protoplasmasubstanz  (Mikrosomen  etc.)  in 
Hautbestandtheile  zurückgeführt,  eine  Auffassung,  welche  nicht 
nur  der  Micellarhypothese  Nägeli's  zuwiderläuft,  sondern  auch 
im  Widerspruche  mit  der  von  den  letztgenannten  Forschern 
begründeten  Lehre  vom  Wachsthum  der  organisirten  Gebilde 
durch  Intussusception  steht. 

Während  ich  bezüglich  des  Zustandekommens  der  Doppel- 
brechung der  Zellwand  mich  mit  Strasburger  in  Überein- 
stimmung finde,  gelange  ich  sowohl,  was  das  Wachsthum  der 
Zellhaut    als  das  Zustandekommen    der  Schichten   anlangt,   zu 


28  W  i  e  s  n  e  r, 

Resultateu,  welche  ebensowohl  von  seiueu  als  von  jenen  Käg-eli's 
abweichen. 

Dagegen  stimme  ich  mit  Strasburger's  Auffassung  in 
Bezug  auf  das  Zustandekommen  der  Streifung  Uberein.  Gleich 
ihm  betrachte  ich  die  Streifen  als  schraubig  angeordnete  Fäden. 

Indem  ich  hier  andeute,  dass  nacli  meinen  Untersucliung-en 
die  Streifen  der  Hauptsache  nach  aus  kleinen,  mikroskopisch 
nachweisbaren  Körperchen  (Dermatosomen)  bestehen,  aber  auch 
die  Schichten  aus  diesen  Hautkörperchen  sich  zusammensetzen, 
komme  ich  zu  dem  Ausgangspunkte  meiner  Untersuchung, 

Ich  legte  mir  die  Frage  vor,  ob  es  nicht  auf  analytischem 
Wege  gelingen  könnte,  die  Haut  in  feinere  Elemente  zu  zerlegen, 
wie  es  gelungen  ist,  auf  diesem  Wege  die  Gewebe  in  Zellen  zu 
theilen. 

Nach  langwierigen  Untersuchungen  fand  ich  mehrere 
Methoden,  welche  die  Nachweisung  von  mikroskopisch  erkenn- 
baren individualisirten  Hautkörperchen  ermöglichten. 

Aber  erst  durch  die  Verbindung  dieser  Thatsache  mit  den 
früher  genannten  Entdeckungen  Strasburger's  und  Tangl's 
wurde  ich  in  den  Stand  gesetzt,  eine  naturgemässe  Vorstellung 
über  die  Organisation  der  Zellwand  entwickeln  zu  können. 

Um  diese  letztere,  um  die  organische  Structur  und  nicht  um 
den  molekularen  Bau  der  Zellhaut  wird  es  sich  in  den  folgenden 
Blättern  handeln.  Bezüglich  der  ersteren  tinden  sich  in  den 
umfassenden  Untersuchungen  Nage li 's  die  sorgfältigsten  Beob- 
achtungen, namentlich  über  Schichtung  und  Streifung,  auf  die 
man  wohl  immer  wird  zurückgreifen  müssen,  wenn  es  sich  um 
das  Studium  der  Zellwandstructur  handelt.  Auch  meine  ich,  dass 
die  tiefe  speculative  Behandlung,  w^elche  dieser  grosse  Forscher 
den  organisirten  Gebilden  in  seiner  Micellartheorie  angedeiheu 
Hess,  vieles  hervorgebracht  hat,  was  in  späterer  Zeit,  w^enn  die 
Frage  über  den  molekularen  Bau  der  Organismen  mit  Aussicht  auf 
Erfolg  wird  in  die  Hand  genommen  werden  können,  Verwerthung 
finden  wird. 


Untersuchung-eu  über  d.  Orgauisatiou  d.  vegetab.  Zellhaut.  29 

Untersuchungen. 

I.  Zusammensetzung   der  vegetabilischen  Zellhaut  aus  mikrosko- 
pisch nachweislichen  Elementarkörperchen  (Dermatosomen). 

a)  Z  e  r  s  t  ä  ii  Ij  u  n  g  s  v  e  r  s  u  c  b  e. 

3Ieine  ersten  Versuche,  die  Zellwand  iu  feinere  als  in  die 
bis  jetzt  bekannten  organisirten  Bestandtheile  zu  zerlegen^  knü- 
pfen an  eine  mit  glücklichem  Erfolge  angewendete  Fabrications- 
methode  au,  welche  den  Zweck  hat,  vegetabilische  Verunreini- 
gungen aus  Thierwolle  und  daraus  erzeugten  Webeproducten 
zu  entfernen,  ohne  die  animalische  Faser  anzugreifen. 

Die  vegetabilische  Faser  zerfällt  bei  dieser  gleich  näher  zu 
beschreibenden  Procedur  durch  leiseste  Berührung  in  eine  über 
aus  feine  Masse.  Ich  hoffte,  durch  dieses  Verfahren  die  Zellwand, 
weiter  als  dies  bisher  geschehen  war,  zerlegen  zu  können. 

Die  Methode,  von  welcher  die  Rede  sein  wird,  ist  in  der 
Praxis  als  „Carbonisirung"  (auch  „Entklettung-',  „epaillage)" 
bekannt.  Sie  besteht  in  Folgendem:  Die  zu  „entklettende"  Wolle 
wird  mit  etwa  zweiprocentiger  Salz-  oder  .Schwefelsäure  (auch 
andere  Substanzen  werden  verwendet)  behandelt,  die  adhärirende 
Flüssigkeit  durch  Abpressen  oder  Centrifugiren  entfernt  und  die 
feuchte  Masse  auf  etwa  60  bis  70°  C.  bis  zur  völligen  Ein- 
trocknung erhitzt.  Die  Thierfaser  bleibt  wenigstens  anscheinend 
intact;  hingegen  zerstäubt  Alles,  was  vegetabilischen  Ursprungs 
ist,  und  lässt  sich  durch  Waschen  mit  Wasser  und  geringe 
mechanische  Bearbeitung  beseitigen. 

Ich  habe  der  Carbonisirungsmethode  *  schon  vor  Jahren 
meine  Aufmerksamkeit  zugewandt,  vornehmlich  um  eine  merk- 
würdige Eigenschaft  der  vegetabilischen  Gewebe  näher  kennen 
zu  lernen,  welche  den  Botanikern  unbekannt  geblieben  war.    Es 


1  Der  Ausdruck  „Carbonisiruug-'  rührt  davon  her,  dass  im  Fabri- 
cationsbetriebe  die  Temperatur,  bei  welcher  die  Zerstörung  der  vegetabili- 
schen Faser  vorgenommen  wird,  oft  bis  zu  Graden  (65°  C.  und  darüber)« 
steigt,  bei  welchen  die  Pflanzentheile  ein  kohliges  Aussehen  annehmen 
Ich  nehme  die  sogenannte  Carbonisirnng  stets  bei  relativ  niederer  Tem. 
peratur  vor,  wobei  die  zerstäubte  Faser  in  der  Färbung  keine  Änderung 
erfährt.  Es  bildet  beispielsweise  eine  nach  meiner  Methode  carbonisirte  Baum- 
wolle ein  schneeweisses  Pulver. 


30  W  i  e  s  u  e  r, 

gelang-  mir  zu  zeigen,  dass  die  vegetabilische  Faser  ihren  Zu- 
sammenhang einhüsst,  während  die  animalische  keine  Ande- 
rimg erfährt  oder  bei  sorgfältiger  Durchführung  der  Methode 
sogar  an  absoluter  Festigkeit  gewinnt  ^  Um  der  Auffassung, 
als  würde  diese  Methode  den  Zweck  haben,  die  Faser  zu  humi- 
ficiren  oder  gar  in  Kohle  zu  verwandeln,  vorzubeugen,  will  ich 
dieselbe  im  Nachfolgenden  als  Zerstäubungsmethode  bezeichnen. 

Ich  habe  schon  bei  den  damals  durchgeführten  Unter- 
suchungen darauf  hingewiesen,  dass  die  verschiedenen  vegeta- 
bilischen Gewebe  dem  Zerstäubungsverfahren  gegenüber  ein 
verschiedenes  Verhalten  darbieten.  Ich  zeigte,  dass  aus  reiner 
(oder  nahezu  reiner)  Cellulose  bestehende  Gewebe,  ferner  alle 
verholzten  Gewebsbestandtheile,  durch  die  Carbonisirung  zerstört 
werden,  hingegen  die  peridermatischen  Gewebe  (z.  B.  der  Kork) 
hierbei  keinerlei  sichtliche  Veränderung  erleidend 

Zur  Zerstäubung  der  Gewebe  benütze  ich  Salzsäure,  und 
zwar  einprocentige,  da  eine  so  schwache  Säure  zur  Durchführung 
des  Verfahrens  ausreicht.  Wie  ich  finde,  kann  selbst  mit  einer 
halbprocentigen  Salzsäure  carbonisirt  werden,  nur  ist  längere 
Einwirkung  und  wenn  man  rasch  zerstäuben  will,  eine  relativ 
hohe  Trocknungstemperatur  erforderlich.  Hochprocentige  Salz- 
säure, z.  B.  die  gewöhnliche  Salzsäure  der  Laboratorien,  welche 
15  bis  22  Procent  reine  HCl  enthält,  sollte  für  unsere  Zwecke 
nicht  angewendet  werden,  da  dieselbe  auch  andere  Wirkungen 
im  Gefolge  hat. 

Versuche  mit  Leinenfaser.  Wird  diese  Bastfaser  in 
eiuprocentiger  Salzsäure  durch  24  Stunden  liegen  gelassen,  sodann 
von  der  adhärireuden  Flüssigkeit  befreit  und  hierauf  solange 
bei  50  bis  G0°  C.  erwärmt,  bis  die  Substanz  völlig  trocken 
geworden  ist,  was  bei  Anwendung  kleiner  Fasermengen  schon 
nach  30  bis  50  Minuten  erreicht  ist,  so  zerstäubt  die  Faser, 
lässt  sich  beispielsweise  zwischen  den  Fingern  selbst  durch  leisen 
Druck  in  ein  überaus  feines  Pulver  zerreiben. 


1  Näheres  hierüber  .siehe  Wies n er,  über  das  Verhalten  der  vegeta- 
bilischen nnd  animalischen  Faser  beim  Carbonisiren  der  Wolle  und  des 
Tuches,  in  Dinglev's  polytechn.  Journal  Bd.  (187ü),  p.  454  ffd. 

'■i  I.  c.  p.  457. 


Untersuohuügen  über  a.  Organiscltion  <1.  vegetab.  Zellhaut.  31 

Trockuet  man  die  Faser  in  unverändertem  Zustande  bei  50 
bis  60°  C,  ja  sogar  bei  100°,  so  lässt  sie  bezüglich  ihres  Zu- 
sammenhangs keine  Veränderung  bemerken.  Wird  sie  hingegen 
nach  24  stündigem  Liegen  in  einprocentiger  Salzsäure  an  der 
Luft  bei  mittlerer  Temperatur  sich  selbst  überlassen,  so  wird  sie 
brüchig.  Lässt  man  sie  2  bis  3  Tage  in  einprocentiger  Salzsäure, 
so  zerstäubt  sie  nach  der  Trocknung  wie  eine  regelrecht  carboni- 
sirte  vegetabilische  Substanz,  woraus  sich  ergibt,  dass  die 
verdünnte  Säure  allein  den  Zerfall  der  Faser  zu  bewirken  im 
Stande  ist,  dass  aber  erhöhte  Temperatur  den  Process  be- 
schleunigt. 

Ähnliches  gilt  bezüglich  aller  anderen  durch  unsere  Methode 
zum  Zerfall  zu  bringenden  vegetabilischen  Gewebe.  Manche 
erfordern  eine  höhere  als  die  zum  Zerfallen  der  Leinenfaser 
nöthige  Temperatur,  um  innerhalb  der  genannten  Zeit  zu  zer- 
stäuben, z.  B.  die  Baumwolle,  welche  nach  24stündigem  Liegen 
in  einprocentiger  Salzsäure  bei  50  bis  60  °  C.  nur  unvollständig, 
hingegen  bei  60  bis  65  °  C.  vollständig  zerstäubt. 

Durch  längere  Einwirkung  der  Salzsäure,  Erwärmen  bei 
höherer  Temperatur,  beziehungsweise  länger  andauerndes  Aus- 
trocknenlassen bei  gewöhnlicher  Temperatur  hat  man  es  in 
seiner  Gewalt,  viele  vegetabilische  Gewebsarten  nach  unserem 
Verfahren  zur  vollständigen  Zerstäubung  zu  bringen. 

Nach  meinen  bisherigen  Erfahrungen  lassen  sich  durch 
Carbonisirimg  leicht  zerstäuben:  verholzte  und  uuverholzte  Paren- 
chyme  (HoUundermnrk,  Kartoffelparenchym  etc.\  Bastzellen,  und 
zwar  sowohl  verholzte  (z.  B.  Jutefaser)  als  unverholzte  oder  sehr 
schwach  verholzte  (z.  B.  Leinen-  und  Hanffaser),  Holzgewebe 
(Tanne,  Fichte,  Föhre,  Linde  etc.),  alle  Arten  von  Meristemen  und 
jugendlichen  Geweben. 

Sehr  dickwandige  unverholzte  Gewebe,  wie  z.  B.  das  Endo- 
sperm  von  Phytelephas,  können  auf  die  angegebene  Weise  nicht 
zerstäubt  werden.  Erst  nach  monatelanger  Einwirkung  der  Salz- 
säuie  gelingt,  nachdem  die  Zellen  sich  von  einander  losgelöst, 
haben,  oder  durch  leisen  Druck  von  einander  entfernt  werden 
können,  die  Zerfälhmg  bei  50  bis  60  °  C. 

Hingegen  konnte  selbst  nach  monatelanger  Einwirkung  von 
einprocentiger    Salzsäure     auf   Pilzgewebe    (Fruchtkörper    von 


o^  W  1  e  s  n  c  r, 

Polijponis  f'omenlarinii  und  andere  PolyporKS- Arten,  Daedulea 
quercina  etc.)  und  auf  Periderm  (gewöhnlicher  Kork,  Periderm 
der  Kartoffel,  Korkhäiite  ausdauernder  Spiraea-kxiew  etc.) 
durch  das  Zerstäubungsverfahren  kein  merklicher  Erfolg  erzielt 
werden. 

Die  zu  Staub  gewordene  Masse  besteht  aus  kleinen  Frag- 
menten, welche,  sofern  sie  aus  faserförmigeu  Elementen  hervor- 
gegangen sind,  bestimmt  orientirte  Bruchflächen  aufweisen;  hin- 
gegen haben  die  durch  den  Zerfall  von  Parenchymzellen  ent- 
standenen Bruchstücke  eine  unregelmässige  Begrenzung. 

Die  Bruchflächen  der  untersuchten  Bastfasern  (Lein-,  Hanf-, 
Jutefaser  etc.)  stehen  zur  Zellaxe  genau  oder  nahezu  senk- 
recht. Die  Bruchfläche  ist  entweder  eben  oder  staffeiförmig 
(häufig  bei  der  Hanfl)astzelle  zu  sehen)  und  setzt  sich  dann  theils 
aus  zur  Zellaxe  senkrechten,  theils  zu  dieser  parallelen  Flächen 
zusammen.  Die  Fragmente  sind  oft  von  zahlreichen,  manchmal 
dichtgedrängt  liegenden,  zur  Zellaxe  senkrechten  Querlinien 
durchzogen.  Auch  die  untersuchten  Holzfasern  (Tracheideu) 
bieten  ein  ähnliches  Bild  dar;  doch  sieht  man  nicht  selten  neben 
quergebrochenen  Fasern  auch  solche,  welche  stellenweise  schief 
gebrochen  sind.  Hingegen  bieten  die  Bruchflächen  der  zerstäub- 
ten Baumwollenfasern  ein  anderes  Bild  dar.  Sehr  häufig  laufen 
die  Bruchflächen  schief  von  der  natürlichen  Grenzfläche  ab 
und  schneiden  sich  dann  meist  unter  nahezu  rechten  Winkeln. 
Manchmal  scheint  die  Bruchfläche  quer  zu  liegen ;  sie  hat  dann, 
wie  genauere  mikroskopische  Untersuchung  lehrt,  eine  Zickzack- 
gestalt uud  die  kleinen  Bruchflächen  sind  so  wie  die  früher 
genannten  Bruchflächen  orientirt.  Die  wahren  Bruchfiächen  der. 
carbonisirten  Baumwollefaser  stehen  schief  (häufig  unter  45°) 
zur  Axe. 

Nur  selten  findet  sich  eine  andere  Anordnung  der  Bruchfläche 
vor,  namentlich  bei  stark  verdickter  Faser. 

Aus  diesen  Beobachtungen  ist  zu  ersehen,  dass  in  den  unter- 
suchten Bastzellen  der  Zusammenhang  der  Theilchen  durch  das 
Zerstäubungsverfahren  fast  ausschliesslich  in  querer  Eichtung 
gelöst  wurde,  in  den  untersuchten  Trachciden  vorwiegend  in  zur 
Zellaxe  senkrechten,  aber  auch  in  schiefer  (derStreifungparalleler) 
Eichtung,  hingegen  in  der  Baumwollenfaser  fast  ausschliesslich 


Untersuchungen  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhaut.  oo 

in  schiefer  Richtung-,  welche  gleichfalls  jener  der  Streifung  der 
Zelle  entspricht. 

Bei  ein-  oder  zweimaliger  Wiederholung  des  Zerstäuhungs- 
verfahrens  an  einem  und  demselben  Objecte  schreitet  der  Zerfall 
doch  nur  in  dem  angegebenen  Sinne  fort.  Wird  dieses  A^erfahren 
an  einem  und  demselben  Objecte  oftmals  wiederholt,  so  treten 
nach  und  nach  auch  andere  Trennungen  ein,  ähnlich  jenen,  welche 
Chlorwasser  hervorbringt  und  die  weiter  unten  eingehend  be- 
schrieben sind.  Da  aber  bei  wiederholt  angewendetem  Zer- 
stäub ungsverfahren  die  Theilungen  der  Zellmembranen  nicht 
in  so  reiner  Form  sich  vollziehen,  wie  bei  Anwendung  von  Chlor- 
wasser, so  will  ich  die  diesbezüglichen  Versuche  nicht  näher 
beschreiben. 

Anscheinend  geht  in  den  dem  Zerstäubungsveifahren  unter- 
worfenen Geweben  keine  chemische  Veränderung  vor  sich.  Die 
unverholzten  Zellwände  reagiren  gegen  Jodpräparate  und  Kupfer- 
oxydammoniak wie  Cellulose,  die  verholzten  geben  mit  schwefel- 
saurem Anilin,  ferner  mit  Phloroglucin  und  Salzsäure  die  be- 
kannten Holzstoffreactionen  und  nach  Beseitigimg  der  sogenann- 
ten Holzsubstanz  die  Cellulosereactionen. 

Dennoch  ruft  das  Zerstäubungsverfahren  tiefgreifende 
chemische  Veränderungen  in  den  Zellmembranen  hervor. 

Einige  hierauf  bezügliche  Untersuchungen  hat  auf  meine 
Veranlassung  Herr  Fridolin  Krasser  ausgeführt.  Ich  theile  aus 
seinen  Aufzeichnungen  Folgendes  mit. 

Schwedisches  Filterpapier,  welches  sich  bei  der  mikrosko- 
pischen Untersuchung  als  reine  Baumwollenmasse  erwies,  wurde 
durch  mehrere  Stunden  in  destillirtem  Wasser  gekocht.  Es  gab 
in  der  ersten  Zeit  eine  Spur  löslicher  Substanz  ab,  später  nichts. 
Die  so  vorbehandelte  Masse  wurde  bei  100°  getrocknet,  bis  kein 
Gewichtsverlust  stattfand.  Etwa  5  Grm.  dieser  Substanz  wurden 
mit  einprocentiger  Salzsäure  bei  60  bis  65  °  C.  der  Zerstäubung 
unterworfen.  Die  zerstäubte  Masse  war  schneeweiss.  Sie  wnirde 
mit  destillirtem  Wasser  so  lange  ausgekocht,  bis  keine  Substanz 
mehr  in  Lösung  ging.  Sowohl  die  extrahirte  Substanz  als  die  rück- 
ständige Faser  wurde  getrocknet  und  gew^ogen.  Die  Menge  der 
extrahirten  Substanz  betrug  13-- 12  Procent.  In  derselben  Hess  sich 
durch  die  Fehling'sche  Probe  reducirender  Zucker  nachweisen. 

Sitzb.  rt.  mathera.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bfi.  I.  Abth.  3 


34 


W  i  e  s  n  e  r. 


Ein  ähnlicher  Versuch  wurde  mit  reinem  Leinenzwirn  ge- 
macht, welcher  früher  durch  Auskochen  von  allen  in  Wasser  lös- 
lichen Bestandtheilen  befreit  worden  war.  Die  Carbonisirung 
geschah  gleichfalls  mit  einprocentiger  Salzsäure,  aber  bei  einer 
Temperatur  von  50  bis  60°  C.  8-183  Gramm  der  zerstäubten 
reinweisseu  Masse  gaben  an  destillirtes  Wasser  0-803  Substanz 
ab,  so  dass  die  Trockensubstanz  des  Extractes  in  diesem  Falle 
beiläufig  10  Proceut  betrug.  Auch  in  diesem  Extracte  Hess  sich 
reducirender  Zucker  nachweisen. 

h)   ZerJegung   zerstäubter  Gewebe  in  Dermatosomen. 

1.  Baumwoll  enfaser.  Wird  die  zerstäubte  Baumwolle 
auf  den  Objectträger  in  einem  Tropfen  gewöhnlicher  Salzsäure 
eingelegt  und  mittelst  des  Deckglases  schwach  gequetscht,  so 
bietet  sie  ein  ähnliches  Bild  dar  wie  die  sonst  unverändert  ge- 
bliebene und  gequetschte  Faser,  nur  treten  die  Sprunglinien 
viel  reichlicher  auf  und  erscheint  die  Faser  in  zu  diesen  Sprung- 
linien paralleler  Richtung  gestreift. 

Lässt  man  die  Säure  längere  Zeit,  etwa  15  bis  20  Minuten 
einwirken  und  verstärkt  man  den  Druck,  so  zerfällt  die  Faser  in 
zahlreiche  parallel  gestreifte  und  reichlich  durchklüftete  Frag- 
mente, welche  vielfach  in  kurze  überaus  feine  Fäserchen  zer- 
theilt  erscheinen.  Diese  letztgenannten  Fäserchen  sind  weiteren 


Fig.  1. 


/ 


£> 


Vci-gr.  GOO.  Zerstäubte  B.axmwoUc.  A  nach  Behandlung  mit  Salzsäure. 
B  nach  Behandlung-  mit  Kalilauge.  C  gequetscht,  a  nach  Vorbehandlung 
der  zerstäubten  Baumwolle  mit  Salzsäure,  b  mit  Kalilauge,  b  besteht  bloss 
aus  Dermatosomen  und  homogener  Grundmasse;  in  a  sind  die  Dermatosomen 
noch  vielfach  zu  Fibrillen  vereinigt.  D  gechlorte  Baumwolle,  durch  leisen 
Druck  in  Fibrillen  zerlegt. 


Untersucliiui.aen  über  ä.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhaut.  35 

mechanischen  Ang-riffeu  geg-enüber  ziemlich  resistent,  zerfallen 
aher  dennoch  stellenweise  der  Länge  nach  in  kleine  Körnchen, 
welche  in  einer  homogenen  gelatinösen  Masse  eingebettet  liegen. 
Letztere  färbt  sich  auf  Zusatz  von  Chlorzinkjod  lebhaft  violett, 
während  die  darinliegenden  Körnchen  und  Fäserchen  viel  weniger 
deutlich  (violett)  gefärbt  werden. 

Ein  anderes  Verhalten  der  carbonisirten  Faser  gibt  sich  bei 
Anwendung  concentrirter  Kalilauge  zu  erkennen.  Wie  vielfach 
die  Fragmente  dieser  Fasern  auch  durch  die  früher  genannten 
Sprnnglinien  zerklüftet  sein  mögen^  es  treten  nunmehr  neue  Zer- 
klüftungen auf,  welche  die  Faser  quer  oder  nahezu  quer  durch- 
setzen. Bei  aufmerksamer  Beobachtung  erkennt  man,  dass  durch 
die  Kalilauge  innerhalb  der  Zellmembran  andere  Bindungen 
der  Theilchen  gelöst  werden,  als  durch  die  Zerstäubung 
beziehungsweise  durch  die  Salzsäure,  welche,  wie  wir  gesehen 
haben,  diejenigen  Bindungen  —  nur  viel  reichlicher  —  aufliebt, 
welche  durch  das  Zerstäubungsverfahren  aufgelöst  worden  sind. 
Lässt  man  die  Kalilauge  gleichfalls  durch  15  bis  20  Minuten 
auf  die  carbonisirte  Baumwolle  wirken,  und  quetscht  man  nach 
vorherigem  Auswaschen  mit  Wasser,  um  die  weitere  Einwirkung 
des  Kali  auszuschliessen,  mittelst  des  Deckglases,  so  zerfallt 
die  ganze  Faser  in  überaus  kleine  Körnchen,  welche  in  einer 
homogenen  Schleimmasse  eingebettet  sind.  Durch  wiederholte 
Druckwirkungen  lässt  sich  eine  weitere  Theiluug  der  Körn- 
chen nicht  erzielen,  vor  Allem  gelingt  es  nicht,  dieselben  in  eine 
homogene  Schleimmasse  zu  verwandeln.  Körnchen  und  Schleim- 
masse verhalten  sich  dem  Chlorziukjod  gegenüber  wie  in  dem 
früher  beschriebenen  Falle. 

Die  durch  den  Druck  nach  vorheriger  Behandlung  mit 
Reagentien  erhaltenen  Körnchen  bilden  gegenüber  der  schleimigen 
Substanz  die  Hauptmasse. 

Ich  will  jetzt  gleich  bemerken,  dass  ich  diese  Körnchen  aus 
allen  bis  jetzt  von  mir  untersuchten  Zellmembranen  ^  abge- 
schieden habe.  Bei  stärkster  Vergrösserung  gesehen  erscheinen 
dieselben  als  rundliche  Gebilde,  deren  nähere  Grestaltverhältnisse 


1  Mit  Ausnalime  jener  der  untersuchten  Pilzgewebe,    über   welche 
weiter  unten  nähere  Angaben  folgen 

3* 


3Ö  W  i  e  s  n  e  r, 

derzeit  kaum  zu  ermitteln  sein  dürften,  da  dieselben  zumeist  an 
der  Grenze  deutlicher  mikroskopischer  Wahrnehmung-  liegen. 
Dieselben  bilden  nicht  ein  zufällig-  entstandenes  Zerfällungs- 
product  der  Zellmembran  etwa  vergleichbar  dem  Säg-emehl 
eines  Holzes  oder  einer  durch  Zerstossuug  erhältlichen  staubigen 
Masse,  sondern  sind  org-anisirte  Körperehen,  welche  an  dem 
Aufbau  der  Zellhant  wesentlichen  Antheil  nehmen.  Dies  näher 
zu  begründen,  ihre  g-eg-enseitige  Bindung  zu  erklären  und  ihre 
Beziehung  zu  analogen  Bildungen  des  Protoplasmas  darzulegen, 
bildet  eine  der  Hauptaufgaben,  welche  ich  in  dieser  Abhandlung 
zu  lösen  versuchen  werde.  Ich  schlage  für  diese  Körperchen  den 
Namen  D e rm at o s o  m e n  vor. 

Ich  zweifle  nicht,  dass  diese  Dermatosomen  schon  oft 
gesehen  worden  sind.  Denn  jene  überaus  feinen  Körnchen, 
welche  bei  der  Fäulniss  und  bei  anderweitigen  Zersetzungen  aus 
den  festen  Theilen  der  Zellen  entstehen  und  welche  den 
„Gewebsdetritus"  constituiren,  sind  vornehmlich  Dermatosomen 
vielfach  untermengt  mit  Mikroorganismen  und  Avahrscheinlich  noch 
mit  anderen  kleinen,  gleichfalls  an  der  Grenze  der  mikroskopi- 
schen Wahrnehmung  gelegenen,  dem  Zellinhalte  entstammenden 
Theilchen. 

Ich  möchte  auch  nicht  bezweifeln,  dass  diese  Dermatosomen 
und  kleine  Gruppen  derselben  häufig  für  Mikrokokken  und  Bac- 
terien  gehalten  wurden  und  dass  die  in  neuerer  Zeit  wieder  auf- 
getauchte Behauptung,  aus  Gewebezellen  höherer  Organismen 
könnten  Spaltpilze  hervorgeiien,  auf  einer  Verwechslung  dieser 
mit  Dermatosomen  und  analogen  Gebilden  des  Protoplasma 
beruhen.  Ich  habe  Dermatosonienpräparate,  welche  entweder 
bloss  aus  diesen  oder  aus  diesen  und  stäbchenförmigen  Körnchen- 
gruppen bestanden,  mehreren  in  Bacterienfragen  wohlbewanderten 
Personen  mit  der  Frage  vorgelegt,  wofür  sie  diese  Gebilde 
halten  und  durchwegs  die  Antwort  erhalten,  dass  dieselben  von 
Schizomycetenarten  kleinster  Art  dem  Aussehen  nach  nicht  zu 
unterscheiden  wären.  Ich  führe  dies  nur  au,  um  zu  zeigen,  wie 
leicht  bei  einfacher  Betrachtung  eine  Verwechslung  der  Dermato- 
somen mit  Bacterien  möglich  ist,  und  brauche  wohl  nicht  hinzu- 
zufügen, wie  leicht  es  durch  die  vorgeschrittenen  Züchtungs- 
methoden  geworden  ist,  sich  vor  Irrthtimern  zu  bewahren. 


Unter.suehuuö'eu  über  d.  Ore'auisation  d.  ve<i-etab.  Zellhaut. 


37 


Ich  möchte  hier  noch  auf  ein  Verfahren  aufmerksam  machen, 
durch  welches  es  noch  viel  leichter  als  durch  Kalilauge  g-elingt, 
die  Baumwollenfasern  in  Dermatosomen  zu  zerlegen.  Wird  die 
carbonisirte  Baumwolle  wochenlang  der  Einwirkung  von  Chlor- 
wasser ausgesetzt  und  hierauf  unter  Mikroskop  betrachtet,  so 
bietet  sie  kein  anderes  Bild  dar  als  eine  fast  unverändert  geblie- 
bene Faser.  Aber  schon  durch  leisen  Druck  zeifällt  sie  in  ge- 
streift aussehende  Bruchstücke ,  welche  selbst  bei  schwacher 
Quetschung  mittelst  des  Deckgläschens  in  Fibrillen  und  schliess- 
lich in  Dermatosomen  zerfallen  (Fig.  1,  D). 

2.  Leinenfaser.  Weniger  leicht  erfolgt  die  Zerlegung  der 
'zerstäubten  Leinenfaser  in  Dermatosomen.  Die  Fragmente  dieser 
so  vorbehandelten  Fasern  erscheinen  quer  abgebrochen,  sind 
reichlich  von  Querlinieu  und  querverlaufenden  Spalten  durchsetzt, 
der  Länge  nach  infolge  partieller  Loslösung  der  sogenannten 
Yerdickungsschichten  gestreift  und  hin  und  wieder  von  sehr  steil 
ansteigenden  Klüften  durchzogen.  Im  Wasser  quillt  diese  Faser 
sehr  wenig,  durch  Druck  stellt  sich  eine  reichliche  Zerklüftung 
und  Zerfaserung  der  mittleren  Partien  der  Zellwand  ein, 
während  die  äusseren  Partien  unverändert  bleiben,  gewissermassen 
eine  homogene   Hüllschichte  bildend,    desgleichen  die  innerste 

Fiff.  2. 


B 


a 


1 

1 

1 

m. 

ü 

Vergröss.  GOO.  Leinenfaser,  ^zerstäubt  und  gequetscht:  B  zerstäubt  und 

mit  Kali  behandelt,  a  Dichte  Ausseuschichte.  i  Innenhaut.  1  bis  4  Eichtuu- 

gen  der  Sprungliuien. 


ijb  W  i  e  s  11  e  r, 

Zellwaudscliichte  (luuenhaut).  Die  zerklüftete  I^avtie  lässt  vier 
8chiclitimg.srichtnngeu  erkeimcu:  eine  parallel  zur  Axe,  die  zweite 
senkrecht  liiezu,  die  dritte  und  vierte  nach  steil  ansteigenden,  sich 
kreuzenden  Schraubenlinien. 

In  der  Regel  sieht  man  au  den  einzelnen  Fragmenten  nur 
zweierlei  Streifen:  entweder  Längs-  und  Querstreifen  oder  sich 
kreuzende  schiefe  Streifen. 

In  gewöhnlicher  Salzsäure  quillt  die  Faser  auf,  die  Längs- 
streifen treten  deutlicher  hervor,  desgleichen  die  schrauhig  ver- 
laufenden Spalten.  An  den  Stellen,  wo  die  queren  Spaltflächen 
liegen,  quillt  die  umliegende  Wandpartie  auf  und  erhält  ein  knoti- 
ges Aussehen,  wie  es  manchmal  auch  an  der  rohen,  deutlicher 
noch  au  stark  gedreht  gewesenen  Leinenfasern  zu  selien  ist.  Auch 
eine  zarte,  sehr  steil  verlaufende  schrauhige  Streifung  wird 
erkennbar. 

Stärker  quillt  die  carbonisirte  Leinenfaser  in  Kalilauge  auf, 
die  äussersten  Wandpartien  reissen,  sich  nach  aussen  concav 
krümmend,  von  der  Querbruchfläche  aus  auf.  Die  Innenhaut  hebt 
sich  von  der  Umgebung  ab  und  erscheint  als  ein  hin-  und  herge- 
wundener Schlauch.  (Fig.  2Bi)^ 

Quetscht  mau  das  Salzsäurepräparat,  so  gelingt  der  Zerfall 
in  Fibrillen  und  in  Dermatosomen.  Auch  entsteht  eine  homogene 
Masse,  in  welcher  die  Fibrillen  und  Körnchen  liegen  und  die  sich 
durch  Chlorzinkjod  stärker  als  die  beiden  letzteren  violett  färbt. 
Doch  bleiben  noch  immer  einzelne  Faserfragmente  ungelöst 
zurück,  welche  den  äusseren  Wandpartien  entsprechen. 

Nur  sehr  unvollkommen  lässt  sich  das  Kalipräparat  durch 
Quetschung  in  Dermatosomen  zerlegen. 

Die  reinsten  Präparate  gewinnt  man,  wenn  man  abwechselnd, 
mit  Salzsäure  und  Kali  behandelt,  jedesmal  sorgtaltig  auswäscht 
und  schliesslich  erst  die  Quetschung  vornimmt  oder  wenn  man 
2-  bis  3mal  carbonisirt  und  dann  mit  Kali  behandelt. 


1  Die  scheinbare  Verlängeruug  der  Inneiihaut  iaruitteu  der  ge- 
quollenen Bastfaser  (Fig.  2  Bj^t)  lehrt,  dass  diese  an  der  bei  der  Quellung 
der  Faser  sich  einstellenden,  von  Höhnel  zuerst  genauer  beschriebenen 
und  erklärten  Verkürzung  der  Schichten  nicht  Antheil  nimmt  oder  doch 
nicht  in  dem  Masse,  wie  die  benachbarten  Schichten.  (Vergl.  Höhne  1.,  bot 
Zeit.  188-2  p.  5it5  ff.) 


Untersuchuug-eu  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zollliaut. 


39 


3.  Jutefaser.  Auch  verholzte  l)astfaserii  lassen  sich  durch 
Zerstäubung-  und  hierauf  folgende  Behandlung  mit  Salzsäure  und 
Kalilauge  durch  Druck  in  Dermatosomeu  und  homogenen  Schleim 
zerlegen,  wie  die  mit  Jute  angestellten  Versuche  lehren. 

Am  besten  ist  es  auch  in  diesem  Falle,  zuerst  Salzsäure  und 
nach  erfolgtem  Auswaschen  mittelst  Wasser  Kali  einwirken  zu 
lassen. 

Eine  sehr  bemerkenswerthe  Besonderheit  zeigt  sich  nach 
Einwirkung  von  Kalilauge  und  hierauf  folgender  Quetschung.  Die 
bedeutend  aufquellende,  schon  infolge  der  Carbonisirung  stark  der 
Quere  nach  zerklüftete  Faser  zerfällt  in  Querscheiben,  wie  sich 
solche  durch  Querschnitte  nicht  vollkommener  herstellen  lassen. 

I  Fig.  3C. )  Die  äusserste  Schichte  dieser 
Querscheiben  erscheint  grobgekörnt. 
Schon  die  Grösse  dieser  Körnchen 
macht  es  unwahrscheinlich,  dass  sie 
Dermatosomen  seien.  Dieselben  sind 
zweifellos  grössere  Gruppen  von  Der- 
matosomeu, denn  sie  zeifallen  nach 
weiterer  Einwirkung  von  Eeagentien 
und  Druck  thatsächlich  in  Körnchen, 
welche  mit  den  übrigen  Dermato- 
somen in  Grösse,  Form  und  Aussehen 
übereinstimmen.  Die  inneren  Partien 
dieser  Scheiben  sind  sehr  deutlich 
geschichtet.  Dieser  merkwürdige  Zer- 
fall der  Jutefaser  nach  der  Quetschung 
in  zarte  Querplatten  macht  es  wahr- 

^      -r     r         .  T-  scheinlich,   dass    die    Dermatosomen 

Zerstaubte  Jutefaser.  ^  \  ergr.  '  r^         •  ^ 

200,  mit  zahlreichen  Querlinien,  «dieser  Bastzellen  m  der  Querrichtung 

B  und   C.  Vergr.    600.    Nach  bedeutend  stärker  als  in    der  Längs- 

Behandhiug  mit  Kali.  C  Durch  richtung  gebunden  sind,    eine  Eigen- 

Quetschung-  entstandene  Quer-  thümlichkeit,     welche,     wenn    auch 

Scheiben,  l  Lumen  der  Zellen.       •  i  ,     •  i  irr  •  „ 

,,    ^..     ,        ,^.  nicht    m   so  ausgesprochener    Weise 

Ä      Kornchen     (C-rrnppen     von  o     i 

Dermatosomen),  in  welche  die   allen    untersuchten    Basttasern     zu- 
Mittellamellen  zerfielen.  kömmt. 


40  W  i  e  s  u  e  r, 

4.  HoUuudcrniark  lässt  sich  durch  dasselbe  Verfahren 
wie  die  Jute  in  Dermatosomen  und  homogen  erscheinenden 
Schleim  zerleg-en.  Doch  darf  die  "Wirkung-  der  Kalilauge  nicht 
zu  lange  andauern,  da  die  ersteren  bald  stark  quellen  und  sich 
lösen.  Ich  habe  die  besten  Resultate  erzielt,  wenn  ich  das  zer- 
stäubte Gewel)e  zuerst  durch  einige  (3  bis  5)  Minute'ü  mit  Kali- 
lauge behandelte,  sodann  mit  Wasser  auswusch,  Salzsäure  ein- 
wirken Hess  und  nunmehr  erst  drückte. 

5.  Holz.  Die  Zerlegung  der  Tracheiden  in  Dermatosomen 
erfordert  noch  mehr  Sorgfalt  als  die  der  früher  genannten  Gewebs- 
bestandtheile  und  gelingt  nicht  oder  nur  sehr  unvollständig,  wenn 
die  Einwirkung  der  hiezu  erforderlichen  Reagentieu  (Kalilauge 
und  Salzsäure)  zu  kurz  oder  zu  lang  anwährte,  indem  im  ersteren 
Falle  dieAufhebungderdie  Dermatosomen  vereinigenden  Bindung 
zu  unvollständig  ist,  im  letzteren  Falle  die  Dermatosomen  selbst 
angegriffen  und  schliesslich  gelöst  w^erden. 

Nach  vielen  mit  Fichtenholz  angestellten  Versuciieu  zu 
schliessen,  gelangt  man  noch  am  besten  an's  Ziel,  wenn  man  das 
Holz  2  bis  3  Mal  carbonisirt  und  hierauf  etwa  3  bis  4  Mal  hinterein- 
ander mit  Kali  (durch  1  Minute)  und  mit  Salzsäure  (durch  2  bis  3 
Minuten)  behandelt,  l)evor  es  der  Druckwirkung  ausgesetzt  wird. 
Nach  jeder  Einwirkung  des  Reagens  muss  mit  Wasser  ausge- 
waschen werden. 

Ich  möchte  an  dieser  Stelle  noch  bemerken,  dass  die  Zerle- 
gung der  Zell  wand  in  Dermatosomen  bei  Anwendung  homogener 
Gewebe,  z.  B.  Hollundermark,  oder  gleichartiger  Zellen,  z.  B. 
Baumwolle,  Bastfasern,  besser  gelingt,  als  wenn  Gewebe  vorliegen, 
welche  aus  verschiedenen  Elementen  bestehen,  wie  z.  B.  Holz. 
Bei  diesem  kann  es  leicht  geschehen,  dass  die  Tracheiden  schon 
in  Dermatosomen  zerfallen,  während  Markstrahlen  und  Holz- 
parenchym  durch  die  vorgenommenen  Proceduren  noch  nicht  so 
weit  angegriffen  sind,  um  sich  in  die  genannten  Elemente  zerlegen 
zu  lassen.  Geht  aber  die  Wirkung  der  Reagentieu  weiter,  so 
werden  die  Dermatosomen  gelöst.  Dies  ist  der  Hauptgrund,  wess- 
halb  derartige  Gewebe  nur  selten  so  klare Dermatosomenpräparate 
liefern  als  gleichartiiie  Zellen. 


Uütersiichimgen  über  d.  OrgauisHtiun  d.  vegetab.  Zellhaut.  41 

c)  Zerleg-nug-  der  Zellwände   in   Dermatosomen   ohne 
Anwendung"  der  Zerstäubung-. 

Ich  habe  diese  eben  mitgetheilten  Versiichsergebuisse  in 
den  Vordergrund  gestellt^  weil  in  denselben  die  zwischen  den 
Dermatosomen  befindlichen  Bindungen  der  Reihe  nach  durch  ver- 
schiedene Proceduren  aufgehoben  werden. 

Es  gelingt  aber  in  den  meisten  Fällen,  selbst  in  jenen,  in 
welchen  sich  die  Zerstäubungsmethode  ganz  unwirksam  erweist, 
eine  Zerlegung  der  Wand  in  Dermatosomen  durch  ein  und  das- 
selbe Reagens  zuwegezubringen. 

Solclie  Reagentien  sind  Chromsäure  '  und  Chlorwasser. 
Beide  lösen  schliesslich  jede  vegetabilische  Zellwand  bis  auf 
gewisse  Mineralbestandtheile  (Kieselsäure  etc.)  vollständig  auf, 
die  erstere  nach  kürzerer,  das  letztere  nach  längerer  Zeit.  Es  ist 
aber  auch  lange  bekannt,  dass  diese  beiden  Reagentien  die 
Bestandtheile  der  vegetabilischen  Zellwand  in  verschiedenem 
Grade  angreifen  und  einen  nach  den  anderen  in  gelöste  Prodiicte 
überführen.  Darauf  beruht  ja  unter  Anderem  der  Zerfall  der 
Gewebe  in  Zellen,  ferner  die  Reindarstellung  der  Cellulose  aus 
Geweben  durch  diese  Reagentien ,  indem  dieser  Stoff  der 
üxydirenden  Wirkung  der  Chromsäure  und  des  Chlors  mehr 
Widerstand  leistet  als  die  übrigen  Zellhautbestandtheile. 


1  Ich  wende  die  Chromsäure  seit  lauger  Zeit  au  uud  habe  über  die- 
selbe als  mikrochemisches  Reagens  zuerst  im  Jahre  1864  (Unters,  über  die 
Zerstörung  der  Hölzer  an  der  Atmosphäre.  Sitzb.  der  kais.  Ak.  der  Wiss., 
Bd.  49)  berichtet.  Es  ist  aber  nicht  chemischreiue,  sondern  mit  Schwefel- 
säure (oder  einer  anderen  I\lineralsäure,  welche  mit  Chromoxyd  lösliche 
Salze  bildet)  versetzte  Chromsäure,  welche  (behufs  Hervorrufung  von 
Schichtung  der  Zellmembranen  und  Stärkekörnchen,  Isolirung  der  Zellen 
eines  Gewebes  etc.)  so  treffliche  Dienste  leistet  (Vergl.  hierüber  Wiesner, 
techn.  Mikroskojoie,  1S<37,  pag.  38),  also  dasselbe  Reagens,  welches  jüngst- 
hin  Leitgeb  (Bau  und  Entwicklung  der  Sporenhäute,  Graz,  1881)  als 
„Chromschwefelsäure"  mit  so  gutem  Erfolge  angewendet  hat.  Am 
zuletzt  ang3zeigten  Orte  sagte  ich  bezüglich  der  Darstellung  dieses  Reagens: 
,.Reine  Chromsäure  bringt  die  zu  erzielenden  Veränderungen  nicht  hervor, 
wohl  aber  ein  Gemisch  von  Chromsäure  und  Schwefelsäure,  das  man  am 
einfachsten  durch  Mischen  von  doppeltchromsaurem  Kali  mit  überschüssig 
zugesetzter  Schwefelsäure  erhält."  Genaueres  über  die  Methode  der  Dar- 
stellung a.  a.  0. 


42  W  i  e  s  u  e  r , 

Gerade  dieser  Umstand  veranlasste  mich,  diese  beiden 
Reag'entien  zu  dem  genannten  Zwecke  anzuwenden. 

Die  Cliromsäure  ist  im  Ganzen  wegen  ihrer  raschen  und 
intensiven  Wirkung  zu  den  Zerlegungsversuchen  weniger 
geeignet  als  das  Chlorwasser,  dennoch  insoferne  wieder  brauch- 
bar, weil  sie  eine  Reihe  von  Erscheinimgeu,  welche  auf  Auf- 
hebung der  in  der  Zell  wand  vorhandenen  Bindungen  der  Derma- 
tosomen  beruhen,  rasch  und  übersichtlich  vor  Augen  führt. 

Anfangs  wirkt  die  Chromsäure  so  wie  die  Zerstäubung,  was 
besonders  an  Bastzellen  und  Tracheiden  sehr  schön  zu  sehen  ist. 
Dass  diese  Zellen  durch  das  Zerstäubungsverfahren  der  Quere 
nach  zerklüftet  werden,  was  sich  häufig  zunächst  in  einer  überaus 
reichlich  auftretenden  Querstreifung  zu  erkennen  gibt,  ist  früher 
auseinandergesetzt  worden.  Eine  gleiche  Veränderung  ruft  auch 
die  Chromsäure  hervor.  Es  wird  wohl  auch  Jedem,  welcher  durch 
Chroiusäure  Bastbündel  oder  Holz  in  die  Elemente  zerlegt  hat, 
aufgefallen  sein,  wie  leicht  die  aus  dem  Verbände  tretenden 
Fasern  der  Quere  nach  brechen,  gewissermassen  von  selbst. 
Die  spätere  Wirkung  der  Chromsäure  entspricht  der  oben 
charakterisirten  Wirkung  der  Salzsäure  und  des  Kali.  Es  spricht 
sich  dies  bei  Bastzellen  und  Tracheiden  in  einer  schraubigen 
Streifung  und  später  schraubigen  Zerklüftung  der  Wand  aus.  In 
diesem  Zustande  lässt  sich  die  Faser  durch  Druck  in  Dermato- 
someu  zerlegen,  einige  Minuten  später  zerfliesst  aber  dieselbe. 

Das  Chlor  w  a  SS  er  muss  wochenlang  einwirken,  um  eine 
Zerlegung  der  Zellen  durch  Druck  in  Dermatosomen  möglich 
zu  machen.  Aber  noch  bevor  die  Wirkung  des  Chlorwassers  so 
weit  fortgeschritten  ist,  kann  man  durch  Kalilauge  und  Druck 
die  Zellhaut  in  Dermatosomen  zerlegen. 

Das  Chlorwasser  wirkt  also  successive  in  derselben  Weise 
auf  die  Zellwand  ein,  wie  hintereinander  Zerstäubung,  Salzsäure 
und  Kali,  ja,  wie  wir  gleich  sehen  werden,  es  lassen  sich  selbst 
aus  den  Zellwänden  mancher  Gewebe,  welchen  gegenüber  die 
Zerstäubungsmethode  wirkungslos  ist,  durch  Chlorwasser  die 
genannten  Hautkörperchen  isoliren. 

Ist  diese  Chlorungsmethode  auch  langwierig,  so  gibt  es 
doch  bei  genauer  Beobachtung  der  in  den  Zellwänden  vor  sich 
gehenden  Veränderungen  kein  Verfahren,  welches,  soweit  meine 


Uutersiicliung-eu  über  cl.  Orgauisatiou  d.  vegetab.  Zellhaut.  43 

bisherigen  Erfahrimgen  reichen,  die  Zusammensetzung:  der  Zell- 
haut aus  Dermatüsomen  deutlicher  machen  würde  als  dieses. 

Aus  meinen  zahlreichen  diesbezüglichen  Beobachtungen 
wähle  ich  hier  nur  die  instructivsten  heraus,  zunächst  diejenigen, 
welche  sich  auf  Zellwände  beziehen,  die  durch  das  Zerstäubungs- 
verfahren auf  den  Zerfall  in  Dermatosomen  vorbereitet  werden 
können,  bemerke  aber,  dass  die  betreffenden  Zellen  oder  Gewebe 
ohne  vorhergehende  Zerstäubung  der  Wirkung  des  Chlors  unter- 
worfen wurden. 

Hauffaser  wurde  in  nahezu  gesättigtes  Chlorwasser  ein- 
gelegt und  von  Zeit  zu  Zeit,  wenn  die  Intensität  des  Geruches 
der  Flüssigkeit  stark  abgenommen  hatte,  mit  frischem  Reagens 
behandelt.  Nach  einigen  Tagen  waren  die  Bastzellen  isolirt,  der 
Quere  nach  reichlich  gestreift,  desgleichen  der  Länge  nach,  aber 
nicht  so  reichlich.  Später  zeigte  sich  die  Zell  wand  in  den 
äussersten  Schichten  vollkommen  erhalten,  im  Innern  erschien 
die  lunenhaut  scharf  abgegrenzt,  und  zwischen  diesen  beiden 
dicht  und  gänzlich  homogen  erscheinenden  Membranschichten 
zeigte  sich  eine  gleichartige,  flüssige  oder  gelatinöse,  von  einem 
zarten  Netzwerke  durchzogene  Masse.  Bei  weiterer  Einwirkung 
des  Reagens  verschwand  das  Netzwerk.  Behandelt  man  nun- 
mehr mit  Clilorziukjodlösung ,  so  wird  die  Zwischenmasse 
intensiv,  die  dichte  Hülle  und  die  Inneuhaut  nur  schwach  violett 
gefärbt.  Später  löst  sich  die  erstere  auf,  desgleichen  die  Zwischen- 
masse, und  man  findet  von  den  Bastzellen  nichts  anderes  als  die 
Innenhänte,  welche  anfänglich  durch  Chlorzinkjodlösung  noch 
violett  werden,  dann  ein  feinkörniges  Gefüge  annehmen,  in  diesem 
Zustande  aber  durch  Chlorzinkjod  nicht  mehr  violett  zu  färben 
sind  und  schliesslich  im  Chlorwasser  sich  auflösen. 

Solange  noch  feste  Theile  in  der  Zellhaut  erkennbar  sind, 
lassen  sich  dieselben  durchDruck  in  Dermatosomen  zerlegen,  auch 
das  früher  genannte  feine  Netzwerk.  Man  muss  aber  darauf 
achten,  dass  das  Chlorwasser  nicht  zu  lange  einwirkt,  weil  sonst 
die  ausserordentlich  zart  gewordenen  Membranschichten  durch 
Druck  nur  mehr  eine  homogene  Masse  liefern,  in  welcher  nur 
noch  die  Dermatosomen  der  äussersten  und  innersten  Zellwand- 
schichte zu  sehen  sind,  die  der  übrigen  Zellhauttheile  aber  so 
weit  aufquollen  und  wahrscheinlich  auch    chemisch   verändert 


44  Wie  SU  er, 

wurden,  das.s  sie  durch  Druck  zu  einer  homogenen  oder  nur  sehr 
undeutlichen  körnigen  Masse  werden. 

Die  relativ  leichte  Zerstörung-  der  mittleren  Ver- 
dickungsschichten  durch  das  Chlor  lässt  annehmen, 
dass  die  äussersten  und  innersten  Zellwandschichten 
dichter  als  die  mittleren  gefügt  sind,  mit  anderen 
Worten,  dass  dort  die  Dermatosomen  dichter  neben  einander- 
stehen  als  hier.  Das  Netzgerüst,  welches  an  Stelle  der  mittleren 
Verdickungsschichten  erscheint,  deutet  wohl  auf  eine  netzförmig 
fibrilläre  Structur  innerhalb  der  Wand  und  auf  einen  verschie- 
den dichten  Bau  der  (mittleren)  Verdickungsniasse,  in  dem  Sinne, 
dass  die  dem  Netzwerke  entsprechenden  Zellhautparfien  eine 
dichtere  Fügung  besitzen  als  die  benachbarten  Hautantheile. 

Die  Leinenfaser  bietet  im  Ganzen  die  gleichen  Verhält- 
nisse dar.  Die  Jutefaser  lässt  wegen  der  ungleichmässigen 
Verdickung  der  Zellwaud  die  Innenhaut  besonders  deutlieh 
hervortreten.  Ein  Netzwerk  konnte  an  den  Jutebastzellen,  wahr- 
scheinlich infolge  ausserordentlicher  Zartheit  der  Theile,  nicht 
beobachtet  werden.  Ich  möchte  nur  noch  bezüglich  dieser  Zellen 
bemerken,  dass  sie  bei  anfänglicher  Wirkung  des  Reagens  eine 
reichliche  Querstreifung  zu  erkennen  geben. 

Fichtenholz  wird  in  Chlorwasser  schon  nach  einigen 
Minuten  bräunlich,  nach  24  Stunden  tiefbraun;  nach  3 — K)  Tagen 
entfärbt  es  sich  wieder,  so  dass  es  sich  ähnlich  verhält,  wie  an 
der  Atmosphäre,  wo  es  von  Zeit  zu  Zeit  durchnässt  und  der  fort- 
währenden Wirkung  des  Sauerstoffes  ausgesetzt,  auch  dunkel- 
braun wird  und  sich  wieder  entfärbt,  um  schliesslich  gebleicht 
zu  werden  (Erscheinung  der  „Vergrauung*').  Wäscht  man  die 
durch  das  Chlor  entfärbten  Gewebestüeke  aus,  so  findet  man, 
dass  die  Zellwände  die  Holzstoifreaction  nicht  mehr  zu  erkennen 
geben,  aber  noch  im  gegenseitigen  Verbände  stehen.  Auf  Zusatz 
von  Kalilauge  zerfällt  unter  starker  Braunfärbung  der  Flüssigkeit 
das  Gewebe  in  Zellen. 

Lässt  man  das  Chlorwasser  wochenlange  einwirken,  so 
gehen  die  Zellen  aus  dem  Verbände  und  es  bleiben  schliesslich 
nur  die  Innenhäute  der  Zellen   zurück,   welche  dem  Chlor  einen 


1  Wies n er,  Zerstöriiug  der  Hölzer  au  der  Atmosphäre,  I.  c.  p.  ,5  ff. 


Untersuchungen  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhaut.  45 

grossen  Widerstand  entgegensetzen,  aber  schliesslich  doch  der 
AVirkung  des  Eeageiis  verfallen.  Auf  das  Verhalten  der  Innenhaut 
der  Holzmarkstrahlen  Zellen  komme  ich  weiter  unten  noch  zurück. 

Zur  Zeit  der  Isolirung  der  Tracheiden  brechen  diese  der 
Quere  nach  sehr  leicht,  zeigen  eine  deutliche  schraubige  Streifung, 
durch  Druck  zerfallen  sie  in  Dermatosomen  und  homogene 
Grundmasse. 

fTäufig  beobachtete  ich  an  Tracheiden,  welche  lange  Zeit 
der  Einwirkung  des  Chlorwassers  ausgesetzt  waren,  dass  — 
ähnlich  wie  bei  den  Bastzellen  des  Hanfes  und  des  Flachses  — 
die  äusserste  und  innerste  Schichte  noch  im  Zusammenhange 
blieben,  dazwischen  eine  weiche  Masse  sichtbar  wurde,  welche 
von  einem  zarten  Fibrillennetze  durchzogen  war. 

Hollundermark  wird  durch  Chlorwasser  gleichfalls 
gebräunt,  später  entfärbt,  auf  Zusatz  von  Kalilauge  gebräunt, 
wobei  die  braune  Substanz  in  Lösung  geht  und  in  ähnlicher 
Weise  scheinen  sich  alle  verholzten  Gewebe  zu  verhalten. 

Nach  der  Entfärbung  bildet  das  Gewebe  noch  ein  zusammen- 
hängendes Ganze,  zeigt  aber  nicht  mehr  dieHolzstoffreaction.  Auf 
Kalizusatz  gehen  alle  Zellen  augenblicklich  aus  dem 
Verbände. 

Die  Isolirung  der  Zellen  erfolgt  aber  auch  durch  Chlorwasser 
allein,  wozu  meist  eine  mehrere  Wochen  andauernde  Einwirkung 
erforderlich  ist.  Aber  selbst  in  diesem  Zustande  bestehen  die 
Zellwände  noch  nicht  aus  reiner  Cellulose,  indem  sie  durch  Kali 
goldgelb  gefärbt  werden. 

Isolirt  zerfallen  sie  durch  Druck  in  überaus  feine  Körnehen, 
Gelingt  die  Zerlegung  der  Wand  in  Körnchen  noch  nicht,  so 
muss  Kali  zugesetzt  und  der  Druck  wiederholt  werden,  oder  aber 
mau  muss  das  Chlorwasser  noch  weiter  einwirken  lassen. 

Korkgewebe.  (Versuche  mit  gewöhnlichem  Flaschenkork.) 
Es  ist  schon  erwähnt  worden,  dass  das  Zerstäubungs verfahren 
diesem  Gewebe  gegenüber  sich  wirkungslos  erweist.  Selbst  nach 
einjähriger  Einwirkung  oftmals  erneuerter  einprocentiger  Salz- 
säure bleiben  die  Peridermzellen  im  dichtesten  Verbände  und  ist 
die  Carbonisirung  wirkungslos. 

Legt  man  Korkgewebe  in  Chlorwasser  ein,  so  sieht  man, 
dass  alsbald  die  Sklerenchymelemente  entfärbt  werden  und  als- 


46  Wiesuor, 

bald  aus  dem  Zusammenbang-e  treten.  Viel  später  —  uaeb  zwei 
bis  drei  Wocben  —  zeigen  die  Peridermzellen  eine  belle  Färbung, 
werden  weiss,  bangen  aber  nocb  innig  zusammen.  Auf  Zusatz 
von  Kalilauge  tritt  aucb  bier.  wie  bei  Hollundermark  und 
Holzgewebe  ein  augenblicklicher  Zerfall  des  Gewebes 
in  seine  zelligen  Elemente  ein. 

Nach  monatelanger  Einwirkung  von  Cblorwasser  isolivt 
dieses  scbliesslicb  alle  Elemente.  In  dieser  Zeit  ist  von  den 
Sklerencbymzellen  (Steinzellen)  nicbts  als  die  Innenbaut  übrig 
geblieben,  in  Form  eines  zierlicben  festausgespannten  Sackes, 
der  mit  feinen  stacbelförmigen  Aussackungen  besetzt  ist. 

Die  isolirten  Korkzellen  können  äbnlich  den  Hollundermark- 
zellen  diircb  Druck  in  Dermatosomen  zerlegt  werden,  entweder 
sofort,  wenn  nämlicb  die  Wirkung  des  Chlors  genügend  fort- 
geschritten ist,  oder  unter  Mitwirkung  von  Kalilauge,  in  jedem 
Falle  aber  nach  vorausgegangenem  Drucke. 

Pilzgewebe.  Dass  auch  die  Membranen  der  Pilzbyphen 
dem  Zerstäubungsverfahren  Widerstand  leisten,  ist  bereits 
erwähnt  worden.  Ein  Gleiches  gilt  für  die  Flecbtenbyphen,  also 
für  den  Pilzantheil  des  Flechtenthallus,  nach  Beobachtungen, 
welche  Herr  Dr.  Forseil  im  pflanzenphysiologischen  Institute 
anstellte. 

Der  Einwirkung  des  Chlors,  als  Chlorwasser  angewendet, 
leisten  die  Pilzbyphen  einen  Widerstand,  der  nach  meinen 
Erfahrungen  unter  den  Pflanzengeweben  nicht  seinesgleichen 
bat.  Nach  monatelauger  Behandlung  mit  Chlorwasser  wird  das 
Hyphengewebe  des  Frnchtkörpers  von  Polyporns  fomentarms  nur 
wenig  angegriffen,  wenn  das  Gewebe  des  Bastes  (von  Flachs, 
Hanf  etc.)  des  Holzes  (Fichte  etc.),  wenn  Parenchym-  und 
Sklerenchymgewebe  der  verschiedensten  Art  durch  das  Reagens 
vollkommen  gelöst  worden  sind.  Von  dem  genannten  Gewebe 
findet  sich  nach  monatelanger  Einwirkung  des  Cblorwassers  eine 
voluminöse  Schleinimasse  vor,  welche  aus  massig  gequollenen, 
sonst  aber  wenig  verändert  erscheinenden  Hyphen  zusammen- 
gesetzt ist,  in  welchen  die  Innenhäute  mit  ausserordentlicher 
Schärfe  hervortreten. '  Die  über  der  Schleimmasse  stehende  trübe 


1  Bekuuntlich  ist  die  Verdickung  der  Hyphen  des  Pohiporus  fomen- 
tariiis   eine  so  starke,    dass  das  Lumen  der  unveränderten  Zellen  stellen- 


Untersuchuiigeu  ülier  d.  Organisation  d.  ve.i^etab.  Zellhaiit.         47 

Flüssigkeit  enthält  aber  Reste  des  Pilzgewebes:  feine  Körnchen 
lind  mehr  minder  lange  Stücke  der  Innenhaut.  Mau  wäre  geneigt, 
die  ersteren  fürDermatosomenzu  halten,  sie  sind  aberZerfällungs- 
producte  der  Inneuhaut,  wie  ich  später  noch  genauer  darlegen 
werde. 

Die  Pilzzellwand  lässt  direct  die  Cellulosereactionen  gegen 
Jodpräparate  und  Kapferoxydammoniak  nicht  erkennen  uud  mau 
glaubte  lauge,  dass  iu  der  Pilzzellwand  diese  Reactionen  gar 
nicht  hervorzurufen  sind,  woraus  mau  auf  die  Gegenwart  einer 
besonderen  Modification  der  Cellulose  (Pilzcellulose)  schloss.  Es 
ist  aber  in  meinem  Labor.itorium  von  Karl  Richter  gezeigt 
worden,  dass  durch  länger  andauernde  Behandlung  mit  Kali- 
lösung sich  Substanzen  aus  den  Pilzzellwänden  extrahiren  lassen, 
welche  die  Cellulosereactiouen  verhindern,  indem  nach  dieser 
Vorbehandlung  die  Pilzzellwand  ebenso  durch  Chlorziukjod 
violett  gefärbt  uud  durch  Kupferoxydammouiak  in  Lösung  über- 
geführt wird,  wie  etwa  eine  Holzzellwand,  nachdem  man  durch 
passende  Reagentien  das  Lignin  beseitigt  hat. 

Lässt  man  das  Pilzgewebe  durch  2 — 3  Wochen  im  Clilor- 
wasser  liegen,  so  werden  die  Hyphen  durch  Chlorziukjod  violett, 
durch  Kali,  ähnlich  wie  viele  andere  gechlorte  Gewebe  (Hollunder- 
mark,  Holz,  Kork)  gebräunt.  In  diesem  Stadium  der  Einwirkung 
des  Chlors  auf  die  Pilzzellwand  nimmt  dieselbe  auf  Zusatz  von 
Salzsäure  oder  Chromsäure  deutliche,  oft  überaus  scharf  hervor- 
tretende Schiclitung  an.  Eine  Zerlegung  in  Dermatosomen  ist 
weder  durch  Salzsäure,  noch  durch  Kali,  auch  nicht  durch 
abwechselnde  Einwirkung  beider  dieser  Reagentien  hervor- 
zubringen. 

Lässt  man  das  Chlorwasser  noch  länger  einwirken,  so  ver- 
liert die  Hyphe  nach  und  nach  das  Vermögen,  durch  Ciilorzinkjod 
violett  gefärbt  zu  werden.  Salzsäure  ruft  dann  noch  undeutliche 
Schichtung,  sonst  aber  keine  sichtliche  Veränderung  hervor. 
Hingegen  werden  die  Hypheu  in  diesem  Stadium   der 


weise  nicht  zu  erkennen  ist  und  die  Zelle  an  diesen  Orten  solid  erscheint. 
(Vgl.  de  Bary,  Morphologie  undBiologie  derPilze,  Leipzig  1884,  pag.  13.) 
Nach  der  Behandlung  mit  Clilorwasser  sieht  man  aber  die  Innenhaut  als 
ununterbrochenen  Schlauch  durch  die  Zelle  ziehen,  woraus  sich  also  ergibt, 
dass  die  Hyphen  an  keiner  Stelle  factisch  solid  sind. 


48  W  i  e  s  n  e  r , 

Einwirkuni;'  des  ('hlorwassers  durch  Kalilauge  bis  auf 
die  Innenhau  i  fast  aug-enblicklich  aufgelöst,  diese  zer- 
fällt in  zahllose  Qnerstücke,  welche  den  Eindruck  von  Der- 
matosomen  machen.  In  gleicher  Weise  wirkt  (englische)  Schwefel- 
säure. Die  gechlorten  Fasern  lassen  aber  auch  auf  dieser  Stufe 
weder  direct,  noch  nach  Einwirkung  der  verschiedensten  Reagen- 
tien  und  darauffolgendem  Drucke  Dermatosomen  erkennen,  sondern 
die  ganze  Masse  verwandelt  sich,  von  der  Innenhaut  abgesehen,  in 
einen  homogen  erscheinenden  Schleim.  Nachdem  die  Pilzzellwand, 
analog  den  Zellhäuten  der  anderen  Pflanzengewebe  gebaut  anzu- 
nehmen ist,  diese  aber,  soweit  meine  Erfahrungen  reichen,  sich 
stets  in  Dermatosomen  zerlegen  lassen,  die  freilich  oft  an  der 
Grenze  der  mikroskopischen  Wahrnehmung  liegen,  so  erscheint 
die  Vermuthung  berechtigt,  dass  auch  die  Pilzzellwand  aus 
Dermatosomen  bestehe,  welche  sich  aber  ihrer  Kleinheit  wegen 
der  directen  Beobachtung  entziehen. 

Die  früher  genannten  Querstücke,  in  welche  die  Innenhäute 
der  Hyphen  zerfallen,  sind  trotz  ihrer  Kleinheit  nicht  als  Derma- 
tosomen aufzufassen,  haben  die  Gestalt  von  kurzen  Hohlcylindern 
und  möchten  wohl  als  Gruppen  von  Dermatosomen  aufzufassen 
sein,  welche  untereinander  fester  gebunden  sind  als  mit  Nach- 
bargruppen und  die  sich  desshalb  von  einander  loslösten. 

Analoge  mit  den  Hyphen  des  Frnchtkörpers  von  Daedalea 
quercina  augestellte  Versuche  gaben  im  Wesentlichen  die- 
selben Resultate;  auch  hier  konnten  Dermatosomen  nicht  nach- 
gewiesen werden. 

Es  liessen  sich  also,  abgesehen  von  den  Pilzgeweben,  die 
Wände  alier  übrigen  untersuchten  Gewebe  in  Dermatosomen  zer- 
legen. Dieselben  treten  aber  nur  dann  in  Erscheinung,  wenn  sie 
aus  dem  gegenseitigen  Verbände  gelöst  sind.  Die  Loslösung 
geschah  erstlich  durch  chemische  Eingriffe,  sodann  durch 
mechanische  Trennung.  Dass  selbst  die  gechlorten  Zellwände,  in 
welchen  die  Aufhebung  der  Bindungen  sehr  langsam  erfolgt, 
einem  —  wenngleich  nur  schwachen  —  Drucke  unterworfen 
werden  müssen,  damit  die  Dermatosomen  frei  werden,  hat 
wohl  seinen  Grund  darin,  dass  die  Substanz ,  welche  diese 
Hautkörperchen  bindet,  schliesslich  in  den  LiJslichkeitsverhält- 
nissen  mit  derDermatosomsubstanz  selbst  übereinstimmt  und  dann 


Untersuchungen  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhaut.  49 

wohl  nichts  Anderes  als  gereinig-te  Cellulose  ist.  Wirken  Chlor- 
wasser oder  Chromsäiire,  oder  nach  vorhergeg-angener  Zerstäu- 
bung, Salzsäure  und  Kali  weiter  ein,  so  werden  die  Bindesub- 
stanzen aufgelöst  und  gleichzeitig  die  Dermatosomen  selbst  an- 
gegriffen. 

II.  Aussenhaut  (Mittellamelle)  und  Innenhaut  der  Zellwand. 

Die  älteren  Anatomen  unterschieden  als  Bestandtheile  der 
Zell  wand  ausser  den  sogenannten  Verdickungsschichten  (secun- 
dären  Schichten)  noch  eine  äussere  und  eine  innere  homogene  Zell- 
schichte, die  primäre  und  die  tertiäre  Zellhaut.  Unter  letzterer 
verstand  man  wohl  auch  Verdickungsschichten,  welche  in  der 
Ausbildungsweise  mit  den  secundären  Schichten  nicht  überein- 
stimmten. Die  homogen  erscheinende  innerste  Zellwandschichte, 
und  nur  um  diese  handelt  es  sich  hier,  ist  zuerst  genauer  von 
Schach  t*  untersucht  und  als  „Innenhäutclien''  bezeichnet  worden. 

Die  primäre  Zellwand  wurde  später  unter  verschiedeneu 
Titeln,  am  häufigsten  als  Mittellamelle,  beschrieben  und  ist  so 
ziemlich  allgemein  als  ein  nie  fehlender  Bestandtheil  von  im 
Gewebeverbande  befindlichen  Pflanzenzellen  aufgefasst  worden, 
während  das  Innenhäutchen  fast  der  Vergessenheit  anheimfiel, 
hauptsächlich  wohl  deshalb,  weil  es  früher  als  wesentliche  Stütze 
der  Appositionstheorie  herangezogen  wurde. 

Ich  habe  vor  mehr  als  zwei  Decennien  eine  einfache 
Methode  zur  Freilegung  der  Inuenhaut  angegeben  und  seither 
deren  Existenz  stets  betont^,  was  später  auch  durch  in  meinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeiten  geschehen  ist,  so  durch 
Mikosch,  und  besonders  durch  Pfurtscheller  ^ ,  welcher 
auf  meine  Anregung  diesen  Zellwandbestandtheil  genauer 
studirte  und  die  Methode  zur  Isoliruug  desselben  wesentlich  ver- 
vollkommnete. 


1  Schacht,  Lehrbuch  der  Anatomie  und  Physiologie  der  Gewächse,  I. 
pag.  30,  ff. 

-  Vergl.  hauptsächlich  meine  „technische  Mikroskopie",  pag.  53  (da- 
selbst eine  Abbildung  einer  durch  Chromsäure  Ireigelegten  Innenhaut), 
ferner  pag.  108,  110  etc.  Sodann:  Wiesner,  Elemente  der  Anatomie  und 
Physiologie  der  Pflanzen. 

3  Über  die  Innenhaut  d.  Pflanzenzelle.  Gymnasialprogramm,  Wien,  1883. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  4 


50  W  i  e  s  n  e  r . 

Im  Übrigen  ist  von  der  Existenz  der  Inoenhaut  wenig  Notiz 
genommen  worden,  doch,  wie  ich  glaube,  mit  Unrecht;  denn  sie 
bildet  einen  nicht  minder  scharf  ausgeprägten  Theil  der  Zellhaut 
wie  die  Mittellamelle  und  dürfte  wohl  auch  in  Betreff  der  Ver- 
breitung in  den  Geweben  dieser  kaum  nachstehen. 

Aussenhaut  (Mittellamelle) ^  Ich  will  bezüglich  dieses 
Zell  wand  bestandtheiles  bloss  die  oft  ventilirte  Frage  erörtern, 
ob  diese  Haut  einfach  oder  doppelt  ist.  Nach  der  herrschenden 
Lehre  ist  ersteres  der  Fall;  sie  wird  als  eine  einfache,  homogene, 
zwei  benachbarten  Zellen  gemeinschaftliche  Schichte  angesehen. 

Gelegentlich  einer  Erörterung  dieser  Frage  stim.mte  ich  der 
genannten  Auffassung  nicht  unbedingt  zu^,  brachte  vielmehr 
einige  Gründe  vor,  welche  für  die  zweite  Alternative  sprechen. 
Nach  Dippei's  Auffassung^  besteht  die  Mittellamelle  der  Autoren 
aus  drei  Lamellen.  In  Jenen  Fällen,  in  denen  die  gemeinschaft- 
liche Grenzwand  in  drei  Schichten  sich  differenzirt,  ist  aber 
selbstverständlich  bloss  die  mittlere  homogene  Schichte  als 
Mittellamelle  aufzufassen. 

Was  ich  früher  nur  als  Möglichkeit  zugal),  spreche  ich  jetzt 
als  Behauptung  aus,  dass  nämlich  die  gemeinschaftliche 
Aussenhaut  aus  zwei  Schichten  besteht,  von  denen 
je  eine  einer  besonderen  Zelle  angehört.  Ich  schliesse 
dies  aus  folgenden  Thatsachen.  Wenn  die  Zellwände  durch  Druck 
vom  Innern  der  Zelle  her  gedehnt  werden,  so  spaltet  sich  die 
Mittellamelle  mitten  durch  und  ohne  Verletzung  in  ihre  natür- 
lichen Hälften.  Es  geschieht  dies  beispielsweise,  wenn  das 
Parenchymgewebe  der  Kartoffel  gekocht  wird;  die  innerhalb  der 

1  Der  Ausdruck  ,,  Aussenhaut'-  scheint  mir  passender  gewählt  als  der 
übliche  Name,  was  ich  schon  früher  motivirte  (Elemente  der  Anatomie  und 
Physiologie  der  Pflanzen.  2.  Aufl.,  pag.  288).  Der  von  mir  vorgeschlagene 
Ausdruck  fügt  sich  auch  besser  in  die  Terminologie  der  Zellhaut  ein,  lässt 
sich  auf  das  an  frei  auftretenden  Zellen  vorkommende  Analogen  der  Mittel- 
lamelle anwenden  und  scheint  auch  desshalb  den  Vorzug  zu  verdienen,  da 
meine  Untersuchungen  lehren,  dass  die  sogenannte  Mittellamelle  thatsäch- 
li,ch  aus  zwei  getrennten  Theilen  besteJit  und  mithin  jede  im  Gewebe- 
Aerbande  stehende  Zelle  ihre  eigene  Aussenhaut  besitzt. 

-  Elemente  der  Anatomie  und  Phys.  <l.  Pflanzen,  1.  Aufl.,  pag.  259, 
2.  Aufl.,  pag.  281». 

3  Verhandlungen  der  8  e  n  k  e  n  h  e  r  g'schen  Gesellschaft,  Bd.  XI, 
pag.  148. 


Uutersuchuuii-en  über  d.  Orgauisatiou  d.  vegetab.  Zellhaiit.  51 

geschlossenen  Zellwand  mächtig  aufquellende  Stärke  dehnt 
die  Wand  und  spaltet  die  Mittellamelleu  in  ihre  natürlichen 
Hälften.  Kocht  man  dünne  Schnitte  der  Kartoffel,  welche  nur 
aus  durchschnittenen  Zeilen  bestehen,  tagelang,  so  tritt  keine 
Trennung  der  Zellen  ein,  woraus  ersichtlich  ist,  dass  die 
Isolirung  der  Parenchymelemente  nicht  eben  auf  einer  Auflösung 
der  gemeinsamen  Grenzschichte,  sondern  auf  einer  einfachen 
Spaltung  beruht,  was  zuerst  Solla  in  einer  im  hiesigen 
pflanzenphysiologischen  Institute  ausgeführten  Arbeit  zeigte.  ^ 
Die  Meristemzellen  des  Vegetationskegels  schliessen  dicht  anein- 
ander, aber  wie  die  Turgescenz  der  Zellen  sich  steigert,  erfolgt 
schon  eine  partielle  Spaltung  der  Mittellamellen,  nämlich  die 
Bildung  der  lutercellularen.  Aus  diesen  Thatsachen  geht 
aber  hervor,  dass  die  Dermatosomen  innerhalb  einer 
Zellwand  fester  gebunden  sind  als  zwischen  benach- 
barten Zellen.  Unter  dieser  „Bindung"  verstehe  ich  selbst- 
verständlich eine  mechanische  Vereinigung  der  Dermato- 
somen. Ich  werde  später  genauer  meine  Vorstellung  über  diese 
mechanische  Bindung  ausdrücken. 

Meine  Versuche  haben  aber  auch  gelehrt,  dass  chemische 
Mittel  viel  leichter  die  Verbindung  zwischen  benach- 
barten Zellhäuten  lösen  als  den  Zusammenhang  der 
Theilchen  innerhalb  einer  Zellwand.  Es  muss  ange- 
nommen werden,  dass  jene  Theilchen,  welche  die  Dermatosomen 
benachbarter  Zellen  verbinden,  sich  in  gewisser  Beziehung 
chemisch  von  jenen  unterscheiden,  welche  die  Dermatosomen 
einer  und  derselben  Zellhaut  zusammensetzen.  Der  Unterschied 
mag  vielleicht  bloss  ein  quantitativer  sein.  Dass  aber  ein  solcher 
besteht,  geht  aus  folgenden  Thatsachen  hervor. 

Wenn  Hollundermark  in  Chlorwasser  eingelegt  wird,  so 
bräunt  sich  das  Gewebe,  später  entfärbt  es  sich  wieder  und  bald 
darauf  ist  die  Holzsnbstanz  aus  den  Zellhäuten  verschwunden. 
Dennoch  hält  das  Gewebe  innig  zusammen.  Wird  nun  zu  dem 
Gewebe  Kalilauge  hinzugefügt,  so  treten  die  Zellen  augenblick- 
lich aus  dem  Verbände,  wobei  ein  Körper  in  Lösung  geht,  welcher 
der  Flüssigkeit  eine  braune  Farbe  ertheilt.  Dass  die  hier  erfolgte 
Aufhebung   der  Bindung,   welche   die  Häute   der  benachbarten 

1  Österr.  bot.  Zeitschrift,  1879,  Xr.  11. 


0^  W  i  e  s  n  e  r, 

Zellen  zusammenhielt,  nicht  ein  einfacher  mechanischer  Vorgang* 
wie  in  dem  früheren,  die  Kartoffel  betreffenden  Falle  ist,  leuchtet 
ein,  und  es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  eine  chemische 
Veränderung  jener  Hauttheilchen,  welche  die  Dermatosomen 
benachbarter  Zellen  vereinigte,  die  Trennung  der  Zellen  herbei- 
führte. 

Man  hat  bisher  an  der  Vorstellung  festgehalten,  dass  die 
jugendlichen  Zellwände  (z.  B.  die  Häute  der  Meristemzellen) 
homogen  seien,  und  dass  sich  erst  später  die  Schichten  differen- 
ziren,  wobei  an  der  äussern  Grenze  der  Zellwände  eine  chemische 
Metamorphose  eintrete,  welche  es  möglich  machen  solle,  dass  durch 
chemische  Mittel  eine  Loslösung  benachbarter  Zellen  sich  einstelle. 

Ich  habe  mich  aber  davon  überzeugt,  dass  eine  Spaltung 
der  Zellwaud  durch  Lösung  einer  inmitten  der  Mittellamelle 
gelegenen,  im  Mikroskope  direct  nicht  nachweislichen  Partie,  selbst 
in  jenen  frühen  Entwicklimgsstadien  der  Zellwand  ausführbar 
ist,  in  welchem  dieselbe  sich  als  eine  geschlossene,  zwei  Zellen 
abgrenzende,  homogen  erscheinende  Haut  zu  erkennen  gibt. 
Wenn  ich  Vegetationsspitzen  von  Keimpflanzen  {Phaseolus  mnlti- 
florns,  Pismn  sativum,  Mais  etc.)  oder  Lanbsprossen  {Solanum 
tuberosiim,  Myrtus  communis  etc.)  in  concentrirter  Salzsäure  ein- 
lege, so  treten  die  Zellen  schon  nach  wenigen  Minuten  aus  dem 
Verbände.  Später  erst  trennen  sich  die  Jungparenchymzellen^ 
viel  später,  in  manchen  Fällen  gar  erst  nach  wochen-  und 
monatelanger  Einwirkung  die  vollkommen  ausgebildeten,  aus  den 
Meristemzellen  hervorgegangenen  Zellen,  woraus  sich  also  ergibt, 
dass  in  früheren  Entwicklungsstadien  die  Bindung  der  Elemente 
untereinander  auch  rücksichtlich  der  Resistenz  der  diese  Bindung- 
bewirkenden  Substanzen  gegenüber  lösenden  Mitteln  eine  weniger 
feste  ist,  als  in  jener  Zeit,  in  welcher  sie  auf  der  Höhe  ihrer  Ent- 
wicklung angelangt  sind  *,  dass  die  Zusammensetzung  der  Mittel- 
lamelle  aus   zwei  Häuten   sich  schon  im  Meristemzustande  der 


1  Dass  die  Zellen  vieler  Gewebe  nach  Beendigung'  des  Wachsthiiras 
durch  chemische  Uniwandhmgen  der  äussersteu  Hautpartie  sich  von  ein- 
ander loslösen,  ist  hinlänglich  bekannt  und  widerspricht  den  oben  mit- 
getheilten  Thatsachen  gar  nicht,  lehrt  übrigens  gleichfalls,  dass  die  Bindung 
der  Dermatosomen  innerhalb  einer  Zellwand  eine  innigere  ist  als  die  jener 
Hautkörperchen,  welche  die  Grenzen  zweier  benachbarter  Zellen  bilden. 


Untersuchuugeu  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhaut.  53 

betreffenden  Zellen  nachweisen  lässt  und  dass  es  ein  Irrthnm  ist 
wenn  man  glaubt,  die  Fälligkeit  der  Zellen,  sich  durch  chemische, 
Mittel  zu  trennen,  erfolgt  erst  in  späteren  Wachsthumsstadien, 
infolge  einer  chemischen  Metamorphose  innerhalb  der  Mittel- 
lamelle. Dass  die  erste,  noch  protoplasmatische  Anlage  einer 
Scheidewand  als  einfaches  Häutchen  zu  betrachten  ist,  soll  nicht 
in  Abrede  gestellt  werden  und  widerspricht  nicht  meiner  Auf- 
fassung, dass  die  Mittellamelle  aus  zwei  Schichten  besteht. 

Innenhaut.  Die  Methode,  durch  welche  es  mir  zuerst 
gelang,  die  Innenhaut  zu  isoliren  (Markstrahlen  von  Nadel-  und 
Laubhölzern),  bestand  in  der  Einwirkung  von  Chromsäure  auf  die 
Gewebe.  Durch  Anwendung  von  Kupferoxydammoniak  konnte 
ich  die  Innenhäute  unverholzter  Bastzellen  (Flachs,  Hanf  etc.) 
biossiegen. ^  Schacht^  und  später  Kabsch^  hielten  die  Innen- 
haut für  eine  aus  reiner  Cellulose  bestehende  Zellwandschicht, 
Aber  schon  Sanio*  wies  nach,  dass  das  chemische  Verhalten 
der  Zellhaut  dieser  Annahme  nicht  günstig  ist  und  ich  habe  durch 
zahlreiche  Versuche  nicht  nur  die  Angabe  Sanio's  bestätigt 
gefunden,  sondern  konnte  auch  für  bestimmte  Fälle  den  Beweis 
erbringen,  dass  die  Innenhaut  mit  Eiweissk(3rpern  imprägnirt  ist. ' 

Später  hat  Pf ur tscheller  (1,  c.)  gezeigt,  dass  man  in 
vielen  Fällen  durch  concentrirte  Schwefelsäure  die  Innenhaut 
noch  viel  schöner  als  durch  Chromsäure  von  den  übrigen  Zell- 
waudbestandtheilen  befreien  kann.  Dies  gilt  für  die  Markstrahlen 
der  von  ihm  untersuchten  Baumarten  (Fagus,  Pyrus,  Acer,  Ulmus), 
ferner  für  Sklerenchymzellen  (Samenschale  von  Cocos  nncifera). 

Dass  man  durch  Anwendung  von  Chlorwasser  die  Innenhäute 
gleichfalls  isoliren  kann,  darüber  habe  ich  in  einem  früheren  Ab- 
schnitte mehrfache  Belege  gebracht,  und  ich  möchte  hinzufügen, 
dass  sich  die  so  gewonnenen  Innenhäute  sowohl  zum  Studium 
des  chemischen  als  morphologischen  Verhaltens  dieser  Membran- 
schichte am  meisten  eignen. 

1  Wiesner,  Techn.  Mikroskopie,  Wien  1867,  pag.  109  u.  111. 
-  Anatomie  und  Physiologie  der  Gewächse,  pag.  30. 
•^  Pringsheim's  Jahrb.  f.  wiss.  Bot..  Bd.  III,  pag.  .383. 
i  Bot.  Zeitung,  1860.  pag.  201. 

■'  Wiesuer.  Zerstörung  der  Hölzer  an  der  Atmosphäre,  1.  c,  pag.  16 
lind  17. 


54  W  i  e  s  n  e  r . 

Es  ist  von  Russow'  uamentlich  gegen  Pfiirtscheller's 
Angaben  gesagt  worden,  die  als  „Innenbäute"  bescbviebenen 
Membrantheile  wären  nicbts  anderes  als  der  eingetrocknete 
Primordialscblauch  der  betreifenden  Zellen.  Wäre  diese  Auf- 
fassung riebtig,  so  könnte  die  Innenhaut  keine  Cellulosereaction 
geben.  Wenn  man  aber  Innenbäute  aus  Markstrablen  (z.  B. 
Ficbte)  Bastzellen  (Jute,  Hanf  etc.)  durcb  Cblorwasser  isolirt  und 
dann  auf  12—48  Stunden  in  Chlorzinkjodlösung  einlegt,  so  erhält 
man  sehr  deutliche  Violettfärbung.  Dabei  ist  aber  zu  beachten, 
dass  die  Innenhäute  dem  Cblorwasser  gegenüber  sich  ähnlich 
wie  Pilzzellwände  verhalten,  welche  nach  längerem  Liegen  in 
diesem  Reagens  die  Cellulosereactionen  (gegen  Jodpräparate) 
annehmen,  nach  einiger  Zeit  aber,  nämlich  nach  noch  länger 
anwährender  Einwirkung  des  Chlors  diese  Fähigkeit  einbUssen, 
offenbar,  weil  die  lange  der  Wirkung  des  Chlors  widerstehende 
Cellulose  der  Innenhaut  schliesslich  doch  durch  dasselbe  zer- 
stört wird,  aber  in  einer  Zeit,  in  welcher  andere  an  der 
Zusammensetzung  der  Inneuhaut  Antheil  nehmende  Körper 
diesem  Reagens  noch  Widerstand  leisten. 

Auch  die  Innenhaut  der  Pilzhyphen  (Polyporus]  siehe  oben 
pag.  46)  versuchte  ich  auf  Cellulose  mikrochemisch  zu  prüfen, 
allein,  trotz  vielfacher  Versuche,  bisher  vergebens. 

Hingegen  konnte  ich  in  allen  von  mir  untersuchten  lunen- 
häuten  die  Gegenwart  von  Eiweisskörpern  constatiren. 

Ich  rechne  die  luuenhaut  in  jedem  Falle  zur  Zellwand,  auch 
wenn  sich  in  derselben  Cellulose  nicht  nachweisen  lässt.  Sie 
bildet  eben  eine  Zellwandschichte,  in  welcher  Protoplasma  am 
reichlichsten  vorkommt  und  am  längsten  sich  erhält,  so  dass  die 
lunenhaut  einer  ausgebildeten  Zelle  dem  Chlorzinkjod  gegenüber 
kaum  anders  als  eine  Meristemzellwand  sich  verhält,  welche,  wie 
im  nächsten  Abschnitte  gezeigt  werden  soll,  infolge  ihres  Proto- 
plasmagehaltes reich  au  Eiweisskörpern  ist  und  in  welcher  die 
Nachweisung  der  Cellulose  gleichfalls  auf  Schwierigkeiten  stösst. 

Die  Innenhaut  ist  bis  jetzt  als  ein  homogen  erscheinendes 
Häutchen  angesehen  worden.  Die  überaus  schönen  Innenhaut- 
präparate,    welche    durch    Kinwirkung    von    Chlorwasser    auf 

i  Über  die  Auskleidung  der  Intercellularen.  Sitzungsbericht  der 
Dorpater  Naturtorschergesellsfhat't.  18S4,  VIT.  1.  Heft,  pag.  10  flf. 


Untersuchuugen  über  <l.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhant.  OO 

Gewebe  resiiltiven,  lassen  aber  doch  bestimmte  Stmcturen 
erkennen.  So  zeigen  die  Inneuhäute  ans  Markstrahlen  der  Fichte 
theils  excentrisehe,  theils  knotige  Verdickung,  welche  von 
sehr  zarten,  zur  Oberfläche  der  Haut  senkrechten  Streifen  durch- 
setzt sind.  (Fig.  4.) 

Fig.  4. 

h 


b 

^'ergr.  1000.  Bruchstück  einer  durch  Chlorwasser  isolirten  Markstrahlzelle 

der  Fichte.  Die  Aussackungen  bei  a  und  b  sind  excentrisch  verdickt  und 

von  zarten  radialen  Linien  fPorencanälen?)  durchsetzt. 

III.    Chemische   Beschaffenheit  der  Zellhaut  und  Vorkommen  von 
Protoplasma  in  derselben. 

Durch  die  neuere  Forschung  wurden  zahlreiche  chemische 
Individuen  als  Bestandtheile  der  vegetabilischen  Zellwand 
erkannt.  Obwohl  wir  noch  weit  davon  entfernt  sind,  die  chemi- 
schen Verhältnisse  der  Membran  zu  überschauen,  so  lässt  sich 
doch  aus  unseren  derinaligen  Kenntnissen  schon  zweierlei 
ableiten :  erstens,  dass  die  Zellwand,  vom  chemischen  Stand- 
punkte betrachtet,  nicht  so  einfach  gebaut  ist,  als  früher  ange- 
nommen wurde,  vielmehr  ein  höchst  complicirtes  Stoffgemenge 
rei)räsentirt,  und  zweitens,  dass  die  bisherige  Auffassung  in 
Betreff  der  Entstehung  der  Zellwandbestandtheile  unhaltbar  ist. 

Bezüglich  des  erstgenannten  Punktes  möchte  ich  nur  auf 
eine  sehr  lehrreiche  Thatsache  hinweisen,  nämlich  auf  die 
chemische  Beschaffenheit  der  verholzten  Zellwand.  Man  nahm 
früher  an,  dass  sie  aus  Cellulose  und  Lignin  (Holzsubstanz) 
bestehe.  Dieses  letztere  ist  aber  zweifellos  ein  Stoffgemenge. 
Derzeit  kennt  man  neben  Cellulose  als  Bestandtheil  der  verholzten 
Zellwaud:  zwei  Gummiarten,  Touiferin,  Vanillin  und  ferner  eine 
durch  Salzsäure  sich  gelbfärbende,  mit  keiner  der  früheren 
identische  Substanz '  und  ist  sich  wohl  schon  darüber  klar,  dass 


1  .S.  hierüber  M.  Singer,   Arbeiten  des  pflanzenphysiol.  Inst,  der 
"Wiener  Universität.  XXII,  in  diesen  Berichten,  Mai  1882. 


56  Wiesner, 

damit  der  chemische  Bestand  der  verholzten  Zellwand  noch  nicht 
erschöpft  ist,  wie  übrigens  ans  dem  oben  mitgetheilten  Verhalten 
ihrer  Holzsubstanz  mittelst  Chlor  beraubter  und  dann  mit  Kali 
behandelter  verholzter  Gewebe  hervorzugehen  scheint. 

Was  den  zweiten  Punkt  anbelangt,  so  wird  bezüglich  der 
Entstehung  der  Zellwandbestandtheile  noch  immer  angenommen, 
dass  dieselben,  soferne  sie  nicht  einfache  Infiltrations- 
pro du  cte  sind,  wie  z.  B.  die  mineralischen  Einlagerungen,  Pro- 
ducte  repräsentiren,  welche  durch  chemische  Metamorphose  aus 
Cellulose  hervorgegangen  sind,  die  man  als  Umwandlungs- 
pro du  cte  der  Zellwand  zusammenfasst.  Die  Cellulose  soll  stets 
die  erste  feste  Ausscheidung  des  Protoplasmas  bilden,  gewisser- 
massen  die  Grundlage  der  Zellwand,  aus  welcher  die  übrigen 
Membransubstanzen,  sofern  sie  nicht  blosse  Infiltrate  sind,  ent- 
stehen. 

Diese  Ansicht  über  die  Entstehung  der  Umwandlungs- 
producte  ist  in  neuerer  Zeit,  seitdem  man  den  chemischen  Aufbau 
der  Zellwand  genauer  kennen  gelernt  iiat,  nicht  näher  geprüft 
worden. 

Dass  Kohlenhydrate,  welche  mit  Cellulose  isomer  sind, 
oder  sich  bloss  von  ihr  durch  ein  Plus  von  Wasser  unterscheiden, 
aus  Cellulose  hervorgehen  können,  kann  wohl  keinem  Zweifel 
unterliegen,  und  die  Entstehung  der  Gummiarten  und  Schleime 
aus  Cellulose  ist  vom  chemischen  Standpunkte  aus  ebenso 
gerechtfertigt,  wie  sich  auch  in  Bezug  auf  die  dabei  eintretenden 
morphologischen  Verhältnisse  in  vielen  Fällen,  z.  B,  bei  Ent- 
stehung des  Traganths,  die  Ansicht  nicht  zurückweisen  lässt,  dass 
Cellulose  das  Materiale  zur  Entstehung  derartiger  Kohlenhydrate 
liefert.  Zahlreiche  andere  Körper,  welche  in  Beziehung  zu  den 
Kohlenhydraten  stehen,  mögen  gleichfalls  aus  Cellulose  innerhalb 
der  Zellwand  hervorgehen.  Diese  Möglichkeit  könnte  für  die 
grosse  Zahl  jener  Substanzen  zugegeben  werden,  welche  der 
Classe  der  F  e  1 1  k  ö  r  p  c  r  angehören. 

Nun  kommen  aber  auch  sogenannte  aromatische  Ver- 
bindungen (Benzolabkömnilinge)  in  der  Zellwand  als  Umwand- 
lungsproducte,  genauer  gesagt,  als  Körper  vor,  welche  an  Ort 
und  Stelle  gebildet  wurden.  Stehen  sich  heute  die  Fettkörper  und 
aromatischen  Verbindungen  auch  nicht  mehr  so  schroff  gegenüber 


Untei'suchuu.ffeii  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellliaut.  57 

wie  früher,  seitdem  es  nämlich  gelung-en  ist,  Fettkörper  in 
aromatische  Substanzen  zu  verwandeln,  so  sind  diese  Fälle  doch 
so  vereinzelt,  dass  die  Wahrscheinlichkeit  für  die  Annahme,  die 
aromatischen  Verbindungen  seien  Abkömmlinge  der  Cellulose, 
nur  eine  sehr  geringe  ist.  Ganz  unmöglich  ist  es  aber,  die  stick- 
stofflialtigen  —  nicht  infiltrirten  —  Producte  der  Zeliwand  aus 
der  Cellulose  abzuleiten. 

Ich  werde  zeigen,  dass  die  lebende  Zell  wand 
stets  Protoplasma  enthält,  somit  Eiweisskörper  führt.  Diese 
Thatsache  allein  schon  erlaubt  uns,  die  in  der  Zellwand  statt- 
habenden chemischen  Vorgänge  naturgemässer  als  bisher  zu 
betrachten. 

Die  Zahl  der  Zersetzungsproducte  der  Eiweisskörper  ist  eine 
so  grosse,  dass  aus  denselben  sich  weit  mehr  und  viel  ver- 
schiedenartigere chemische  Individuen  ableiten  lassen,  wie  aus 
der  Cellulose.  Die  Qualität  dieser  Zersetzungsproducte  lehrt  uns 
sowohl  Fettkörper  als  aromatische  Substanzen  gewissermassen 
als  nähere  Beslandtheile  der  Eiweisskörper  kenneu.  Die  Ab- 
kömmlinge der  Eiweisskörper  können  mithin  ebenso  Fettkörper 
als  aromatisclie  Verbindungen  sein.  Mit  Rücksicht  auf  die  leichte 
Verwandlung  der  Eiweisskörper  im  Organismus  in  Fettsäuren  und 
Glyceride  ist  es  viel  wahrscheinlicher,  dass  diese  Fettkörper 
auch  in  der  Zellwand  aus  Albuminaten  und  nicht  aus  Cellulose 
sich  ableiten.  In  noch  höherem  Grade  gilt  dies  bezüglich  der 
stickstofffreien  aromatischen  Verbindungen,  und  für  sämmtliche 
stickstoffhaltige  Kohlenstoffverbindungen  muss  dies  wohl  als 
gewiss  angenommen  werden. 

Dass  innerhalb  der  ganz  jungen  Zellen  Eiweisskörper  vor- 
kommen, schliesse  ich  aus  dem  Verhalten  der  die  Vegetations- 
spitze des  Stammes  bildenden  Meristemzellen,  des  Fhellogens  und 
des  Cambiums. 

Dr.  So  Ha  (1.  c.)  und  Dr.  Karl  Richter  (1.  c.)  haben  sich 
durch  vielfache  Versuche  überzeugt,  dass  die  Zellwände  von 
Meristemgeweben  der  Vegetationsspitze  weder  durch  Jodpräparate 
noch  durch  Kupferoxydammoniak  die  Cellulosereactionen  zu 
erkennen  geben.  Dr.  Richter  konnte  in  solchen  Zellen  Cellulose 
durch  Chlorzinkjod  constatiren,  wenn  das  Gewebe  vorher  mit 
Kalilauge  behandelt  und  gequetscht  wurde. 


58  Wiesner. 

Ich  wiederholte  dieses  Verfahren  mit  gleichem  Erfolge  und 
es  schien  mir  dieses  Verhalten  der  jugendlichen  Zellwände  mit 
der  Annahme,  dieselben  enthielten  Eiweisskörper,  verträglich  zu 
sein.  Zur  weiteren  Prüfung  meiner  Annahme  unterwarf  ich 
Vegetationsspitzen  der  Keimstengel  von  Zea  Mais,  Phaseohis 
multtflorus  und  anderer  Pflanzen  der  Peptonisirung,  worauf  nach 
24  Stunden  Chlorzinkjod  die  Anwesenheit  der  Cellulose  in  den 
Membranen  zu  erkennen  gab.  Auch  direct  lässt  sich  die  Gegen- 
wart der  Eiweisssubstanzen  in  der  Zellwand  durch  die  Raspail' 
sehe  Reaction  nachweisen,  doch  nicht  mit  grosser  Sicherheit,  da 
die  Zellen  mit  Eiweisskörpern  gefüllt,  die  Membranen  aber  nur 
sehr  dünn  sind,  mithin  bei  Prüfung  auf  die  Färbung  eine  Täuschung 
leicht  unterlaufen  kann. 

Durch  Anwendung  derselben  Methoden  lässt  sich  auch  im 
Phellogen  zahlreicher  Pflanzen  die  Gegenwart  von  Eiweisskörpern 
constatiren,  desgleichen  imCambium,  bezüglich  welchen  Gewebes 
schon  Dippel*  darauf  hinweist,  dass  es  mit  Cldorzinkjodlösung 
die  Cellulosereaction  nicht  gibt. 

Die  genannten  eiweissführenden,  aber  bereits  Cellulose  ent- 
haltenden Meristemzellwände  nehmen  erst  nach  24 — 48stündigera 
Liegen  in  Chlorzinkjodlösung  violette  Farbe  an. 

Dass  die  Innenhaut  reich  an  Eiweisskörpern  ist,  wurde  schon 
im  fi-üheren  Capitel  gesagt. 

Eine  besondere  Beachtung  wegen  ihres  liolien  Eiweiss- 
gehaltes  verdienen  die  Membranen  der  Pilzzellen. 

Schon  lange  weiss  man,  dass  sich  in  diesen  Zellmembranen 
auf  gewöhnliche  Weise  die  Gegenwart  der  Cellulose  durch  Jod- 
präparate und  Kupferoxydamraoniak  nicht  nachweisen  lässt, 
selbst  nicht  nach  Vornahme  jener  Proceduren,  welche  in  stark 
verholzten  Zellwänden  die  Constatiruug  der  Cellulose  ermög- 
lichen. Dieser  Umstand  hat  bekanntlich  zur  Annahme  einer 
besonderen  Modification  der  Cellulose  im  Pilzgewebe  geführt, 
welcher  man  den  Namen  Pilzcellulose  gegeben  hat.  Es  hat 
aber  Dr.  Richter  in  einer  in  meinem  Laboratorium  aus- 
geführten Arbeit  gezeigt,  dass  eine  solche  Pilzcellulose  nicht 
existirt,  dass  man  vielmehr  nach  lang  andauernder  Einwirkung 
alkalischer  Flüssigkeiten    durch    die    gewöhnlichen   Reactionen 

1  Das  Mikroskop.  1.  Aufl..  WA.  II,  pa--.  49,  230. 


Uutersuchimgen  über  d.  Organisatiou  d.  vegetab.  Zellhaut.  59 

die  Anwesenheit  der  Cellulose  in  den  Wänden  der  Pilzzellen  nach- 
weisen könne.  Ich  habe  in  vorliegender  Arbeit  noch  eine  andere 
Vorbehandlung-  angegeben,  die  Einwirkung  von  Chlorwasser. 

Welcher  Art  jene  Körper  sind,  welche  in  den  Zellwänden 
der  Pilze  die  Constatirung  der  Cellulose  durch  die  üblichen 
Reagentien  unmöglich  machen,  konnte  bisher  nicht  aufgeklärt 
werden. 

Gestützt  auf  meine,  an  lunenhäuten  vor  langer  Zeit  ange- 
stellten Beobachtungen,  denen  zufolge  diese  wegen  ihres  Eiweiss- 
gehaltes  der  Celliilosereaction  noch  schwerer  zugänglich  sind, 
selbst  als  verholzte  Zellwaudschichten,  habe  ich  sowohl  bezüg- 
lich der  Meristem-  als  auch  der  Pilzzellhäute  die  Vermuthung  aus- 
gesprochen, es  möchten  dieselben  mit  Eiweisskörpern  imprägnirt 
sein.  Sowohl  Solla  als  Eichter  haben  diese  meine  Vermuthung 
geprüft;  ersterer  kam  aber  bezüglich  der  Meristemzellen  zu 
keinem  positiven  Resultate,  hingegen  gelang  es  letzterem,  einige 
Wahrscheinliclikeitsgründe  für  die  Richtigkeit  dieser  Vermuthung 
in  Betreff  der  Pilzzellmembraneu  beizubringen. 

Herr  Dr.  Forsell,  derzeit  mit  Untersuchungen  über  die 
Histochemie  der  Flechten  in  meinem  Laboratorium  beschäftigt, 
ist  zu  bestimmteren  Resultaten  gekommen.  Es  gelang  ihm  nament- 
lich in  dickwandigen  Pilzhyphen  des  Flechtengewebes  durch 
das  Millon'sche  Eiweissreagens  positive  Resultate  zu  bekommen, 
worüber  später  von  seiner  Seite  ausführliche  Mittheilungen 
folgen  werden.  Um  die  Richtigkeit  meiner  Auffassung  über 
die  Structur  und  chemische  Beschaffenheit  weiter  zu  prüfen, 
habe  ich  zunächst  eine  eingehende  Untersuchung  über  das 
Auftreten  des  Eiweiss  in  den  Zellmembranen  veranlasst, 
welche  von  Herrn  Fridolin  Krasser  im  pflanzenphysio- 
logisehen  Institute  ausgeführt  wird.  Mit  Zuhilfenahme  der 
üblichen  Reactionen  auf  Eiweiss  (Millon'sche,  Raspail' 
sehe,  Biuret-  und  Xanthoproteinsäurereaction)  gelang  es  bereits 
bei  zahlreichen  Pflanzen  in  den  Membranen  von  Meristemen  (Phel- 
logeu,Cambiumect.)  undDauergeweben(Ep«V/erw?{s,  velamen  radi- 
cmn,  Endosperme  ect.)  positive  Resultate  zu  gewinnen.  Über  diese 
Versuche  wird  später  eingehend  berichtet  werden.  Ich  will  hier 
nur  noch  bemerken,  dass  die  Membranen  des  Endosperms  von 
Zea  Mais  zu  den  genannten  Versuchen  sich  besonders  gut  eignen. 


60  AY  i  e  s  u  e  r , 

Da  das  in  der  lebenden  Zelhvand  vorliandene  Eiweiss 
gänzlich  oder  zum  grossen  Tlieile  in  Form  von  Protoplasma  vor- 
kommt, so  können  alle  jene  cliemisclien  Umwandlungen,  welche 
bisher  im  Inhaltsplasma  nachgewiesen  wurden,  auch  innerhalb 
der  Membran  angenommen  werden. 

Ich  glaube,  dass  die  hier  vorgetragene  Ansicht, 
dass  stets  Protoplasma  in  der  lebenden  Zellwand  vor- 
handen ist,  das  Verständniss  der  in  der  Zellwand 
statthabenden  chemischen  Vorgänge  mehr  fördern 
wird  als  die  bisherige  Lehre,  derzufolge  alle  soge- 
nannten Umwaudlungsproducte  der  Zellwand  aus 
Cellulose  sich  ableiten  sollen. 

Am  Schlüsse  dieses  Capitels  möchte  ich  noch  zu  zeigen  ver- 
suchen, dass  es  Zellen  gibt,  deren  Membranen  als  Hauptträger  des 
Protoplasmas  fuugiren. 

Höchst  auffallend,  aber  bisher  in  Bezug  auf  das  Vorkommen 
des  Protoplasmas  in  der  Zelle  nicht  beachtet,  ist  die  Dickwandig- 
keit vieler  Pilzhyphen,  welche  sich  bei  vielen  Gasteromyceten  und 
Hymenomyceten  selbst  schon  in  Jugendzuständeu  zu  erkennen 
gibt. '  Bedenkt  man,  dass  gerade  in  den  Membranen  solcher 
dickwandigen  Hyphen  sich  die  Gegenwart  von  Eiweisskörpern 
zu  erkennen  gibt,  so  gewinnt  die  Annahme,  ein  relativ  grosser 
Theil  des  Protoplasmas  verberge  sich  hier  in  der  Wand,  umso- 
mehr  an  Wahrscheinlichkeit,  als  die  Anwesenheit  von  Proto- 
plasma in  den  Zellwänden  höherer  Pflanzen  vielfach  nach- 
gewiesen wurde,  und  das  Lumen  der  genannten  Hyphen  schon  zur 
Zeit  desWachsthiims  oft  so  klein  ist,  dass  für  ausreichende  Mengen 
von  Protoplasma  in  solchen   Zellen  kein  Raum  zu  sein  scheint. 

Ich  will  nun  versuchen,  die  Eiweissmenge  eines  aus  der- 
artigen Hyphen  zusammengesetzten  Pilzes  in  Vergleich  zu  setzen 
mit  dem  Räume ,  welcher  innerhalb  solcher  Zellen  für  das  Proto- 
plasma disponibel  ist. 

leb  wähle  hiezu  das  noch  wachsthumsfähige  Gewebe  des 
Fruchtkörpers  von  PoJyporus  fomentarius.  Nach  einer  genauen 
chemischen  Untersuchung,  welche  Herr  Dr.  Fossek,  Assistent 
am  ersten  chemischen  Universitätslaboratorium,   auszuführen  die 


^  De  Biiry,  Morphologie  und  Biologie  der  Pilze  etc.,  pag.  13. 


üiitersuchungeu  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellhaut.  61 

Güte  hatte,  beträgt  die  ilenge  an  Stickstoff  in  dem  genannten 
Gewebe  2-34  Proc,  auf  absolut  trockene  Substanz  bezogen. 
Nimmt  man  die  duvchsebnittlielie  Sticlvstoffmenge  eines  Eiweiss- 
körpers  mit  16  Proe.  an,  so  entspricht  der  angegebene  Stickstoflf- 
gehalt  einer  Menge  von  14-6  Proe.  Eiweiss.  Da  in  wachsenden 
Pflanzentheilen  die  Hauptmasse  der  Eiweisskörper  im  Proto- 
plasma auftritt,  dieses  aber,  auf  organische  Trockensubstanz 
bezogen,  nur  etwa  zwei  Drittel  Eiweisskörper  enthält,  so  wäre 
die  Annahme  nicht  unberechtigt,  dass  das  Gewebe  14  Proe. 
absolut  trockene  Protoplasmasubstanz  enthält.  Da  aber  der  Stick- 
stoff in  diesem  Gewebe,  wie  in  anderen  in  chemischer  Beziehung- 
genauer  untersuchten  Geweben  noch  in  Form  anderer  Verbin- 
dungen auftreten  dürfte,  die  allerdings  sonst  zum  grössten  Theile 
im  Protoplasma  ihren  Sitz  haben,  so  wäre  ein  Gehalt  von  lOProc. 
Protoplasma  eher  zu  niedrig  als  zu  hoch  geschätzt.  Nun  verhält 
sich  nach  zahlreichen,  von  mir  vorgenommenen  Messungen  der 
cubische  Inhalt  der  jugendlichen  Zelhvand  des  genannten 
Gewebes  zu  dem  cubischen  Inhalt  des  Lumens  der  betreffenden 
Zelle  etwa  wie  87  :  1.  Es  könnte  somit  unter  der  gemachten  An- 
nahme und  unter  der  Voraussetzungj  dass  die  Dichte  der 
trockenen  Protoplasmasubstauz  mit  jener  der  übrigen  festen 
Zellwandbestandtheile  übereinstimmt,  bloss  der  achte  Theil  des 
Protoplasmas  im  Zellinhalte  Platz  finden.  Würde  man  die 
Berechnung  auf  frische  Substanz  machen,  wobei  der  Wasser- 
gehalt des  Protoplasmas  viel  höher  als  der  der  Wand  anzunehmen 
wäre,  so  würde  ein  noch  kleinerer  Bruclitheil  des  Protoplasmas 
als  Füllmasse  des  Zelllumens  resultiren. 

Diese  Discussion  führt  zu  dem  Resultate,  dass  es 
Zellen  gibt,  in  welchen  die  Hauptmasse  des  Proto- 
plasmas der  Membran  angehört. 

IV.  Organisation  der  Zellwand. 

1.  Molecularstructur  und  Organisation.  Die  directe 
Beobachtung  führte  uns  bereits  tief  in  die  Organisationsverhält- 
nisse der  Pflanzen  ein.  Wir  zerlegen  die  Pflanzen  in  Organe, 
diese  in  Gewebe,  diese  in  Zellen,  finden  diese  wieder  aus  unter- 
scheidbaren Theilen:  Protoplasma,  Kern  und  Zellhaut  zusammen- 
gesetzt und  bemerken  innerhalb  des  Protoplasmas  individualisirte, 


62  Wie  SU  er, 

organische  Structiir  besitzende  Gebilde^  wie  Stärkekörnehen, 
Chlorophylkörner.  protoplasmatisclie  Anlagen  der  letztgenannten 
Gebilde  (^Piastiden  etc.).  Weiter  ging  man  bisher  in  der  Auf- 
suchung der  Organisationsverhältnisse  gewöhnlich  nicht,  sondern 
trachtete,  die  sich  darbietenden  morphologischen  Differenzirungen, 
z.B.  die  Schichtung  undStreifuug  derZellhaut  sofort  auf  moleculare 
Verhältnisse  zurückzuiühren  oder,  wie  man  sich  ausdrückt,  man 
suchte  die  Molecularstructur  dieser  Bildungen  zu  finden. 

Auf  botanischem  Gebiete  spricht  sich  dieses  Streben  viel 
deutlicher  aus  als  auf  zoologischem,  und  wenn  in  jüngster  Zeit 
die  gesunde  Tendenz,  nach  neuen  Organisationsverhältnissen  im 
Protoplasma  und  Zellkern  zu  suchen,  unter  den  Botanikern 
hervortritt,  so  ist  dies  zum  grossen  Theile  den  von  den  Zoologen 
ausgehenden  Anregungen  zu  danken. 

Wohl  besteht  die  letzte  im  Bereiche  der  morphologischen 
Untersuchung  organisirter  Objecto  gelegene  Aufgabe  darin,  die 
Zusammensetzung  der  Organismen  bis  auf  die  die  letzten  Form- 
elemente constituirenden  Molekülverbindungen  und  Moleküle 
zurückzuführen;  allein  das  Suchen  nach  der  Molecular- 
structur der  Organismen  scheint  mir  derzeit  ein  hoffnungs- 
loses Beginnen,  da  es  sich  hier  um  ein  mechanisches  Problem 
handelt,  welches  ohne  Auffindung  neuer  theoretischer  Grundlagen 
nicht  zu  fördern  ist,  das  also  eine  umfassende  Vorbereitung 
seitens  der  Physiker  eigentlich  voraussetzt  und  welches,  da 
diese  Vorarbeiten  fehlen,  mit  Erfolg  auf  Lösung  derzeit  nicht  in 
die  Hand  genommen  werden  kann. 

Hingegen  scheint  das  Bestreben,  tiefer  in  die  Organisa- 
tionsverhältnisse der  Pflanze  einzudringen,  grössere  Aussicht  auf 
Erfolg  zu  gewähren,  wie  die  neueren  Studien  über  pflanzliches  und 
thierisches  Protoplasma  erkennen  lassen.  Die  \  erliegende  Unter- 
suchung bezweckt  im  Wesentlichen  gleichfalls  ein  tieferes  Ein- 
dringen in  die  organische  Strnctur  der  Wand.  Auf  die  Frage  der 
Molecularstructur  der  Zellen,  wie  sie  durch  Nägeliund  später 
durch  Strasburger  ^  gestellt  und  zu  lösen  versucht  wurde,  gehe 
ich  aus  schon  angegebenen  Gründen  nicht  ein,  wohl  aber  möchte 
ich  an  dieser  Stelle  versuchen,  den  zwischen  Molecularstructur 
und  Organisation  bestehenden  Unterschied  zu  verdeutlichen. 

"i  Zellhäute,  pag-.  -ilG  ff. 


UnttMsucluiugeu  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  ZelUiant.  63 

Die  bisherigen  üutersuchimg-eii  der  Physiker  über  den 
moleciilaren  Bau  der  Körper  beziehen  sich  auf  die  einfachsten 
Fälle:  auf  leblose  Körper  von  homogenem  Gefüge  und  einheit- 
lichem chemischen  Bau  oder  von  einer  höchst  einfachen  Com- 
bination  chemischer  Verbindungen. 

Es  gelang  aus  Thatsachen  zu  erschliessen,  wie  die  Moleküle 
eines  chemisch  einheitlich  gebauten  Krystalls  gegenseitig  gelagert 
sind,  und  welche  formbildenden  Eigenschaften  diesen  Molekülen 
zukommen.  Weniger  klar  sind  schon  die  Lagerungsverhältnisse 
der  Moleküle  innerhalb  eines  Krystallwasser  führenden  Krystalls. 
In  diesem  Falle  wird  das  Krystallmolekül  als  ein  zusammen- 
gesetztes Molekül  angenommen,  bestehend  aus  dem  Haupt- 
molekül und  dem  angelagerten  Wasser,  über  dessen  Stellung  zum 
Hauptniolekül  man  noch  nicht  im  Klaren  ist.  Die  Anschauungen 
über  MolekUlverbinduugeu,  wie  solche  im  Alaun,  in  Lösungen  und 
Flüssigkeiten,  in  der  Substanz  einfacher  colloider  Körper  vor- 
liegen, sind  ganz  hypothetischer  Natur  und  schliessen  einge- 
staudenermassen  andere  Anschauungen  nicht  aus.  Strenge 
genommen  kennt  man  aber  selbst  den  einfachsten  Fall  der 
Molecularstructur,  nämlich  den  Bau  eines  krystallwasserfreien 
Krystalls  nicht,  weil  die  Form  des  Moleküls  der  beti-effenden 
chemischen  Substanz  unbekannt  ist. 

Die  Anschauungen  über  die  Molecularconstitution  so  einfach 
gebauter  Körper  sind  also  noch  zum  grössten  Theile  unbestimmte 
oder  unsichere.  Welche  Hoffnungen  sind  also  bezüglich  der  Auf- 
deckung der  Molecularsü-uctur  der  Organismen  zu  hegen,  nach, 
dem  wir  wissen,  dass  diese  Gebilde  eine  höchst  complicirte 
chemische  Zusammensetzung  haben?  Es  scheint,  als  wenn  man 
sich  dies  mit  Eücksicht  auf  das  gestellte  Problem  noch 
nicht  recht  vergegenwärtigt  habe,  weshalb  ich  diesen  Punkt 
etwas  näher  beleuchten  will. 

Man  hielt  die  Stärke  früher  für  ein  chemisches  Individuum, 
man  weiss  aber  jetzt,  dass  jedes  Stärkekörnchen  aus  mehreren 
isomeren  Kohlenhydraten,  aus  riechenden  und  farbigen  Sub- 
stanzen, welche  bezüglich  ihres  chemischen  Charakters  noch 
nicht  untersucht  wurden,  ans  Wasser  und  iMineralbestandtheilen 
besteht.  Dass  die  verholzte  Zellwand  chemisch  sehr  complicirt 
gebaut  ist,  wurde  schon  oben  (pag.  55 — 56)  dargelegt. 


64  Wie  SU  er, 

Nach  den  Uutersuchungeu  Reinke's  über  die  chemische 
Beschaffenheit  der  Myxomyceten-PIasmodien  \  welche  grosse 
Protoplasmakörper  repräsentiren ,  enthalten  dieselben  ausser 
Eiweisskörpern,  Wasser  und  Mineralbestandtheilen  noch  zahl- 
reiche andere  Verbindungen:  Reinke  hat  nicht  weniger  als 
15  organische  Substanzen  und  mehrere  organische  Körpergruppen 
(Amide,  Peptone,  Fettsäuren  etc.)  im  Plasmodium  vom  Jg^/ia^/wm 
septicum  nachgewiesen  und  hob  hervor^  dass  etwa  5  Proc.  der 
untersuchten  Substanz  auf  bestimmte  chemische  Individuen  noch 
nicht  zurückgeführt  werden  konnten.  Die  Chlorophyllkörner  ent- 
halten ausser  der  protoplasmatischen  Grundlage,  deren  chemische 
Mischung  zweifellos  gleichfalls  eine  sehr  complicirte  ist,  noch  die 
Chlorophyllfarbstoffe,  unter  Umständen  die  zu  assimilirenden 
Substanzen  und  die  Producte  der  Kohlensäureassimilation,  u.  s.  w. 

Wohl  werden  nicht  alle  diese  einem  bestimmten  Theile  der 
Zelle  angehörigen  chemischen  Species  an  dem  Aufbaue  jedes 
sichtbaren  Theiles  der  betreffenden  organisirten  Substanz  Antheil 
nehmen,  doch  kann  es  wohl  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
diese  kleinsten  eben  noch  unterscheidbaren  Theilchen  einen  im 
Vergleiche  zu  nicht  organisirten  Körpern  (Krystallen  etc.)  sehr 
verwickelten  Bau  und  eine  complicirte  chemische  Zusammen- 
setzung besitzen. 

Es  kann  als  sicher  angenommen  werden,  dass  jedem  chemi- 
schen Individuum,  das  in  die  Bildung  eines  organisirten  Gebildes 
eintritt,  jene  Molecularstructur  zukommt,  die  ihm  auch  im  isolirten 
Zustande  eigen  ist;  ob  dasselbe  fest,  flüssig  oder  gasförmig  ist 
oder  in  Form  einer  Lösung  vorkommt,  ist  dabei  glcichgiltig. 

Völlig  fraglich  ist  es  aber,  wie  diese  leblosen  Moleküle  und 
Molekülgruppen  im  Organismus  verbunden  sind. 

In  dieser  Beziehung  liegen  folgende  zwei  Möglichkeiten  vor: 
Entweder  vereinigen  sie  sich  zu  besonderen,  selbst  im  Ver- 
hältnisse zur  Zelle  sehr  kleinen  individualisirten  Gebilden,  oder 
sie  bilden  ein  homogenes  Ganzes,  das  nur  als  Zellhaut,  Proto- 
plasma, Kern,  Stärkekorn  etc.  individualisirt  ist. 

In  jedem  Falle  ist  eine  grosse  Complication  im  chemischen 
Bau  gegeben:  eine  Molekülaggregation  von  so  verwickeltem  Baue, 


J  Studien  über  das  Protoplasma,  Bcrliu.  1881. 


Untersuchungen  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zeühaut.  65 

bezUgiich  deren  innerer  Gliederung:  sich  keine  irgendwie 
berechtigte  Vorstellung  entwickeln  lässt,  und  die  man  einst- 
weilen am  besten  als  Organisation  bezeichnen  kann,  weil 
dieselbe  auf  die  Lebewesen  beschränkt  ist. 

Von  den  beiden  eben  genannten  Möglichkeiten  halte  ich 
die  erstere  für  die  berechtiglere,  und  möchte  ich  die  Mikrosomen 
als  jene  individualisirten  Körperchen  ansprechen,  welche  die 
letzten  Formelemente  des  Protoplasma  bilden.  Aus  den  Mikro- 
somen des  Plasma  (Plasmatosomen)  gehen,  wie  ich  später 
darlegen  werde,  die  Mikrosomen  der  Zellhaut  (D  e  r  m  a  t  o  s  o  m  e  n) 
hervor.  Nach  meiner  Annahme  würden  also  die  Plasmatosomen 
die  eigentlichen  Elementarorgane  der  Pflanzen  und  überhaupt 
der  Lebewesen  bilden. 

Nach  dieser  Auffassung  würde  die  Zelle  in  demselben 
Sinne  aus  Mikrosomen  (Plasmatosomen  und  Dermatosomen)  auf- 
gebaut sein,  wie  die  Gewebe  aus  Zellen  sich  zusammensetzen. 

Das  Protoplasma  hat  eine  netzförmige  Structur. '  Eine 
ähnliche  Structur  kömmt  auch  der  Membran  zu.  Ich  schliesse 
dies  aus  Folgendem:  Wir  haben  gesehen,  dass  die  Zellhaut  sich 
in  Dermatosomen  zerlegen  lässt,  und  dass  diese  untereinander 
gebunden  sein  müssen.  Diese  Bindungen  können,  wie  wir  gesehen 
haben,  entweder  einfach  mechanisch  gelöst  werden,  oder  durch 
eine  chemische  Veränderung,  wobei  feste  Substanz  in  Lösung 
übergeführt  wird.  Die  Bindung  kann  also  nicht  in  Anziehungs- 
kräften der  Dermatosomen  bestehen,  wie  etwa  nach  Nägeli's 
Vorstellungen  die  Micellen  einer  Zellwand  durch  Anziehung 
zu  einem  Ganzen  vereinigt  sind.  Es  ist  nun  mit  Rücksicht 
auf  die  Anwesenheit  des  Protoplasmas  inmitten   der  Zellwand 


1  Der  Ausdruck  „netzförmig"  soll  selbstverständlich  nur  besagen, 
dass  der  optische  Durchschnitt  durch  das  Protoplasma  als  Netz  erscheint, 
ist  also  ähnlich  so  aufzufassen,  wie  der  Ausdruck  „Cambiumring",  der 
bloss  ausdrücken  soll,  dass  der  Querschnitt  des  Cambiums  ringförmig  ist. 
Strenge  genommen  besteht  das  Protoplasma  aus  Fäden,  welche  gerüstartig 
zusammengefügt  sind.  Die  Frage,  in  welcher  Weise  die  Fäden  verbunden 
sind,  und  ob  ihre  Vereinigung  den  Ausdruck  „netzfönnig"  rechtfertigt,  will 
ich  hier  nicht  näher  erörteni  (Vergl.  hierüber  die  kritischen  Auseinander- 
setzungen belFle  mm  in  g,  1.  c,  pag.  58),  sondern  nur  bemerken,  dass  gerade 
bezüglich  der  vegetabilischen  Zellwand  die  Annahme  einer  im  Flächenbilde 
genau  netzförmigen  Structur  die  grössere  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat. 

Sitzb.  d.  mathem.-natnrw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  O 


66  W  i  c  s  u  c  r. 

anzunehmen,  dass  diese  Bindung  der  Dermatosomen  durch  zarte 
Stränge  von  Protoplasma  zu  Stande  kömmt. 

Die  erste  Anlage  der  Zellwand  wurde  früher  als  eine 
Schichte  von  Cellulose  betrachtet,  bis  Strasburg  er  in  seinen 
bekannten  Arbeiten  zeigte,  dass  bei  Zelltheilungen.  welche  unter 
Intervention  eines  sich  in  seine  Hälften  theilenden  Kerns  vor 
sich  geht,  ein  Aggregat  kleiner  Körnchen  diese  erste  Anlage 
der  Wand  bildet.  Unter  dem  Einflüsse  der  alten  Lehren  glaubte 
Strasburger  anfänglich,  diese  Körnchen  wären  Ausscheidungen 
von  Cellulose  oder  einem  ähnlichen  Kohlenhydrat;  später  unter- 
nommene genaue  Versuche,  in  denen  es  ihm  gelang,  in  diesen 
Körnchen  (Mikrosomen)  Eiweiss  durch  Eeactionen  nachzuweisen, 
lehrten,   dass  dieselben  kleine  Protoplasma gebilde  seien.* 

Diese  protoplasmatischen  Mikrosomen  (Plasmatosomen) 
bilden  mit  einer  Zwischenmasse  eine  zusammenhängende  Platte 
(Kernplatte  Strasburger's).  Diese  Zwischenmasse  erscheint 
meist  homogen  oder  überaus' feinkörnig.  Es  ist  aber  wohl  anzu- 
nehmen, dass  sie  als  organisirte  Substanz  nicht  homogen  ist, 
und  dass  sie  als  protoplasmatisches  Gebilde  wie  alle  übrigen 
bis  jetzt  untersuchten  Protoplasmagebilde  eine  aus  feinen  Fäden 
gefügte  Netzstructur  hat. 

Es  ist  also  anzunehmen,  dass  die  Plasmatosomen  der  Zell- 
hautanlage durch  Protoplasmastränge  netzartig  verbunden  sind. 

Die  erste  Anlage  der  Zellwand  besteht  geradezu  aus  Proto- 
plasma; dass  in  den  Wänden  junger  Meristemzellen  reichlich 
Protoplasma  enthalten  ist,  dass  selbst  ausgewachsene  Zellwände 
noch  Protoplasma  führen,  darauf  ist  früher  schon  hingewiesen 
worden.  Aus  unseren  Erfahrungen  darf  nunmehr  mit  Wahr- 
scheinlichkeit abgeleitet  werden,  dass  das  in  der  wachsenden 
Haut  enthaltene  Protoplasma  netzartig  verknüpft  ist  und  die 
Dermatosomen   untereinander  verbindet. 

Dass  die  Mikrosomen  des  Protoplasma  in  die  Bildung  der 
Haut  unnüttelbar  eintreten,  darüber  sind  bei  Strasburger 
(1.  c.)  zahlreiche  Belege  zu  finden.  Nach  meiner  Auffassung 
ist  dieses  Factum  so  auszudrücken:  Die  Plasmatosomen  ver- 
wandeln sich  innerhalb  der  Wand  in  Dermatosomen. 


1  ZellhäuU',  pa^'.  17: 


Uutersuchungeu  über  cl.  Organisatiou  d.  veg-etab.  Zollhaut.  67 

Die  Existenz  der  Protoplasmafäden,  welche  als  Verbindung-s- 
glieder  der  Devmatosomeu  angenommen  werden,  konnte  durch 
directe  Beobachtung  nicht  bewiesen  werden,  da  diese  Proto- 
plasmafäden im  Vergleiche  zu  den  Dermatosomen  als  sehr 
klein  anzunehmen  sind,  diese  aber  selbst  schon  oft  an  der  Grenze 
der  mikroskopischen  Wahrnehmung  liegen.  Nur  in  jenen  Fällen 
erscheint  das  Protoplasma  direct  in  der  Wand,  wo  es  als  solches 
in  breiten  Zügen  erhalten  bleibt,  innerhalb  welcher  die  Pla^ma- 
tosomen  keine  Umwandlung  in  Dermatosomen  erfuhren. 

Fig.  5. 

Schema  der  Wandstructur. 
d  P    ^^J^  ^  Dermatosomen,  v  Verbin- 

ySi-M'y^^^^^^xr^^y^^^^r^r^^  dungsstränge  innerhalb   der    Zell 

C^\^^~^l^^^r^i^^r^^  wand,   v'  Verbiudungsstränge   an 

J^^W^-^ö^^^'^ö^^  den  Grenzen  zweier  Zellen. 
yLHXTX'lATX'TLi~<J  j^  I — v'  P  P  breiter  dermatosomen- 

(r^^^^_^^^S^^^^M-S^&^^^ä^~MS^  freier    Protoplasmazng,    welcher 

r^^T^^'^ä^'^^'^^  i™  Mikroskope   direct   nachweis- 

^^^^^^"^^^P""^^^  bar  ist. 

Die  beistehende  Abbildung  (Fig.  5)  soll  veranschaulichen,  in 
welcher  Art  ich  mir  die  vegetabilische  Wand  gebaut  denke.  Sie 
zeigt  die  Dermatosomen  und  deren  Verkettung,  ferner  die  dichte 
Bindung  innerhalb  der  Zellhaut,  die  lockere  Bindung  an  der 
äusseren  Grenze  der  Zellwand  und  das  Zustandekommen  mikro- 
skopisch sichtbarer,  durch  die  Zellwand  hindurchgehender 
Protoplasmastränge. 

2.  Schichtung  und  Streifung  der  Zellhaut.  Die 
Meinungen  über  die  innere  Structur  der  Zellhaut  haben  sich 
bekanntlich  im  Laufe  der  Zeit  mehrfach  wesentlich  geändert. 
Die  ältere  von  Meyen  ^  und  später  noch  vonCrüger^  ver- 
theidigte,  übrigens  schon  bei  Grew  und  Moldenhawer  auf- 
tauchende Ansicht,  derzufolge  die  vegetabilische  Zellwand  aus 
Fibrillen  bestehe,  ist  später  auf  das  heftigste  bekämpft  worden. 
Der  herrschenden  Lehre  zufolge  besteht  die  Wand  aus 
sich  kreuzenden,   abwechselnd  wasserreichen  und  wasserarmen 


1  Neues  System  der  Pflanzenphysiologie,  Bd.  I   p.  45,   daselbst  anch 
die  ältere  Literatur. 

■-'  Bot.  Zeitung.  1855.  p.  601  ff. 


68  Wit'sner, 

Lamellen  und  diese  sind  es,  welche  sowohl  die  Schichtung  als 
auch  die  Streifung  hervorbringen  sollen. 

Diese  von  Xägeli  begründete  Ansicht  ist  indess  nicht 
ohne  Widerspruch  geblieben  und  namentlich  Strasburger' 
fuhrt  die  Streifung  wieder  auf  schraubig  verlaufende  Fasern, 
hingegen  die  Schichtung  auf  optische  Differenzirung  von  zur 
Grenzfläche  der  Zellen  parallelen  Lamellen  zurück. 

Seitens  der  mit  thierischen  Objecten  beschäftigten  Histo- 
logen  ist  mehrfach  gesagt  worden,  dass  die  Botaniker  zu  weit 
gehen,  wenn  sie  die  Annahme  von  Fibrillen  in  den  gestreift 
erscheinenden  Zell  wänden  geradezu  perhorresciren.^ 

Nach  den  in  dieser  Abhandlung  mitgetheilten  Thatsachen 
ist  die  Frage,  ob  sich  die  Membran  aus  Schichten  oder  aus 
Fibrillen  zusammenfügt,  ziemlich  bedeutungslos.  Indem  man 
bestimmte  Bindungen  innerhalb  der  Zellwand  auflöst,  zerfällt 
die  Membran  in  Schichten,  durch  Auflösung  anderer  Bindungen 
zerfällt  sie  in  Fibrillen,  wie  unter  anderem  die  Versuche,  welche 
mit  Baumwolle  und  Bastfasern  angestellt  und  oben  mitgetheilt 
wurden,  lehren.  Je  nach  den  in  der  Zellmembran  herrschenden 
Spannungen  werden  dieDermatosomen  zu  Fibrillen,  zu  Schichten 
oder  zu  beiden  vereinigt  erscheinen.  Man  könnte  also  mit 
demselben  Rechte,  mit  welchem  man  die  Zellwand 
als  lamellös  gebaut  betrachtet,  sagen,  sie  bestehe  aus 
Fibrillen.  Sie  besteht  aber  strenge  genommen  weder 
aus  Schichten  noch  aus  Fibrillen,  sondern  aus  Der- 
matosomen,  die,  bestimmt  angeordnet,  entweder  zu 
Fibrillen  sich  vereinigen  oder  zu  Schichten  oder  zu 
beiden,  ein  Fall,  welcher  in  den  Wänden  fibröser 
Zellen  die  Regel  bildet. 

Es  zeigt  sich  also  bezüglich  des  Baues  der  vegetabilischen 
Zellwand  ein  ähnliches  Verhältniss,  wie  bei  der  quergestreiften 
Muskelfaser.  Es  wurde  lange  darüber  gestritten,  ob  dieselbe 
aus  Fibrillen  oder  Querscheiben  bestehe,  bis  der  Nachweis 
geliefert  wurde,  dass  in  derselben  kleine  Körperchen  in  regel- 


'  Zellliäute.  —  Auch  Hofmeister  (Pflauzenzelle,  pag.  206)  hat  in' 
einigen  Fällen  die  Streifung  der  Zellwand  aus  Fibrillen  abgeleitet.  Vergl. 
auch  Dippel,  das  Mikroskop,  I.  Aufl.,  Bd.  II.  p.  82  ff. 

-  Vergl.  u.  A.  Ebne  r,  1.  c.  pag.  224. 


Untersuchungen  über  d.  Org-auisation  d.  veg-otab.  Zellliaut.  69 

massiger  Anordnung  enthalten  sind,  ^Yelehe  je  nach  äusseren 
Einwirkungen  zu  Fibrillen  oder  zu  Scheiben  sich  zu  vereinigen 
scheinen. 

Dass  die  Dermatosomen  zu  Fibrillen,  diese  zu  Schichten 
sich  zu  vereinigen  vermögen,  hat  vornehmlich  seinen  Grund  in  der 
relativen  Grösse  der  Dermatosomen  im  Vergleiche  zu  den  Fäden, 
welche  sie  verknüpfen. 

Die  Dermatosomen  verschiedener  Zellen  haben  verschiedene 
Grösse  und  davon  hängt  in  erster  Linie  die  Deutlichkeit  des  Her- 
vortretens  von  Schichten  undStreifen  ab.  Damit  Schichten  und  Strei- 
fen gesehen  werden,  ist  vor  Allem  eine  bestimmte  Grösse  der  Der- 
matosomen erforderlich.  Es  ist  oben  wahrscheinlich  gemacht 
worden,  dass  die  Dermatosomen  der  untersuchten  Pilzmembran 
infolge  ihrer  Kleinheit  directer  mikroskopischer  Beobachtung 
sich  entziehen,  und  dies  ist  wohl  der  Hauptgrund,  warum  die 
Pilzzellwänrle  in  der  Regel  keine  Schichtung  zu  erkennen  geben. 
Es  können  iudess  ganze  Complexe  von  Dermatosomen  von  benach- 
barten sich  unterscheiden  und  auch  dadurch  zur  Bildung  breiter 
Schichten  (Schalen)  Anlass  geben. 

Je  nach  der  Yerbiudungsweise  der  Dermatosomen  wird  die 
Wand  fibrillär  oder  geschichtet  erscheinen.  Je  kleiner  die  Ver- 
bindungsstränge sind,  desto  mehr  werden  die  Dermatosomen  zu 
höheren  Einheiten  verschmolzen  uns  entgegentreten.  Denken  wir 
uns  beispielsweise,  dass  die  Dermatosomen  einer  Zellwaud  gleich 
gross  wären  und  in  radialer,  tangentialer  und  longitudinaler 
Richtung  in  regelmässigen  Reihen  angeordnet  seien,  so  wird  die 
Wand  aus  Querschichten  zu  bestehen  scheinen,  wenn  die  verticalen 
Verbindungsstränge  länger  sind  (oder  stärker  gedehnt  sind),  als 
alle  übrigen,  hingegen  aus  zur  Zellaxe  parallelen  Fibrillen,  wenn 
die  verticalen  Verbindungsstränge  kürzer  (oder  am  stärksten  com- 
primirt)  sind  als  alle  anderen,  endlich  aus  zur  Oberfläche  parallelen 
Schichten,  wenn  die  radialen  Verbindungsstränge  länger  (bezie- 
hungsweise gedehnter)  sind  als  alle  anderen.  Es  wird  nicht  schwierig 
sein  das  Zustandekommen  schraubig  angeordneter  Fibrillen  in 
analoger  Weise  zu  erklären.  Es  wird  auch  verständlich  sein, 
warum  in  manchen  Zellen  (Tracheiden,  Bastzellen)  Schichten  und 
Streifen  gleichzeitig  sichtbar  werden  können,  warum  parenchyma- 
tische  Elemente  häufig  Schichtung,  aber  keine  Streifung  zeigen  etc. 


70  Wie  SU  er. 

Das  Hervortreten  der  Schichten  in  der  Zellwand  erklärt 
Nägeli  durch  das  Ahwechseln  wasserreicher  und  wasserarmer 
Schichten,  Strasburger  durch  den  Contact  der  successive  aus 
dem  Plasma  sich  abscheidenden  Häute,  wobei  indess  die  Frage 
offen  bleibt,  ob  die  optische  Differenzirung  auf  Structureigenthtim- 
lichkeiten  oder  bloss  auf  eine  Differenz  in  der  Lichtbrechung  der 
sich  berührenden  Schichten  zu  stellen  ist. 

Nach  meiner  Auffassung  besteht  jede  Schichte  aus  in  tan- 
gentialer Richtung  stark  genäherten  Dermatosomen,  die  also 
gewissermassen  ein  zusammenhängendes  Häutchen  bilden.  Je 
zwei  solcher  Schichten  sind  durch  Gerüstsubstanz  von  einander 
getrennt.  Die  zur  Oberfläche  der  Zellwand  parallele  Lamellirung 
(Schichtung  im  engeren  Sinne  des  Wortes)  kömmt  mithin  durch 
den  Wechsel  von  zu  Häutchen  vereinigt  erscheinenden  Dermato- 
somen und  Gerüstsubstanz  zu  Stande. 

In  manchen  Fällen  können  die  für  gewöhnlich  nur  im 
isolirten  Zustande  erkennbaren  Dermatosomen  direct  beobachtet 
werden.  Als  Beleg  hiefür  theile  ich  folgende  Beobachtungen  mit. 

Die  Tracheiden  der  Fichte  (Abies  exceha)  sind,  wie 
bekannt,  häufig  gestreift.  Wenn  man  einen  Längsschnitt  durch 
das  Fichtenholz,  welcher  sehr  deutlich  gestreifte  Tracheiden 
enthält^  stundenlang  im  Luftbade  bei  110°  trocknet,  bis  derselbe 
als  völlig  wasserfrei  angenommen  werden  kann,  und  dann  unter 
Mikroskop  betrachtet,  so  tindet  man,  dass  die  Streifen  noch  mit 
grösserer  Schärfe  hervortreten  als  früher.  Was  in  der  imbibirten 
Zellwand  nur  angedeutet  war,  die  Zusammensetzung  aus  kleinen 
Körnchen  (Dermatosomen)  tritt  nun  viel  schärfer  hervor  und  an 
radialen  Längsschnitten  sieht  man  die  Tüpfel  wie  mit  feinen 
Körnchen  übersät,  welche  theils  in  radialen  Streifen,  theils  in 
concentrischen  Ringen  angeordnet  sind.  Es  kann  keinem  Zweifel 
unterliegen,  dass  die  Dermatosomen  durch  Wasserverlust  sich 
contrahirt  haben  und  infolge  dessen  ihre  Peripherien  sich  von 
einander  entfernten,  wodurch  diese  flautkörperchen  obwohl 
kleiner  geworden,  als  solche  deutlicher  hervortreten.  Noch 
schärfer  treten  die  Dermatosomen  hervor,  wenn  man  die  Längs- 
schnitte bis  zur  beginnenden  Zersetzung  erhitzt,  so  lange,  bis 
sie  sich  deutlich  zu  bräunen  beginnen.  Die  Wände  der  bei  110° 
erhitzten  Tracheiden  erscheinen  wie  mit  einem  unregelmässigen 


Untersiichimgen  über  d.  Organisation  cl.  vegetab.  Zellhaut.  71 

Netze  überdeckt  dessen  Fäden  in  .schraubigen  Eichtuugen 
liegen;  sie  sehen  wie  ein  ungespanntes  Netz  aus.  Lässt  man  nun 
Wasser  zuti-eten,  so  wird  infolge  der  Quellung  das  Netz  regel- 
mässiger, es  ist  so,  als  wäre  das  Netz  gespannt  worden,  die 
Schraubenlinien  aber  werden  viel  undeutlicher.  Aus  diesem  letzten 
Umstände  ist  zu  folgern,  dass  in  der  trockenen  "Wand  lufterfüllte 
Hohlräume  vorkommen,  welche  bei  Wasserzutritt  durch  Flüssig- 
keit ersetzt  werden.  Diese  Hohlräume  sind  im  lebenden  Zustande 
der  Zellwand  auch  vorhanden,  nnd  zweifellos  gleichfalls  mit 
Flüssigkeit  erfüllt. 

Während  die  Nägeli'sche  Theorie  fordert,  dass  die  im 
lebenden  Zustande  mit  Wasserhüllen  umkleideten  Micellen 
bei  vollständiger  Wasserentziehung  sich  unmittelbar  berühren, 
geht  aus  meinen  Untersuchungen  hervor,  dass  die  Zellwand  ein 
Gerüste  bildet,  welches  reichlich  von  Hohlräumen  durchsetzt  ist, 
die  im  lebenden  Znstande  der  Wand  mit  Flüssigkeit  gefüllt,  im 
trockenen  Zustande  leer  sind,  und  sich  gewöhnlich  mit  Luft 
füllen. 

Da  nun  die  Dermatosomen  quellbar  sind,  so  ist 
anzunehmen,  dass  in  der  mit  Wasser  gesättigten  Zell- 
wand das  Wasser  in  zweierlei  Form  enthalten  ist:  als 
capillares,  welches  die  Dermatosomen  und  deren  Ver- 
bindungsstränge umspült,  und  als  Quellungswasser, 
welches  von  den  Dermatosomen  aufgenommen  wurde. 

Ich  will  hier  noch  eine  interessante  Beobachtung  anführen, 
welche  zeigen  soll,  dass  das  Hervortreten  der  Schichten  und 
Streifen  nach  Einwirkung  von  Reagentien,  wenigstens  in 
gewissen  Fällen  nicht  auf  einer  die  optische  Differenzirung  der 
Structur  begünstigenden  Aenderung  der  Brechungsexponenten 
der  benachbarten  Hauttheile,  sondern  auf  Auflösung  der  zwischen 
den  Schichten  und  Streifen  befindlichen  Bindesubstauzen  beruht. 

Wenn  man  auf  einen  scharf  getrockneten,  durch  das  Holz 
der  Fichte  geführten  Längsschnitt,  dessen  Tracheiden  deutliche 
Streifung  zeigen,  Chromsäure  wirken  lässt,  so  wird  die  Structur 
undeutlich,  indem  die  in  die  lufterfüllten  Hohlräume  eindringende 
Chromsäurelösung  sich  optisch  nur  wenig  von  den  mit  derselben 
Lösung  nunmehr  imbibirtenHautschiehteudififerenzirt. Nach  einigen 
Augenblicken  tritt  aber  die  Streifung  mit  einer  an  diesem  Objecte 


72  Wiesnor, 

niemals  zu  sehenden  Schärfe  hervor.  Nicht  lange  darauf  zerfällt 
die  Zellwand  nach  den  Richtungen  der  die  Streifung  charakteri- 
sirenden  Schraubenlinien.  Es  sind  durch  das  Reagens  die  Stränge, 
welche  die  zu  Fibrillen  vereinigten  Dermatosomen  untereinander 
verbanden,  gelöst  worden. 

V.  Wachsthum  der  Zellwand. 

Die  Wachsthnmsverhältnisse  der  vegetabilischen  Zellwand 
sind  bisher  beinahe  durcligehends  höchst  einseitig  aufgefasst 
worden.  Die  einen  wollen  alle  Wachsthumsvorgänge  auf 
Intussusception  zurückführeR,  die  anderen  auf  Apposition. 
Bekanntlich  ist  die  alte  Appositionstheorie  durch  Nägeli's 
scharfsinnige  Untersuchungen  völlig  beiseite  geschoben  und  bis 
vor  wenigen  Jahren  als  völlig  abgethan  betrachtet  worden. 
Heute  stellt  aber  die  Sache  wieder  anders:  es  sind  Vertheidiger 
der  Appositionstheorie  aufgetreten,  welche  geradezu  jede  Wirk- 
samkeit der  Intussusception,  wenigstens  innerhalb  des  Bereiches 
der  Pflnnzenzelle  in  Abrede  stellen. 

Die  Erscheinungen,  welche  das  Wachsthum  darbietet,  sind 
aber  so  mannigfaltige,  dass  schon  von  vorneherein  ein  gleich- 
artiges Zustandekommen  unwahrscheinlich  ist.  Übrigens  lehrt 
schon,  wie  ich  bereits  vor  Jahren  hervorhob,  *  eine  einfache 
Überlegung,  dass  jede  Intussusception  Apposition  voraussetzt, 
denn  es  kann  doch  keine  Zwischenlagerung  von  Molekülen 
stattfinden,  bevor  dieselben  sich  nicht  angelagert  haben.  Wenn 
aber  einmal  im  Laufe  des  Zellenlebens  das  Protoplasma  die 
Fähigkeit  hat,  durch  Apposition  ein  Hautanalogon  zu  schaffen, 
warum  sollte  dieser  Process  im  weiteren  Verlaufe  des  Zellen- 
lebens sich  nicht  wiederholen? 

Für  die  Wirksamkeit  der  Intussusception  im  Wachsthume 
der  Wand  sprechen  nicht  nur  Wahrscheinlichkeitsgründe,  sondern 
auch  Beobachtungen,  welche  durch  Annahme  von  Appositions- 
wachsthum  nicht  zu  verstehen  sind. 

Was  den  ersten  Punkt  anlangt,  so  ist  zunächst  die  Tendenz 
wachsender    Organismen    zu    intercalaren    Bildungen    hervor- 


3  Elemente   der  Anut.    u.   Phys.    d.   Pflanzen.    1.    Aufl.,   pag.   259, 
2.  Anfl.,  pag.  290. 


Untersiielumg-eii  über  d.  Orgauisatiou  d.  vegetab.  Zellhaut.  73 

zuheben,  welche  sich  in  der  Anlage  der  Organe,  im  Wachsthume 
der  Gewebe,  ja  gewisser  Zellen  —  ich  erinnere  an  den  allgemein 
bekannten  Fall  von  Oedogonium  —  so  scharf  ausspricht,  dass 
man  diese  Tendenz  zu  den  charakteristischesten  Eigenthümlich- 
keiten  der  Organismen  rechnen  kann.  Es  wächst  der  Organismus 
gewissermassen  aus  sich  selbst  heraus.  Ferner:  es  ist  höchst 
bedenklich,  in  jenen  Fällen,  wo  behäutete  Zellen  mehrhundertmal 
an  Volum  zunehmen,  das  Flächenwachsthum  der  Wand  durch 
blosse  Dehnung  einer  durch  Apposition  entstandenen  Hautanlage 
zu  erklären.  Sodann:  es  ist  nicht  minder  bedenklich,  wenn  man 
ein  locales  Wachsthum  der  Wand,  wie  es  zum  Beispiel  bei  der 
Sprossung  der  Hefe  vorkömmt,  einfach  durch  eine  local  verstärkte 
Dehnbarkeit  der  Wand  zu  erklären  versucht,  indem  doch  die  Wand 
nicht  in  dem  Verhältnisse  dünner  wird,  als  sie  an  Volum  zunimmt, 
und  für  eine  Zunahme  der  gedehnten  Wand  an  Dicke  durch  Appo- 
sition kein  Beweis  vorliegt,  namentlich  aber  das  Zustandekommen 
der  Tochterzellwände  durch  Apposition  in  Anbetracht  der  fast 
punktförmiuen  Kleinheit  der  Ansatzstelle  sehr  verwickelte  Bedin- 
gungen zur  Voraussetzung  hat,  während  der  Vorgang  durch 
intercalares  Wachsthum  sich  sehr  leicht  und  einfach  erklärt. 

Was  den  zweiten  Punkt  anbelangt,  so  will  ich  nur  auf  die 
sehr  umfassende  und  objective  Untersuchung,  welche  jüngsthin 
Leitgeb  über  Bau  und  Entwicklung  der  Sporenhäute  ver- 
öffentlichte ^,  verweisen,  worin  gezeigt  wird,  wie  bei  bestimmten 
Wachsthumserscheinungen  die  Apposition,  bei  anderen  die 
Intussusception  in  Wirksamkeit  tritt,  dass  beispielsweise  selbst 
an  einer  und  derselben  Lebermoos-Spore  ein  Theil  der  Wand 
(sporeneigene  Haut)  durch  Intussusception,  ein  anderer  (das  Peri- 
nium)  durch  Auflagerung  gebaut  wird. 

Es  kann  also  heute  wohl  kaum  einem  Zweifel  mehr  unter- 
liegen, dnss  sowohl  Apposition  als  Intussusception  beim  Wachs- 
thum der  Zellwand  betheiligt  sind.  Diese  unter  den  Botanikern 
noch  selten  anzutreffende  Auffassung  ist  unter  jenen  Histologeu, 
welche  sich  mit  thierischeu  Objecten  befassen^  wie  ich  glaube, 
die  herrschende.^ 


1  Graz,  1884. 

-  Vergl.  Ebner,  1.  c,  pag.  207.  ff. 


74  W  i  e  s  11  e  v , 

Die  Vovstelliingeu,  welche  man  sieh  aber  in  Betreff  des  Zu- 
standekommens des  Zellwandwachsthums  und  speciell  der  Intus- 
susception  gebildet  hatte,  dürften  wohl  durchwegs  noch  sehr  rohe 
sein,  und  ich  meine,  dass  dieTraub  e'schenZellen  mit  jenen  Intus- 
susceptionsvorgängen,  welche  das  Zellwandwachsthum  beherr- 
schen, nichts  zu  thun  haben ;  auf  das  Dickenwachsthum  sind  sie 
aber  einfach  gar  nicht  anwendbar.  Auch  die  Apposition  verläuft 
im  Organismus  nicht  so  einfach,  wie  bei  der  Bildung  eines 
Krystalls,  wie  ich  weiter  unten  durch  ein  Beispiel  belegen  werde. 

Die  in  der  vorliegenden  Abhandlung  enthaltenen  neuen 
Thatsachen  in  Verbindung  mit  anderweitigen  Erfahrungen 
führten  mich  zu  Anschauungen  über  das  Wachsthum  der  Zell- 
häute, welche  vielleicht  der  Beachtung  werth  sind,  wenn  sie  auch 
jener  Einfachheit  entbehren,  welche  Strasburger's  Theorie  des. 
Zellhautwachsthums  auszeichnet. 

Die  erste  Anlage  der  Zellwand  besteht  aus  einer  Schichte 
von  Protoplasma,  wie  Strasburger  zuerst  bewies.  Jugendliche 
Zellwände_,  wie  die  der  Meristeme,  enthalten  reichlich  Proto- 
plasma. Auch  in  ausgewachsenen  Zellen  lässt  sich  Protoplasma 
in  Form  von  Verbindnngssträngen,  welche  das  Innere  benach- 
barter Zellen  in  Communication  setzen,  nachweisen.  In  solchen 
ausgewachsenen  Zellen  ist  aber  die  Hauptmasse  der  Zellwand 
frei  von  Protoplasma  oder  enthält  höchstens  Spuren  davon, 
während  in  jugendlichen  Zellen  das  Protoplasma  überall  die 
Häute  durchdringt. 

Aus  Strasburger's  Untersuchungen  folgt  also,  dass  die 
Zellwand  nicht  aus  dem  Protoplasma  ausgeschieden  wird,  sondern 
dass  das  letztere  selbst  die  Anlage  der  Wand  bildet.^  Dieses  die 
Wandanlage  bildende  Protoplasma  verwandelt  sich  aber  nicht, 
wie  es  Strasburger's  Appositionslehre  fordert,  in  eine  Wand- 
schichte, sondern  bleibt  mit  dem  übrigen  Zellplasma  in  Ver- 
bindung und  bildet  zwischen  sich  Dermatosomen  aus;  denn  das 
in  die  Wandbildung  hereingezogene  Protoplasma  (Dermato- 
plasma)  liegt  in  der  Wand  selbst  und  bezieht  von  dem  übrigen 


1  Diese  Auffassuug  findet  sich  auch,  wie  ich  bereits  iii  der  Einleitung 
berührte,  in  der  bekannten  Zellwachsthninstheorie  Pringsheim's,  deren 
Hauptsatz  dahin  lautet,  dass  das  Protoplasma  Hautschichten  bildet,  welche 
sich  später  in  aus  Cellulose  bestehende  Membranschichten  umsetzen. 


Untersiichuiigeu  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellliaut.  75 

Protoplasma  her  bloss  Substanz.  Die  Fornibildung  der  Zell- 
wand geht,  dieser  meiner  Auffassung-  zufolge,  nicht  von  dem 
von  der  Zellwand  rund  umschlossenen  Protoplasma 
(Zellenplasma),  sondern  von  dem  inmitten  der  Zell- 
wand gelegeneu  Protoplasma  (Dermatoplasma,  Haut- 
plasma) aus.  Diese  Auffassung  schliesst  eine  Neuanlage  von 
Hautschichten  seitens  des  Protoplasmas  nicht  aus.  Sollten  der- 
artige Wiederholungen  vorkommen,  so  müssten  dieselben  wie  die 
erste  Hautanlage  weiterwachsen. 

Durch  Annahme  des  Wachsthums  der  Plasmasubstanz 
innerhalb  der  Wand,  wird  uns  der  wahre  Charakter  der  letzteren 
als  lebendes  Glied  der  Zellen  verständlich.  Unserer  Vor- 
stellung zufolge  wächst  die  Haut  nicht  nach  Art  der  Traube'- 
schen  Zellen  durch  blosse  Einlagerung  der  Theile,  auch  nicht 
durch  blosse  Anlagerung  von  Aussen  oder  Innen,  wie  es  Stras- 
biirger's  Appositionstheorie  fordert,  sondern  im  Wesentlichen 
wie  das  Zellenprotoplasma,  gewissermassen  aus  sich  selbst 
heraus. 

Die  complicirten  Structuränderungen,  welche  sich  während 
des  Wachsthums  vieler  Zellhäute  (besonders  der  Pollenkörner  und 
Sporen)  einstellen,  werden  unter  der  hier  entwickelten  Vor- 
stellung verständlicher  als  unter  Annahme  einfachen  Appositions- 
oder Intussusceptionswachsthums  oder  einer  Combination  beider. 

Die  Zellhautanlage  ist  nach  den  Untersuchungen  Stras- 
burger's  eine  protoplasmatische.  Sie  besteht  aus  Plasmatosomen 
und  einer  Zwischensubstanz,  die  aber  selbst  organisirt  ist,  und 
die  man  wohl  ebenso  als  netzförmig  gestaltet  annehmen  darf, 
wie  alle  anderen  Protoplasmagebilde,  welche  einer  genauen  Unter 
siichung  auf  ihre  Structur  zugänglich  waren. 

Diese  Wandanlage  wächst  weiter.  Wir  finden  später  in  der- 
selben Dermatosomen  und  Protoplasma,  in  welchem  selbst  wieder 
Plasmatosomen  erscheinen.  Durch  Strasburger  ist  die  Um- 
bildung von  Plasmatosomen  (Mikrosomen  nach  seiner  Termino- 
logie) in  Dermatosomen  nachgewiesen.  Dabei  werden  also  die 
Plasmatosomen  consumirt.  Woher  kommen  die  neuen  Plasmato- 
someu?  Da,  so  weit  die  Erfahrung  reicht,  das  Organisirte  sich 
selbst  wieder  nur  aus  Organisirtem  bildet,  die  Plasmatosomen 
aber  organisirt  sind,  so  müssen  sich  dieselben  entweder  aus  ihres 


76  W  i  e  s  u  e  r, 

Gleichen  durch  Theilung  oder  aus  kleinen  in  der  Plasma- 
fäden enthaltenen  der  Beobachtung-  sich  entziehenden  organi- 
sirtenaus  dem  Plasma  sich  in  dividiualisiren  den  Körperchen  bilden, 
die  aber  selbst  wieder  als   Plasmatosomen  aufzufassen  wären.  * 

In  den  meisten  Fällen  scheinen  die  Plasmatosomeu  sich 
gänzlich  in  Dermatosomen  zu  verwandeln.  Auszuschliessen  sind 
jene  Fälle,  in  welchen  nach  Beendigung  des  Wachsthums  noch 
Protoplasmastränge  in  der  Zellwand  nachweislich  sind. 

Es  wandelt  sich  in  den  erstgenannten  Fällen  auch  die  zarte 
Gerüstsubstanz  in  Waudsubstanz  um  und  bildet  dann  jenen 
homogen  erscheinende  Schleim,  welcher  durch  Carbonisirung, 
Salzsäure-  und  Kaliwirkung  aus  den  Zellmembranen  neben  den 
Dermatosomen  entsteht.  Ob  diese  Strangmasse  homogen  ist  oder 
aus  kleinen  der  Wahrnehmung  sich  entziehenden  Dermatosomen 
besteht,  ist  natürlich  zweifelhaft,  doch  ist  mit  Rücksicht  auf  den 
Umstand,  dass  die  Zwischenniasse  dieselbe  chemische  Beschaf- 
fenheit zeigt,  wie  die  Dermatosomen  (z.  B.  in  der  Membran  der 
Leinenfaser,  wo  beide  aus  Cellulose  bestehen),  das  letztere  wahr- 
scheinlicher. 

Die  Dermatosomen  sind  im  ausgebildeten  Zustande  frei  von 
Eiweisskörpern;  die  protoplasmatische  Substanz,  aus  welcher  sie 
hervorgegangen,  verschwindet  schliesslich  vollständig,  und  sie 
bestehen  dann  gänzlich  oder  zum  grössten  Theile  aus  Abkömm- 
lingen von  Eiweisssubstanzen.  In  diesem  Zustande  vollkommener 
Ausbildung  sind  sie  wohl  nicht  mehr  als  lebende  Gebilde  anzu- 
sehen. 

Die  Frage  nach  den  Eichtungen,  in  welchen  das  Wachs- 
thum  der  Zellwand  stattfindet,  wird  unter  der  Vorstellung,  dass 
die  lebende  Substanz  innerhalb  der  Wand  weiterwächst,  nunmehr 
weniger  einseitig  gelöst  werden  können,  als  bisher,  wo  aller 
Substanzzufluss  zur  Wand  entweder  bloss  von  dem  von  der  Wand 
umschlossenen  Protoplasma  oder  von  einem  Periplasma  abge- 
leitet wird. 


1  Es  scheint  mir,  wie  schon  oben  angedeutet  wurde,  eine  erlaubte, 
den  Überblick  über  die  Thatsachen  sehr  förderliche  Vorstellung  zu  sein, 
das  ganze  Plasma  aus  kleinen  organisirten  Körperchen,  Plasmatosomen, 
zusammengesetzt  anzunehmen,  welche  einstweilen  als  die  wahren  Ele- 
mentarorgane der  lebenden  Wesen  anzuuehuien  wären. 


Untersuchungen  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zellliaut.  i  i 

Ich  will  schliesslich  an  einem  Beispiele  zeigen,  dass  selbst  ein  so 
einfach  erscheinender  Vorgang-  wie  die  „Auflagerung"  einer  Haut- 
schichte auf  eineZellwand  nicht  als  ein  blosser  mit  dem  Apposition.s- 
wachsthum  eines  Krystalls  vergleichbarer  Process  aufzufassen  ist. 

Es  ist  durch  die  Untersuchungen  Strasburger's  u.  A.  nach- 
gewiesen worden,  dass  Wandverdickung  an  Pollenkörnern  und 
Sporen  auch  durch  Auflagerung  auf  die  Peripherie  der  Zellwand 
erfolgt.  Die  aufgelagerte  Wand  leitet  Strasburger  von  einem 
zwischen  der  Membran  der  Mutterzelle  und  der  Membran  der 
Tochterzelle  gelegenen  Protoplasma  ab. 

Es  soll  dieser  Vorgang  einfach  auf  einem  centrifugalen  Ap- 
positiousvorgaug  beruhen.  Dass  diese  Auffassung  nicht  allgemein 
richtig  ist,  hat  Leitgeb  (I.e.)  durch  eingehende  Untersuchungen 
über  den  Bau  und  die  Entwackelung  der  Sporenhäute  von  Mus- 
cineen  und  Gefässkryptogamen  gezeigt. 

NachL  eitge  b's  Untersuchungen  entsteht  bei  Sphaerocarpus, 
Riccia,  Preissia  u.  a>  Lebermoosen  das  Perinium  nicht  aus  einem 
Periplasma;  es  geht  dasselbe  vielmehr  aus  der  innersten  Lamelle 
der  Specialmutterzellwand  hervor,  welche  überall  dicht  der 
äusseren  ..sporeneigenen"  Haut,  der  wahren  Exiue,  anhaftet. 

Diese  innerste  Lamelle  erfährt  nun  gleich  den  übrigen 
Sporenhäuten  im  Laufe  ihrer  Entwickelung  vielfache,  zum  Theile 
sehr  tief  eingreifende  morphologische  und  chemische  Verände- 
rungen, welche  wohl  erst  verständlicher  werden,  wenn  man  die 
Membran  als  belebt,  das  ist  als  protoplasmafiihrend,  annimmt. 

Die  Bildung  des  Periniums  der  genannten  Lebermoose  geht 
nun  unter  dieser,  wie  ich  glaube,  sehr  berechtigten  Voraussetzung, 
in  folgender  Weise  vor  sich.  Das  Protoplasma  der  Specialmutter- 
zellen bildet  zunächst  die  „sporeneigene"  Haut.  Das  von  dieser 
umschlossene  Protoplasma  durchdringt  aber  auch  die  Wand 
der  Specialmutterzellen  und  die  sporeneigene  Haut.  Durch  die 
Thätigkeit  dieses  inmitten  der  Zellhaut  befindlichen  Plasma  (Der- 
matoplasma)  gehen  daselbst  die  oben  angedeuteten  Verände- 
rungen vor  sich,  unter  anderen  auch  die  Verschmelzung  der 
innersten  Schichte  der  Specialmutterzellwand  mit  der  Exine 
(eigentliches  Exospor)  und  die  Umgestaltung  dieser  innersten 
Schichten  der  Specialmutterzellwand  zur  äussersteu  Schiclite  der 
Spore,  zum  Perinium. 


78  Wiesner, 

Ich  widerstand  der  Verlockung,  die  in  dieser  Abhandlung- 
ausgesprochenen,  zum  Theile  unmittelbar  aus  den  Thatsachen 
sich  ergebenden,  zum  Theile  durch  berechtigte  Annahmen  ent- 
standenen Ideen  weiter  auszuspinnen  und  zu  einer  Theorie  der 
Zellwandstructur  oder  gar  der  Zellstructur  zu  gestalteu.  Die 
Lösung  derartiger  Fragen  gedeiht  nach  meiner  Ansicht  besser, 
wenn  sie  von  mehreren  Forschern  angestrebt  und  so  von  ver- 
schiedenen Seiten  beleuchtet  wird,  als  wenn  man  ihr  durch 
eine  fertige  Theorie  beizukommen  sucht. 

So  mögen  denn  die  hier  ausgesprochenen  Grundgedanken, 
welche  ebenso  auf  die  von  Nägeli,  Strasburger,  Dippel, 
Tangl,  Leitgeb  u.  A.  gemachten  Entdeckungen,  wie  auf  meinen 
eigenen  Beobachtungen  fassen,  sich  ebenso  weiter  entwickeln, 
wie  sie  entstanden  sind:  durch  Zusammenwirken  zahlreicher 
Forscher. 

Ich  begnüge  mich  mit  den  gegebenen  Ausführungen,  welche 
dahin  zusammenzufassen  sind,  dass  der  Charakter  der 
wachsenden  Zell  wand  al  s  lebendes,  protoplasmaführen- 
des Gebilde  in  den  Vordergrund  gestellt  und  sowohl 
die  Structur,  als  das  Wachsthum  und  der  Chemismus 
der  Zellhaut  den  analogen  Verhältnissen  des  Proto- 
plasma näher  gebracht  wurde,  und  welche  zur  Aufstellung 
folgender  Sätze  führen : 

1.  Die  erste  Zellhautanlage  besteht  gänzlich  aus  Proto- 
plasma ( S  t  r  a  s  b  u  r  g  e  r ) . 

2.  So  lange  die  Wand  wächst,  enthält  sie  lebendes  Proto- 
plasma (Dermatoplasma).  Dasselbe  ist  aber  nur  dann  direct  im 
Mikroskop  zu  sehen,  wenn  es  in  relativ  breiten,  cellulosefreien 
Zügen  auftritt  und  dann  die  ganze  Wand  durchsetzt,  welcher 
letztere  Fall  bekanntlich   von  Tangl   zuerst  beobachtet  wurde. 

3.  Der  Bau  der  Zellhaut  ist  nicht  nur  in  der  ersten  Anlage, 
sondern  stets  ein  netzförmiger,  wie  ein  solcher  dem  Protoplasma, 
aus  welchem  die  Zellhaut  ja  hervorgeht,  entspricht. 

4.  Die  Hauptmasse  einer  herangewachsenen  Wand  besteht 
aus  kleinen,  runden,  organisirten  Gebilden,  Dermatosomen, 
welche  aus  Mikrosomen  des  Protoplasma  (^Plasmatosomen)  hervor- 
gehen, und  die,  solange  die  Zellwand  wächst,  durch  zarte  Proto- 
plasmazüge   verbunden    sind.     Diese    plasmatosomenführenden 


Untersuchungen  über  d.  Organisation  d.  vegetab.  Zelihaut.  79 

Stränge  bilden  aus  sich  i^durcli  Theilting?)  neue  Plasmatosomen 
und  scUiesslieli  Deimatosomen,  worauf  das  Waelisthnm  der 
Wand  beruht,  das  also,  wenigstens  im  Wesentlichen,  ein  iuter- 
calares  ist. 

5.  Die  Dermatosomen  sind  in  der  Regel  direct  in  der  Zell- 
wand nicht  erkennbar,  werden  aber  gesehen,  wenn  man  die  sie 
zusammenhaltenden  Fäden  löst  oder  sprengt.  Dies  kann  durch 
verschiedene  Mittel  geschehen.  Am  vollkommensten  gelingt  die 
Isolirung  der  Dermatosomen  durch  Chlorwasser,  welches  die 
Stränge  früher  angreift  als  die  Dermatosomen. 

Durch  hintereinanderfolgende  Behandlung  mit  einprocentiger 
Salzsäure,  Trocknen  bei  50 — 60°,  Behandeln  mit  gewöhnlicher 
Salzsäure,  Wasser,  sodann  mit  Kali,  Wasser  und  endlich  durch 
Einwirkung  von  Druck  ist  man  im  Stande,  die  Bastfasern  in 
Dermatosomen  zu  zerlegen,  welche  kleine  mikrokokkenartige 
rundliche  Körperchen  darstellen. 

6.  Ausgewachsene  Dermatosomen  enthalten  kein  Eiweiss 
mehr,  sind  nicht  mehr  als  lebende  Gebilde  aufzufassen,  wohl  aber 
sind  sie  quellbar. 

7.  Das  Wasser  ist  in  den  Zellwänden  in  zweierlei  Form 
enthalten:  erstens  als  Quellungswasser  der  Dermatosomen, 
zweitens  als  capillares  Imbibitionswasser  zwischen  den  Derma- 
tosomen, die  Verbindungsstränge  umspülend. 

8.  Die  Bindung  der  Dermatosomen  ist  innerhalb  einer  Zell- 
wand eine  stärkere  als  zwischen  zwei  benachbarten  Zellen.  Ein 
lockeres,  in  Eeagenzien  relativ  leicht  lösliches  Fibrillengerüste 
trennt  die  sogenannte  Mittellamelle  (gemeinschaftliche  Aussen- 
haut)  in  zwei  Häute;  jede  im  Gewebeverbande  befindliche  Zelle 
besitzt  ihre  eigene  Aussenhaut, 

9.  Die  Zellwand  kann  mit  dem  gleichen  Rechte  als  fibrillär 
gebaut  betrachtet  werden,  mit  welchem  man  sie  als  lamellös  zu- 
sammengesetzt auffasst.  Sie  ist  aber  im  Grunde  weder  das  eine 
noch  das  andere,  sondern  je  nach  Anordnung  der  Dermatosomen, 
nach  Länge  (beziehungsweise  Spannung)  der  Verbindungsfäden 
wird  sie  geschichtet,  oder  fibrillär  oder  in  beiderlei  Art  gefügt 
oder  homogen  erscheinen. 

10.  Die  optische  Diffenzirung  der  Schichten,  beziehungsweise 
Fibrillen    der   Zellhaut  kommt   im   Wesentlichen    durch    regel- 


80  W  i  e  s  u  e  r,  Untersucluuigeu  über  die  Organisation  etc. 

massigen  Wechsel  genäherter  Dermatosomen  (welche  zu  Schichten 
oder  Fibrillen  vereinigt  erscheinen)  und  Gertistsubstanz  zustande. 

11.  Die  Anwesenheit  von  Eiweisskörpern  in  der  lebenden 
Zellwand  macht  die  chemische  Beschaffenheit  und  die  innerhalb 
derselben  stattfindenden  chemischen  Metamorphosen  verständ- 
licher als  die  herrschende  Lehre,  derzufolge  Cellulose  das  erste 
Product  bildet,  welches  aus  dem  Protoplasma  als  Wandsubstanz 
ausgeschieden  wird  und  welches  den  Ausgangspunkt  für  die 
Entstehung  aller  sogenannten  „Umwandlungsproducte"  der  Zell- 
haut bilden  soll. 

12.  Die  Zellwand  repräsentirt,  wenigstens  so  lange  sie 
wächst,  ein  lebendes  Glied  der  Zelle,  was  besonders  dadurch 
anschaulich  wird,  dass  es  Zellen  gibt,  welche  den  grössten 
Theil  ihres  Protoplasma  inmitten  der  Zellhaut  führen  (Pilzhyphen 
mit  dickwandigen  wachsenden  Enden). 

Durch  diese  Auffassung  über  die  Natur  der  Zellwand  fällt 
selbstverständlich  jene  strenge  Grenze  zwischen  Protoplasma  und 
Zellhaut,  welche  mau  bisher  zu  ziehen  gewohnt  war. 


81 


Resultate  der  Untersuchung  des  nach  dem  Schlamm- 
regen vom  14.  October  1885  in  Klagenfurt  gesam- 
melten Staubes. 

Von  Dr.  Max  Schuster. 

(Mit  J  Tafeln.) 

Am  14.  October  1885  hat  es  in  Klageufurt  bei  heftigem 
Südwind  Staub  geregnet.  Herr  F.  Seeland  schildert  die 
Umstände,  unter  denen  dieser  Schlammregen  beobachtet  wurde, 
in  der  meteorologischen  Zeitschrift  1885,  pag.  419  mit  folgenden 
Worten: 

„Es  war  ein  Gussregen,  der  ganz  ähnlich  prasselte,  wie  bei 
einem  Graupelfall  und  mich  aus  dem  Schlafe  weckte.  Der 
Thürmer,  welcher  auf  dem  äusseren  Gange  des  Klagenfurter 
vStadtpfarrthurmes  die  Feuerwache  hält,  hat  ihn  beobachtet  und 
mir  über  den  Schlammregen  zur  Nachtzeit  berichtet.  Leider  hat 
er  am  15.  Morgens  den  putzpulverähnlichen  Staub,  der  den  Gang 
und  das  Gitter  bedeckte,  abgekehrt. 

Als  ich  auf  den  Thurm  kam,  um  mich  von  der  Sache  zu 
überzeugen,  war  in  den  Eisenvertiefungen  des  Ganggitters  und 
in  den  Falznuthen  der  Blechdächer  Klagenfurts  von  dem  gelben 
Staub,  ungeachtet  des  vielen  nachfolgenden  Eegens,  noch  ziemlich 
viel  zu  sehen. 

Insbesondere  enthielt  das  neue  Blechdach  des  Goldarbeiters 
Wagenpfeil  noch  reichliche  Überbleibsel  davon.  Ich  begab 
mich  daher  auch  dorthin  und  sammelte  Muster  des  Staiibes,  der 
höchst  fein  und  von  gelber,  ockerähnlicher  Farbe  (ins  Köthliche 
ziehend)  ist. 

Es  ist  das  genau  derselbe  Staub,  welchen  uns  am  25.  Februar 
1879  ein  S.  E.  Sturm  über  Lesina  herauf,  avo  er  auch  beobachtet 
wurde,  nach  Klagenfurt  brachte,  und  welcher  damals  den  massen- 

Sitzb.  d.  mathem.-natunv.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  0 


82  Schuster. 

haft  fallenden  Schnee  roth  färbte.  Seine  Heimat  ist  verniuthlich 
die  Wüste  Sahara. 

In  Klag-enfurt  herrschte,  wie  heute  noch,  echtes  Siroccal- 
wetter.  Am  14.  war  7'^  SW,  2''  SW,  9'^  W  und  am  15.  Morgens 
S-Wiud  beobachtet  worden.  Am  15.  3"  57'"  Früh  war  ein  Erd- 
beben in  der  Eiclitung  E— W  mit  nachfolgendem  Rollen,  so  dass 
Fenster  klirrten  und  Möbel  schaukelten,  mit  einem  einzigen  Stoss 
beobachtet  worden.  Klageufurt,  17.  October  1885." 

Eine  kleine  Probe  des  bei  dieser  Gelegenheit  aufgesammelten 
Staubes,  circa  ^/^^  Grm.  im  Gewichte,  wurde  vom  Herrn  Director 
Hann  an  das  hiesige  mineralogisch-petrographischeUniversitäts- 
institiit  eingesendet  und  vom  Herrn  Hofrath  Tschermak  mir  zur 
Untersuchung  übergeben. 

Die  vorliegenden  Untersuchungen,  welche  hauptsäclilich  die 
mineralogische  Zusammensetzung  des  Staubes  zum  Gegenstande 
haben,  gestalteten  sich  ebenso  mühsam  als  zeitraubend,  nicht  so 
sehr  wegen  der  g-eringen  Menge  des  zu  Gebote  stehenden 
Materiales  als  vielmehr  wiegen  der  Kleinheit  der  Elemente,  aus 
denen  der  Staub  besteht,  deren  mittlere  Grösse  kaum  'Yj^^  Mm. 
beträgt.  Dadurch  waren  einerseits  die  mechanischen  Trennuugs- 
methodeu,  sei  es  nach  dem  specifischen  Gewichte  mittelst  schwerer 
Flüssigkeiten,  sei  es  durch  den  Elektromagneten,  welche  bei  dem 
grösstcntheils  fragmentaren  Charakter  der  einzelnen  Partikel  am 
vortheilb ältesten  gewesen  w'ären,  theils  völlig  ausgeschlossen, 
theils  nahezu  illusorisch  gemacht,  andererseits  musste  auch  die 
chemische  Untersuchung  hauptsächlich  unter  dem  Mikroskope 
vorgenommen  werden  und  konnten  mit  Vortheil  nur  mikro- 
chemische Reactionen  in  Anwendung  kommen. 

Die  Scliwierigkeit  und  Umständlichkeit  (respective  Undank- 
barkeit) derartiger  Untersuchungen,  welche  mit  den  Resultaten 
in  keinem  rechten  Verhältnisse  stehen,  mögen  mit  zu  den  Gründen 
gehören,  warum  in  den  classischen  Arbeiten  Ehrenberg's 
gerade  die  mineralogische  Zusammensetzung  der  von  ihm  unter- 
suchten Staube  weniger  Berücksichtigung  erfuhr  und  warum  auch 
in  neuerer  Zeit  nur  vereinzelte  Angaben  darüber  in  die  Öffentlich- 
keit gelangten,  trotzdem  dieWichtigkeit  dieser  Untersuchungen  für 
die   Frage  nach   der   Herkunft   der  Staube  in  letzter  Zeit  von 


Untersachimg"  eines  Meteorstaubes.  83 

Lasaulx'  und  anderen  Forschern  erkannt  und  wiederholt 
hervorgehoben  wnrde. 

Das  Interesse,  welches  sich  an  alle  Vorgänge  knüpft,  welche 
auf  den  zeitweiligen  Wechsel  in  der  Zusammensetzung  unserer 
Atmosphäre  Einfluss  nehmen,  \vird  die  nachfolgenden  ausführ- 
licheren ^littheilungen  rechtfertigen,  welche  bestimmt  sind,  einen 
Beitrag  zu  liefern  zur  Kenntniss  einer  gewissen  abnormen 
Beschaffenheit  der  Atmosphäre. 

Wenngleich  Schlüsse  allgemeinerer  Natur,  wie  namentlich 
betreffs  der  Herkunft  ähnlicher  Staube,  aus  einer  Einzel- 
untersuchung, gleich  der  vorliegenden,  nur  in  beschränktem 
Masse  möglich  und  erst  von  der  Durchführung  ähnlicher  Unter- 
suchungen und  Yergieichung  einer  grösseren  Anzahl,  unter  den 
verschiedensten  Umständen  namentlich  am  selben  Orte  gefallenen 
Staube  zu  erwarten  sind,  so  waren  doch  die  hierbei  erlangten 
Resultate,  wie  sich  zeigen  wird,  schon  an  und  für  sich  recht  inter- 
essant und  bemerkenswerth. 

Es  wird  vortheilhaft  sein,  eine  Zusammenstellung  der  in 
dem  vorliegenden  Staube  aufgefundenen  Gemengtheile  voran- 
zustellen, die  Gründe,  auf  welche  die  einzelnen  Bestimmun- 
gen sich  stützen,  sowie  detaillirtere  Angaben  über  den  Gang 
der  Untersuchung  nachfolgen  zu  lassen,  mit  einem  kurzen 
Vergleiche  analoger  Staubfunde  und  einigen  allgemeinen  Betrach- 
tungen die  Mittheilung  zu  schliessen. 

I.  Übersicht  der  im  Staube  enthaltenen  Mineralbestandtheile 
und  Organismenreste, 

Die  untersuchten  Staubproben  bestehen  zum  weitaus  über- 
wiegenden Theile  aus  Partikeln  mineralischer  Natur.  Davon 
waren  mit  Sicherheit  zu  bestimmen: 

1.  Farblose  und  schwach  grünlich  gefärbte  Kryställchen 
(Rhomboeder),  Krystallfragmente  und  Körner  von  Carbonaten. 
welche  nach  dem  verschiedenartigen  Verhalten  gegen  Säuren  nur 
theilweise  dem  Calcit,  theilweise  hingegen  einem  eisenhaltigen 
Dolomit  und  Magnesit  zuzurechnen  sein  dürften. 


1  Tschermak.  Mineralog.  und  peti-ogr.  Mittheil.  Bd.  III,  1881. 

6* 


84  Schuster, 

2.  Dazwischen  gestreute  farblose,  bis  weisse  Körner,  selten 
Nadeln,  von  Apatit. 

3.  Farblose  Splitter  und  Körner  von  Kieselsäure;  theils 
mehr  oder  weniger  lebhaft  polarisirende  Quarzsubstanz 
(manchmal  Fltissigkeitseinschlüsse,  bisweilen  ähnlich  dem  Aggre- 
gatquarze  granitischer  Gesteine  undulöse  Auslöschung  zeigend), 
theils  isotrope  Opal  Substanz. 

4.  Weisse  bis  graue,  meist  getrübte  Feldspathpartikel  ohne 
Zwillingsstreifung  (Orthoklas),  öfters  entsprechend  der  Spalt- 
barkeit mit  gradlinigen  Conturen  versehen. 

5.  Bald  lichter  bald  dunkler  braun  gefärbte,  zuweilen  wie 
braunes  Glas  aussehende,  gelb-  bis  röthlich-  und  dunkelbraun 
pleochroitische  Blättchen  und  Fetzen  eines  einaxigen  Glimmers, 
welcher  als  Biotit  bestimmt  wurde;  daneben  scheint  ein  stets 
heller  gefärbter  Phlogopit*  gleichfalls  vorhanden  zu  sein. 

6.  Weisser  Glimmer  und  daneben  wahrscheinlich  auch 
Talk  und  Kaolin. 

7.  Blaugrüne  Ohio  ritt  ä  fei  chen,  schwach  dichroitisch. 

8.  GelblichgrUner  Augit  in  Fragmenten  grösserer  Indi- 
viduen und  vollständig  ausgebildeten  Mikrolithen,  die  zum  Theile 
Zwillingsverwachsung  zeigen. 

9.  Bräunliche  Spaltungsblättchen  von  Hornblende,  selten 
nachweisbar;  blassgefärbte  Hornblendefragmente  erscheinen 
zweifelhaft. 

10.  Reichlich  linden  sich  dazwischen  allenthalben  durch 
Eisenhydroxyd  gefärbte,  bräunlich  gelbe  Partikel  von  krUmlicher 
Thonsubstanz. 

11.  Besonders  charakteristisch  erscheinen  gelbliche  zum 
Theile  röthlich  gefleckte  Rutilnädelchen,  mitunter  in  den 
bekannten  herz-  und  knieförmigen  Zwillingen,  Anataspyra- 
miden  und  scharfe  Zirkoukry  stall  chen,  sowie  vereinzelte 
T  u  r  m  a  1  i  nnä  d  e  1  ch  e  n. 

12.  Als  wahrscheinlich,  aber  nicht  unzweifelhaft  vorhanden, 
sind  Granat-,  Titanit-,  Epidotkörner,  Spinellpartikel 
und  Spinellkrystalle  anzusehen. 


1  Mit  jjrrüsscri'm  AxeiiwiukL^l. 


Untersuchung  eines  Meteorstaubes.  85 

13.  Ausserdem  wurde  Pyrit  (sehr  vereinzelt)  und  Magnetit 
(häufiger),  letzterer  zum  Theile  in  deutlichen  Octaederu  und  auch 
complicirteren  Combinationen  erkannt,  endlich  Magnetkies. 
Plagioklas,  Olivin  etc.  waren  nicht  nachweisbar. 

Unter  den  genannten  Mineralbestandtheilen  machen  die 
Carbonate,  die  Glimmerarten,  der  Quarz  und  die  Thonpartikel 
die  Hauptmasse  aus. 

Metallisches  Eisen  war  auf  keinem  Wege  nachweisbar. 

Sowie  nach  dem  Gesagten  über  den  entschieden  terrestrischen 
Ursprung  des  Staubmateriales  kein  Zweifel  bestehen  kann,  so 
scheint  andererseits  dieses  Material  selbst  darauf  hinzudeuten, 
dass  es  zum  Theile  Kalk-  oder  Dolomitbergen,  zum  Theile  einem 
altkrystallinischeu  Gebiete  entstammt. 

Gegenüber  den  Mineralpartikeln  treten  die  organisirten 
Gebilde,  rcspective  die  Partikel  organischen  Ursprunges  an  Menge 
bedeutend  zurück. 

Kohlige  Substanz  ist  in  minimaler  Menge  vorhanden; 
gering  ist  auch  die  Menge  jener  Substanz  vegetabilischer  Natur, 
welche  in  der  Hitze  bei  Behandlung  mit  Schwefelsäure  zur 
Verkohlung  gebracht  wird. 

Ein  Theil  ist  auf  Pilzsporen  und  ähnliche  Fructifi- 
cationsorgane^  zurückzuführen,  ein  Theil  auf  Pflanzen- 
fasern und  Pflanzenhaare;  Conferven  und  Algenfäden 
sind  nicht  mit  Sicherheit  zu  bestimmen. 

Ausserdem  sind  kieselschalige,  verkieselte  undkalk- 
sc haiige  Organismenreste  in  ziemlicher  Menge  vorhanden. 

Namentlich  sind  es  Diatomeenpanzer,  theils  einzeln, 
theils  paarweise  verbunden,  theils  in  Fragmenten,  welche  unter 
dem  Mikroskope  sofort  in  die  Augen  fallen. 

Manche  dieser  Gebilde  sind  recht  wohl  erhalten  und  würden 
vielleicht  eine  eingehendere  Würdigung  und  Beachtung  von 
berufener  Seite  verdienen.  Ich  muss  mich  auf  die  folgenden 
Bemerkungen  beschränken,  welche  zu  einer  allgemeinen  Orien- 
tirung  über  die  Formen,  die  im  Staube  enthalten  sind,  wohl  hin- 
reichen werden. 

Es  lässt  sich  behaupten,  dass  die  besprocheneu  Organismen- 
reste mit  den  in  dem  citirten  Werke  Ehrenbergs  „Über  Passat- 

1  Welche  in  Wasser  zum  Theile  zur  Keimung  gebracht  werden  konnten. 


86  Schuster, 

Staub  uud  Bliitregen"  (Berlin  1849)  aufgezählteu  und  abgebil- 
deten Formen  derart  übereinstimmen,  dass  alle  die  grösseren, 
wichtigeren  Gattungen  hier  ihre  Vertreter  finden. 

Einige  davon  sind  mit  gewissen  Gallionella-  und  Dlscoplea- 
Arten  sowie  „Lithostylidien",  welch'  letztere  allerdings  in  jener 
Schrift  noch  sehr  verschiedenartige  Gebilde  zu  vereinigen 
scheinen,  direct  zu  identificiren. 

Viele  sehen  den  dort  unter  den  Namen  Synedra,  Navicula, 
Pimmlaria,  Lifhasiei-iscns,  Coscinodiscns,  Fragilaria,  Eunotia, 
dann  den  als  Rotalia  und  Textilaria  aufgezählten  Formen 
mindestens  selir  ähnlich. 

Auch  Spofifjolidiis  und  Jw/^;/t/V//sn/s (wiewohl  selten) scheinen 
nicht  zu  fehlen. 

Das  Gesagte,  sowie  die  beifolgenden  zwei  Tafeln  werden 
genügen,  die  Mannigfaltigkeit  der  beobachteten  Formen  zu 
illustriren.  Herr  Dr.  Molisch,  welcher  so  freundlich  war,  gleich- 
falls eine  Probe  des  besprochenen  Staubes  unter  dem  Mikroskope 
zu  besichtigen  und  auf  die  darin  enthalteneu  Pflanzentheile  zu 
untersuchen,  hob  namentlich  die  verhältnissmässige  Häufigkeit 
der  Diatomeenreste  hervor  und  konnte  überdies  nicht  nur 
Pflanzenhaar- und  Gewebefragmente,  sondern  auch  Innenhäute 
von  Parenchymzellen,  d.  i.  jene,  den  Innern  Raum  von  Zellen 
auskleidenden  Schichten  der  Zellmembranen,  welche  bekannt- 
lich gegen  Säuren  und  Fäulnis  sehr  widerstandsfähig  sind,  mit 
Sicherheit  erkennen. 

Der  Umstand,  dass  einzelne  davon  bereits  verkieselt  sind, 
bestimmt  ihn,  im  Vereine  mit  dem  Vorhandensein  der  Diatomeen, 
zu  der  Ansicht,  dass  dieser  Staub  von  einem  Orte  herrührt,  der 
einmal  oder  vielleicht  periodisch  mit  Wasser  bedeckt  war;  man 
hätte  sich  also  etwa  zu  denken,  dass  die  ins  Wasser  fallenden 
Pflanzentheile  sammt  den  Diatomeen  in  den  Schlammabsatz 
geriethen,  dort  verwesten  und  nur  die  ausserordentlich  wider- 
standsfähige Innenhaut  gewisser  Zellen  dabei  erhalten  blieb, 
welche  nachträglich  sogar  verkieselte. 

Gleich  an  dieser  Stelle  möchte  ich  bemerken,  dass 
V  er  kiese  hing  und  Vererzung  sich  noch  auf  eine  Reihe 
anderer  Staubbestandtheile  erstrecken  dürfte. 


Untersuchimg-  eines  Meteorstnubes.  87 

Dies  gilt  hauptsächlich  von  den  in  ziemlicher  Häufigkeit  und 
wechselnder  Grösse  darin  vorkommenden,  theils  gelblichen,  theils 
röthlichcu,  braunen  bis  blauschwarzen  Kiigelchen,  welche  im 
Allgemeinen  grosse  Ähnlichkeit  mit  Pollenzellen  und  Sporen 
zeigen,  aber  nicht  nur  vegetabilischen,  sondern  auch  thierischen 
und  selbst  mineralischen  Ursprungs  sein  könnten. 

Von  diesen  in  vielfacher  Hinsicht  räthselhafteu  Gebilden 
wird  später  nochmals  die  Rede  sein. 

IL  Detailbemerkuiigen,  betreffend  die  einzelnen  Staubbestand- 

theile,  den  Gang  ihrer  Untersuchung  und  Bestimmung. 

Von  den  mir  zur  Verfügung  gestellten  ^/^^  Grm.  Substanz 
wurde  etwa  die  Hälfte,  also  eine  gute  Messerspitze  voll,  in  viele 
kleine  Portionen  getheilt,  zu  den  nachfolgenden  Versuchen  ver- 
wendet. 

Ein  Tlieil  vnirde  in  unverändertem  Zustande  in  Wasser  oder 
in  Cauadabalsam  gelegt  und  unter  dem  Deckgläschen  mikro- 
skopisch untersucht,  ein  anderer  vor  dem  Löthrohr  und  in  den 
verschiedenen  Perlen  geprüft,  ein  dritter  über  dem  Platinblech 
oder  im.  Kölbchen  geglüht,  oder  endlich  mit  einer  Anzahl  Säuren 
behandelt  und  hierauf  in  angegriffenem,  geglühtem  oder  un- 
geglülitem  Zustande  unter  dem  Mikroskope  betrachtet. 

Ein  Tlieil  wurde  schliesslich  mit  kohlensaurem  Natron  oder 
mit  Flusssäure  aufgeschlossen  und  die  Lösung  mit  einer  Reihe 
von  Reagentieu  behandelt. 

Aus  dem  Verbleiben  und  Verschwinden  und  den  Verän- 
derungen, welche  die  einzelnen  Bestandtheile  unter  diesen 
Umständen  wahrnehmen  Hessen,  wurde  auf  ihr  Wesen  und  ihren 
Charakter  geschlossen. 

Das  Pulver  zeigt,  in  grösserer  Menge  betrachtet,  für  sich 
eine  gelblichbraune,  ziemlich  lichte,  kaum  einen  Stich  ins  Rothe 
besitzende  Farbe. 

Wenn  man  eine  Probe  davon  auf  einen  Objectträger  legt, 
und  denselben  vom  Rande  her  erschüttert,  so  ballt  sich  ein  Theil 
zusammen;  doch  ist  ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  den 
zerstreut  liegenden  Partikeln  und  den  zusammengehäuften 
Partien  nicht  zu  constatireu,  nur  dass  die  letzteren  an  Thon- 
partikeln  und  Glimmerblättehen  etwas  angereichert  erscheinen. 


88  Schuster, 

Mit  Wasser  mischt  sich  das  Pulver  uach  einigem  Wider- 
streben; ein  Theil  sinkt  nach  dem  Schütteln  des  Gläschens  in 
demselben  zu  Boden,  ein  Theil,  welcher  ausser  den  wirklich 
specifisch  leichteren  die  kleinsten  Partikel,  ohne  Unterschied  der 
Substanz  enthält,  schwimmt  oben  oder  erhält  sich  schwebend. 

Das  Wasser  hinterlässt  beimVerdunsten  keine  Chlornatrium- 
würfel, überhaupt  keinen  krystallinen  Rückstand. 

Ein  eigenthümlicher,  penetranter  Geruch  ist  weder  un- 
mittelbar, noch  beim  Erhitzen  des  Pulvers  im  Kölbchen  wahr- 
zunehmen; nur  beim  Anhauchen  entwickelt  sich  ein  entschiedener 
Thongeruch. 

Beim  Erhitzen  in  Kölbchen  entweicht  eine  ganz  geringe 
Menge  Wassers, 

Unter  dem  Mikroskope  für  sich  betrachtet,  lassen  die  ein- 
zelnen Partikel  sich  nur  schlecht  von  einander  unterscheiden. 

Mau  erkennt  an  den  überaus  dunklen  Conturen,  dass  viele 
davon  stark  lichtbrechend  sind;  aus  dem  gleichen  Grunde  ist  die 
Färbung  derselben  nur  undeutlich  v^ahrnehmbar. 

Man  bemerkt,  dass  die  eckige  Form  der  Partikel 
vorherrscht,  dass  die  flachen  Blättchen  gleichzeitig  meist  gerundet 
erseheinen,  Kryställchen  mit  scharfen  geraden  Umrissen  eine 
Seltenheit  sind,  andererseits  fadenförmige  Gebilde,  Splitter, 
Lappen  und  Kügelchen  gleichfalls  in  weit  geringerer  Zahl 
auftreten. 

Zugleich  sieht  man  schon  bei  dieser  Gelegenheit,  dass  die 
Färbung  eine  ziemlich  bunte  ist. 

Neben  vorherrschenden  gelbbraunen,  lichtgelben  und  grün- 
lich gefärbten  treten  weisse  und  trübgraue  Elemente  nur  undeut- 
lich, dunkelbraune  und  rothgelbe  bis  schwarze,  zuweilen 
metallisch  glänzende  hingegen  besser  hervor. 

Bereits  beim  Einlegen  in  Wasser  kommt  eine  weit  grössere 
Anzahl  von  farblosen  und  weissen  Bestandtheilen  (bis  zu 
winzigster  Kleinheit  herabsinkend)  zum  Vorschein  und  die 
Farbenunterschiede  treten  jetzt,  besonders  aber  nach  dem 
Einbetten  der  Probe  in  Canadabalsam  viel  deutlicher  hervor; 
auch  die  Unterschiede  in  dem  Lichtbrechungsvermögen  der 
einzelnen  Partikel  sind  viel  besser  wahrnehmbar;  jetzt  erst 
erkennt    man  ,    welche    grosse    Menge    lebhaft    polarisirender 


Uutersnchiuig-  eines  Meteorstaubes.  89 

Körnchen  vorliegt  —  sobald  man  zwischen  gekreuzten  Nicols 
beobachtet  —  und  die  verhältnismässig  grosse  Häufigkeit  der 
Diatomeenreste. 

Was  die  Grössenverhältnisse  der  Bestandtheile  betrifft, 
so  genügen  w^ohl  die  folgenden  Daten,  um  über  die  Grenzen, 
innerhalb  deren  sich  dieselben  in  der  Regel  bewegen,  Aufschluss 
zu  geben. 

Als  mittlere  Grösse  der  mineralischen  Partikel  sind  etwa 
0-027  Mm.  zu  bezeichnen.  Rhomboederchen  mit  anhaftenden 
Thonpartikeln  oder  organischer  Substanz  erreichen  sehr  häufig 
eine  Grösse  von  0-0324  Mm.  (Länge  und  Breite)  und  darüber, 
sinken  aber  andererseits  zu  submikroskopischer  Kleinheit  herab. 
Die  kleinsten  individualisirten  Partikel,  Kügelchen  und  Scheibchen 
darstellend,  sind  oft  nicht  grösser  als  0-009  Mm.  in  Länge  und 
Breite  und  gehen  ebenso  oft  noch  darunter  hinab.  Ein  Turmalin- 
nädelchen  besass  0-0324  Mm.  Länge  0-0050  Mm.  Breite. 

Nur  ausnahmsweise  finden  sich  zwischen  den  genannten 
auch  Partikel  von  grösseren  Dimensionen;  namentlich  gilt  dies 
von  den  fadenförmigen  organisirten  Gebilden,  den  Haaren  etc., 
die  makroskopische  Dimensionen  annehmen  und  andererseits  von 
den  Blättchen,  die  bisweilen  eine  grössere  Flächenausdehuung 
erlangen,  wie  beispielsweise  0-135  Mm.  in  der  einen  und 
0-0864  Mm.  in  der  zweiten  Richtung. 

Der  Umstand,  dass,  wie  erwähnt,  gewisse  Gemeugtheile,  so 
die  Carbonate,  in  sehr  wechselnden  Grössenverhältnissen  sich 
vorfinden,  vielfach  die  anderen  (z.  B.  Thonpartikel  und  Kügelchen) 
umschliessen,  oder  einen  verschieden  gefärbten  Kern  besitzen, 
der  den  Umriss  wiederholt,  und  auch  in  winzigsten  Körnchen 
bisweilen  vollkommene  Krystallform  erkennen  lassen,  die  übrigen 
hingegen,  so  namentlich  die  Glimmerblättchen  in  der  Regel  nur 
bis  zu  einer  gewissen  Kleinheit  herabgeben,  während  sie  nach 
oben  hin  weitere  Grenzen  besitzen,  scheint  immerhin  auf  einen 
Unterschied  in  ihrer  Entstehungsweise  hinzudeuten;  während  die 
letzteren  zweifellos  nur  aus  Fragmenten  bestehen,  wäre  es 
möglich,  dass  die  ersteren,  wenigstens  theilweise,  an  Ort  und 
Stelle  (vielleicht  in  der  Atmosphäre,  aus  den  mitgewehten 
Wassertröpfehen)  gebildet  oder  regenerirt  wurden. 


90  S  c  h  u  s  t  e  r , 

Was  die  Meiig'enverbältiii>sse  der  einzelnen  Gemeng- 
theile  betrifft,  so  sei  hier  bemerkt^  dass  dieselben,  wie  dies  bereits 
in  der  I'bersiclit  geschab,  sieb  nur  in  allgemeinen  Ausdrücken 
angeben  lassen,  indem  der  Staub,  trotz  seiner  Feinheit,  wider 
alles  Erwarten  doch  keine  gleichförmige  Mischung  darstellt, 
sondern  in  verschiedenen  Proben  bald  der  eine,  bald  der  andere 
der  vorherrschenden  Gemcngtheile  in  grösserer  Menge  erscheint. 
Dies  ist  auch  der  Grund,  warum  ich  zur  Ansicht  gelangte,  dass 
die  quantitative  chemische  Analyse  eines  solchen  Staubes  nur 
dann,  wenn  grosse  Mengen  zur  Verfügung  stehen,  von  wesent- 
lichem Nutzen  sein  könnte,  in  unserem  Falle  aber  nur  einen  sehr 
bedingten  Werth  gehabt  hätte,  ein  besseres  Resultat  hingegen 
von  der  Durchsicht  einer  grösseren  Anzahl  von  Proben,  zum 
Zwecke  einer  beiläufigen  Schätzung  der  relativen  Mengenver- 
hältnisse der  einzelnen  Gemeugtheile  unter  dem  Mikroskope  zu 
erwarten  sei. 

Bei  dieser  Schätzung  ergab  sich  jedoch  die  weitere  Schwierig- 
keit, dass  die  verschiedeneu  Partikel  keineswegs  immer  unzweifel- 
hafte Bestimmung  zuliessen  und  in  Folge  ihrer  höchst  fragmentaren 
Beschaffenheit  insbesondere  brauner  Glimmer  und  braune  Horn- 
blende, zersetzter  Glimmer  und  Thonpartikel  nicht  in  allen  Fällen 
auseinanderzuhalten  waren,  während  die  gleichen  Schwierigkeiten 
bei  der  Unterscheidung  zwischen  den  Carbonatfragmenten  und 
Augitpartikeln,  den  Carbonaten  und  Apatit,  und  endlich  besonders 
zwischen  Quarz  und  Feldspath  sich  geltend  machen. 

Im  Grossen  und  Ganzen  dürften  die  bräunlichen  und  röth- 
lichen  Elemente  (Thonpartikel  und  durch  Eisenhydroxyd  gefärbter 
Quarz  >-  brauner  Glimmer  >-  Hornblende)  die  eine  Hälfte,  die 
lichtgrünlichen  und  weissen  (Carbonate>-  Chlorit  :>  Augit  r> 
Apatit)  ein  weiteres  Drittel,  und  farbloser  Quarz  :>  weisser 
Glimmer>-  trüber  Feldspath  zusammen  den  Rest  ausmachen. 

Untersuchung  des  Pulvers  auf  trockenem  Wege,  durch 
Glühen,  Behandeln  mit  dem  Löthrohre  etc. 
Wenn  man  Proben  des  Pulvers  auf  dem  Platin  bleche 
glüht,  bleibt  der  grösste  Theil  desselben  nahezu  unverändert. 
Von  Verkohlung  organischer  Substanz  ist  nur  wenig  zu  bemerken. 
Das  Pulver  i^lumpt  sich  etwas  zusammen,  fällt  aber  beim  Klopfen 


Uiitersuchuiig  eines  Meteorstaubes.  91 

leicht  wieder  aiiseiuaucler.  Die  Farbe  wird  aufaugs  etwas  dimlder, 
beim  Abkühlen  röthlicher  als  zuvor. 

Die  meisten  Splitter  haben  dabei  ihre  Form  behalten,  auch 
die  Rhomboederchen;  doch  sind  letztere  fast  alle  undurchsichtig, 
trübe  geworden  und  polarisiren  nicht  mehr  einheitlich  oder  sie 
sind  amorph  geworden  und  in  Pulver  zerfallen. 

Die  Thonpartikel  zeigen  nun  eine  sehr  auffallende  Ähnlich- 
keit mit  dem  rothen  Thon  von  Siena.  Unter  dem  Mikroskope 
sieht  man, wie  nach  anhaltendem  Glühen  gefritteteThonsubstanz 
gleich  Fäden  diejenigen  Körner  verbindet,  welche  unverändert 
geblieben  sind.  Dahin  gehören  namentlich  Quarz  und  Feldspath, 
welche  ziemlich  schwach  polarisiren  und  neben  den  gleichfalls 
unverändert  gebliebenen,  stark  lichtbrechenden  Substanzen,  wie 
Rutil,  Zirkon  nun  desto  deutlicher  hervortreten. 

Hie  und  da  fällt  ein  verkohltes  Haar  oder  etw^as  Ahnliches 
in  die  Augen. 

Der  Biotit  ist  nun  noch  dunkler  geworden  und  gelber  bis 
brauner  Dichroismus  sehr  deutlich  wahrzunehmen  in  solchen 
Blättchen,  die  auf  der  Schmalseite  liegen;  luden  flach  gelegenen, 
die  wie  braunes  Glas  aussehen,  konnte  mitunter  das  Axenkreuz 
einaxiger  Krystalle  und  die  negative  Doppelbrechung  wieder 
deutlich  coustatirt  werden,  bei  blasseren  Blättchen  ein  ziemlicher 
Axenwinkel,  wie  bei  Phlogopit. 

Auch  im  Köl beben  erhitzt,  entwickelt  das  Pulver  keinen 
Rauch. 

Beim  Erhitzen  vor  dem  Löth röhre  lässt  sich  das  Pulver 
zunächst  vollkommener  fritten  und  schmilzt  partiell  zusammen. 
Um  das  feine  Pulver  nicht  zu  verlieren  und  wegzublasen,  bevor 
es  zur  Frittung  kommt,  die  schon  ziemlich  hohe  Temperatur 
erfordert,  thut  man  gut,  dasselbe  in  ein  dünnes  Platinblech 
einzuschlagen  und  sammt  diesem  der  Löthrobrflamme  auszusetzen, 
die  man  auf  der  etwas  geöffneten  Seite  eindringen  lässt. 

Bei  Anwendung  einer  Kerzenflamme  erhält  man  dann  eine 
blasige  Schlacke,  welche  noch  ungeschmolzene  braune  und  rothe 
neben  den  angeschmolzenen  grauen  (Feldspath)  Partikeln  und 
scharfkantigen  unveränderten  Quarzpartikeln  und  farbloseu  ( Talk) 
Blättchen  enthält. 


92  .Schuster, 

Wenn  mau  einen  Bimsen 'sehen  Brenner  benützt  und  sich 
des  Löthrohres  bedient,  dann  gelingt  es  zunächst,  sämmt- 
liche  gefärbte  Partikel  vollständig  und  zuletzt  auch  die  für  Quarz 
in  Anspruch  genommeneu  Splitter  grösstentheils  zu  einem  mehr 
oder  weniger  klaren  Glase  aufzulösen. 

Wenn  man  das  zwischen  dem  Platinbleche  flach  gedrückte 
Schmelzproduct  von  Zeit  zu  Zeit  unter  dem  Mikroskope  betrachtet, 
so  kann  man  die  Veränderung  und  das  stufenweise  Einschmelzen 
der  Bestandtheile  verfolgen  und  hat  so  einen  Anhaltspunkt  für 
die  Beurtheilung  ihrer  richtigen  Bestimmung. 

Das  Pulver  lässt  sich  auf  solche  Weise  zu  einem  stellenweise 
völlig  homogenen,  grünlichgelben  bis  bräunlichgelben  (in  dünnsten 
Splittern  dann  farblosen),  stellenweise  dunkel  rothbraunem  Glase 
zusammenschmelzen. 

Boraxperlen  zeigen  keine  merkliche  Färbung,  wohl 
hauptsächlich  desshalb,  weil  die  Verdünnung,  in  welcher  die 
färbenden  Substanzen  im  Pulver  enthalten  sind,  eine  zu  grosse  ist. 

T.Og,  obwohl  nach  dem  mikroskopischen  Befunde  sicher 
vorhanden,  war  also  auf  diesem  Wege  nicht  nachweisbar. 
Gleiches  gilt  vom  Eisengehalt  u.  s.  w. 

Während  die  P)Oraxperle  vollständig  klar  bleibt,  wird  die 
Sodaperle  inhomogen;  es  entsteht  zum  Theile  klares  Glas,  zum 
Theile  opalisirende  Masse.  In  der  Phosphorsalzperle  bildet 
sich  ein  Kieselskelett  und  wenig  Quarz  bleibt  übrig. 


Untersuchung  der  mit  der  Magnetnadel  ausgezogenen 

Partikel. 

Da  zu  Gunsten  der  Annahme  eines  kosmischen  Ursprunges 
derartiger  Staubregen  in  früherer  Zeit  namentlich  das  Vorhan- 
densein metallischer,  phosphor-  uudnickelhaltigerEisenkügelchen 
geltend  gemacht  worden  war  und  später,  als  in  vielen  Fällen  der 
vorwiegend  terrestrische  Ursprung  der  ersteren  fast  zweifellos 
erwiesen  war,  doch  wenigstens  für  die  wiederholt  constatirten, 
ja,  wie  es  heisst,  in  minimalen  Mengen  niemals  fehlenden  Eisen- 
kügelchen,  die  Möglichkeit  meteorischer  Abkunft  zugegeben 
wurde,  so  schien  es  geboten,  diesem  Punkte  besondere  Aufmerk- 
samkeit zuzuwenden. 


Untersuchung  eines  Meteorstaubes.  93 

Beim  Eintauchen  der  Magnetnadel  ins  Pulver  bedeckte 
sich  deren  Spitze  jedesmal  mit  einem  ungemein  feinen,  oft  erst 
unter  dem  Mikroskope  deutlich  sichtbaren  Bart. 

Die  Betrachtung-  lehrte,  dass  unter  den  auf  solche  Weise 
ausgezogenen,  sowohl  metalliscli  als  nicht  metallisch  aussehenden, 
eckigen  und  runden  Partikeln  auch  zweifellos  un magnetische 
(wie  Carbonatfragmente)  sich  befanden,  welche  auf  rein  mecha- 
nischem Wege  mitgerissen  wurden  und  in  Folge  ihrer  Kleinheit 
durch  blosse  Adhäsion  daran  festhingeu. 

Es  galt  also  zunächst  die  letzteren  von  den  wirklich  mag- 
netischen, die  sich,  sofernesie  eine  Längsausdehnung  besassen, 
meist  schon  dadnrch  auszeichneten,  dass  sie  mit  dieser  senkrecht 
standen  zur  Oberfläche  der  Magnetnadel,  möglichst  zu  trennen. 

Um  dies  zu  bewerkstelligen,  wurde  der  Bart  auf  einen  Object- 
träger  abgeklopft  und  die  dabei  herabgefallenen  Partikel  zum 
zweiten  Male  mit  der  Magnetnadel  aufgenommen. 

Da  die  Adhäsion  an  der  Glasoberfläche  der  Adhäsion  am 
Magnetstäbcheu  entgegenwirkte,  so  blieben  die  gänzlich  nn- 
magnetisclien  jetzt  grösstentheils  liegen,  und  bei  neuerlichem 
Abstreifen  fielen  fast  ausschliesslich  solche  nieder,  denen  ein 
stärkerer  oder  schwächerer  Magnetismus  zukommt. 

Um  über  den  letzteren  Punkt  Gewissheit  zu  erlangen,  und 
zugleich  eine  weitere  Scheidung  unter  ihnen  vorzunehmen,  wurde 
die  Spitze  der  Magnetnadel  den  fraglichen  Partikeln  unter  dem 
Mikroskope  bloss  genähert  und  beobachtet,  ob  und  auf  welche 
Entfernung  hin  dieselben  auf  die  Nadel  übersprangen. 

Stark  magnetische  Partikel  von  bedeutenderer  Grösse 
w^aren  im  Pulver  sehr  wenig  vorhanden  und  schon  nach  dem 
dritten  oder  vierten  Durchstreifen  mit  der  Nadel  völlig  ausgezogen. 

Dieselben  waren  von  schwarzer  Farbe  und  halbmetallischem 
Aussehen  und  zeigten  bei  Behandlung  mit  Säuren  ganz  das 
Verhalten,  wie  es  dem  Magnetit  zukommt.  Zuweilen  waren  sie 
mit  Eisenrost  bedeckt,  zuweilen  ihre  Oberfläche  intact,  in 
vereinzelten  Fällen  ihre  Form  als  verzerrtes  oder  regelmässiges 
Oktaeder  erkennbar. 

Vom  Magnetit  abgesehen,  besassen  alle  übrigen  stark 
magnetischen  Partikel  die  Form  mehr  oder  weniger  vollkommener 
Küaelchen. 


94  S  c  h  u  s  t  e  r , 

Diese  Kügelcheu  waren  von  dimkler  bis  schwarzer  Farbe ; 
über  ihr  metallisches  oder  nicht  metallisches  Aussehen  Hess 
sich  wegen  ihrer  Kleinheit  in  der  Regel  kein  sicheres  Urtheil 
abgeben. 

Anl'lö SU ngs versuche,  die  mit  verdünnter  und  concen- 
trirter  Salzsäure  und  mit  Salpetersäure  angestellt  wurden,  gaben 
wider  Erwarten  im  Allgemeinen  ein  negatives  Resultat. 

Sie  wurden  von  verdünnter  Säure  meist  gar  nicht  oder  sehr 
langsam  oder  endlich  nur  zum  Theile  gelöst. 

Niemals  konnte  eine  ähnliclie  Gasentwicklung  wahr- 
genommen werden,  wie  sie  bei  Einwirkung  von  conceutrirter 
Salzsäure  auf  metallisches  Eisen  durch  Bildung  von  Wasserstoff- 
superoxyd in  so  charakteristischer  Weise  hei*vorgerufen  wird. 

Bisweilen  bedeckt  sich  das  betreffende  Kügelchen  im  ersten 
Momente  mit  einem  Hof  von  grünlichgelbem  Eisenchlorid,  was 
auf  Lösung  einer  oberflächlichen  Schichte  ebenso  wie  auf  Eisen- 
gehalt hindeutet  der  Rest  aber  blieb  unverändert. 

Bisweilen  hatte  dieser  Rest  seine  Kugelgestalt  verloren  und 
es  traten  nun  scharfe  Ecken  und  Kanten  im  Umrisse  hervor. 

Bisweilen  zeigte  es  sich,  dass  das  Kügelchen  nur  scheinbar 
homogen  gewesen;  beim  Auflösen  blieben  an  seiner  Stelle  ein 
Aggregat  von  dunklen  Körnern  oder  ein  farbloses  Skelet  von 
bestimmter  Structur  zurück. 

Auch  das  Einlegen  der  Körnchen  in  Kupfervitriollösung  und 
in  borwolframsaure  Gadmiumlösung,  welche  durch  gediegen 
Eisen  bekanntlich  zersetzt  wird,  führte  zu  keiner  Reaction. 

Nirgends  kam  es  zum  Niederschlage  metallischen  Kupfers, 
und  nur  in  einem  einzigen  Falle  habe  icli  einen  blauen  Zersetzungs- 
fleck in  der  Cadmiumflüssigkeit  wahrgenommen,  aber  nicht  an 
Stelle  eines  Kügelchens,  was  eben  interessant  gewesen  wäre, 
sondern  in  der  Nähe  eines  Splitters. 

Wenn  man  bedenkt,  in  welcher  Art  das  Pulver  aufgesammelt 
wurde,  so  wird  man  der  Gegenwart  dieses  Eisensplitters,  selbst 
wenn  sie  als  erwiesen  angenommen  wird,  keine  Bedeutung 
beilegen  können,  da  er  leicht  als  secundäre  Verunreinigung  in 
den  Staub  hineingerathen  sein  könnte. 

Die  besprochenen  Kügelchen  sind  also  aus  mehr  als  einem 
Grunde  interessant  und  räthselhaft  zugleich. 


Untersuchung  eines  Meteorstaiibes.  95 

Metallisches  Eisen  sind  sie  nicht.  Die  leicht  löslichen 
unter  ihnen  könnte  man  mit  Magneteisenerz  identiticireu. 

Bei  den  unlöslichen  oder  schwer  löslichen  und  doch 
unzweifelhaft  magnetischen  hätte  man  entweder  an  ein  Erz, 
wie  Ilmenit  zu  denken,  oder  an  etwas,  was  die  Widerstands- 
fähigkeit organischer  Substanz  und  den  Magnetismus  der  Erze 
in  sich  vereinigt  —  also  au  ein  vererztes  Gebilde  oder  endlich 
au  eine  eisenreiche  Glassubstanz. 

Zu  Gunsten  der  Vererzung  wäre  noch  anzuführen,  dass  viele 
von  ihnen  bei  günstiger  Beleuchtung  wie  von  einer  dünnen, 
durchsichtigen  glashellen  Haut  überzogen,  bisweilen  wie  gestielt 
erschienen,  andere  bei  genauerer  Betrachtung  keine  ebene 
Oberfläche  besassen,  sondern  mit  Auswüchsen  bedeckt  waren, 
welche  letztere  oft  gleichfalls  rundlich  erschienen,  und  sich  bei 
Einwirkung  von  Säuren  rasch  lösten,  während  die  grosse  Kugel 
sich  erhielt,  dass  endlich  bei  der  Auflösung  noch  anderer  that- 
sächlich  ein  deutliches  mit  einer  Structnr  versehenes  Skelet 
zurückblieb. 

Wenn  die  Möglichkeit  einer  Vererzung  kugelförmiger  orga- 
nisirter  Gebilde  zugegeben  wird,  dann  würde  auch  das  eventuelle 
Vorkommen  metallischer  Eisenkügelchen  in  Reductionsprocessen, 
wie  sie  an  sumpfigen  Stellen  unter  Einfluss  organischer 
Substanzen  nachweisbar  thatsächlich  vor  sich  gehen,  ^  die  natür- 
lichste Erklärung  finden  und  braucht  ihnen  nicht  meteorische 
Abkunft  Zugeschrieben  zn  werden. 

Hat  ja  schon  Renard'  hervorgehoben,  wie  wichtig  es  für 
die  Annahme  kosmischen  Ursprunges  solcher  Eisenkügelchen  ist, 
dieselben  in  ähnlicher  Gesellschaft  zu  finden,  wie  in  den  unzwei- 
felhaften Meteorsteinen,  was  hier  ganz  und  gar  nicht  der  Fall 
wäre. 

Es  ist  übrigens  kein  Zweifel,  dass  die  Kugel  eben  von 
sehr  verschiedener  Natur  sind.  Ausser  den  bereits  ange- 
führten gehört  hierher  noch  die  Thatsache,  dass  sie  sich  keines- 


1  Siehe  zu  diesem  Punkte  Lasaulx:  „Über  sog.  kosmischen  Staub". 

-  A.  F.  Eenard  und  John  Murray:  Les  caraeteres  microscopiques 
des  ceudres  volcaniques  et  des  poussieres  cosmiques  et  leur  röle  dans  les 
Sediments  de  mer  profonde.  Bull,  du  Musee  Roy.  d'  hist.  nat.  d.  Belgique. 
Tome  III,  1884. 


96  .Schuster. 

weg's  alle  im  gleichen  Grade  magnetisch  erweisen,  dass  von  den 
immagnetischen  durch  die  schwach  magnetischen  zu  den  stark 
magnetischen  ein  förmlicher  Übergang  existirt,  dem  ein  analoger 
in  der  Färbung  entspricht,  vom  Gelbroth  zum  Braunroth,  Braun, 
Bläulich  und  Schwarz,  wobei  den  letzteren  der  stärkste 
Magnetismus  zukommt. 

Von  den  rothen  und  braunen  Kügelchen,  welche  keineswegs 
immer  amorph,  sieh  zuweilen  (bei  günstiger  Beleuchtung)  mit 
äusserst  feinen  dreiseitigen  Facetten  von  Krystallflächen  bedeckt 
zeigten,  die  allerdings  auf  kein  Octaeder,  sondern  auf  eine  com- 
plicirte  Combination  hinzudeuten  schienen  (daher  die  Kugelform), 
wäre  ich  geneigt,  einige  für  Spinell  oder  ein  ähnliches  Mineral 
zu  halten;  sie  liegen  bisweilen  mitten  in  thonig  zersetzten 
Silikatresten.  ^ 

Zu  bemerken  ist  endlich,  dass  unter  den  schwach  magnetischen 
Partikeln  auch  Augitfragmeute  und  ein  bronzefarbiges  Mineral, 
vielleicht  Magnetkies  (als  Seltenheit),  sich  vorfanden. 

Unter  den  kugelförmigen  Gebilden  wurden  endlich  nieren- 
förmig  bis  traubig  vereinigte  Aggregate  gefunden,  die  im  auffal- 
lenden Lichte  die  grünlichgelbe  Farbe  des  Markasites  besassen. 

U  n  t  e  ]•  s  u  c  h  u  n  g   des    Pulvers    auf  nassem  Wege. 

Behandlung  mit  Säuren. 

Ätzung'  mit  Salzsäure. 

Bei  Zugabe  einiger  Tropfen  von  verdünnter  Salzsäure  fand 
ein  (offenbar  je  nach  der  zufälligen  Mischung  des  Pulvers)  bald 
schwächeres,  bald  stärkeres  Aufbrausen  statt;  bisweilen  war  ein 
solches  kaum  wahrnehmbar. 

Bei  Anwendung  concentrirter  Säure  und  beim  Erwärmen 
erneuerte  sich  das  Aufbrausen  nochmals. 

Gänzlich  verschwunden  waren,  soweit  sich  coustatiren  liess, 
nach  dieser  Operation  nur  die  Carbonate,  gewisse  Erz-  und  die 
als  Apatit  angesprochenen  Partikel;  die  übrigen  Bestandtheile 
erschienen  in 'höherem  oder  geringerem  Grade  verändert,  viele 
gänzlich  unangegriffen. 


1  Ztisammeiiliaiig  der  kugelförmigen  magnetischen  Partikel  mit  Qnarz- 
und  Thonpartikeln  ist  überhaupt  mehrfach  zu  beobachten  gewesen. 


Untersuchung-  eines  Meteorstaubes.  97 

Die  durch  Eiseuchlorid  gelblich  gefärbte  Lösung-  ergab  in 
einem  Falle  direct,  ohne  Zuthiin  von  Schwefelsäure  beim  Ver- 
dunsten vereinzelte  Gypskrystalle.  Dies  könnte  damit  in  Zusam- 
menhang gebracht  werden,  dass  ein  schwefelhaltiger  Bestand- 
theil  in  der  Weise  zersetzt  wurde,  dass  freie  Schwefelsäure 
entstand.^  Gleichzeitig  erscheint  dadurch  bereits  die  Gegenwart 
von  Ca  signalisirt. 

Bei  Zugabe  von  Schwefelsäure  erfolgte  in  der  That  massen- 
hafte Ausscheidung  von  Kalksulfat  in  der  charakteristischen 
Krystallform  und  den  verschiedensten  Zwillingsgestalten  des 
Gypses. 

Die  Lösung  enthielt  ausserdem  Phosphorsäure  und 
Magnesia,  von  denen  die  erstere  durch  molybdänsaures 
Ammon,  die  letztere  durch  Chlorammonium,  Ammoniak  und 
Phosphorsalz  nachgewiesen  wurde. 

Der  Gehalt  an  Phosphorsäure  ist  hier  wohl  grösstentheils 
dem  verschwundenen  Apatit  zuzuschreiben,  keinesfalls  aber  den 
nicht  nachweisbaren,  und  wenn  überhaupt,  so  nur  in  minimalster 
Menge  vorhandenen  Eisenkügelchen ;  die  Magnesia  möchte  ich 
in  diesem  Falle  weniger  auf  den  Magnesiaglimmer,  als  auf  ein 
Carbonat  beziehen. 

So  auch  das  Eisen,  das  zum  Theile  wohl  von  aufgelösten 
Erzpartikeln  herrührt  und  das  durch  Ferrocyankalium  und 
Rhodankalium  direct  nachgewiesen  wurde. 

Die  mikroskopische  Analyse  des  Rückstandes  der 
-Lösung  gab  folgende  Resultate. 

Wie  schon  das  verschiedenartige  Aufbrausen  lehrte,  liegen 
Carbonate  von  verschiedener  Löslichkeit  vor. 

Bei  schwächerer  Atzung  waren  nur  die  farblosen  Rhom- 
boederchen  gänzlich  verschwunden,  die  blassbläulich  und  grün- 
lich gefärbten  zurückgeblieben,  aber  in  sehr  verschiedenem 
Erhaltungszustande. 

Einige  hatten  die  Rhomboederform  noch  scharf  beibehalten, 
andere  waren  vielfach  gerundet. 


^  Unter  den  oben  aufgeführten  Bestandtheilen  kommt,  abgesehen  von 
der  organischen  Substanz,  nur  dem  Pyiit  und  Magnetkies  Schwefelgehalt 
zu.  Die  Salzsäure  war  vollkommen  rein. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XC'III.  Bd.  I.  Abth.  < 


98  S  c  h  11  s  t  e  Y , 

kSolange  bloss  auf  dem  Objectglas  operivt  und  das  Pulver 
i'iiifacli  mit  concentrirter  Salzsäure  überg-ossen  und  eintrocknen 
gelassen  oder  selbst  vorübergehend  erwärmt  wurde,  fanden  sich 
im  Rückstande  immer  noch  solche  Krystalle;  erst  bei  wieder- 
holter läng'erer  Digestion  unter  gleichzeitiger  Erwärmung  im 
Platinlöffelchen  waren  sie  sämmtlich  verschwuuden. 

Die  unmittelbar  vorstehenden  und  vorausgegangenen  Bemer- 
kungen mögen  die  Bestimmung  der  vorliegenden  Carbonate  als 
Calcit,  eisenhaltigen  Dolomit  und  Magnesit  rechtfertigen. 

Von  den  gefärbten  Partikeln  erschienen  die  Thonpartikel 
nicht  merklich  verändert,  im  Ganzen  nur  etwas  blasser  gefärbt; 
von  den  bräunlichen  Blättchen  (Glimmer)  waren  etliche  etwas 
krümlich  zersetzt  und  gelblich  gefärbt,  die  meisten  aber  intact 
geblieben,  einige  zeigten  deutlichen  Dichroismus  zwischen  gelb 
und  rotlibraun. 

Hornblende,  Turmalin  und  Augitpartikel  zeigten  kaum  eine 
Veränderung,  auch  biäulichgrüne  auseinander  gebogene,  unzersetzt 
gebliebene  Chlorittafeln  fehlten  nicht. 

Daneben  waren  nun  freilich  auch  grünliche,  wie  aus  winzigen 
Nädelchen  zusammengesetzte  Faseraggregate,  vielleicht  halb- 
zersetzte, chloritische  Substanzen  zu  beobachten  und  auch  etwas 
gallertige  Substanz  (Kieselsäure)  hatte  sich  abgeschieden. 

Der  grünlich-gelbe  Augit  wurde  namentlich  in  Form  von 
mikrolithischen  Kry ställchen  mit  31 — 36°  Auslöschungsschiefe 
nachgewiesen,  die  bisweilen  zwillingsartig  verwachsen  waren. 

(Man  beachte  und  sehe  dazu  und  zum  Folgenden  auf  die 
Tafeln  und  Tafelerklärung). 

Unter  den  ungefärbten  Partikeln  fanden  sich  ferner  lichter 
Glimmer  und  stark  lichtbrechende  Substanzen  wie 
typischer  Zirkon  (bisweilen  in  rhomboederähnlicher  Gestalt)  und 
Rutil  in  herzförmigen  Zwillingen,  bei  denen  die  gegenseitige  Nei- 
gung der  Hauptaxen  zu  59°  gemessen  wurde;  letztere  Substanzen 
waren  jetzt  häufiger  und  besser  zu  beobachten  als  früher. 

Schwächer  lichtbrechende  ungefärbte  Splitter  (Quarz  und 
Feldspath)  waren  gleichfalls  unverändert  geblieben. 

Quarz  war  vom  Feldspath  nicht  in  jedem  einzelnen  Falle 
zu  unterscheiden,  da  die  Quarzsplitter  hier  meist  so  klein  sind, 
dass  sie  gleich  den  Quarzen  in  einer  Porphyrgrundmasse  ähnlich 


Uiitersucluuig-  eines  Meteorstaubes.  99 

polarisiren  wie  der  Feldspath  selbst  imd  eine  Untersucbimg-  im 
convergenten  polarisirteu  Lichte  kein  gutes  Eesultat  gibt. 

Da  aber  die  grösseren,  durch  ihre  Structur  und  ihre  optischen 
Eigenschaften  (Spaltrisse  und  Auslöschungsschiefe)  sich  als 
Orthoklas  characterisirenden  Fragmente  stets  gleichzeitig 
trüb  und  fasrig  gefunden  wurden,  während  von  den  durch 
Flüssigkeitseinschlüsse  (auch  mit  spontan  beweglicher  Libelle), 
durch  lebhafte  Polarisationsfarben  und  splittriges  Aiissebeu 
gekennzeichneten  grösseren  Quarzscherben  das  Gegentheil  galt, 
so  waren  wohl  auch  von  den  kleineren  Körnchen  die  wasser- 
klareu  vorzugsweise  dem  Quarz,  die  trüben  hauptsächlich  dem 
Feldspath  zuzurechnen. 

Isotrope  glashelle  Partikel  der  verschiedensten  Form, 
ähnlich  gewissen  Spongiennadelu,  sowie  den  unter  den  Namen 
Lithostylidium  und  Lithostomatium,  Spongilithis  etc.  1.  c.  von 
Ehreuberg  aufgezählten  Gebilden  fehlten  ebenso  wenig  als  die 
unterschiedlichen  Diatomeenpanzer,  die  im  Gegentheile,  von 
färbenden  Substanzen  gereinigt,  jetzt  besser  sichtbar  waren,  als 
sonst. 

Auch  schwarze  Partikel  wurden  wieder  l)emerkt. 

Viele  von  den  früher  vorhandenen  Kügelchen  und  Scheibchen 
waren  auch  nach  der  Behandlung  mit  der  Säure  wieder  zu 
finden ;  eine  Anzahl  derselben  hatte  die  Farbe  verloren  und 
solche,  die  früher  Aggregatpolarisation  gezeigt  hatten,  zeigten  sie 
jetzt  nicht  mehr;  vielleicht,  dass  diese  theil weise  verkalkt  oder 
schon  ursprünglich  kalkiger  Natur  gewesen  waren. 

Unter  den  Kügelchen  fielen  nur  einige,  scheinbar  ganz  voll- 
kommene, metallisch  aussehende,  besonders  auf,  weil  sie  wie  mit 
einer  glashellen,  sehr  dünnen  Haut  umgeben  und  mit  schlauch- 
förmigen Gebilden  in  Verbindung  waren. 

Die  organischen  Substanzen  selbst  waren  kaum  angegriffen. 

Erwähnenswerth  ist  der  Umstand,  dass  Proben  des  zuvor 
mit  Salzsäure  behandelten  Pulvers  nach  dem  Glühen  viel  mehr 
verkohlte  Partikel  zu  enthalten  schienen,  als  beim  directen  Glühen 
der  Substanz  für  gewöhnlich  beobachtet  wurden. 

Schwach  geglühtes  Pulver,  nachher  mit  verdünnter  Salzsäure 
behandelt,  zeigte  anfangs   kein  Aufbrausen,   dagegen  an  ver- 


100  Schuster. 

schiedeneu  Stelleu  sofortige  Gelbfärbung-  durch  Eisenchlorid; 
Aufbrausen  stellte  sich  jedoch  ein  bei  erneuter  Zugabe  von 
concentrirter  Salzsäure. 

Ätzung  durch  Salpetersäure. 

Der  Erfolg  war  im  Ganzen  ein  ähnlicher,  wie  im  vorigen 
Falle,  die  Wirkung  im  Allgemeinen  kräftiger,  namentlich  gegen- 
über den  im  Staube  enthaltenen  organischen  Bestandtheilen, 
indem  der  grösste  Theil  dessen,  was  organischen  Ursprunges  war, 
nunmehr  entfernt  oder  zerstört  schien. 

Während  des  langsamen  Abdampfen«  von  verdünnter 
Salpetersäure  nahm  das  eingestreute  Pulver  eine  autfallend  roth- 
bräunliche Farbe  an.  In  der  partiellen  Salpetersäuren  Lösuug 
wurden  wieder  Fe,  Ca  in  zienüicher  Menge,  Mg  und  P  (noch 
deutlicher  als  früher)  nachgewiesen. 

Unter  den  zurückgebliebenen  eckigen  Partikeln  hebe  ich 
hier  hervor  schwärzlich  bis  grünlichbraun  und  gelbbraun  durch- 
scheinende dichroitische,  theils  unangegriffene,  theils  etwas 
gebleichte  Fragmente,  von  denen  erstere  auf  Hornblende  und 
Phlogopit,  letztere  auf  Biotit  bezogen  wurden,  ferner  grünliche 
bis  farblose,  breitere  und  auch  schmälere  prismatische  Krystall- 
fragmente,  von  denen  einige  sehr  grosse  Auslöschungsschiefe 
(gegen  37°),  andere  wiederholt  circa  12°  besassen,  wesshalb  die 
ersteren  mit  Augit,  die  letzteren  mit  Spaltungsstücken  einer 
zweiten,  lichteren  Hornblende  identificirt  wurden;  von  Quarz- 
körnern, Feldspathbruchstücken  mit  Spaltflächenbegrenzung, 
Thonpartikelu  gilt  dasselbe  wie  im  vorigen  Falle,  ebenso  von  den 
unverändert  gebliebenen  Blättchen  weissen  Glimmers  und  Talkes. 

In  Betreff  der  rundlichen  Partikel  ist  zu  erwähnen,  dass  eine 
Anzahl  rother  sowohl,  als  schwarzer  Kügelcheu  wieder  unver- 
ändert sich  erhielten,  ausserdem  aber  solche  von  gelblicher  Farbe 
(in  traubiger  x^ggregation)  bemerkt  wurden. 

Während  erstere  durch  Glühen  nicht  entfernt  wurden,  waren 
letztere  in  der  geglühten  Probe  des  mit  Salpetersäure  bebandelten 
Pulvers  spurlos  verschwunden. 

Es  sind  auch  sonst  noch  Anhaltspunkte  geboten  für  die  Ansicht, 
dass  dieselben  von'  Schwefelkies  herrührten,  welcher  in  der  Sal- 
petersäure unter  Abscheidung  von  Schwefel  gelöst  worden  war. 


Uutersuclumg  eines  Meteorst;iubes.  101 

Hinsichtlich  der  Natur  der  erstgenannten  Kligelchen  ist 
folgende  Beobachtung  von  Wichtigkeit,  welche  zugleich  zeigt, 
dass  manche  davon  nur  scheinbare  Kugelform  besitzen. 

Eine  grössere  schwarzbraune  Kugel  zeigte  sich  bei  günstiger 
Beleuchtung  im  auffallenden  Lichte  bei  starker  Vergrösserung 
von  einer  Unzahl  Krystallfacetteu  bedeckt,  welche  einen  aus- 
geprägt tesseralen  Charakter  trugen  und  sofort  an  eine  reich- 
haltige Spinell-  oder  Granatcombination  erinnerten,  etwa  mit 
Leucitoeder-,  Rhombendodekaeder-,  Würfelflächen,  aber  auch 
Oktaederflächen. 

Da  letztere  nicht  zu  fehlen  schienen,  so  wäre  ich  geneigt, 
in  diesem  speciellen  Falle  eher  an  einen  Spinell  (Pleonast  zum 
Beispiele,  von  dem  so  reiche  Combinationen  längst  bekannt  sind) 
als  an  einen  Granat  zu  denken. 

Typischer  Zirkon  und  auch  Anatas  wurden  wiederbemerkt. 

Das  mit  Salpetersäure  behandelte  Pulver  nahm  nach  ein- 
stündigem Glühen  eine  viel  röthere  Farbe  an  als  sonst,  und  zwar 
waren  namentlich  die  jetzt  viel  deutlicher  hervortretenden  Thon- 
partikel,  sowie  die  bräunlichen  Hornbleudefragmente  nun  roth- 
braun geworden. 

Unter  den  Kügelchen  waren  viele,  die  im  auffallenden  Lichte 
dunkelroth,  im  durchgehenden  vollkommen  schwarz  erschienen. 
Auch  Partikel  von  ähnlicher  Färbung,  aber  polygonalem  (bisweilen 
hexagonaiem)  Umriss  wurden  beobachtet. 

Die  früher  nur  im  polarisirten  Lichte  unterscheidbareu, 
schwächer  lichtbrechenden,  farblosen  Partikel  erschienen  nun  mit 
dunklen  Pünktchen  wie  bestreut,  wodurch  ihre  Umrisse  sich  viel 
deutlicher  vom  Untergründe  abhoben. 

ÄtzuMg  durch  Schwefelsäure. 

Proben  des  Pulvers,  mit  Schwefelsäure  erhitzt,  wurden  vor- 
übergehend schwarz. 

Die  Schwärze  (herrührend  von  organischer  Substanz)  liess 
sich  über  offener  Flamme  leicht  verjagen,  das  zurückgebliebene 
Pulver  war  röthlichbraun,  enthielt  wohl  keine  organische 
Substanz  mehr,  aber  noch  immer  Partikel  organischen  Ursprunges. 
Der  Biotit  war  sehr  stark  gebleicht  (und  bei  Anwendung  von 
concentrirter   Säure    und    nach   längerem    Kochen)    vollständig 


102  Schuster, 

entfernt  worden,  respective  ein  blosses  Kieselskelett  zurück- 
geblieben. Darin  schienen  jetzt  mikrolitbisclie  Einschlüsse  her- 
vorzutreten, die  im  Aussehen  unter  anderem  mit  Rutil  und  Augit- 
nadeln  übereinstimmten.  Der  bläulichgrüne  Chlorit  war  gänzlich 
verschwunden. 

Dagegen  lehrt  auch  diesmal  die  Beobachtung,  dass  zweierlei 
braun  gefärbte  Glimmer,  von  verschiedener  Widerstandsfähigkeit 
gegen  die  Säure  neben  einander  vorhanden  seien.  Die  Thon- 
partikel  zeigen  deutliche  Spuren  von  Zersetzung,  gallertige 
Substanz  ist  reichlicher  zu  bemerken  als  in  den  früheren  Fällen. 

Zirkon  erscheint  bei  schwacher  Atzung  auf  dem  Objectträger 
gerundet,  bei  stärkerer  ist  er  verschwunden;  der  Rutil  aber 
zurückgeblieben,  ebenso  der  Anatas. 

Die  jetzt  durch  Zusammenschmelzen  des  Pulvers  gebildete 
Schlacke  war  von  der  direct  erhaltenen  nicht  sehr  verschieden. 

Aus  der  schwefelsauren  Lösung  schieden  sich  beim  Ver- 
dunsten reichliche  Gypskrystalle  aus. 

Das  zuerst  geglühte,  dann  mit  Schwefelsäure  behandelte 
Pulver  zeigte  in  vieler  Hinsicht  eine  auffallende  Ähnlichkeit  mit 
gewissen  rothen  Thonen  von  Siena,  namentlich  durch  den  Reich- 
thum  an  krümlichen  bräunlich-gelben,  im  auifallenden  Lichte 
orange-  bis  ziegelrothen,  Partikeln  und  Kügelchen. 

Diatomeen  und  ähnliche  Gebilde  entschieden  organischen 
Ursprunges  enthielten  bisweilen  rothe  Massen  von  kugelicher 
Gestalt,  die  wie  zusammengesintert  aussehen.  Vollkommen 
scharfe,  blasse  Kugeln  erschienen  andererseits  augefüllt  mit 
krümlichcm  Inhalt. 

Wie  im  vorigen  Falle  ist  theilw^eise  Zersetzung  der  Silicate 
und  Abscheidung  von  Kieselsäure  eingetreten,  Bemerkenswerth 
ist  das  häufigere  Hervortreten  von  Augitmikrolithen  (zum  Theile 
in  Zwillingen),  wie  man  sie  in  Glimmer  zuweilen  eingeschlossen 
findet,  von  Anatas-  und  Spinellkrystallen  und  Körnern,  letztere 
bisweilen  von  bläulichschwarzer  Farbe  und  splittrigeni  Aussehen. 

Beh.an(lluug  mit  Flusssäure. 

Das  Pulver  wurde  auf  einem  mit  Canadabalsam  überzogenen 
Objectglase  mit  Flusssänre  wiederholt  befeuchtet. 


Unter  SU  chuii.g'  eines  Meteorstaubes.  103 

Nach  einem  Tage  hatten  sich  reichlich  spiessige  Kiystalle  von 
Kieselfluorcalcium,  Oktaeder  und  Würfel  von  Kieselfluorkalinm 
und  viele  Rhomboeder  von  Kieselfluormagnesium  abgeschieden. 
In  kriimlicher  Form  erschien  Kieselfluoraluminium.  Natrium, 
wahrscheinlich  in  geringer  Menge  gleichfalls  vorhanden,  konnte 
nicht  unzweifelhaft  erkannt  werden. 

Aufschliessiing  durch  Flusssäure  unter  Zusatz  von 
Schwefelsäure  wurde  im  Platinschälchen  vorgenommen. 

Bei  unvollkommener  Aufschliessung  fanden  sich  im  Eück- 
stand  ausser  Fasern  organischer  Natur,  verkohlten  Substanzen, 
noch  Splitter,  die  wie  Glas-  oder  Quarzscherbeu  aussehen  und 
stark  lichtbrechende  Substanzen  wie  Anatas,  Zirkon  und  Rutil 
und  endlich  Spinellkörnchen. 

Zur  vollständigen  Aufschliessung  wurden  Proben  des  Pulvers 
wiederholt  mit  Flusssäure  übergössen  und  jedesmal  laugsam  zur 
Trockene  eingedampft,  dann  mehrmals  verdünnte  Schwefelsäure 
zugegeben  und  diese  immer  wieder,  zuletzt  aber  nur  unvollständig 
abgeraucht. 

Bei  Zusatz  von  Schwefelsäure  in  der  Hitze  trat  etwas  Ver- 
kohlung ein. 

Es  wurde  der  Zusatz  von  Schwefelsäure  fortgesetzt,  bis  eine 
weitere  Schwärzung  nicht  stattfand. 

Die  kohligen  und  flüchtigen  Substanzen,  welche  zunächst  an 
den  oberen  Rand  des  PlatinlöfPelchens  überdestillirten,  wurden 
schliesslich  über  offener  Flamme  vollkommen  verjagt. 

Der  Rückstand  war  diesmal  fast  Null,  Ausgenommen  ein 
Turmalinsäulcheu,  vereinzelte  Rutilnädelchen  (knieförmige  Zwil- 
linge) und  Spinell  waren  nur  Gypskrystalle,  schief  auslöschend 
mit  rhomboidischen Umrissen,  und  gerade  auslöscheudeNädelchen 
rhombischer  Sulfate  in  der  eintrocknenden  Lösung  zu  beobachten. 

Bei  Zugabe  von  HCl  entstanden  an  Stelle  der  sich  trübenden 
Gypskrystalle  büschelige  Nadelaggregate  von  Anhydrit. 

In  der  klaren  Lösung,  welche  nach  der  Aufschliessung 
erhalten  worden  war,  wurde  durch  Chlorammonium,  Ammoniak 
und  Phosphorsalz  reichlich  Magnesia,  sowie  K  durch  Platin- 
chlorid in  der  Form  von  Würfeln  mit  Rhombendodekaedern  und 
Oktaedern  und  selbständigen  Oktaedern  nachgewiesen.  Der 
Versuch  Na  nachzuweisen,  blieb  ohne  Erfol«:. 


104  Schuster, 

Die  .Schmelze  des  Pulvers  wurde  von  Kieselfluor- 
wasserstoffsüure  nur  tlieihveise  ang-egriffeu.  Am  zahlreicbsteu 
entstanden  diesmal  regelmässige  und  verzerrte,  ziemlicli  grosse 
Ebomboeder  der  Magnesium  Verbindung,  daneben  aber  auch 
wieder  die  eigentbümlicb  weekenartigen  Formen  der  Calci um- 
und  die  scharfen  und  regelmässigen  der  Kalium  Verbindung, 
Kräftiger  war  die  gleichzeitige  Einwirkung  von  Flusssäure  und 
Kieselfluorwasserstoffsäure,  das  Endresultat  aber  im  Ganzen 
dasselbe. 

Bei  Behandlung  der  Schmelze  mit  Flusssäure  und 
Schwefelsäure  im  Platinlöffelchen  blieben  nach  längerer  Ein- 
wirkung des  Gremisches  unter  gleichzeitiger  Erwärmung  nur  sehr 
wenig  Mineralpartikel  uuzersetzt  zurück. 

Beim  Verdunsten  der  Lösung  schieden  sich  natürlich  wieder 
Gypskrystalle  und  bündeiförmige,  spiessige  Krystalle  rhom- 
bischer Sulfate  ab. 

Aufschliessung  durch  kohlensaures  Natron  wurde 
auf  dem  Deckel  eines  Platintiegels  vorgenommen.  Die  Probe 
wurde  mit  einer  entsprechenden  Menge  wasserfreien  kohlensauren 
Natrons  während  einer  halben  Stunde  zusammengeschmolzen. 

Die  erhaltene  Schmelze,  welche,  vermuthlich  von  aus- 
geschiedener Seh  wef  eil  eher,  stellenweise  etwas  bräunlich 
gefärbt  erschien,  wurde  nach  dem  Aufweichen  mit  Wasser 
durch  verdünnte  HCl  aufgenommen. 

Beim  Eintrocknen  eines  Theiles  dieser  Lösung  schieden  sich 
in  der  That  vereinzelte  Gypskrystalle  ab,  was  die  vorstehende 
Beobachtung  zu  bestätigen  schien. 

Die  Schmelze  hatte  sich  zunächst  vollkommen  gelöst  bis  auf 
Flocken  und  Körnchen  von  Kieselsäure,  die  darin  herum- 
schwammen und  Fuchsinlösung  festhielten.  In  dem  klaren  Theile 
der  Lösung  wurden  nebst  Kalk,  Eisen  etc.  (wie  früher)  jetzt 
noch  Aluminium  (durch  Cäsiumchlorid)  in  reichlicher  Menge 
direct  nachgewiesen. 

Schlussbetrachtungen.  Vergleich  mit  anderen  Staub- 

fuuden. 
Nächst  der  Zusammensetzung  beansprucht  wohl  die  Frage 
nach  der  Herkunft  der  Bestandthcile  das  meiste  Interesse. 


Untersiichuug-  eines  Metoorstaubes.  105 

im  Folgeudeu  sollen  jene  Punkte  kurz  zusammengestellt 
werden,  welche  in  dieser  Beziehung  Beachtung  zu  verdienen 
scheinen. 

1.  Über  den  terrestrischen  Ursprung  des  vorliegenden 
Staubes  kann,  wie  oben  liervorgehoben  wurde,  kaum  ein  Zweifel 
bestehen. 

Dazu  ist  Folgendes  in  Erinnerung  zu  bringen:  In  der  ersten 
Zeit,  wo  man  anfing,  derartigen  Staubfällen  melir  Beachtung  zu 
schenken,  brachte  man  bekanntlich  dieselben  mit  echten 
Meteoritenfällen  in  Zusammenhang  und  Arago  gab  der  Meinung 
Ausdruck,  dass  zwischen  ihnen  und  den  letzteren  kein  wesent- 
licher Unterschied  bestehe,  eine  Meinung  von  der  man  jedoch 
bald  zurückgekommen  ist. 

Man  fand  nämlich,  dass  die  verschiedenen  aus  der  Atmo- 
sphäre niedergefallenen  Staubmassen, von  zahlreichen  pflanzlichen 
und  anderen  organischen  Resten  abgesehen,  fast  ihrer  ganzen 
Masse  nach  aus  Mineralpartikeln  bestehen,  die  eine  Deutung  als 
Detritus  mehr  oder  weniger  naheliegender  Gesteine  sehr  wohl 
zulassen,  also  mindestens  v  o  r  w  i  e  g  e  u  d  terrestrischen  Ur- 
sprunges sind. 

A.  V.  Lasaul X,  welcher  in  seinem  citirten  Aufsatze  „Über 
sogenannten  kosmischen  Staub-''  die  Resultate  früherer  Beob- 
achter übersichtlich  zusammengefasst  hat  und  auch  eine  Reihe 
eigener  Beobachtungen  über  Staubfunde  von  Grönland,  Catania 
und  Kiel  mitthcilte,  gelangt  schliesslich  sogar  dahin,  die  atmo- 
sphärischen Staube  lediglich  für  terrestrischen  Detritus  zu 
erklären. 

Nach  ihm  sind  es  nach  den  Gegenden,  in  denen  die  Staube 
niederfallen,  verschieden  zusammengesetzte  Mineralgeuienge, 
in  denen  allen  der  Quarz,  das  der  Verwitterung  am  besten  und 
längsten  widerstehende  Mineral,  eine  Hauptrolle  spielt,  und  in 
denen  immer  neben  organischer  Substanz  Magneteisen  oder 
verwandte  Eisenverbiudungen  und  endlich  metallisches  Eisen 
sich  vorfinden. 

Der  Gehalt  an  metallischem  Eisen  war  es  hauptsächlich,  den 
man  als  für  solche  Staubfälle  charakteristisch  ansah  und  den  man, 


1  UI.    Bd.   von   Tschermak's   Mineral,   u.  petrogr.  Mittheil.    1881, 
pag.  517. 


106  Schuster. 

wenn  nicht  ausscliliesslicli,  doch  wesentlich  auf  kosmischen 
Ursprung'  zurückführte. 

So  unter  anderen  Beobachtern  Taechini^^  welcher  im 
Staube,  den  die  Cyklone  vom  24.  Februar  1879  nach  Palermo, 
Neapel  und  Termini  brachte,  sehr  kleine  (0*001 — 0-041  Mm.) 
schwarze  Kügelchen  wahrnahm,  die  ihm  die  chemischen 
Eeactioncn  metallischen  Eisens  gaben. 

Ähnliche  Resultate  erhielten  Meunier  und  Tissandier 
(Comptes  rendus,  18.  Februar  1878)  die,  ebenso  wie  Silvestri 
in  seiner  zweiten  Abhandlung  über  den  Staub  von  Catania  vom 
29.-30.  März  (Academia  dci  Lincei,  2.  Mai  1880)  das  Vorhanden- 
sein  von  Kügelchen  metallischen  Eisens  und  gleichzeitig  Mckel- 
und  Phosphorgehalt  nachwiesen.^ 

Hinsichtlich  des  vorliegenden  Staubes  wurde  nun  schon 
früher  ausführlicher  auseinandergesetzt,  dass  derselbe  zwar 
gleichfalls  magnetische  Kügelchen  enthalte,  die,  was  Grössen- 
verhcältnisse  und  Aussehen  betrifft,  beispielsweise  mit  der 
Beschreibung,  welche  Silvestri  von  jenen  Gebilden  gibt,  voll- 
kommen übereinstimmen,  das  chemische  Verhalten  metallischen 
Eisens  aber  durchaus  nicht  zeigen. 

Ich  habe  ferner  gleichzeitig  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dass  bei  der  durch  andere  Gründe  wahrscheinlich  gemachten 
Vererzung  gewisser  Partikel  organischer  Natur  auch  das  thatsäch- 
liche  Vorkommen  metallischer  Eisenkügelchen  noch  nicht  noth- 
wendiger  AVeise  kosmischen  Ursprung  in  sich  schliessen  müsste, 
sondern,  ähnlich,  wie  dies  Lasaulx^  thut,  auf  andere  Weise 
erklärt  werden  k(5nnte. 

Dazu  kommt  endlich,  dass  hier  auch  von  unmetallischen, 
mineralischen  Partikeln  entschieden  meteorischen  Ursprunges 
nichts  zu  beobachten  war,  obwohl  jene,  wieLasaulxhervorhob,  in 

1  M.  Tacchini,  8ur  des  partieiihss  lernigineiises  obsevves  claus  la 
poussiere  ameuee  par  uu  coup  de  veut  de  Sirocco  en  divers  points  de 
l'Italie.  C.  E.  1879,  1.  semestre  T.  LXXXVIII,  Nro.  11. 

-  Nachdem  zuerst  Nordeuskiökl  1874  unter  ähnlichen  Verhältnissen 
Nickel-  und  Kobaltgehalt  aufgefunden  hatte. 

•'  L.  c.  pag.  53l,wo  eine  Anzahl  von  den  bisher  constatirten  Vorkomm- 
nissen gediegenen  terrestrischen  Eisens  aufgezählt  werden,  die,  wie  er  sagt, 
allerdings  nur  spärlich,  aber  gerade  solche  siiul,  welche  die  in  den  Stauben 
vorhandene  Association  mit  organischer  Substanz  zu  erklären  vermögen. 


Untci'suchniig  eines  Meteorstaubes.  107 

dem  Miueralgemeug-e  der  meisten  echten  Meteoriten  das  Eisen  au 
Häufigkeit  übertreifen  und  daher  auch  im  Meteorstaube  von 
vorneherein  in  grösserer  Menge  zu  erwarten  wären  als  dieses 
selbst,  so  beispielsweise  nichts  von  jenen  höchst  interessanten 
von  A.  Renard*  beschriebenen  und  abgebildeten  Enstatit- 
Chondren,  in  deren  Gesellschaft  sich  die  aus  den  Sedimenten  des 
Meeresgrundes  von  der  Challenger-Expedition  gesammelten,  mit 
einem  metallischen  Eisenkerne  und  einer  Hülle  von  Magnetit 
versehenen  magnetischen  Kügelchen  vorfanden. 

2.  Es  ist  der  Umstand  /u  berücksichtigen,  dass  Klagenfurt, 
also  der  Ort,  wo  der  in  Rede  stehende  Staub  niedergefallen  ist, 
(hauptsächlich  im  W,  N,  und  0)  von  krystallinischen  Gebirgen 
und  zwar  Schiefern  der  Primärformation  umgeben  ist,  während 
(im  S  und  SO)  auch  Granite,  bei  Kappel  und  im  Bacher- Gebirge, 
nicht  weit  entfernt  liegen  und  (hauptsächlich  im  S)  Dolomite  und 
Kalkberge  in  der  Umgebung  ebenso  wenig  fehlen,  so  zw^ar,  dass 
das  Material,  welches  den  mineralogischen  Bestand  des  auf- 
gesammelten Schlammregens  ausmachte,  ganz  in  der  Nähe 
wiedergefunden  werden  könnte. 

Diese  Thatsache  gewinnt  dadurch  einige  Bedeutung,  dass 
in  letzter  Zeit  von  verschiedenen  Forschern,  die  sieh  mit  dem 
Gegenstande  beschäftigten,  der  Nachweis  geführt  wmrde,  dass 
die  sogenannten  atmosphärischen  Staube  keineswegs  noth- 
wendigerweise  aus  grosser  Ferne  herstammen  müssen,  sondern 
auch  in  der  Nähe  des  Fallortes  ihren  Ursprung  haben  können. 

Dagegen  würde  sicli  dieselbe  Thatsache  freilich  unter  einem 
anderen  Gesichtspunkte  darstellen  lassen,  sobald  dargethan 
werden  könnte,  dass  auch  andere  Staubfimde,  w^elche  um  dieselbe 
Zeit  in  anderen  z.  B.  weit  südlicheren  Gegenden  gemacht  wnirden, 
im  Wesentlichen  die  gleiche  Zusammensetzung  zeigen. 

Von  dem  vorjährigen  Staubfalle  standen  mir  solche  Beispiele 
zwar  nicht  zu  Gebote,  jedoch  wurde  mir  vom  Herrn  Hofrath 
Tschermak  eine  Staubprobe  mit  der  Etiquette:  „Meteorstaub 
von  Fiume,  Winter  1878/79"  zur  Verfügung  gestellt,  welche 
obigen  Satz  bis  zu  einem  gewissen  Grade  wahrscheinlich  macht. 


1  Bulletin  du  Musee  Eoyal  d' histoire  naturelle  de  Belgique,t.  III,  1884, 
IL  partie,  pag.  21  d.  Separatabdruckes.  Ebenda  pag.  22  wird  im  Gegensatze 
dazu  ein  rein  terrestrischer  Staub  vom  Gipfel  des  Ben  Nevis  besprochen. 


108  Scliustüi-, 

Nacli  der  im  Eingänge  dieser  Arbeit  reprodueirten  Notiz  des 
Herrn  F.  Seeland  bat  nämlicb  der  vorjäbrige  Scblammregen 
(vom  14.  October)  in  Kbig-enfurt  im  Februar  1879  bereits  seinen 
Voiläufer  gebabt. 

Seeland  schreibt  darüber:  „Es  ist  derselbe  Staub, welchen 
uns  am  25.  Februar  1879  ein  SE.-Sturm  über  Lesina  herauf,  wo 
er  auch  beobachtet  wurde,  nach  Klagenf'urt  brachte  und  welcher 
damals  den  massenhaft  fallenden  Schnee  roth  färbte." 

Es  ist  wahrscheinlich,  dass  die  unter  der  Etiquette  „Fiume" 
mir  übergebene  Probe  mit  dem  eben  citirten  Staubfalle  aus  dem 
Jahre  1879  in  Verbindung-  steht,  und  dass  der  betreffende  Staub 
somit  eigentlich  ein  dem  hier  ausführlich  beschriebenen  analoges 
aber  in  südlicheren  Gegenden  uiedergefallenesVorkommeu  betrifft. 

Als  mir  die  erwähnte  Staubprobe  zukam,  hatte  ich  die  vor- 
stehenden Untersuchungen  bereits  abgeschlossen;  ich  habe  die- 
selbe daher  nicht  eingehender  geprüft. 

Indessen  genügte  schon  eine  flüchtige  mikroskopische 
Analyse  von  Canadabalsampräparaten,  um  zu  dem  bemerkeus- 
werthen  Resultate  zu  gelangen,  dass  der  Staub  von  Fiume  alle  jene 
Mineralpartikel  wieder  enthalte,  welche  als  Hauptbestandtheile 
im  Klagenfurter  Staube  sich  vorfanden,  so  die  Carbonatrhom- 
boSder,  Glimmerarten,  Quarz-  und  Thoni)artikel. 

Als  Unterschied  wäre  bloss  Folgendes  hervorzuheben. 

Während  in  dem  Klagenfurter  Staube  die  einzelnen  Partikel 
in  den  Grösseuverhältnissen  nach  oben  und  unten  hin  meist  eine 
gewisse  mittlere  Grenze  einhalten,  erscheinen  hier  in  jener 
Hauptmasse  von  Bestandtheilen  bestimmter  Grösse,  welche,  für 
sich  betrachtet,  in  ihrem  Gesammteindrucke  dem  erstgenannten 
Staube  ungemein  ähnlich  sieht,  einerseits  sehr  feiner  Mulm, 
andererseits  ziemlich  grobe  Fragmente  z.  B.  Gesteinsbrocken, 
grössere  Quarzsplitter  mit  reichlichen  Flüssigkeitseinschlüssen, 
Bruchstücke  von  Muschelschalen  etc.  und  eine  viel  grössere 
Menge  organischer  Reste,  theils  thierischen  Ursprungs  (z.  B_ 
thierische  Haare)  und  verkohlte  Substanzen  eingestreut. 

Die  Klagenfurter  Staubproben  sehen  dem  gegenüber  fast 
wie  gesiebt  oder  gcsclilämnit  aus. 

Es  ist  leicht  möglich,  dass  der  Grund  davon  in  der  Art  der 
Aufsammlung  liegt,   welche    in    Fiume   vielleicht   nicht   mit  der 


Uiitersiichiiug  eines  Meteorstaubes.  109 

gleichen  Sorgfalt  geschah,  so  dass  mehr  Localstaub  dazu  kam 
und  dass  aucli  der  grössere  Wechsel  des  Kornes,  sowie  die 
Mannigfaltigkeit  und  Ungleichheit  der  Mischung  zum  Theile 
darauf  zurückzuführen  ist. 

Was  die  darin  enthaltenen  Diatomeenreste  betrifft,  so  ist  zu 
bemerken,  dass  zwar  viele  Arten  beiden  gemeinsam  zukommeu, 
dass  aber  der  Fiumer  Staub  an  solchen  noch  weit  reicher  sein 
dürfte  als  der  früher  genannte^  und  dass  gewisse  Gattungen  wie 
Navicula  und  Synedra  darin  in  grösserer  Häufigkeit  vorhanden 
sind,  während  sie  umgekehrt  in  jenem  eine  untergeordnetere 
Rolle  spielten. 

3.  Man  wird  aus  dem  Gesagten  bereits  entnehmen  können, 
dass  gerade  die  mineralischen  Hauptbestandtheile  des  Klagen- 
furter  Staubes  an  und  für  sich  zum  Mindesten  zu  wenig  charak- 
teristisch sind,  um  sich  zur  Entscheidung  zu  eignen,  ob  das 
Staubmaterial  aus  der  Cmgegend  entnommen  wurde  oder  nicht 
und  dass  die  Beachtung  der  organischen  Reste  darüber  vielleicht 
eher  Aufschluss  zu  geben  vermöchte. 

Von  entscheidender  Wichtigkeit  wäre  wohl  die  unzweifelhafte 
Constatirung  von  Meeresformen  unter  den  hierher  gehörigen 
Gebilden. 

Nach  dem  vergleichenden  Studium  der  von  Ehrenberg 
gelieferten  Abbildungen  scheint  mir  das  Vorkommen  von  solchen 
sehr  Avahrscheinlich,  in  jedem  Falle  aber  ein  sehr  untergeordnetes 
zu  sein;  ich  muss  mich  jedoch  begnügen,  die  Aufmerksamkeit 
der  Fachgelehrten  auf  diesen  Punkt  zu  lenken. 

4.  Da  der  Wind,  welcher  die  beiden  soeben  besprochenen 
Staubregen  brachte,  aus  dem  Süden  kam,  so  drängt  sich  anderer- 
seits gleichzeitig  die  weitere  Frage  auf,  ob  nicht  etwa  allen  von 
Süden   kommenden  und   von   dort    her  über  Europa  sich   aus 
breitenden  Stauben  gewisse  Hauptbestandtheile  gemein  seien. 

Wenn  wir  die  von  Silvestri  wiederholt  untersuchten  von 
Catania  und  jene  Reihe  von  Passatstauben  und  Blutregen  in 
Betracht  ziehen,  mit  denen  E hrenb er g  sich  seinerzeit  so  ein- 
gehend beschäftigte,  so  scheint  dies  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
thatsächlich  der  Fall  zu  sein. 

Den  Aufzeichnungen  Silvestri's.  welche  durch  Las  au  Ix 
1.  c.  etwas   ergänzt  wurden,   entnehme  ich  nochmals  Folgendes; 


110  Schuster, 

Das  betreffende  Pulver  zeigte  bei  BeliaiuUimg-  mit  Säuren 
lebhaftes  Aufbiausen,  worauf  ein  unlöslicher  gelblichbrauner 
Rückstand  blieb  (wie  in  unserem  Falle).  Im  Staube  A'om  März 
1872  blieben  vier  Fünftel  von  Säure  unangegriffen;  das  letzte 
Fünftel  bestand  zur  Hälfte  aus  Kalkcarbonat,  zur  andern  aus 
durch  Hitze  zerstörbarer,  organischer  Materie. 

(In  unserem  Falle  scheint  wohl  der  Kalkgehalt  grösser,  die 
Menge  der  verbrennlichen  Substanz  eher  etwas  geringer  zu  sein.) 

Im  Staube  von  1880  wurden  257o  lösliche  und  75%  unlösliche 
Substanz  unterschieden.  In  der  Lösung  wurden  Kalk  und  Eisen 
(mit  einer  Spur  von  Nickel)  und  (0 -14570)  Phospliorsäure  nach- 
gewiesen. 

(In  unserem  Falle  auch  noch  reichlich  Magnesia,  aber  kein 
Nickel.) 

Silvestri  erwähnt  auch  glitzernde  Glimmerpartikel,  die 
Lasaulx  nicht  anführt. 

Nach  beiden  bilden  Thonpartikel  (und  Quarz)  sowohl  der 
Zahl  als  Grösse  nach  im  unlöslichen  Theil  den  weitaus  über- 
wiegenden Bestandtheil. 

Von  den  schwarzen  Kügelclien,  welche  von  Silvestri  nach 
den  chemischen  Reactionen  zum  Theile  für  metallisches  Eisen 
gehalten  wurden,  war  bereits  vorhin  die  Rede. 

Lasaulx  gibt  an,  dass  sie  sich  grösstentheils  wie  Magnetit 
verhalten,  bisweilen  nierförmig  sind  und  mit  Thon-  oder  Quarz- 
partikeln zusammenhängen,  und  dass  die  eisenhaltigen  schwarzen 
Partikel  höchstens  2 — 3%  ausmachen. 

Endlich  erkannte  Lasaulx  noch  das  Vorhandensein  von 
Gyps  und  im  Gegensatze  zu  Silvestri  vereinzelte  ätnaische 
Bestandtheile,  wie  Plagioklas  und  Olivin,  während  Mikroklin  auf 
die  Umgegend  von  Messina  bezogen  wurde. 

Was  die  Organismen  und  Organismenreste  aus  dem  März- 
regen von  1872  betrifft,  so  wurden  deren  eine  ziemliche  Mannig- 
faltigkeit aufgeführt  und  zum  Theile  auf  zwei  Tafeln  abgebildet, 
und  zwar  von  verbrennlicher  Substanz:  Epidermisfragmente, 
Gewebefragmente,  Zellmembranen,  Conferventheile,  Haare,  Stern- 
haare, kleine  Fructificationsorgaue,  so  Pilzsporen;  endlich  noch 
Diatomeen  und  Infusorien. 


üutersuehniig-  eines  i[eteorstaul)es.  111 

Infusorien  wurden  in  unserem  Staube  nicht  gefunden  (auch 
der  Versuch  einer  Wassercultur  hatte  keinen  Erfolg);  auch 
fehlten  die  (dort  vorhandenen)  groben  Fragmente  pflanzlichen 
Ursprunges,  wie  grosse  PoUenkörner  und  Sternhaare;  letztere 
waren  jedoch  im  Fiumaner  Staube  vertreten  gewesen. 

Andererseits  enthielt  auch  der  Staub  von  Catania  wieder 
Gallionellen,  Discopleen,  Synedra,  Navicula  etc. 

Kurz,  im  Ganzen  kann  man  sagen,  dass,  bis  auf  locale 
Beimengungen,  wozu  im  Staube  von  Catania  insbesondere  der 
echt  sicilianische  Gyps,  sowie  in  Betreff  der  Organismenreste 
beispielsweise  die  sternförmigen  Schüppchen  von  der  Blatt- 
unterseite des  Ölbaumes  gehören  und  denen  im  Staube  von 
Klagenfurt  etwa  die  grössere  Menge  von  Carbonaten  überhaupt, 
das  Vorhandensein  von  Magnesiacarbon at  insbesondere  und 
namentlich  das  Vorwalten  der  Magnesiaglimmer  gegenüber- 
gestellt werden  könnte,  beiderlei  Vorkommnisse  in  ihrer  Zu- 
sammensetzung nicht  wesentlich  verschieden  seien.  —  Ähnlich 
verhält  es  sich  auch  mit  den  Forschungen  Ehrenbergs. 

Gleich  anfangs  (in  seineml849  erschienenen  Werke,  welches 
mir  zur  Hand  ist)  richtet  er  die  Aufmerksamkeit  auf  die 
auffallende,  allen  Meteorstauben  eigenthümliche,  vom  Eisengehalt 
herrührende  stets  gelbe  und  löthliche  Farbe. 

Seine  Mittheilungen  über  die  Partikel  mineralischer  Natur 
sind,  wie  erwähnt,  weniger  ausführlich  als  die  über  die 
Organismenreste. 

Als  Resultat  der  chemischen  Untersuchung-  gibt  er  an: 

Kieselerde,  kohlensaure  Kalkerde  undKohle  (welche  sich  zum 
Theile  schon  durch  das  Vorhandensein  organischer  Materie 
erklären),  Thonerde,  Eiseuoxyd,  Manganoxyd,  Talkerde,  Kali, 
Xatron,  Kupferoxyd,  Wasser  und  organische  (verbrennbare) 
Materie. 

Als  Resultat  der  mikroskopischen  Analyse:  Quarzsand, 
feinerer,  gelblicher  oder  röthlicher  Mulm,  überaus  feinkörniger 
Staub,  welcher  der  Gallionella  fernigineu  zugeschrieben  wird, 
und  dazwischen  zahlreiche  organische  Formen  und  Fragmente, 
ferner  vereinzelt  fast  immer  Bimsteinfragmente,  grüne  Krystall- 
prismen  und  zwar  durchsichtige,  im  Wasser  nicht,  in  Säuren 
schwer  lösliche,  meist  sehr  kleine,   lauchgrüne,  im  auffallenden 


112  .Schuster, 

Lichte  dunkler  gefärbte  Pyroxen-  und  Hornblendekrystalle  leb- 
haft bräunliche,  rothe  bis  hyacinthrothe  Säiilchen  mit  unausgebil- 
deten  Enden,  welche  alle  auf  die  eingreifende,  die  Mischung- 
etwas  verändernde  Thätigkeit  der  Yulcane  (Beimengung  vul- 
canischer  Aschen  und  Tuffe)  zurückgeführt  wurden,  endlich  fast 
stets  einzelne  weisse,  in  Salzsäure  schnell  auf  lösliche  Kalk- 
krystalle. 

Wenn  man  diese  Angaben  in  Betracht  zieht,  und  damit  die 
Abbildungen  vergleicht,  welche  er  (zum  Theile  in  Totalansichten 
der  Staubproben),  von  den  beobachteten  Mineralpartikeln  auf  seinen 
zahlreichen  Tafeln  gibt,  so  scheint  daraus  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit hervorzugehen,  dass  auch  hier  Quarzpartikel,  Thon- 
partikel,  Glimmer  (nach  den  Abbildungen,  obwohl  nirgends 
erwähnt)  und  Carbonatkryställchen  (wovon  die  grünlichen  ver- 
muthlich  verkannt  wurden)  eine  Hauptrolle  spielen,  dass  Horn- 
blende und  Augit  nur  unterg;eordnet  auftreten,  aber  auch  Zirkon- 
krystalle  und  Turmalinnädelchen  ihm  aufgefallen  sind. 

Die  Orgauismenreste  werden  dort  aufgeführt  als  Polygastern^ 
Phytolitharien,  Polycystineu,  Polythalamien  und  weiche  Pflanzen- 
theile,  zusammen  in  320  Arten. 

Viele  davon,  namentlich  von  den  weichen  (verbrennlichen) 
Pflauzentheilen,  wie  grosse  Sternhaare,  Pinuspollen,  ebenso  wie 
andererseits  Schmetterling-sschuppen,  Spongiennadeln  u.  s.  w. 
fehlen  unserem  Staube  allerdings. 

Schon  oben  wurde  jedoch  darauf  hingewiesen,  dass  zwischen 
den  Diatomeenresten,  welche  Ehrenberg  aus  so  zahlreichen  atlan- 
tischen und  europäischen  Meteorstauben  beschrieben  hat  und  den 
hier-beobachteten  eine  mehr  oder  minder  grosse,  jedenfalls  aber 
eine  generelle  Ähnlichkeit  besteht,  insoferne  zwar  viele  davon 
fehlen,  doch  (wie  die  beigegebenen  Tafeln  zeigen  sollen) 
wenigstens  alle  Hauptgattungen  auch  hier  ihren  Vertreter 
gefunden  haben. 

5.  Indem  ich  schliesslich  die  Möglichkeit  im  Auge  behalte, 
dass  der  Ursprung  des  im  Vorjahre  in  Klagenfurt  niedergegan- 
genen Schlammregens  entweder  ganz  oder  vorzugsweise  in  der 
Ferne  zu  suchen  sei,  will  ich  noch  einen  Augenblick  dabei 
verweilen,  die  Gründe  zu  untersuchen,  welche  für  und  gegen 
die  von  Herrn  F.  Seeland  ausgesprochene  Vermuthung  geltend 


Untersuchung  eines  Meteorstaabes.  113 

gemacht  werden  könnten,  wonach  die  Wüste  Sahara  als  die 
eigentliche  Heimath  des  hier  zur  Untersuchung  gelangten  Staubes 
anzusehen  sei. 

Bei  der  soeben  erörterten  Ähnlichkeit  und  den  mehrfachen 
Beziehungen,  welche  zwischen  der  Zusammensetzung  dieses 
Staubes  und  derjenigen  der  sicilianischen  und  der  Passat-Staube 
überhaupt  bestehen,  wird  es  wichtig  sein,  vor  allem  das  Urtheil 
zu  berücksichtigen,  welches  nebst  anderen  Forschern  Silvestri* 
und  Ehrenberg  über  diesen  Punkt  sich  gebildet  haben. 

Die  Ansicht,  dass  alle  die  rothenSchlammregen^welche  Föhn 
und  Sirocco  gelegentlich  bringen,  in  der  Wüste  Sahara  ihren 
gemeinsamen  Ausgangspunkt  haben,  wurde  bekanntlich  schon 
früher  ausgesprochen  und  namentlich  von  Desor  (inNeuchatel) 
Escher  und  Mas  so  n  (in  Zürich)  und  Wild  (in  Petersburg) 
vertreten,  welche  den  Föhn  der  Alpen  als  dem  Sirocco  Italiens 
correspondirend  ansahen. 

H.  Tarry  hat  in  der  Pariser  Akademie  (9.  März  1870)  eine 
förmliche  Theorie  entwickelt,  welche  die  (in  Europa  besonders 
häufig  zu  gewissen  Zeiten  des  Jahres,  wie  Februar  und  März, 
stattfindende)  Bildung  von  Cyclonen  betriift,  die  einerseits  die 
Äquatorialgegenden  von  Amerika  mit  dem  Norden  Europas  und 
anderseits  die  nördlichen  Gegenden  von  Europa  und  das 
tropische  Afrika  in  Verbindung  setzen  und  von  da,  nachdem  sie 
eine  grosse  Menge  des  in  den  höhereu  Luftschichten  über  der 
Sahara  enthaltenen,  fein  vertheilten  Staubes  mit  sich  fort- 
geuommen,  als  Südwinde  über  Italien  nach  Europa  zurück- 
kehren. 

Im  Gegensätze  dazu  befindet  sich  Dove  (Berlin),  welcher  in 
seinen  Untersuchungen  über  den  Föhn  der  Schweiz  zu  beweisen 
suchte,  dass  derselbe  dem  Sirocco  Italiens  nicht  entspricht  und 
welcher  überdies  der  Meinung  entgegentrat,  dass  der  Sirocco 
selbst  immer  afrikanischen  Ursprunges  sei;  er  ist  geneigt,  die 
Provenienz  der  im  Europa  fallenden   Staube  in   noch  weiterer 


1  Silvestri  hat  pag.  146 — 151  in  seinem  oben  erwähnten  Aufsatze 
Ricerche  chimico-micrografiche  sopra  le  Piogge  rosse  e  le  Polveri  meteo- 
riche  dalla  Sicilia  in  occasione  di  grandi  burrasche  atmosferiche.  Atti  Acc. 
Gioen.  Catania  vol.  XII,  mit  der  Discussion  dieser  Frage  sich  eingehender 
beschäftigt. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Gl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  8 


114  Schuster, 

Ferne,  etwa  in  Amerika  zu  suchen,  wodurch  er  sich  einer  Ansicht 
anschliesst,  die  Ehrenberg  l.c.bezüglich  der  Passatstaube  gleich- 
falls ausspricht. 

Auch  Silvestri  hob  hervor,  dass  aus  der  Zusammensetzung 
der  von  ihm  untersuchten  und  analoger  Staube  für  die  Herkunft 
des  Materiales  aus  der  Sahara  nicht  nur  kein  directer  Anhalts- 
punkt sich  ergab,  sondern  dass  bei  früherer  Gelegenheit  einer 
direct  aus  der  Sahara  stammenden  Düne  Egyptens  entnommene 
Sandproben  sich  von  ersteren  sogar  wesentlich  verschieden 
erwiesen. 

Die  1.  c.  von  ihm  aufgeführte  Analyse  eines  Saharastaubes, 
welcher  OT^^,  kieselige  Partikel,  87o  Kalkpartikel,  etwas  Chlor- 
natrium, organische  Materie  hingegen  in  so  geringer  Menge 
enthielt,  dass  diese  nur  unter  dem  Mikroskope  sichtbar  wurde 
(O'SYo);  'Stellt  weder  mit  den  von  ihm  untersuchten  noch  mit  dem 
in  vorliegender  Arbeit  besprochenen  Staube  im  Einklänge. 

Bemerkens werth  ist  die  Angabe,  dass  dieser  Saharastaub 
eine  röthlieh  gelbe  Farbe  besitzt,  was  nach  Ehrenberg  als  durch- 
aus locale  Erscheinung  aufgefasst  werden  müsste, 

Ehrenberg  stellt  vielmehr  bei  seinen  gegen  die  Herleitung 
der  Passatstaube  aus  der  afrikanischen  Wüste  gerichteten  Ein- 
würfen die  Thatsache  obenan,  dass  er  in  der  Sahara  des  östlichen 
Nordafrika  selbst  Jahre  lang  nur  blendend  weisse  Sand- 
oberflächen von  Kreidekalk  und  Dünensand  zu  beobachten 
Gelegenheit  fand,  den  feinen  Staub  des  Chamsin  stets  grau,  nie 
orangefarben  sah,  was  auch  andere  Reisende  berichteten. 

Er  schreibt  1847:  Es  gibt  im  Innern  Afrikas  keinen  Passat- 
wind und  rothstaubige  Oberflächen,  welche  den  Passatstaub 
liefern  könnten.  Der  Sand  der  Sahara  ist  weiss  und  grau,  der 
Nebelstaub  des  Passates  zimmtfarben. 

Er  betont  ferner  den  Umstand,  dass  bekannte  afrikanische 
Charakterformen  unter  den  Diatomeen  und  sonstigen  Organismen- 
resten nicht  vorkommen  und  dass  die  grosse  Mehrzahl  der 
Formen  in  mehreren  Weltthcilen ,  auch  in  Europa  gefunden 
werden,  wogegen  er  1.  c.  pag.  166  echt  amerikanische  Formen 
aufzuzählen  vermag. 

Es  führt  aus,  dass  Sirocco  und  Föhn  dieselben  Formen  und 
Mischungen  des  atlantischen  Passatstaubes  tragen,  dessen  Zusam- 


üntersucliimg'  eiues  Meteorstaubes.  llö 

mensetzung  vom  atlantischen  Meere  bis  Tirol  und  Salzburg-  sich 
in  Farbe  und  den  grössten  Einzelnheiten  der  Mischung  gleichen. 
So  gelangt  er  schliesslich  zur  Ansicht,  dass  ein  Staubnebel- 
strom existire,  der  durch  tausendjährige  fortwährende  Mischung 
gleichartig  geworden  sei  und  seinen  Hauptsitz  in  der  Gegend 
der  Westküste  Afrikas  über  dem  atlantischen  Meere  habe. 

Die  Resultate  dieser  allgemeinen,  später  fortgesetzten 
Forschungen  Ehrenbergs  haben  in  den  Specialuntersuchungen 
Cramers  (Zürich)  über,  bei  verschiedener  Gelegenheit  in  der 
Schweiz  aufgesammelte  Meteorstaube  und  deren  Vergleich  mit 
Saharasand  eine  weitere  Stütze  erhalten  und  die  Ansicht  bestärkt, 
dass  die  erwähnten  Staube  weder  von  der  Wüste  Sahara  noch 
von  irgend  einem  bestimmten  Punkte  der  Erde  ihre  Provenienz 
herleiten. 

6.  Was  gegen  die  afrikanische  Abkunft  der  Passatstaube, 
mit  denen  der  Klagenfurter  Staub  so  viele  Ähnlichkeit  besitzt, 
vorgebracht  wurde,  Hesse  sich  auch  bei  letzterem  mit  gleichem 
Rechte  geltend  machen,  dergestalt,  dass  beide  vielleicht  dies- 
bezüglich in  Zusammenhang  stehen. 

Ein  directer  Anhaltspunkt  für  die  Herleituug  aus  der  Sahara 
fehlt  auch  hier. 

Färbung  sowie  Mischungsverhältnisse  (Vorwalten  des  Glim- 
mers und  des  Dolomites)  hingegen  müssten  jedenfalls  erst  auf 
eine  starke  Beimengung  fremder  Elemente  zurückgeflihrt  werden. 
Die  Grenze  zwischen  jenen  Bestandtheilen,  welche  als 
normale  aufzufassen  und  jene,  welche  als  zufällige  (locale) 
zu  bezeichnen  wären,  würde  dann  sehr  schwer  anzugeben 
sein,  und  ebenso  schwer,  woher  die  letzteren  stammen. 

Erst  von  einer  fortgesetzten,  möglichst  genauen  Prüfung  der 
zu  verschiedenen  Zeiten  und  unter  verschiedenen  Umständen  in 
einer  und  derselben  Gegend  gefallenen  Staubregen  und  dem 
Vergleiche  verschiedener  untereinander  wird  über  jene  Punkte 
völlige  Gewissheit  zu  erlangen  sein. 

Zum  Schlüsse  sei  hier  nur  noch  hervorgehoben,  dass,  falls 
es  in  unserer  Atmosphäre  ein  allgemeines  Staubdepot  in  dem  von 
Ehrenberg  verstandenen  Sinne  wirklich  gibt,  dasselbe  voraus- 
sichtlich die  Durchschnittsmischung  der  am  häufigsten  und  in 
grösster  Masse  an  die  Erdoberfläche  tretenden  Gesteine  wieder- 


116  Schuster,  Untersiichmig  eines  Meteorstaubes. 

spiegeln  würde  und  dann  alle  jene  Bestaudtheile  als  normale  za 
bezeichnen  und  am  häufigsten  zu  erwarten  wären,  die  sich  gerade 
im  vorliegenden  Staube  als  Hauptbestandtheiie  wiederfanden. 
Wien,  Mineral,  petrograph.  Universitäts-Institut.  Jänner  1886. 


Tafel  erklärung. 

VergTösseruug'  300 — 40<  •  fach. 


1.  Carbonate,  Calcit,  Dolomit,  Magnesit. 

2.  Apatit. 

3.  Quarz,  Opal. 

4.  Orthoklas. 

5.  Biotit  und  Phlogopit. 

5.  n.  Behandlung  mit  Säure. 

6.  weisser  Glimmer,  Talk  und  Kaolin. 

7.  Chlorit. 

8.  Augit. 

9.  Hornblende. 

10.  Thonpurtikel. 

11.  a  Rutil,  b  Anatas,  c  Zirkon,  d  Turmalin. 

12.  Titanit,  Epidot,  Spinell,  Granat. 

13.  Magnetit,  a  Pyrit,  b  Magnetkies. 

14 — 23.  Partikel  organischen  Ursprunges. 

14.  Sporen  (vermuthlich  Pilzsporen)  im  Wasser  zur  Keimung  gebracht. 

15.  Verschiedene  Fruetifications  -  Zustände,  pflanzlichen,  vielleicht  auch; 
thierischen  Ursprunges  zum  Theile  vererzt. 

16 — 23.  Diatomeen-Kieselpanzer  zum  Theile  in  Fragmenten. 

16.  GaUinndla  Ehr. 

17.  Discoplea  Ehr. 

18.  Naricida  Ehr. 

19.  Enttofia  Ehr. 

20.  Si/nc'dra  Ehr. 

21.  Coscinodiscus  Ehr. 

22.  SurireUa  Ehr. 

23.  Pflanzenhaare,  Algeniaden,  Pflanzenfasern,  Gewebefragmente,  Innen- 
häute und  zweifelhafte,  von  Ehrenberg  1.  c.  unter  den  Namen: 
Tcxtilaria,  Globidaria,  Poli/t/mlainia,  Lithosti/lidiian,  Lithostomatinm, 
Amphidiscus,  LUliastcriscus,  Lithodontiunt,  Spongulithis  mit  aufgezählte 
Gebilde.  Thierische  Reste. 


Schuster:  Motcorstaul)  vonKIasenfiirt . 


iaf.I. 


%>%0  <§; 


iß' ' 


#    €^/ 


Aotor  del . .  KJcüofi:  Staatsäriiclcergi . 

Sitzimösb.d.k  Akad.dW.math  natui'w  ClasscXCnrBd  T  v\bUi  I88fi. 


Schuster:  Meteorstaul)  von  lüasenfiiH 


TafU. 


Ämc-r  dsl  KkHofu  Staats  ärm'keT'e: 

Sitzimösb.d.k  .\kad  dWmath.RatuTir  Classe XCIirBd  1  AhÜi .  1886. 


117 


III.  SITZUNG  VOM  21.  JÄNNER  1886. 


Der  Vorsitzende  gibt  Nachrieht  von  dem  am  17.  Jänner  d.  J. 
erfolgten  Ableben  des  ausländischen  correspondirenden  Mitgliedes 
dieser  Classe  Herrn  Prof.  Dr.  Oskar  Schmidt  in  Strassburg. 

Die  anwesenden  Mitglieder  erheben  sich  zum  Zeichen  des 
Beileides  von  ihren  Sitzen. 

Herr  Prof.  Dr.  F.  J.  Studnicka  in  Prag  übersendet  ein 
Exemplar  des  von  ihm  herausgegebenen  Werkes:  ..Tychonis 
Brahe  triangulorum  planorum  et  sphaericorum  praxis 
arithmetica". 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  L.  Gegen bauer  in  Innsbruck  über- 
sendet eine  Abhandlung,  betitelt:  „Die  mittlere  Anzahl  der 
Zerlegung  einer  ganzen  Zahl  in  zwei  Factoren  vor- 
geschriebener Form." 

Der  Secretär  legt  eine  Abhandlung  des  Herrn  Adolf 
Ameseder,  d.  Z.  in  Erlangen:  „Über  Configurationen  und 
Polygone  auf  biquadratischen  Curven"  vor. 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  v.  Barth  überreicht  eine  in  seinem 
Laboratorium  ausgeführte  Arbeit  des  Herrn  Dr.  Wilhelm  Fossek: 
„Über  Oxyphosp hin  säuren"  (IL  Abhandlung). 

Herr  Prof.  Dr.  Joh.  N.  Woldfich  in  Wien  überreicht 
eine  vorläufige  Mittheilung:  „Zur  Frage  über  die  Abstam- 
mung der  europäischen  Hunderacen." 

Dr.  Franz  Kühnert,  Observator  der  k.  k.  Gradmessung  in 
Wien,  überreicht  eine  Abhandlung:  „Über  die  definitiven 
Elemente  des  Planeten  (^  Hilda". 

Herr  J.  Liznar,  Adjuuct  an  der  k.  k.  Centralanstalt  für 
Meteorologie  und  Erdmagnetismus,  überreicht  eine  Abhandlung, 
betitelt:  „Über  den  Stand  des  Normalbarometers  des 
meteorologischen  Institutes  in  Wien  gegenüber  den 
Normalbarometern  deranderen  meteorologischen  Cen- 
tralstellen  Europas." 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


immmi  kimm  öek  wissEisciAFiFj. 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE   CLASSE. 


XCIII.  Band.    II.  Heft. 


ERSTE  ABTHEILUNG. 


Enthält  die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Mineralogie,  Botanik, 
Zoologie,  Geologie  und  Paläontologie. 


121 
IV.  SITZUNG  VOM  4.  FEBRUAR   1886. 

Die  könig'l.  -  iiugar.  Franz  Josef -Universität  in 
Klausenburg  dankt  für  die  Betheilung  ihrer  Bibliothek  mit  aka- 
demischen Schriften. 

Herr  Prof  Dr.  G.  Haberlandt  in  Graz  übersendet  eine 
Arbeit:  „Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  pflanzlichen 
Brenn  haare." 

Herr  Franz  Zehden,  Donaudampfschiffs-Capitän  in  Galaz, 
übersendet  eine  Abhandlung  unter  dem  Titel:  ..Zur  Theorie 
der  Schifffahrt    mit    verbesserten   Abfahrtspuukten.'' 

Der  Secretär  legt  folgende  eingesendete  Abhandlungen  vor: 

1.  „Über  die  Einwirkung  von  Kaliumpermanganat 
auf  untersciiwefligsaures  Natron",  Arbeit  aus  dem 
chemischen  Laboratorium  der  technischen  Hochschule  in 
Brunn,  von  den  Herren  M.  Honig  und  E.  Zatzek. 

2.  „Über  die  Auflösungen  von  Gleichungen  vierten 
und  fünften  Grades  durch  Mechanismus",  von  Herrn 
Docenten  Adolf  Arnes ed er,  derzeit  in  Erlangen. 

Ferner  legt  der  Secretär  ein  versiegeltes  Schreiben  behufs 
Wahrung  der  Priorität  von  Herrn  Dr.  Theodor  Gross  in  Berlin 
vor,  welches  die  Aufschrift  führt:  ..Anzeige  eines  neuen 
Körpers." 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  v.  Barth  überreicht  eine  in  seinem 
Laboratorium  von  Herrn  Dr.  Guido  Goldschmiedt  ausgeführte 
Arbeit:  „Über  die  Einwirkung  von  Natrium  auf  einige 
Bromsubstitutiousproducte  des  Benzols." 

Das  w.  M.  Herr  Director  E.  Weiss  überreicht  eine  Abhand- 
lung von  Herrn  Regierungsrath  Prof.  G.  v.  Niessl  in  Brunn, 
betitelt:  „Bahnbestimmung  des  Meteores  vom  17.  Juni 
1885,  9^52°^,  Wiener  Zeit." 

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nioM 
zugekommene.  Periodica  sind  eingelangt: 

Loomis,  Elias:  Contributions  to  Meteorologie.  (^Revised  Edition) 
Nev  Haven,  Coon.  1885;  4«. 


122 


V.  SITZUNG  VOM  11.    FEBRUAR  1886. 


Herr  Prof.  Dr.  Gustav  A.  V,  Peschka  in  Brüun  übermittelt 
den  vierten  Band  des  von  ihm  lierausgegebenen  Werkes:  „Dar- 
stellende und  projective  Geometrie  nach  dem  gegen- 
wärtigen Stande  dieser  Wissenschaft  mit  besonderer 
Rücksicht  auf  die  Bedürfnisse  höherer  Lehranstalten 
und  das  Selbststudium."    (Mit  einem  Atlas  von  30  Tafeln). 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  L,  Gegenbauer  in  Innsbruck  über- 
sendet eine  Abhandlung  unter  dem  Titel:  „Die  mittlere  An- 
zahl der  Darstellungen  einer  ganzen  Zahl  durch  eine 
Summe  von  bestimmten  Vielfachen  von  Quadraten." 

Der  Secretär  legt  eine  Abhandlung  des  Herrn  Florian 
Koudelka,  Stadtthierarzt  und  Lehrer  an  der  landwirthschaft- 
lichen  Schule  in  EibenschitZj  betitelt:  „Das  Verhältniss  der 
ossa  louf/a  zur  Skelethöh  e  bei  den  Säugethieren"  vor. 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  V.  v.  Lang  überreicht  eine  Abhand- 
lung des  c.  M.  Herrn  Prof.  Franz  Exner,  betitelt:  „Über  die 
Ursache  und  die  Gesetze  der  atmosphärischen  Elek- 
tricität." 

Herr  Dr.  Hans  Mo  lisch,  Privatdocent  an  der  Wiener 
Universität,  überreicht  eine  im  pflauzenphysiologischen  Institute 
ausgeführte  Arbeit:  „LTntersuchuugen  über  Laubfall". 


123 


Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  pflanzlichen 
Brennhaare. 

Von  Prof.  Dr.  G.  Hatoerlandt  in  Crraz. 

;,Mit  2  Tafeln.) 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  4.  Februar  1886.) 

Obgleich  die  pflanzlichen  Brennhaare  bekanntlich  zu  den  am 
häufigsten  untersuchten  Organen  gehören,  so  sind  doch  sowohl  in 
anatomischer  wie  in  physiologischer  Hinsicht  mehrere  Punkte 
unerörtert  oder  doch  unerledigt  geblieben,  auf  welche  nun  in  der 
vorliegenden  Arbeit  näher  eingegangen  werden  soll.  Für  die 
freundliche  Unterstützung  mit  Untersuchungsmaterial  bin  ich  den 
Herren  Prof.  Dr.  Eicbler  in  Berlin  und  Prof.  Dr.  Leitgeb  zu 
bestem  Danke  verpflichtet.  Abgesehen  von  den  beiden  Jdtrophd- 
Arten,  sowie  von  Urtica  pilulif'era  und  membranuceu,  von  welchen 
mir  blos  Herbar-Exemplare  zu  Gebote  standen,  konnten  alle  Ob- 
jecte  theils  frisch,  theils  in  Alkohol  conservirt  untersucht  werden. 

I.  Die  zweckmässigen  mechanischen  Einrichtungen  im  Bau  der 
Brennhaarspitzen. 
Es  ist  eine  schon  längst  bekannte  Eigenthümlichkeit  fast 
aller  echten  Brennhaare,  dass  ihre  Spitze  mit  einer  kleinen, 
köpfchenförmigen  Anschwellung  endigt,  welche  in  den  meisten 
Fällen  schief  aufsitzt  und  die  schon  von  älteren  Forschern  mit  der 
Function  des  Brenuhaares,  beziehungsweise  mit  dem  Abbrechen 
seiner  .Spitze,  in  Beziehung  gebracht  wurde.  So  spricht  schon 
Schieiden ^  von  dem  „höchst  interessanten  Mechanismus"  der 
Brennhaare  und  hebt  hervor,  dass  das  in  Rede  stehende 
Köpfchen  bei  der  Berührung  sehr  leicht  abbricht,  worauf  die 
geeöffnete  Spitze  in  den  berührenden  Körper  eindringen  kann. 
In  gleicher  Weise  äussert  sich  H.  v.  Mohl,^  welcher  bekanntlieh 


1  Grundzüge  der  wisseusch.  Botanik,  2.  Auflage,  I.  Theil,  pag.  269. 
-'  Bot.  Zeitung  1861,  pag.  219. 


124  Haberlandt, 

nachwies,  dass  der  obere  Theil  der  Brenubaare  von  Urtica  dioica 
sehr  stark  verkieselte  Wände  besitzt,  woraus  sich  erklärt,  dass 
derselbe  so  spröde  ist  und  das  Köpfchen  leicht  abbrechen  kann.^ 

Ich  stellte  mir  nun  die  Frage,  ob  nicht  das  Abbrechen  des 
Köpfchens,  abgesehen  von  der  Sprödigkeit  der  Wände,  auch  noch 
durch  besondere  anatomi  s  che  Eigenthümlichkeiten  unter- 
stützt und  erleichtert  wird  und  in  wie  weit  überhaupt  im  Bau 
der  Brennhaarspitze  das  Zweckmässigkeits-Princip  zur  Geltung 
gelangt.  In  der  Literatur  ist  hierüber,  wenn  man  von  den  oben 
citirten,  ganz  allgemein  gehaltenen  Angaben  absieht,  nichts  weiter 
zu  finden.  Die  zahlreichen  Abbildungen  ganzer  Brennhaare  von 
LVtlca,  Loasa  etc.  können  in  dieser  Hinsicht  keine  Andeutungen 
geben,  da  dieselben  natürlich  bei  zu  schwachen  Vergrösserungen 
gezeichnet  wurden.  Allein  auch  die  Abbildungen  stark  ver- 
grösserter  Brennhaarspitzen  mit  ihren  Köpfchen,  wie  sie  z.  B. 
Duval-Jouve^  und  Martinet'^  gezeichnet  haben,  liefern  uns 
für  die  Beantwortung  der  obigen  Frage  keine  Anhaltspunkte;  sie 
stellen  nämlich  die  Brennhaarspitze  sammt  dem  Köpfchen  mit 
ganz  gleichmässig  verdickten  Wänden  dar.  Dass  dies  nicht 
richtig  ist,  wird  sich  aus  dem  Nachfolgenden  ergeben. 

Die  von  mir  angestellten  Beobachtungen  erstreckten  sich 
auf  Vertreter  der  Gattungen  Urtica,  Laportra  (Urticaceen),  Loasa, 


1  Bei  den  Bi-eiiiihaaren  von  Urtica  dioica  und  U.  //rem  sind,  wie  man 
sich  durch  Anwendung  von  concentrirter  Schwefelsäure  und  uachherigeni 
Zusatz  von  20percentigcr  Chronisäure  (Verfahren  von  C  r  ü  g  e  r  und 
Miliarakis)  überzeugen  kann,  die  Wandungen  des  Köpfchens  und  des 
daran  grenzenden  Haartheiles  in  ihrer  ganzen  Dicke  verkieselt.  Weiter  nach 
abwärts  zu  nimmt  die  Dicke  der  verkieselten  Partie  der  Wand  rasch  ab; 
das  Kieselskelet  besteht  schliesslich  nur  mehr  aus  einem  dünnen  Häutchen, 
der  äussersteu  Cuticnlarschicht.  Die  Grenze  zwischen  den  verkieselten  und 
nicht  verkieselten  Wandpartien  ist  eine  sehr  scharfe  und  tritt  nach  Schwefel- 
siiurezusatz  sehr  deutlich  hervor.  (Taf.  I  Fig.  5.)  Die  nicht  verkieselten 
Wandungstheile  sind  bis  zum  Bulbus  des  Breunhaares  hinab  mit  kohlen- 
saurem Kalk  imjjrägnirt,  wodurch  die  Steiflieit  des  Haares  natürlich 
erhöht  wird. 

-  Etüde  sur  les  Stimulus  d'ortie,  Bulletin  de  la  soc.  bot.  de  France, 
T.  XIV,  1867,  PI.  I,  Fig.  11. 

3  Organes  de  secretiou  des  vegetaux,  Aunales  d.  scieuces  nat.,  Bot. 
V.  S,  T.  XIV,  1872,  Fig.  204,  215. 


Zur  Auatomie  und  Physiologie  der  pflanzlichen  Breuuhaare.       125 

Bhimeiibachia,   Cajophora  (Loasaceen),  Jatropha  (Eupborbiacee) 
1111(1  Wifjmidia  (Hydroleacee"). 

Bei  Urtica  dioica  ist  das  schief  aufsitzende  Köpfchen  der 
Brennhaare  von  mehr  oder  minder  kugelförmig'er  Gestalt.  ( Taf.  I, 
Fig-.  1,  2,  3.)  Knapp  unter  demselben  erseheint  das  Haar  gegen 
das  Köpfchen  zu  gekrümmt,  was  namentlich  an  der  convexen 
Seite  deutlich  ausgeprägt  ist.  Betrachtet  man  das  Köpfchen  in 
der  Seitenansicht,  so  fällt  bei  hinreichender  Vergrösserung  sofort 
die  uugleiehmässige  Verdickung  seiner  Wände  auf:  an  der 
convexen  Seite  bemerkt  man  knapp  über  der  schwachen,  hals- 
artigen Einschnürung  des  Haarendes  eine  mehr  oder  minder  stark 
verdünnte  Stelle,  welche  ziemlich  schmal  ist  und  die  sich  von 
den  verdickten  Wandungstheileu  häufig  sehr  scharf  abhebt.  Die 
Ausbildung  derselben  zeigt  gewisse  Verschiedenheiten,  welche 
am  besten  durch  die  Abbildungen  verdeutlicht  werden.  An  dieser 
dünnen  Stelle  erreicht  die  Wandung  höchstens  eine  Dicke  von 
1  —  2  Mikromm.,  während  die  angrenzenden  Wandpartien  3 — 5Mi- 
kromm.  dick  sind.  Auf  der  concaven  Seite  bleibt  die  Wandung 
gleichfalls  dünner,  doch  ist  der  Dickenunterschied  hier  nicht  so 
gross,  die  dünne  Stelle  ist  bedeutend  breiter  und  geht  zudem 
allmälig  in  die  stärker  verdickten  Wandpartien  über. 

Man  kann  sich  nun  sehr  leicht  die  Gewissheit  veischaffen, 
da  SS  das  normale  Abbrechen  des  Köpfchens*  stets  in  einer 
Verbindungslinie  dieser  dünnwandigen  Stellen  von  statten  geht; 
diese  Linie  verläuft  vom  oberen  Rande  der  verdünnten  Stelle 
auf  der  convexen  Seite  schief  nach  abwärts,  wie  aus  Fig.  1 
ersichtlich  ist.  Die  Abbruchsteile  ist  demnach  nicht  blos 
durch  die  Umrissliuien  des  Haarendes,  sondern  vor 
Allem  durch  den  Bau  der  Wand  vorgezeichnet.  Die  in 
Rede  stehende  Einrichtung  hat  aber  nicht  blos  die 
Aufgabe,  das  Abbrechen  zu  erleichtern,  sie  bezweckt 
überdies,  der  in  den  berührenden  Körper  eindringenden 
Haarspitze  eine  für  diesen  Zweck  möglichst  günstige 


1  An  Herbarexemplaren  von  Pflanzen,  welche  mit  Brennhaaren  ver- 
sehen sind,  findet  man  die  Spitzen  der  letzteren  oft  in  ganz  unregelmässiger 
Weise  abgebrochen,  da  durch  das  Austrocknen  die  Sprödigkeit  der  Wände 
sehr  erhöht  wird. 


126  Haberlaiidt, 

Gestalt  zu  geben.  Dadurch,  dass  das  Abbrechen  nicht 
querüber,  sondern  stets  schief  abwärts  zu  erfolgt, 
wird  zunächst  eine  überaus  scharfe  Spitze  geschaffen, 
unterhalb  welcher  erst  in  seitlicher  Lage  die  Öffnung 
auftritt,  aus  welcher  die  brennende  Substanz  entleert 
wird.  (^Taf  I,  Fig.  4.)  So  erscheint  die  geöffnete  Brennhaarspitze 
nach  demselben  Modelle  construirt,  wie  die  sogenannten  Einstich- 
canülen,  mit  welchen  der  Mediziner  subcutane  Injectionen  vor- 
nimmt, oder  wie  die  Giftzähne  der  Schlangen. 

Ganz  ähnlich  ist  die  Brennhaarspitze  von  Urtica  ureiifi 
(Fig.  9—11)  und  Urtica  membranacea  (Fig.  13)  gebaut.  Dasselbe 
gilt  für  die  grossen,  starken  Brennhaare  von  Urtica  pihdif'era 
(Fig.  12),  deren  Köpfchen  jedoch  nicht  von  kugeliger,  sondern 
von  birnförmiger  Gestalt  sind.  Bei  Laportea  f/igas  (Fig.  17) 
sind  die  Köpfchen  eiförmig  und  nicht  so  schief  gestellt  wie  bei 
den  Urtica -Ai-tGü.  Die  Abbruchstelle  zeigt  jedoch  denselben 
Bau. 

Bei  Loasa  papaverifoUa  ist  das  Köpfchen  der  Brennhaare  so 
klein,  dass  es  sich  von  dem  übrigen  Theile  des  Haarendes  gar  nicht 
abgliedert:  der  Endtheil  des  Haares  erscheint  gekrümmt  und  an 
der  Spitze  abgerundet.  (Taf.  II,  Fig.  5  und  6.)  Die  für  die  Nessel- 
Brennhaare  charakteristischen  Eigenthümlichkeiten  treten  aber 
auch  hier  in  deutlichster  Ausbildung  auf.  Die  Wand  der  abge- 
rundeten Spitze  ist  relativ  sehr  stark  verdickt  (4 — 5  Mikromm.); 
dann  folgt  auf  der  convexen  Seite  die  verdünnte  Stelle,  welche 
meistens  schmal  und  1*5^2  Mikromm.  dick  ist.  Die  angrenzende 
Partie  der  Zellwand,  welche  nach  dem  Abbrechen  des  Köpfchens 
die  in  den  berührenden  Körper  eindringende  scharfe  Spitze  bildet, 
ist  stärker  verdickt,  als  die  noch  weiter  rückwärts  gelegenen 
Zellwandpartien,  was  zweifelsohne  als  eine  vorth  eil  hafte,  das 
Eindringen  in  den  fremden  Körper  noch  mehr  sichernde 
Einrichtung  aufzufassen  ist.  Auf  der  concaven  Seite  zeichnet  sich 
die  verdünnte  Zellwandpartie,  welche  mehr  oder  minder  weit 
hinabreicht,  durch  besondere  Zartheit  aus ;  ihre  Dicke  beträgt 
nicht  einmal  1  Mikromm. 

Die  zum  Abbrechen  des  Köpfchens  erforderliche  Sprödigkeit 
der  Membran  wird  bei  Loasa  papaverifoUa  sowie  bei  den  übrigen 
Loasaceen  nicht  durch  Verkieseluni;-,  sondern   durch  reichliche 


Zur  Anatomie  imd  Physiologie  der  pflanzlichen  Biennhaare.       127 

Einlage rung  von  kohlensaurem  Kalk  hervorgerufen.  Kaeli  Zusatz 
von  Schwefelsäure  tritt  starke  Kohlensäureeutwickelung  ein  und 
im  Lumen  des  Haares  bilden  sich  zahlreiche  Gypsnadelu.  Die 
aufquellende  Membran  ist  sehr  schön  geschichtet  und  wird  nach 
Zusatz  von  20"/oige''  Cbromsäure-Lösung  bis  auf  die  äussersten 
Cuticularlamelleu,  welche  ein  dünnes  verkieseltes  Häutcheu 
bilden,  gelöst.  Dieses  Kieselhäutchen  zeichnet  sich  auf  dem 
Köpfchen,  sowie  auf  dem  in  den  berührenden  Körper  eindringenden, 
stärker  verdickten  Wandungstheile  durch  grössere  Dicke  aus. 

Bei  Jafropha  stimuhtta  (Taf.  II,  Fig.  14—17)  begegnen  wir 
wieder  beinahe  genau  denselben  Einrichtungen  wie  bei  Urtica 
und  der  besprochenen  Loasacee.  Die  Brennhaare,  von  welchen 
namentlich  der  Blattstiel  dicht  besetzt  ist,  sind  sehr  kräftig  und 
circa  4  Mm.  lang.  Der  Durchmesser  des  der  gekrümmten  Spitze 
schief  aufsitzenden  Köpfchens  beträgt  circa  34Mikromm.,  während 
er  bei  Urtica  dioica  blos  circa  18  Mikromm.  erreicht.  Auf  der 
concaven  Seite  ist  die  Wandung  unter  dem  Köpfchen  wieder  sehr 
dünn  (1-5 — 2  Mikromm.).  was  gegenüber  der  Dicke  der  Köpfchen- 
wand (5—6  Mikromm.)  und  der  nach  unten  zu  angrenzenden  Zell- 
wandpartie (10 — 12  Mikromm.)  besonders  auffällt.  Auf  der  con- 
vexen  Seite  beobachtet  man  wieder  die  schon  bei  Loasa  papaveri- 
f'olia  aufgefundene  starke  Verdickung  des  die  Verletzung  bedin- 
genden Wandungstheiles.  Dagegen  fehlt  bei  den  Jatropha-Brenn- 
haaren  die  verdünnte  Stelle  auf  der  convexen  Seite;  dieselbe  ist 
nicht  einmal  andeutungsweise  vorhanden.  Wenn  man  nun  Haare 
mit  abgebrochener  Spitze  untersucht,  so  findet  man,  dass  auf  der 
convexen  Seite  das  Abbrechen  stets  an  der  Einschnürungsstelle 
unter  dem  Köpfchen  erfolgte,  d.  i.  an  jener  Stelle,  wo  die  Ver- 
dickungsschiehten  der  Wandung  eine  scharfe  Knickung  erfahren 
haben.  Wenn  man  auf  das  iutacte  Brennhaar  ein  Quellungsmittel 
einwirken  lässt,  so  tritt  diese  Knickung  der  Zellwandschichten 
sehr  deutlich  hervor.  (Taf.  II,  Fig.  18.) 

Im  Bau  der  Brennhaarspitzen  von  Jatropha  stimnlata  macht 
sich,  unbeschadet  der  besprochenen  Einrichtungen,  ein  gewisser 
Polymorphismus  geltend,  wie  aus  den  Abbildungen  14,  15,  16 
ersichtlich  ist.  Fig.  14  repräsentirt  den  typischen  Fall. 

Die  Sprödigkeit  und  Steifheit  der  Membran  wird  bei  den 
J/^/f/'o/7Ärt-Brennhaaren  nicht  durch  Verkieselung  oder  Verkalkung, 


128  Haberlandt. 

sondern  durch  sehr  starke  Verholzung  hervorgerufen.  Schwefel- 
saures Anilin  bewirkt  intensive  Gelhfärhung^  deren  Eintritt  man 
durch  Zerstückelung  des  Haares  beschleunigt. 

Die  Brennhaare  von  Jafroplia  urens  schliessen  sich  denen 
von  Jatropha  stimulata  in  jeder  Hinsieht  an. 


Es  ist  gewiss  überraschend,  dass  bei  Pflanzen,  welche  so 
verschiedenen  Familien  angehören,  die  Spitzen  der  Brennhaare 
so  gleichartig  und,  man  darf  hinzufügen,  so  zweckentsprechend 
gebaut  sind.  Noch  auffallender  w^äre  es  aber,  wenn  alle  pflanz- 
lichen Brennhaare  die  geschilderten  mechanischen  Einrichtungen 
in  gleicher  Vollkommenheit  aufweisen  würden.  Dies  ist  nun,  den 
Forderungen  der  Entwicklungslehre  entsprechend,  nicht  der  Fall; 
es  lassen  sich  vielmehr,  wenn  man  eine  grössere  Anzahl  von 
Arten  und  Gattungen  überblickt,  alle  Übergänge  von  ein- 
fachen, köpfchenlosen  Brennhaarspitzen  bis  zu  den 
oben  besprochenen  Formen  nachweisen. 

Interessant  sind  in  dieser  Hinsicht  zunächst  die  Brennhaare 
von  Wigandia  urens.  (Taf.  I,  Fig.  15  (i — d.)  Die  Mehrzahl  der- 
selben ist  fein  zugespitzt,  die  Spitze  gerade  oder  etwas  gekrümmt. 
Das  sich  gleichfalls  zuspitzende  Lumen  endet  häufig  schon 
20  Mikromm.  unter  der  Haarspitze.  (Fig.  I5a.)  Daneben  treten  nun 
ziemlich  häufig  Haare  auf,  deren  Spitze  sich  rascher  verjüngt  und 
deren  Lumen  mit  einer  Abrundung  endet.  (Fig.  156.)  Diese 
Haare  bilden  den  Übergang  zu  jenen  Formen,  bei  welchen  mit 
der  Abrundung  des  Lumens  zugleich  eine  schwache  Anschwellung 
desselben  verljunden  ist.  (Fig.  15  c.)  Damit  ist  der  Beginn  der 
Köpfchenbildung  gegeben.  Einzelne  Haare  besitzen  nun  in  der 
That  gerade  aufsitzende  Köpfchen,  welche  mit  einem  kurzen 
Stachel  versehen  sind.'  (Fig.  Ibd.)  Ungleichheiten  in  der  Ver- 
dickung der  Köpfchenwand  treten  nicht  auf. 

Verschiedene  Übergangsformen  finden  wir  auch  bei  den 
Loasaceen.  Die  Köpfchen  der  Brennhaare  von  Cajophora  lateritia 
(Taf.  II,  Fig.  10  und  11)  sitzen  wie  bei    Wifjandin  urens  gerade 


Vg-1.  die  Abbildung' in  Schi  ei  dcn's  Gruudzügeii,  2.  Aufl.,  I.  Th., 
pag.  260;  ferner  Groenland,  Bull,  de  la  soc.  bot.  de  France,  14  Bd.,  1867, 
pag.  59;  Martin  et,  Annales  d.  scieuces  nat.  Bot.,  1872,  pl.  18,  Fig.  212,  213. 


Zur  Anatomie  uiul  Physiologie  der  ptiaiizliehen  Brennhaare.       129 

auf;  begreiflicherweise  ist  diese  Stellung  weniger  zweckmässig, 
als  die  schiefe  Lage  des  Köpfchens,  welche  bei  allen  übrigen 
Loasaceen,  die  untersucht  wurden,  Regel  ist.  Im  unteren  Theile 
des  Köpfchens  ist  aber  die  Wand  sehr  häufig  schon  weniger  stark 
verdickt,  so  dass  das  Abbrechen  zweifelsohne  etwas  erleichtert 
wird.  Bei  Loam  hispida  (Taf.  II,  Fig.  1  und  2)  besitzen  die 
Brennbaare  bereits  schief  aufsitzende  Köpfchen,  doch  ist  die 
entsprechende  Krümmung  der  Spitze  nicht  so  bedeutend,  wie  bei 
anderen  Loasaceen.  Die  Wände  sind  in  der  Regel  überall 
gleich  stark  verdickt  und  entsprechen  so  jenen  Bildern,  von 
denen  eingangs  die  Rede  w^ar.  Nicht  selten  ist  aber  auf  der  con- 
caven  Seite  die  Wand  schon  weniger  stark  verdickt.  (Taf.  II, 
Fig.  2.)  Bei  Loasa  tricolor  (Taf  11,  Fig.  8,  9)  ist  die  Krümmung 
der  Brennhaarspitze  eine  bedeutendere,  als  bei  der  vorigen  Art; 
das  Köpfchen  ist  meistens  von  etwas  länglicher  Form.  Was  den 
Grad  der  Zellwandverdickung  bctriift,  so  kehren  dieselben 
Verhältnisse  wieder,  wie  bei  Loasa  hispida.  Das  Gleiche  gilt 
auch  für  die  Brennhaare  von  Blumenbachia  Hieronymi  Urb. 
(Taf.  II,  Fig.  3,  4),  deren  Köpfchen  kugelig  sind.  Die  Krümmung 
der  Spitzen  ist  oft  eine  sehr  bedeutende.  An  ziemlich  zahlreichen 
Haaren  zeigt  sich  die  Wand  der  concaven  Seite  beträchtlich  ver- 
dünnt, während  auf  der  convexen  Seite,  wie  bei  den  früheren 
Arten,  niemals  eine  verdünnte  Stelle  vorhanden  ist.  Dass  jedoch 
auch  bei  allseits  gleichmässig  stark  verdickter  Membran  das 
Abbrechen  des  Köpfchens  in  einer  für  das  Eindringen  der  Spitze 
und  für  die  Entleerung  des  Zellsaftes  vortheilhafteu  Richtung 
erfolgen  kann,  lehrt  Fig.  3,  welche  den  obersten  Theil  eines 
Brennhaares  von  Blumenbachia  Hieronymi  mit  theilweise  abge- 
brochenem Köpfchen  darstellt.^ 

Einen  weiteren  Schritt  in  der  Ausbildung  zweckmässig 
gebauter  Brennhaarspitzen  haben  in  der  oben  beschriebenen 
Weise  die  beiden  erwähnten  Jafropha- Arten  gemacht.  Die  Aus- 


^  Nicht  unerwähnt  will  ich  lassen,  dass  bei  verschiedenen  Loasaceen 
(z.  B.  Bei  Loasa  hispida  und  Bhimcnhachia  Hii'ronymi)  ( Tat".  II,  Fig'.  12  und  13) 
die  neben  den  Brennhaaren  auftretenden  Knötchenluiare  nicht  selten  mit 
ganz  kleinen  Köpfchen  versehen  sind.  In  welchem  .sinne  diese  Ähnlichkeit 
mit  den  Brennhaaren  zu  deuten  ist,  lasse  ich  dahingestellt. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  CI.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  9 


laO  Haberhindt, 

bildimg'  einer  stark  verdüuuteu  Waudpartie  auf  der  concaven 
Seite  ist  liier  bereits  zu  einer  constanten  Eigentliiimliebkeit 
geworden. 

Mit  dem  Auftreten  einer  zweiten  verdünnten  Wandpartie  auf 
der  convexen  Seite  der  gekrümmten  Brennbaarspitze,  wie  sie  bei 
Loasa  papaverifoUu  und  den  Urtka-kxiQw  vorkommt,  ist  dann  die 
weitestgebende  Vervollkommnung  im  Bau  der  Brennbaarspitze  er- 
rcicbt.  Von  Interesse  ist  es,  dass  aucb  bei  den  f/rh*ca- Arten  hin  und 
wieder  Breunbaare  zu  finden  sind,  welcbe  auf  der  concaven  Seite 
ihrer  gekrümmten  Spitzen  die  verdünnte  Wandpartie  nicht  auf- 
weisen. (Taf.  I,  Fig.  11.)  Einmal  beobachtete  ich  bei  Urtica  dioica 
sogar  ein  Brennhaar,  welches  köpfcbenlos  war  und  mit  einer  fein 
ausgezogenen  Spitze  endigte;  hier  lag  wohl  zweifellos  eine  Rück- 
schlagserscheinung vor. 

Mit  der  Ausbildung  der  besprochenen  Eigenthümlichkeiten 
des  Waudungsbaues  ging  die  stärkere  Verdickung  des  die  Ver- 
wundung bedingenden  Wandungstheiles  insoferne  nicht  parallel, 
als  sie  einerseits  bei  den  Ja/yoy7/i«-Brenuhaaren  sehr  deutlich 
vorhanden  ist,  anderseits  wieder  bei  den  Brennhaaren  der  Nessel- 
arten fehlt.  Bios  an  den  Brennbaarspitzen  von  Loasa  i^apaveri- 
f'olia  treten  alle  diese  mechanisch  vortheilhaften  Einrichtungen 
vereinigt  auf. 

IL  Das  Gift  der  Brecnhaare. 

In  den  meisten  Hand-  und  Lehrbüchern  der  Botanik,  welche 
in  den  letzten  Jahrzehnten  erschienen  sind,  wird  als  die  giftig 
wirkende  Substanz  der  Brennhaare  —  speciell  bei  den  Nessel- 
arten, auf  welche  auch  wir  uns  im  Nachfolgenden  beschränken 
wollen  —  die  Ameisensäure  angegeben.  Im  Jahre  1849  ver- 
öffentlichte nämlich  Gorup- Besanez  eine  kurze  „Notiz  über 
das  Vorkommen  von  Ameisensäure  in  den  Brennesseln",^  deren 
Inhalt  all  den  vorhin  erwähnten  Angaben  zu  Grunde  liegt. 

Angeregt  durch  einige  von  Fr.  Will  angestellte  „mikro- 
chemische und  mikroskopische  Versuche",  als  deren  Ergebniss 
sich  angeblich  herausstellte,  „dass  die  Hautentzündung  erregende 


1  Journal  f.  praktiselie  Chemie,  48.  Bd.,  pag.  191,  192. 


Zur  Anatomie  imd  Physiologie  der  pflanzlichen  Brennhaare.       131 

Flüssigkeit  in  den  Haaren  der  sogenannte  Processionsraupe, 
sowie  in  den  G-iftorganen  einiger  Insekten  nichts  Anderes  sei, 
wie  Ameisensäure",  stellte  sich  Gornp-Besanez  die  Frage,  ob 
nicht  auch  die  giftige  Substanz  der  pflanzlichen  Brennhaare  aus 
der  genannten  vSäure  bestehe.  Zu  diesem  Behufe  wurden  grössere 
Quantitäten  frischen  Brennesselkrautes  {Urtica  urens  und  dioica) 
mit  und  ohne  Schwefelsäure  der  Destillation  unterworfen  und 
thatsächlich  festgestellt,  dass  in  den  Brennesseln  geringe 
Mengen  von  Ameisensäure  vorhanden  sind.  „Dies  kann  aber 
nicht  befremden,  wenn  man  annimmt,  dass  diese  Säure  nur  in 
den  Brennhaaren  enthalten  ist,  eine  Annahme,  welche  ihre 
Berechtigung  in  mikroskopischen  Beobachtungen  findet,  die  Will 
und  Lucas  anstellten.  Wenn  nämlich  unter  dem  Mikroskop  zur 
Pflanze  Silberlösung  gesetzt  und  gelinde  erwärmt  wird,  so  erfolgt 
die  Reduction  immer  zuerst  an  der  Mündung  der  Brennhaare." 
Mit  diesen  Worten  beschliesst  Gorup-Besanez  seinen  Aufsatz. 

Wenn  es  nun  auch  nach  diesen  Mittheilungen,  sowie  nach 
einigen  von  mir  angestellten  mikrochemischen  Versuchen,  höchst 
wahrscheinlich  ist,  dass  die  stark  saure  Reaction  des  Zellsaftes  der 
Brennhaare  durch  Ameisensäure  bedingt  wird,  so  ist  damit  doch 
noch  keineswegs  der  Beweis  erbracht,  dass  die  Ameisensäure 
thatsächlich  die  das  Nesseln  hervorrufende  Substanz  ist.  Im 
gleichen  Sinne  äussert  sich  auch  de  Bary,^  wenn  er  sagt:  „Im 
Grunde  ist  also  über  die  hier  wirksame  Substanz  nichts  bekannt, 
nicht  einmal,  ob  sie  in  der  sauren  Flüssigkeit  oder  in  dem  Proto- 
plasma zu  suchen  ist".^ 

Bevor  ich  nun  zur  detailhrteren  Schilderung  meiner  Ver- 
suche übergehe,  welche  mir  über  die  chemische  Natur  des  Giftes 
der  Brennhaare  einigen  Aofschluss   geben  sollten,  möchte  ich 


1  Vergl.  Anatomie,  pag.  72. 

-  Da  beim  Eindringen  der  Brennhaarspitze  in  die  Haut  blos  die  Ent- 
leerung von  Zellsaft  zweifellos  sicher  ist,  so  hat  man  meines  Erachtens  in 
dieser  Frage  von  der  Annahme  auszugehen,  dass  die  giftige  Substanz  im 
Zellsafte  auftritt.  Die  von  de  Bary  angedeutete  Möglichkeit,  dass  dieselbe 
eventuell  im  Protoplasma  zu  suchen  wäre,  könnte  erst  dann  in  Betracht 
kommen,  wenn  bestimmte  Thatsachen  gegen  die  erstere  Annahme  sprechen 
würden. 


132  Haberlandt, 

vorerst  noch  auf  zwei  Punkte  aufmerksam  machen,  die  schon  von 
vorneherein  gegen  die  Annahme,  dass  die  Ameisensäure  das 
fragliche  Gift  sei,  Bedenken  erwecken  müssen. 

Der  Gesammtinhalt  eines  mittelgrossen  Brennhaares  von 
Urtica  dioica  beträgt  ungefähr  0-007 — 0*008  Cub.  millim.  Wenn 
man  ein  Brennhaar,  mit  welchem  man  sieh  soeben  in  wirksamer 
Weise  gestochen  hat,  unter  dem  Mikroskop  betrachtet,  so  sieht 
man,  dass  nur  ein  kleiner  Bruchtheil  des  Zellinhaltes  in  die 
Wunde  entleert  wurde.  An  Stelle  der  entleerten  Flüssigkeit  ist 
gewöhnlich  eine  grössere  oder  kleinere  Luftblase  in  das  Haar 
getreten,  deren  Grösse  ich  in  einem  bestimmten  Falle  auf 
0-0003  Cub.  millim.  berechnete.  Nehmen  wir  als  Maximalgrösse 
selbst  das  Doppelte  an  und  machen  wir  ferner  die  Annahme,  dass 
der  Zellsaft  des  Brennhaares  10  Gewichtsprocente  Ameisensäure 
enthalte,^  so  gelangen  wir  zu  dem  Ergebniss,  dass  beim  Stich 
eines  f/r^/c«-Brennhaares  höchstens  0*00006  Milligr.  Ameisensäure 
in  die  Wunde  gelangen.^  Welch  überaus  giftige  Substanz  mUsste 
nun  die  Ameisensäure  sein,  wenn  sie  in  solch  verschwindend 
geringer  Menge,  und  noch  dazu  so  rasch  wirkend,  die  bekannten 
Hautentzündungen  hervorrufen  würde! 

Um  mir  von  der  entzündungserregenden  Eigenschaft  der 
Ameisensäure  eine  bestimmte  Vorstellung  zu  verschaffen,  stellte 
ich  mit  einer  llprocentigen  Lösung  einige  Impfversuche  an. 
Dieselben  wurden,  wie  auch  alle  später  zu  beschreibenden  Impf- 
vcrsuclie,  in  der  Weise  durchgeführt,  dass  ich  mir  an  der  oberen 
Handfläche  oder  am  Unterarme  mit  einer  vorerst  in  die  betreffende 
Flüssigkeit  getauchten  feinen  Nadelspitze  kleine  Hautverletzungen 
beibrachte.  Gewöhnlich  wurden  die  Versuche  auch  in  der  Weise 
variirt,  dass  ich  zunächst  einen  Tropfen  der  Flüssigkeit  auf  die 
Haut  brachte  und  durch  denselben  hindurchstach,  um  eine 
grössere  Menge  der  betreffenden  Substanz  in  die  Wunde  zu 
bringen.  Die  Wirkung  der  llprocentigen  Ameisensäure-Lösung 


1  Diese  Conceiitratiou  ist  jedenfalls  eher  viel  zu  hoch  als  zu  niedrig- 
angenommen.  Die  sauerste  aller  Früchte,  die  Citrone,  enthält  blos  6—7% 
Säure.  (ET»erniayer,  Physiolog.  Chemie  der  Pflanzen,  pag.  273). 

-  Der  durch  die  Annahme,  dass  das  specifische  Gewicht  des  Zell- 
sat'tes  =  1  sei,  begangene  Fehler  kommt  hier  nicht  in  Betracht. 


Zur  Anatomie  luid  Physiologie  der  pflauzlic-hen  Bicnnhaare.       133 

war  nun  eine  weitaus  schwächere,  als  die  des  Zellsaftes  der 
Kessel-Brennhaare.  Das  Gefühl  des  Nesseins  war  höchst  unbe- 
deutend, und  die  Röthuug  der  Haut  beschränkte  sich  auf  eine  weit 
kleinere  Fläche,  als  nach  einem  Brenuhaarstiche,  Nur  ausnahms- 
weise kam  es  zur  Bildung-  kleiner  Stippen.  Nach  20 — 30  Minuten 
waren  alle  diese  Erscheinungen  wieder  vollkommen  ver- 
schwunden. Da  nun  bei  diesen  Versuchen  zweifellos  eine 
g-rössere  Menge  von  Ameisensäure  in  die  Hautwunde  eindrang, 
als  bei  dem  Stiche  eines  ?7r^<ca-Brennhaares,  so  folgt  daraus  mit 
grosser  Wahrscheinlichkeit,  dass  die  weit  heftigere  Wirkung  des 
letzteren  nicht  auf  das  Vorhandensein  von  Ameisensäure  im  Zell- 
inhalte zurückzuführen  ist. 

Eine  andere  Thatsache,  welche  hier  in  Betracht  kommt,  ist 
die,  dass  bei  einigen  tropischen  Urtica-Arten  der  Stich  der  Brenn- 
haare von  noch  weit  intensiveren  Wirkungen  begleitet  wird.  In 
einem  1819  von  Leschenault  de  la  Tour,  Direktor  des  k. 
bot.  Gartens  zu  Pondichery  an  Jussieu  gerichteten  Schreiben^  be- 
richtet derselbe  über  die  Giftwirkung  der  Brennhaare  von  Urtica 
cremilata  im  botanischen  Garten  von  Calcutta.  „Ich  streifte  mit 
der  linken  Hand  und  zwar  mit  der  oberen  Fläche  der  ersten  drei 
Finger  nur  ganz  leise  an  ein  Blatt  und  fühlte  anfangs  ein  ganz 
schwaches  Brennen,  worauf  ich  nicht  achtete.  Es  war  Morgens 
7  Uhr,  der  Schmerz  nahm  immer  zu  und  war  in  Zeit  von  einer 
Stunde  schon  nicht  mehr  auszuhalten.  Es  war  nicht  anders  als 
w^enn  man  mit  einer  glühenden  Eisenplatte  über  die  Finger  führe. 
Indessen  sah  man  weder  Geschwulst  noch  Blattern,  noch  irgend 
eine  Entzündung,  Schnell  breitete  sich  der  Schmerz  über  den 
ganzen  Arm  bis  unter  die  Achsel  aus.  Hierauf  musste  ich  häufig 
niessen  und  eine  Menge  Feuchtigkeit  floss  aus  den  Nasenlöchern 
gerade  wie  bei  einem  heftigen  Schnupfen.  Gegen  Mittag  fühlte 
ich  ein  so  schmerzhaftes  Zusammenziehen  in  dem  hinteren  Theil 
der  Kinnladen,  dass  ich  einen  Anfall  von  Starrkrampf  fürchten 
musste.  Ich  legte  mich  nieder  in  der  Hoffnung,  dass  mir  die 
Ruhe  gut  thun  würde;  allein  die  Schmerzen  Hessen  nicht  nach, 
sondern  dauerten  die  ganze  folgende  Nacht  unaufhörlich  fort; 


1  Dasselbe    findet    sich    auszug-s weise   in    der    Flora    (Jahrg.    1821, 
pag.  G93  ff),  abgedruckt. 


134  Haberlaudt, 

blos  das  Zusammenziehen  der  Kiuubackeu  hatte  Abends  gegen 
8  Uhr  nachgelassen.  Erst  den  anderen  Morgen  folgte  merkliehe 
Besserung  und  ich  schlief  ein.  Die  beiden  folgenden  Tage  hatte 
ich  noch  viel  zu  leiden,  und  die  Schmerzen  stellten  sich  augen- 
blicklich in  ihrer  ganzen  Heftigkeit  wieder  ein,  als  ich  die  Hand 
in's  Wasser  steckte.  Nach  und  nach  wurden  sie  immer  schwächer, 
verlo)"en  sich  aber  nicht  eher  gänzlich,  als  bis  den  neunten  Tag-'. 

Leschenault  berichtet  dann  noch  über  einen  zweiten  Fall, 
welcher  unter  ganz  denselben  Symptomen  verlief.  Er  erwähnt 
dann  noch  Urtica  stimnkms  auf  Java,  welche  gleichfalls  sehr 
giftig  ist  und  spricht  schliesslich  von  einer  dritten  Species, 
welche  auf  der  Insel  Timor  vorkommt  und  von  den  sie  sehr 
fürchtenden  Einwohnern  Daoun  setan  (Taufelsblatt)  genannt  wird. 
Schieiden  '  führt  diese  Art  unter  der  Bezeichnung  Urtica  uren- 
tissima  an  und  erwähnt,  dass  der  Stich  ihrer  Brennhaare 
Jahre  lang  andauernde  Schmerzen  hervorrufe,  die  besonders  bei 
feuchtem  Wetter  unerträglich  werden,  ja  bisweilen  sogar  den 
Tod  (durch  Starrkrampf)  nach  sich  ziehen  können. 

Auch  die  Brennhaare  von  Laportea  f/ifjas,  welche  hin  und 
wieder  in  Europa,  z.  B.  im  botanischen  Garten  zu  Berlin  cultivirt 
wird,  zeichnen  sich,  wie  mir  Herr  Prof.  Eichler  brieflich  mit- 
theilte, dadurch  aus,  dass  sie  bei  ihrer  Berührung  ein  besonders 
heftiges  Brennen  verursachen.  Bemerkenswerth  ist  dabei,  dass 
die  Breunhaarc  dieser  Pflanze  kleiner  und  unansehnlicher  sind, 
als  die  unserer  einheimischen  Nesselarten.  Auch  von  Urtica 
crenulata  heisst  es  in  Leschenault's  oben  citirtem  Briefe,  dass 
auf  den  Blattflächen  und  an  den  Blüthenstielen  „kaum  einige 
kleine  Haare"  zu  sehen  sind.  Hieher  gehöit  auch  die  Angabe 
0.  Kuntze's,^  dass  „gerade  die  gefährlichsten  Urticaceen- 
Bäume  Blätter  mit  kleiner,  unscheinbarer  Behaarung"  besitzen. 
Man  sieht  hieraus,  dass  es  in  erster  Linie  auf  den  specifischen 
Charakter  und  nicht  auf  die  Quantität  des  entleerten  Giftes 
ankommt. 

Wenn  man  nun  für  die  geschiklerten  Giftwirkungen  der 
Brennhaare    einiger   tropischer    Urticaceen    gewiss    nicht    die 


3  Griuiclz.  der  wisseiisch.  Botanik,  IL  Aufl.,  1.  Th.,  pag-.  269. 
2  Die  Schutzmittel  der  Pflanzen,  Leipzig  1877,  pag-.  35. 


Znr  Anatomie  und  Physiologie  der  pflanzlichen  Brennhaare.       135 

Ameiseusäure  verantwortlich  machen  kann,  sondern  für  diese 
Arten  die  Existenz  specifischer  Giftstoffe  anzunehmen  gezwungen 
ist,  so  liegt  der  Analogieschluss  sehr  nahe,  dass  auch  bei  unseren 
einheimischen  Nesselarten  die  giftige  Substanz  der  Brennhaare 
nicht  mit  der  Ameisensäure  identisch  ist. 

Ich  gehe  nunmehr  zur  Besprechung  jener  Versuche  über? 
welche  ich  zur  Entscheidung  der  aufgeworfenen  Frage  angestellt 
habe. 

Wenn  man  einige,  von  der  lebenden  Pflanze  (Urtica  dtoica) 
frisch  abgeschnittene  Brennhaare  mit  einer  Nadelspitze  zerdrückt 
und  zerquetscht,  so  dass  ein  Theil  des  Haarinhaltes  an 
der  Nadel  haften  bleibt  und  sich  dann  nach  einiger 
Zeit  mit  der  inzwischen  vollkommen  trocken  ge- 
wordenen Nadelspitze  sticht,  so  stellt  sich  nach 
wenigen  Sekunden  das  charakteristische  Nesselgefühl 
ein,  verbunden  mit  Eöthung  der  Haut  und  Stippen- 
bildung. Da  nun  von  dem  au  der  Nadelspitze  haften  gebliebenen 
Haarinhalte  die  flüchtige  Ameisensäure  mit  dem  Wasser  vorher 
verdampfte,  so  ergibt  sich  aus  diesem  Versuche:  1)  dass  das 
Gift  der  Brennhaare  nicht  Ameisensäure  ist  und  2),  dass  dieses 
Gift  nur  eine  nicht  flüchtige  Substanz  sein  kann. 

Einige  weitere  Anhaltspunkte  gab  mir  folgende  Beobachtung: 
Wenn  man  ein  mit  Brennhaaren  versehenes  Stengelstück  oder 
ein  Blatt  von  Urtica  dioica  10 — 20  Sekunden  lang  in  siedendes 
Wasser  taucht  und  dann  die  Brennhaare  untersucht,  so  findet 
man,  dass  nunmehr  im  Zellsaftraum  der  Brennhaarzelle  ein 
substanzreiches,  feinkörniges  Congulum  vorhanden  ist, 
welches  eine  maschige  Structur  zeigt  und  das  früher  durch- 
scheinende Haar  ganz  undurchsichtig  macht.  i^Taf.  I,  Fig.  8.) 
Schon  dem  freien  Auge  fällt  die  weissliche  Färbung  des  abgebrühten 
Brennhaares  auf.  Besonders  dicht  ist  das  Coagulum  im  unteren, 
blasig  erweiterten  Haarende.  Die  nahe  liegende  Vermuthung, 
dass  es  sich  hier  um  einen  coagulirten  Ei  we  isskör  per  —  ein 
Pflanzenalbumin  —  handle,  welcher  früher  im  Zellsafte  gelöst  war, 
wird  durch  die  Resultate  der  mikrochemischen  Untersuchung  bestä- 
tigt. Brennhaare,  welche  sich  eine  Zeitlang  in  Alkohol  befanden, 
weisen  im  Zellsaftraum  gleichfalls  einen  reichen,  feinkörnigen 
Niederschlag  auf,  welcher  in  Wasser  unlöslich  ist  und  durch  das 


136  Haberhindt, 

Millüii'sche  Ifeagens  intensiv  roth  gefärbt  wird.^  Das  durch 
Kochen  entstandene  Coagiilum  zeigt  bei  Anwendung  dieses 
Reagens  eine  ziegelrothe,  häufiger  blos  eine  rothbraune  Färbung. 
Die  RaspaiTsche  Reaction  (Zuckerlösung  und  Schwefelsäure) 
führt  gewöhnlich  zu  keinem  befriedigenden  Ergebniss.  Doch  habe 
ich  nach  unmittelbarem  Zusatz  von  Schwefelsäure  eine  sehr  lebhaft 
rosenrothe  Färbung  des  Zellsaftes  frischer  Brennhaare  beobachtet, 
als  ich  im  Spätherbste  einige  r/r^/tv^-Pflanzen  aus  dem  Freien  in 
das  geheizte  Zimmer  gebracht  und  hier  einige  Tage  lang  stehen 
gelassen  hatte.  Legt  man  Brennhaare  mit  geöffneter  Spitze  in 
eine  Lösung  von  Kupfersulfat  oder  von  essigsaurem  Blei  und 
bring-t  man  durch  einen  leichten  Druck  auf  das  Deckglas  den 
Zellsaft  des  Brennhaares  zur  Entleerung,  so  bildet  sich  sofort  in 
der  Umgebung  der  Haarspitze  ein  gelbbrauner,  dichter,  sehr  fein- 
körniger Niederschlag.  Conceutrirte  Salpetersäure  bewirkt  Gelb- 
färbung des  durch  Alkoholzusatz  oder  durch  Kochen  entstandenen 
Niederschlages.  Jodtiuctur  bewirkt  eine  gelbbraune  Färbung. 

Der  so  beträchtliche  Eiweissgehalt  des  Zellsaftes 
der  Nessel-Brennhaare,  welcher  schon  an  und  für  sich 
bemerkcnswerth  ist,  durfte  bei  den  Versuchen,  die  Natur  des 
Brenuhaar-Giftes  näher  zu  bestimmen,  nicht  ausser  Acht  gelassen 
werden.  Es  wird  sich  gleich  zeigen,  in  welcher  Hinsicht  dieser 
Eiweissgehalt  für  die  vorliegende  Frage  von  Bedeutung  ist. 

Nachdem  die  Veränderung  erkannt  war,  welche  der  Zellsaft 
der  Brennhaare  durch  die  Siedespitze  erleidet,  musste  natürlich 
festgestellt  werden,  ob  abgebrühte  Brennhaare  noch  im  Stande 
sind  eine  Hautentzündung  hervorzurufen.  In  dieser  Beziehung 
ergab  sich  nun  Folgendes:  Brennhaare,  w^elche  10 — 20  Sekunden 
lang  in  siedendem  Wasser  verweilten,  haben  ihre  entzündungs- 
erregende Eigenschaft  cingebüsst  oder  dieselbe  ist  mindestens 
um  ein  Bedeutendes  abgeschwächt  worden.  Es  war  nun  von 
vorneherein  ziemlich  wahrscheinlich,  dass  dieses  Verhalten  der 
Brennhaare  mit  der  Coagulirung  des  Eiweisskörpers  des  Zellsaftes 
in  irgend  einem  Zusammenhange  steht,  und  es  frug  sich  jetzt,  was 
für  Möglichkeiten  in  dieser  Hinsicht  vorhanden  sind. 


1  Um  dem  Reagens  deu  Eintritt  iu  dasBreiinh.'iar  zu  ei-leichtern,  ist  es 
nothwendig-,  das  etztere  mit  der  Nadelspitze  stellenweise  zu  zerquetschen, 
oder  es  in  einige  Stücke  zu  zertheilen. 


Zur  Auatumie  und  Physiologie  der  pflauzliclien  Breunhaare.       137 

Zunächst  wäre  es  möglich,  wenn  auch  gewiss  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  die  im  Zellsafte  gelöste  eiweissartige  Substanz 
mit  dem  gesuchten  Gifte  identisch  ist:  beim  Kochen  coagulirt 
dieselbe  und  wird  so  unwirksam.  Eine  andere  Möglichkeit  ist 
die,  dass  das  im  Zellsafte  gelöste  Gift  von  dem  coagulirenden 
Eiweiss  nach  Art  eines  Enzyms  (oder  „ungeformten  Fermentes'') 
niedergerissen  und  so  unwirksam  gemacht  wird.  Es  ist  aber  auch 
denkbar,  dass  der  Verlust  der  entzündungserregenden  Eigenschaft 
des  Brennhaarinhaltes  mit  der  Coagulirung  der  Eiweisssubstanz 
weder  in  einem  directen  noch  in  einem  indirecten  Zusammenhange 
steht.  Die  Siedehitze  zerstört  eben  das  Gift,  wie  ja  dieselbe 
bekanntlich  auch  die  meisten  Enzyme  zerstört  und  unwirksam 
macht.  ^ 

Das  weitere  Untersuchungsverfahren  musste  also  darauf 
gerichtet  sein,  zu  entscheiden,  ob  der  im  Zellsafte  gelöste  Eiweiss- 
körper  das  zu  eruirende  Gift  ist,  oder  ob  dasselbe  als  besondere 
Substanz  neben  dem  Eiweisskörper  auftritt.  Betreffs  dieser 
letzteren  Eventualität  war  die  Vermuthung  nicht  ungerechtfertigt, 
dass  es  sich  hier  vielleicht  um  eine  ferment-  oder  enzym- 
artige Substanz  handle.  Bei  dem  Umstände,  dass  durch 
Alkohol  niedergeschlagene  Eiweisskörper  in  Wasser  nicht  wieder 
löslich  sind,  während  sich  die  durch  Alkohol  gefällten  Enzyme  in 
Wasser  gewöhnlich  neuerdings  lösen,  war  das  Aveitere  Unter- 
suchungsverfahreu  klar  vorgezeichnet. 

Eine  grössere  Anzahl  (circa  200)  frischer  Brennhaare^ 
wurde  in  einem  Uhrglase  mit  einigen  Tropfen  destillirten  Wassers 
zerrieben;  dann  wurde  95"/(jiger  Alkohol  zugesetzt,  abfiltrirt,  der 
Rückstand  mit  Alkohol  gewaschen  und  nach  der  Trocknung 
wieder  mit  einigen  Tropfen  destillirten  Wassers  behandelt.  Um 
eine  concentrirtere  Lösung  zu  erhalten,  liess  ich  einen  Theil  des 
Wassers  verdunsten;  mit  dem  Reste  der  Flüssigkeit  wurden  nun- 
mehr Impfversuche  durchgeführt,  und  zwar  in  der  Regel  mit  mehr 


1  Die  vierte  Möglichkeit,  dass  das  gelöste  Gift  durch  Diffusion  aus  dem 
getödteten  Brennhaare  entwichen  sei,  ist  wegen  der  Kürze  der  Zeit  und  der 
beträchtlich  verdickten  Zellwände  kaum  ernstlich  iu's  Auge  zu  fassen. 

2  Die  Brennhaare  wurden  bei  diesem,  wie  bei  den  später  zu 
beschreibenden  Versuchen  mit  dem  ßasirmesser  an  ihren  Insertionsstellen 
abgeschnitten. 


138  H;il»erlandt, 

oder  minder  positivem  Erfolge:  Es  stellte  sich  das  Gefühl  des 
Nesseins  ein,  die  Haut  röthete  sieh  und  zuweilen  kam  es  aucli  zur 
Bildung  kleiner  Stippen.  Dass  die  Eeaction  keine  so  aus- 
gesprochene war,  wie  wenn  man  direct  vom  Brennhaar  gestochen 
wird,  erscheint  begreiflich,  da  die  Lösung  des  Giftes  natürlich 
eine  geringere  Concentration  besass.  Auch  ist  es  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  das  Gift,  gleichwie  verschiedene  Enzyme,  durch 
Alkohol  in  seiner  Wirksamkeit  geschädigt  wird. 

"Weil  die  Ausführung  dieses  Versuches  etwas  umständlich 
ist  und  sein  Ergebniss  nicht  so  deutlich  sprach,  als  wünschens- 
wertli  war,  so  habe  ich  denselben  in  folgender  Weise  modificirt, 
respective  vereinfacht:  Frische  Brennesselpflanzen  wurden  in 
Qö^'/pigen  Alkohol  gebracht  und  in  demselben  14  Tage  laug 
liegen  gelassen.  Nach  Ablauf  dieser  Zeit  zerrieb  man  eine 
grössere  Anzahl  ihrer  Brennhaare  mit  ein  bis  zwei  Tropfen  destil- 
lirten  Wassers,  Hess  die  Lösung  zu  grösserer  Concentration  ein- 
dunsten und  stellte  mit  ihr  nunmehr  Impfversuche  an.  Das 
Resultat  war  noch  entschiedener  als  bei  dem  frühereu 
Versuche,  die  Hautentzündung  stellte  sich  in  ver- 
stärktem Maasse  ein. 

Aus  dem  Vorstehenden  ergibt  sich  Folgendes:  1)  der  bereits 
früher  bewiesene  Satz,  dass  das  Gift  der  Brennhaare  nicht  mit 
der  Ameisensäure  identisch  ist,  erscheint  hiermit  bestätigt;  2)  der 
im  Zellsnfte  des  Brennhnares  gelöste  Eiweisskörper  ist  gleichfalls 
nicht  als  das  fragliche  Gift  anzusprechen;  3)  dieses  letztereist 
vielmehr  eine  Substanz,  welche  gleich  einem  Enzym  durch 
Alkohol,  fällbar  und  in  Wasser  neuerdings  löslich  ist. 
Damit  ist  auch  die  Möglichkeit ,  dass  ein  Alkaloid  vorliege, 
ausgeschlossen. 

Eine  weitere  Ähnlichkeit  des  Brennhaargiftes  mit  den 
Enzymen  ergibt  sich  aus  Folgendem.  Bekanntlich  lassen  sich  die 
Enzyme  aus  den  betreibenden  pflanzlichen  oder  thierischen 
Organen  durch  Glycerin  extrahiren;  hierauf  beruht  auch  das 
von  Wittich,  Htifner  u.  A.  mit  bestem  Erfolge  angewendete 
und  in  verschiedener  Weise  variirte  Verfahren  zur  Dai'stellnng 
wirksamer  Enzympräparate.  Um  zu  erfahren,  ob  sich  das  Brenn- 
haargift ähnlich  verhalte,  zerrieb  ich  eine  grössere  Anzahl 
(60 — 80)  von  Brennhaaren  einer  in  957o  igen  Alkohol  gelegenen 


Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  pflanzliclien  Brennhnave.       139 

Nesselpflanze  mit  einem  kleineu  Tropfen  sympdicken  Glycerins 
lind  nahm  dann  nach  einer  Stunde  die  Impfversuche  vor.  Die- 
selben ergaben  dasselbe  positive  Resultat  wie  die  vorhin 
erwähnten  Versuche.  Der  einzige  Unterschied  bestand  darin^ 
dass  sich  das  Brennen  und  die  Eöthung-  der  Haut  erst  nach 
einigen  Minuten  einstellten.  Fast  ausnahmslos  bildeten  sich  auch 
kleine  Stippen. 

Die  vorliegenden  Angaben  beziehen  sich  zunächst  auf 
Urtica  dioica,  doch  zweifle  ich  nicht,  dass  die  übrigen  Nessel- 
arten sich  gleich  verhalten.  Bei  Laportea  f/igas  wird  im  Zellsaft 
der  Brennhaare  durch  Kochen  gleichfalls  ein  dichtes  Eiweiss- 
Coagiilum  ausgeschieden.  Alkoholexemplare  von  Loasa  papaveri- 
f'olia  zeigen  im  Zellsaftraum  ihrer  Brennhaare  den  gleichen 
dichten  Niederschlag,  wie  die  6^r^/t'«-Brennhaare.  Ausserdem 
treten  hier  noch  bisweilen  grosse  Sphärokrystalle  auf,  die  ich 
jedoch  nicht  näher  untersucht  habe.  Bei  Loasa  hispida  sind  die 
coagulirten  Massen  stellenweise  besonders  substanzreich  und 
bilden  förmliche  Pfropfen  von  gelbbrauner  Farbe.  Diese  That- 
sachen  lassen  vermnthen,  dass  das  Brennhaargift  der  Loasaceen 
dem  Brennesselgift  sehr  ähnlich  ist. 

Vorläufig  scheint  mir  also  festzustehen,  dass  das  ent- 
zündungerregende Gift  der  Brennhaare  von  Urtica 
dioica  eine  Substanz  ist,  welche  sich  in  Bezug  auf 
manche  Eigenschaften  den  ungeformten  Fermenten 
oder  Enzymen  anschliesst.  Eingehendere  Untersuchungen 
müssen  lehren,  wie  w^eit  diese  Ähnlichkeit  geht,  und  ob  man  hier 
thatsächlich  von  einem  „enzymotischen  Gifte"  sprechen  darf. 
Dem  physiologischen  Chemiker  eröffnet  sich  hier  ein  vielleicht 
nicht  undankbares  Arbeitsgebiet.^ 


Ich  habe  jetzt  noch  einige  Fragen  mehr  secundärer  Natur  zu 
besprechen,  welche  mit  unserem  Gegenstande  zusammenhängen. 


1  Es  wird  sich  jetzt  unter  Anderem  auch  fragen,  ob  die  wirksame 
Substanz  der  Brenuhaare  und  Giftorgane  verschiedener  Insekten  in  der 
That  Ameisensäure  ist,  wie  gewiihnlich  behauptet  wird,   oder  ob   es   sich 


140  Haberlaiidt, 

Die  eine  dieser  Fragen  betrifft  die  chemisch-physiologische 
Bedeutung-  des  so  beträchtlichen  Ei  weiss  gehaltes  im  Zellsafte 
der  untersuchten  Brenuhaare.  Die  Annahme,  dass  der  betreffende 
Eiweisskörper  mit  der  Entstehung  des  Giftes  in  einem  Zusammen- 
hange steht,  ist  jedenfalls  der  Erwägung  werth.  Bei  dem  Umstände, 
dass  die  Enzyme  den  Eiweissstoffeu  nahe  verwandt  sind  und 
sehr  wahrscheinlich  aus  diesen  durch  chemische  Umänderung 
hervorgehen,  liegt  die  Vorstellung  nahe,  dass  der  im  Zellsaft 
gelöste  Eiweisskörper  die  Muttersubstanz  des  Giftes  ist;  dem 
lebenden  Plasma  des  Brennhaares  käme  sodann  die  Aufgabe 
zu,  den  chemischen  Vorgang  anzuregen,  der  zur  Entstehung  des 
Giftes  führt. 

Eine  Frage  für  sich  ist  es  ferner,  ob  die  im  Zellsaft  gelösten 
Eiweissmengen  an  Ort  und  Stelle,  d.  h.  im  Brennhaare  selbst 
gebildet  wurden,  oder  ob  sie  demselben  von  dem  betreffenden 
Mutterorgane  zugeführt  worden  sind.  Ohne  der  Beantwortung 
dieser  Frage  vorgreifen  zu  wollen,  möchte  ich  doch  das  Erstere 
für  wahrscheinlicher  halten. 

Wir  haben  ferner  nochmals  auf  die  Ameisensäure  in  den 
Nessel-Brennhaaren  zurückzukommen,  vorausgesetzt,  dass  die 
stark  saure  Reaction  ihres  Zellsaftes  thatsächlich  auf  dem  Vor- 
handensein dieser  Säure  beruht.  Wenn  man  erwägt,  wie  leicht 
bei  der  Oxydation  verschiedener  organischer  Substanzen,  besonders 
der  Eiweissstoffe  und  Kohlehydrate,  Ameisensäure  gebildet  wird 
so  liegt  die  Auffassung  dieser  letzteren  als  eines  unvollständigen 
Oxydationsproductes  sehr  nahe;  die  lebhaften  Plasmaströmungen 


hier  uiclit  um  ähnliche  Gifte  handelt,  wie  bei  den  pflanzlichen  Brcunhaaren. 
Für  letztere  Annahme  sprechen  Beobachtungen  von  Th.  Goossens. 
(Annales  de  Im  soci6t6  entomologique  de  France,  6.  Serie,  I.  Bd.;  Referat 
in  Maly's  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  Thierchemie,  1882, 
pag.  330.)  Derselbe  erwähnt  zunächst,  dass  Raupen  von  Cnethocampa, 
Ocneria  u.  A.  die  Fähigkeit  besitzen,  bei  ihrer  Berührung  ein  heftiges 
Jucken  zu  erzeugen  und  Störungen  im  Organismus  hervorzurufen,  die  sich 
bis  zum  Fieber  steigern,  ja  selbst  den  Tod  veranlassen  können.  Das 
aus  besonderen  Drüsen  entströmende  Sekret  hängt  sich  an  die  benachbarten 
Haare,  wo  es  zu  Staub  vertrocknet.  Als  der  Verfasser  solchen  Staub 
yow  Cnethocampa  plljiocampa  auf  die  befeuchtete  Hand  brachte,  so  ergritf 
unter  bedeutendem  Aufschwellen  den  ganzen  Körper  ein  unerträgliches 
Jucken. 


Zui-  Anatomie  uud  Physiologie  der  pflanzlichen  Brennliaarc.       141 

in  den  Brenuhaaren  deuten  auf  lebhafte  Athmung  hin  und  bei 
dem  Umstände,  dass  die  Versorgung  der  nahezu  allseitig  stark 
verdickte  Membranen  besitzenden  Brennhaarzelle  mit  Sauerstoff 
keine  sehr  rasche  sein  dürfte/  erscheint  die  obige  Autfassung  um 
so  berechtigter.  Es  würde  sonach  der  Ameisensäure  in  den 
Nessel-Brennhaaren  dieselbe  Bedeutung  im  Stoffwechsel  zu- 
kommen, wie  den  übrigen  organischen  Säuren  in  Pflanzenzellen. ^ 
Autfallend  bleibt  es  jedocii  immerhin,  dass  in  den  Brennhaaren 
gerade  die  sonst  nicht  eben  häufige  Ameisensäure  auftritt,  zumal 
wenn  man  bedenkt,  dass  auch  in  den  Brennhaareu  und  Gift- 
organen verschiedener  Insekten  Ameisensäure  nachgewiesen 
wurde.  Es  scheint  hier  eine  gewisse  Gleichartigkeit  der  Stoff- 
wechselprocesse  vorzuliegen,  vorausgesetzt,  dass  von  den  betref- 
fenden Thieren  Gifte  erzeugt  werden,  welche  den  pflanzlichen 
Brennhaargiften  ähnlich  sind.  In  diesem  Falle  würde  also  die 
Ameisensäure  gewissermassen  ein  Nebenproduct  bei  der  Bildung 
dieser  giftigen  Substanzen  vorstellen. 

So  wie  die  Bedeutung  der  übrigen  Pflanzensäuren  mit  dem 
Hinweise  auf  ihre  Stellung  im  Stoffwechsel  noch  nicht  erschöpfend 
gewürdigt  ist,  so  gilt  dies  auch  betreffs  der  Ameisensäure  der 
Brennhaare.  Seit  den  Untersuchungen  von  de  Vries  und  Anderen 
gilt  es  bekanntlich  als  feststehend,  dass  die  organischen  Säuren, 
respective  deren  Salze,  in  Folge  ihrer  bedeutenden  osmotischen 
Leistungsfähigkeit  für  den  Turgor  der  Zellen  von  grosser 
Wichtigkeit  sind.  Wie  nun  bereits  Duval- Jouve^  gezeigt  hat, 
ist  der  beträchtliche  Turgor  der  Brennhaarzelle  für  die  Ent- 
leerung des  giftigen  Zellinhaltes  von  Bedeutung.  Wenn  man  nach 
dem  Vorgange  des  genannten  Forschers  mit  einer  Nadelspitze 
das  Köpfchen  eines  Nessel-Brennhaares  berührt,  so  bricht  das- 
selbe ab  und  aus  der  Öffnung  tritt  ein  kleines  Tröpfchen  Zellsaft 


1  Ich  halte  es  nicht  für  undenkbar,  dass  die  relativ  weit  hinabreichende, 
stark  verdünnte  Wandiingspartie  auf  der  concaven  Seite  der  Brennhaar- 
spitze von  Jatiopha  iirens  und  stimulata,  sowie  von  Loasa  papnverifolia 
abgesehen  von  ihrer  mechanischen  Bedeutung  auch  noch  als  Aufuahmsstelle 
für  Sauerstoff  zu  fungiren  hat. 

-  Vergl.  Sachs,  Vorlesungen  über  Pflanzenphysiologie,  pag.  J:S<Si 
ferner  0.  War  bürg,  Berichte  der  deutsch,  bot.  Gesellsch.  1885,  pag.  280  ff. 

a  L.  c.  p.  U  ff. 


142  Hsiberlaiult, 

aus.  Bisweilen  wird  dasselbe  förmlich  ausgespritzt.  Nach  Duval- 
J  Olive  soll  sich  dabei  der  Durchmesser  des  eigentlichen  Haares 
(poin9on)  um  ^15  bis  V20  verringern,  während  der  Durchmesser  des 
blasig    erweiterten   Haarendes    (bulbe)    angeblich     der   gleiche 
bleibt.  Bei  dem  Umstände,   dass  die  AYanduiigen   des  Haares  bis 
zur    Anschwellung   hinab    verkieselt,  respective    verkalkt    sind, 
während  die  Membran   des  Bulbus  aus  verhältnissmässig  reiner 
Cellulose  besteht,  möchte   man   eher  das  Umgekehrte  erwarten. 
In  der  That  habe  ich  nach  dem  Abbrechen  des  Köpfchens  niemals 
eine  Verengerung  des   eigentlichen    Haares  constatiren  können, 
wohl  aber  eine  Verkleinerung  des  Querdurchmessers  des  Bulbus 
um  2 — 5^0 1  li<iufig  Hess  jedoch  auch  dieser  unterste  Theil  der 
Brennhaarzelle  keine  Dimensionsänderung  erkennen.*  Jedenfalls 
ist  dieser  Punkt  noch   einer  genaueren  Untersuchung  bedürftig. 
Uns    genügt    es  jedoch   zu    wissen,    dass    die   zur   Ejaculation 
des  Zellsaftes  erforderliche   Kraft  durch  Turgorspannung  erzielt 
werden   kann,  womit  aber  nicht  gesagt  ist,  dass  die  Mechanik 
der  Entlerung  eines  Theiles  des  Zellinhaltes  ausschliesslich  und 
immer  die  eben  geschilderte  ist,  wie  Duval-Jouve  behauptet. 
Zweifellos  kommt  die  von  älteren  Forschern,  z.  B.  von  Bahr  dt, 
angenommene  Mechanik  dieses  Vorganges,wonach  die  Entleerung 
eines  Theiles  des  Zellsaftes   auf  den  Druck   zurückzuführen  ist, 
welchen  das  blasig  erweiterte  Ende  der  Zelle  durch  den  berühren- 
den Körper  erfährt,  gleichfalls  zur   Geltung.  Es  geht  dies  unter 
Anderem  sehr  deutlich  aus  der  Thatsache  hervor,  dass  man  sich 
mit  ein  und  demselben   Brennhaare  zweimal  hintereinander  in 
wirksamer    Weise    stechen    kann.  Selbstverständlich    ist   beim 
zweiten  Stiche,  welcher  nicht  minder  wirksam  ist   als  der  erste,- 
die  Mitwirkung  der  Turgorspannung  ausgeschlossen;   die  Ent- 
leerung   des    Giftes    erfolgt    ausschliesshch    nach    dem  zweit- 
erwähnten Modus.    Der  gewöhnliche  Fall    wird  allerdings   der 
sein,  dass  sich  die  Mechanik  der  Entleerung  aus  beiderlei  Arten 
conibinirt.  Bei  sehr  leiser  Berührung  des  Brennhaares,  die  zur 
Hervorrufung    der   Hautentzündung   oft   schon    ausreicht,    wird 


1  Die«  w;ir  mucIi  bei  jeuem  Brcnuhnare  der  Fall,  welches  zur  oben 
(pag.  I;i2)  crwähnteu  Bestimmuug'  der  beim  Stiche  entleerten  Zellsaftmenge 
diente. 


Zur  Anatomie  imd  Physiologie  der  pflanzlichen  Brenuhaare.       143 

dagegen  die  Ejaciilatiou  des  Zellsaftes  ausschliesslich  oder  doch 
hauptsächlich  auf  Rechnuug  der  Turgorspanuung  zu  setzen  sein. 
Ziini  Schlüsse  möchte  ich  noch  auf  die  denBecher  des  Nessel- 
Breunliaares  bildenden  Zellen  zu  sprechen  kommen,  welche  den 
Bulbus  der  Brenuhaarzelle  umschliessen.  (Taf.  I,  Fig.  6.)  Die- 
selben sind  stark  plattgedrückt  und  bilden  im  oberen  Theile  des 
Bechers  eine,  im  unteren  gewöhnlich  zwei  Lagen.  Von  den  älteren 
Autoren  sind  diese  Zellen  häufig  als  Drltsenzellen  angesprochen 
worden,  welche  das  Gift  des  Brennhaares  secerniren.  Es  weist 
jedoch  nichts  auf  eine  derartige  Function  hin:  Ihr  Zeilsaft  bleibt 
nach  dem  Abbrühen  des  Brennhaares  ungetrübt,  enthält  also 
keine  constatirbaren  Eiweissmengen  und  auch  sein  Säuregebalt 
kann  kein  beträchtlicher  sein,  was  aus  dem  Umstände  zu  folgern 
ist,  dass  die  Chlorophyllkörner  dieser  Zellen  auch  nach  dem 
Abbrühen  ihre  grüne  Farbe  unverändert  behalten.^  Wie  ich  schon 
bei  früherer  Gelegenheit^  hervorgehoben  habe,  zeichnen  sich  die 
in  Rede  stehenden  Zellen  durch  einen  verhältnissmässig  beträcht- 
liclien  Chlorophyllgehalt  (30 — 40  Körner  pro  Zelle )  ans,  so  dass 
dieselben  wahrscheinlich  als  localer  Assimilatiousapparat  des 
Brennhaares  aufzufassen  sind.  Hiefür  spricht  auch  der  Umstand, 
dass  an  den  verdickten  .'^eitenwänden  des  Bulbus  zahlreiche 
runde  oder  quer  elliptische  Tüpfel  auftreten,  welche  auf  einen 
lebhaften  Stoffverkehr  zwischen  der  Brennhaarzelle  und  den 
Zellen  des  Bechers  hindeuten.  Bemerkeuswerth  ist,  dass  die 
Tüpfel  am  Grunde  des  Bulbus  fehlen  oder  doch  spärlich  auf- 
treten, was  sich  nach  unserer  Auffassung  dadurch  erklärt,  dass 
die  hier  angrenzenden  Zellen  im  Inneren  der  das  Brennhaar 
tragenden  Gewebesäule  chlorophyllärmer  sind. 


1  Wie  Wiesner  gezeigt  hat  ("Elemeute  der  Anat.  und  Physiol.  von 
Pflanzen,  pag.  229),  nehmen  grüne  Laubblätter  von  Oxalis  acetosella,  wenn 
man  dieselben  in  kochendesWasser  taucht,  alsbald  eine  bräunliche  Färbung 
an;  die  Säure  des  Zellsaftes  kann  nunmehr,  da  das  Protoplasma  getödtet 
ist,  bis  zu  den  Chlorophyllköruern  gelangen  und  verfärbt  dieselben. 

■-  Pringsheim's  Jahrbücher  für  wisseusch.  Botanik.  XIII.  B.  p.  168. 


144  Haberlandt, 


Erkläruno-  der  Abbilduno-en. 


Tafel  I. 


Fig.  1,  2,  3  Brennhaarspitzen  von  Urtica  dioica.  In  Fig.  1  bezeichnet  die 
punktirte  Linie  ab  die  Abbruchstelle  des  Köpfchens.  Vergr.  560. 

„  4.  Brennhaarspitze  von  Urtica  dioica  nach  dem  Abbrechen  des 
Köpfchens.  Vergr.  560. 

„  5.  Oberer  Theil  des  Brennhaares  von  Urtica  dioica.  Die  weiss 
gelassenen  Wandungstheile  sind  verkieselt;  die  grau  gefärbten  mit 
kohlensaurem  Kalk  imprägnirt.  Vergr.  520. 

„  6.  Längsschnitt  durch  den  Bulbus  und  die  becherförmige  Emergenz 
eines  Brennhaares  von  Urtica  dioica.  Vergr.  205. 

„  7.  Unterer  Theil  eines  Brennhaares  von  Urtica  dioica  nach  Zusatz  von 
Schwefelsäure.  Die  nicht  verkalkte  Wandung  des  Bulbus  und  die 
darangrenzenden  Membranpartien  des  Haares,  in  welchen  der 
kohlensaure  Kalk  bereits  gelöst  ist,  erscheinen  stark  gequollen. 
Vergr.  90. 

„  8.  Partie  eines  abgebrühten  Brennhaares  von  Urtica  dioica;  im  Zellsaft 
hat  sich  ein  Eiweiss-Coaguliim  ausgeschieden.  Verg.  170. 

„     9,  10,  11.  Brennhaarspitzen  von  Urtica  nrens.  Vergr.  540. 

„  12.  Brennhaarspitze  von  Urtica  pilulifera.  Vergr.  620. 

„  13.  Brenuhaarspitze  von  Urtica  meiiibranacea.  Vergr.  520. 

„  14.  Brenuhaarspitze  von  Laportea  ffiffas.  Vergr.  490. 

,,  loa — (/Brennhaarspitzen von Wigandiaurens., diesuccessivenÜbergangs- 
formen  von  köpfchenlosen  bis  zu  köpfchentragenden  Brennhaar- 
spitzen darstellend.  Vergr.  530. 


Tafel  II. 

Fig.  1  und  2.  Brennhaarspitzen  von  Loasa  hiapida.  Vergr.  400. 
,,     3  und  4.  Brennhaarspitzen  von  Bltimenbachia  Hieronymi.  Fig.  3  mit 

tlieilweise  abgebrochenem  Köpfchen.  Vergr.  410. 
„     5,  6,  7.  Breunhaarspitzen  von  Loasa  papaverifolia,  Fig.   7  nach  dem 

Abbrechen  des  Köpfchens.  Vergr.  550. 
.,     8  und  9.  Brennhaarspitzen  von  Loasa  tricolor.  Vergr.  480. 
.,   10  und   11.  Brennhaiirspitzen  von  Cnjop/iora  /a/critia.  Yvrgr.  520 


G.  Haberlandt ;  Zur-Änatoime  lüiä.  Physiologie  der  pilar.zliclierL'Breimhs.are . 

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Autor  del  Iith ,  Anst  v-  Th. B aiii™'art}L."'fTren. 

Sitzuii§sl)er.  d . kaiserl.  Akad.dMss. matli.naturw'.  a.XCIILBd.LAl)Öi.l886. 


G.  Haberlandt .  Zur  Ar^atomie  isid  Physiologie  der  pilanzliclieiiBreimhaare . 


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.ith  Aast-  7:Th  5 arnwartK .TirMn- 


Sitzmiösl)er.  d.  kaiserl.  Akad.d.Mlss.math.natunv.  n.XCIff.Bd.Libtk.1886. 


Zur  Anatomie  und  Physiologie  der  pflanzlichen  Brennhaare.       145 

Fig.  12.  Oberes  Ende  eines  Knötchenhaares  von  Blumenbachia  Hieronymi. 

„  13.  Desgleichen  von  Loasa  hispida.  Vergr.  440. 

„  14,  15,  16.  Breunhaarspitzen  von  Jatropha  stimidata;  Fig.  14  stellt  den 
typischen  Fall  dar;  die  gestrichelte  Linie  a — b  gibt  die  Abbruch- 
linie des  Köpfchens  an.  Vergr.  220. 

„  17.  Abnorme  Brennhaarspitze  von  Jatropha  stimulata.  Vergr.  220. 

„  18.  Wandungspartie  von  der  convexen  Seite  einer  Brennhaarspitze  von 
Jatropha  stimulata  nach  Behandlung  mit  verdünnter  Kalilauge. 
Vergr.  260. 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  10 


146 


VI.  SITZUNG  VOM  18.  FEBRUAR   1886. 


Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Intendant  Dr.  F.  Ritter  v.  Hauer 
übermittelt  das  eben  erschienene  erste  Heft  der  von  ihm  redi- 
girten  „Annalen  des  k.  k.  Naturhistorischen  Hof- 
niuseums",  enthaltend  den  Jahresbericht  für  1885. 

Die  Direction  des  k.  k.  niilitär  -  geographischen  In- 
stitutes übermittelt  die  31.  Lieferung-  (14  Blätter)  der  neuen 
iSpecialkarte  der  österr.-ungar.  Monarchie  (1  :  75000). 

Der  akademische  Maler  Herr  Josef  Ho  ff  mann  in  Wien 
übermittelt  als  Geschenk  für  die  kaiserliche  Akademie  eine  Reihe 
von  Photographien  nach  seinen  für  das  k.  k.  Naturhistorische 
Hofmuseum  ausgeführten  geologischen  Gemälden. 

Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Prof.  Ludwig  Boltzmann 
übersendet  eine  Abhandlung  des  Herrn  Anton  Lampel  in  Graz: 
„Über  Drehschwingungen  einer  Kugel  mit  Luft- 
widerstand." 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  L.  Gegenbauer  in  Innsbruck  über- 
sendet eine  Abhandlung  unter  dem  Titel:  ,,Neue  Classen- 
anzahl-Relationen". 

Der  Secretär  legt  eine  Abhandlung  von  Herrn  C.  Zahälka, 
Lehrer  am  Obergymnasium  in  Raudnitz  a/E.,  betitelt:  „Bei- 
trag zur  Kenntniss  der  Phymatellen  der  böhmischen 
Kreideformation"  vor. 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  E.  Wcyr  überreicht  eine  Abhandlung 
des  Herrn  Dr.  Gustav  Kohn,  Privatdocenten  au  der  Wiener 
Universität:  „Über  das  Vierseit  und  sein  associirtes 
Viereck,  das  Flinfflach  und  sein  associirtes  Fünfeck." 


147 

Herr  Major  Albert  v.  Obermayer  des  k.  k.  Artillerie-Stabes 
überreicht  eine  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Civil -Ingenieur 
Moritz  Ritter  von  Pichler  ausgeführte  Untersuchung:  ,,Über 
die  Einwirkung  der  Entladung  hochgespannter  Elek- 
tricität  auf  feste  in  Luft  suspendirte  Theilchen." 

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bislier  nicht 
zugekommene,  Periodica  sind  eingelangt. 

Commission  geologique  et  d'histoire  naturelle  et  Musee  du  Ca- 
nada:  Rapport  des  Operations  1882 — 83 — 84  et  Mappes. 
Ottawa,  1885.  8«. 


10 


148 


Untersuchungen  über  Laubfall, 

Von  Dr.  Haus  Molisch, 

Privatdocenten  a,i  der    Wiener   Uinveraität. 

(Arbeiten  des  pflanzenphysiologischen  Institutes  der  k.  k.  Wiener 
Universität.  XXXI.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  11.  Februar  1886.) 

In  den  meisten  bisher  über  Blattfall  erschienenen  Unter- 
siichiing-en  handelte  es  sieh  fast  ausschliesslich  um  die  Fest- 
stellung- anatomischer  Thatsaehen,  namentlich  um  die  kurz  vor 
oder  während  des  Laubfalles  im  Blattg-elenke  vor  sich  gehenden 
Veränderungeu,  Dies  war  auch  in  der  grundlegenden  Arbeit 
H.  V.  Mohl's*  der  Fall.  Die  Physiologie  des  Laubfalles  jedoch 
ist  meines  Wissens  nur  ein  einziges  Mal  mit  Erfolg  in  Angriff 
genommen  worden,  und  zwar  von  Wiesner^ 

Wir  werden  im  Laufe  der  eigenen  Untersuchungen  vielfach 
Gelegenheit  haben,  auf  die  zahlreichen  von  dem  genannten 
Forscher  festgestellten  Thatsaehen  zurückzukommen,  hier  sei  nur 
bemerkt,  dass  Wiesner's  Experimente  sich  ausschliesslich  auf 
die  herbstliche  Entlaubung  der  Holzgewächse  beziehen,  die  Frage 
nach  den  Ursachen  des  Laubfalles  überhaupt  hiebei  jedoch  noch 
nicht  in  Betracht  kam.  Diese  Frage,  wenn  auch  nicht  in  ihrem 
ganzen  Umfange,  so  doch  theilweise  ihrer  Lösung  entgegenzii- 
führen,  schien  mir  eine  dankbare  Aufgabe,  dies  um  so  mehr,  als 
wir  ja  bis  heute  über  ganz  naheliegende  Dinge,  wie  über  den 
Einfluss  des  Lichtabschhisses,  der  gesteigerten  Transspiration,  der 
mangelhaften  Wasserzufuhr,  des  Sauerstoffes  u.  s.  w.,  auf  den 
Laubfall  entweder  gar  nicht  oder  nur  ganz  oberflächlich  unter- 
richtet sind.  Einen  historischen  Abriss  über  die  Lehre  vom  Laub- 


1  Über  die  anatomischen  Veränderungen  des  lilattgelenkes,  welche 
das  Abfallen  der  lilätter  herbc^iführen.  Bot.  Zeitg.  1860. 

-  Untersuchungen  über  die  herbstliche  Entlaubung  der  Holzgewächse. 
Sitzber.  d.  k.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Wien,  1S71. 


üntersuchuugen  über  Laubfall.  149 

fall  zu  bringen,  halte  ich  für  überflüssig-,  da  Mo  hl  und  Wiesner 
in  den  beiden  vorher  genannten  »Schriften  darüljer  ausführlich 
berichten  und  ich  ohnedies  auf  ältere  Untersuchungen,  soweit  sie 
mit  den  folgenden  verknüpft  sind,  stets  zurückgreifen  werde. 

I. 

Bemerkungen  zum  Laubfall  bei  gehemmter  Transspiration, 
Es  ist  eine  namentlich  von  Wiesner  durch  genaue  Ver- 
suche vollkommen  erwiesene  Thatsache,  dass  Zweige  unserer  Holz- 
gewächse, in  einen  mit  Wasserdampf  gesättigten  Raum  gebracht, 
ihre  Blätter  nach  mehreren  Tagen  abwerfen.^  Wiesner's  dies- 
bezügliche Versuche  beziehen  sich  durchwegs  auf  in  ziemlich 
trockener  Luft  vorkommende,  an  starke  Transspiration  gewöhnte 
einheimische  Holzgewächse.  Ob  auch  andere  Pflanzen  mit  fal- 
lenden Blättern,  ob  beispielsweise  Pflanzen,  welche  von  Natur  aus 
feuchte  Luft  lieben  und  für  gewöhnlich  wenig  transspirireu,  bei 
vollständiger  Hemmung  der  Transspiration  ebenfalls  ihr  Laub 
abwerfen,  wurde  bisher  nicht  geprüft.  Das  prächtige  Gedeihen 
der  Warmhauspflanzen  in  einer  an  Wasserdampf  so  reichen 
Atmosphäre,  die  üppige  Entfaltung  von  Croton,  Ardisia,  Fi'cus 
elastica  und  vielen  anderen  Pflanzen  in  geschlossenen  feuchten 
Mistbeeten  Hess  auf  das  Bestimmteste  vermuthen,  das  viele  der- 
selben auch  in  völlig  dunstgesättigtemPaume  ihreBlätter  behalten 
werden.  Dies  ist  auch  thatsächlich  der  Fall.  Ich  habe  seit  drei 
Monaten,  Coleushybriden,  Goldfussia  isophylla,  Boehmeria  argentea 
unter  mit  feuchtem  Sande  abgesperrten  Glasglocken  bei  voll- 
ständig unterdrückter  Verdunstung  stehen,  ohne  eine  Ablösung 
der  Blätter  zu  bemerken.  Die  Pflanzen  wuchsen  bedeutend, 
bildeten  neue,  allerdings  kleinere  Blätter  und  behielten  die  alten. 
Derartige  Pflanzen  verhalten  sich  demnach  in  absolut  feuchtem 
Eaume  ganz  anderes  als  unsere  Holzgewächse  oder,  allgemeiner 
gesagt,  als  die  stark  transspirirenden ,  in  verhältnissmässig 
trockener  Luft  lebenden  Pflanzen  und  es  wäre  weit  gefehlt,  wollte 
mau  die  mit  letzteren  erhaltenen  Resultate  auf  die  ersteren  über- 
tragen. 


1  Wiesner,  1.  c.  p.  37  etc.  Unter  denselben  Becling-ungen  lösen  sich 
nach  meinen  Beobachtungen  auch  die  Internodien  von  Ephedra  graeca  und 
Viscum  albnm  von  einander  ab.  * 


150  M  ()  li  s  c  h, 

II. 

Einfluss  der  gesteigerten  Trans spiration  und  der  mangelhaften 
Wasserzufuhr  auf  den  Blattfall, 

Im  vorigen  Capitel  ist  darauf  hingewiesen  worden,  dass  viele 
Pflanzen,  wenn  sie  aus  einem  verhiiltnissmässig  trockenen  Räume 
in  einen  sehr  feuchten  gebracht  werden,  ihre  Blätter  abwerfen ; 
hier  soll  nun  gezeigt  werden,  dass  derselbe  Effect  erzielt  wird, 
wofern  man  Pflanzen  aus  recht  feuchter  Luft  in  trockene  bringt, 
sie  also  einer  gesteigerten  Transspiratiou  aussetzt. 

Diese  Erscheinung  ist  namentlich  im  Kreise  der  Pflanzen- 
zUchter  nicht  ganz  unbekannt,  sie  hat  jedoch  meines  Wissens  von 
wissenschaftlicher  Seite  eine  genauere  Prüfung  bisher  nicht 
erfahren. 

Wenn  der  eben  angedeutete  Versuch  gelingen  soll,  dann 
darf  der  Wechsel  der  Luftfeuchtigkeit  nicht  ein  allzu  schroffer 
sein,  d.  h.  es  darf  die  Transspiratiou  nicht  plötzlich  allzu  sehr 
gesteigert  und  die  Wasserzufuhr  nicht  vollends  unterbrochen 
werden.  Ja  es  genügt  in  der  Regel  die  momentane  Unterbrechung 
der  Wasserzuleitung  bei  ungeänderten  Transspirationsverhält- 
nissen  allein,  um  das  Gelingen  des  Versuches  vollends  zu  ver- 
eiteln. So  erklärt  es  sich,  warum  beispielsweise  durch  Sturm  oder 
sonst  wie  im  Walde  abgebrochene  Zweige  ihre  rasch  welkenden 
und  eintrocknenden  Blätter  behalten.  Das  Verhalten  derartiger 
Zweige  ist  auch  ganz  natürlich  und  begreiflich,  wenn  man  bedenkt, 
dass  sich  die  Ablösung  der  Blätter  nur  unter  Intervention  der 
sogenannten  Trennungsschichte  im  Blattgrunde  vollziehen  kann, 
eine  solche  aber  wegen  der  allzu  vaschen  Eintrocknung  des 
Blattes  nicht  zur  Ausbildung  kommt.  Legt  man  jedoch  abge- 
schnittene Sprosse  unserer  Holzgewächse  in  ziemlich  feuchte  Luft, 
etwa  auf  den  feuchten  Sand  eines  Warmhauses,  so  welken  sie, 
obwohl  von  jeder  Wasserzufuhr  entblösst,  nur  sehr  langsam  und 
verlieren  viele  ihrer  Blätter. 

Dagegen  werfen  abgeschnittene  Zweige  von 
Pflanzen,  welche  ihrer  Organisation  wegen  auf- 
fallend langsam  transspiriren,  selbst  in  verhältniss- 
mässig  trockener  Zimmerluft  liegend,  ihre  Blätter  nach 
und  nach  ab.  Ein»solches  Verhalten  zeigen  viele  Succulenten,  z.  B. 


Untersuchnngen  über  Laiil»f;ill.  151 

Sprosse  von  Crnssula  oblifjiiu,  Echei^eria-Avteu,  Pcpero/n'a  tricho- 
carpai\  ferner  Befjonia-Avten.  Pereskia  acideafa,  Ahies  perthiafa, 
Äbies  excelsa  und  die  an  den  Sclieinknollen  haftenden  Blätter 
vieler  Orchideen  [Xylobium  squalens,  Coelogyne  cristata  Lindl., 
Oiicifliimi  microphylhmi  etc.).  Viele  von  diesen  Zw^eig-en  bleiben 
länger  als  einen  Monat,  Crassnla  obligna  sogar  länger  als  3  Monate 
am  Leben.  Während  dieser  Zeit  beginnen  die  Blätter  und  zw^ar 
die  untersten  zuerst  zu  schrumpfen  und  fallen  schliesslich  ab.  * 
Crass)fla-ZwG\gG  zerfallen  überdies  durch  Lostrennung  einzelner 
Internodien  von  einander  in  mehrere  Stücke. 

Bei  Pelargoninm  zonale  kommt  es  unter  obigen  Verhält- 
nissen innerhalb  2 — 3  Wochen  zur  Ausbildung  von  Trennungs- 
schichten, aber  die  inzv^ischen  vertrockneten  Blätter  bleiben, 
wenn  auch  nur  lose,  haften.  Unter  Wasser  getaucht  lösen  sie  sich 
offenbar  in  Folge  einer  plötzlichen  Tiirgorsteigerung-  in  der 
Trennunjgszone  binnen  wenigen  Stunden  ab. 

Wie  sehr  gesteigerte  Transspiration  besonders  in  Verbindung- 
mit  verminderter  Wasserzufuhr  die  Entlaubung  vieler  Gewächse 
bedingt,  dies  tritt  in  besonders  auffallender  Weise  bei  jenen 
Pflanzen  hervor,  welche  eine  feuchte  Atmosphäre  lieben,  z.  B.  bei 
Warmhauspflanzen.  Ein  sehr  geeignetes  Versuchsobject  in  dieser 
Richtung  ist  Boehmeria  urgenten. 

Versuch.  Von  einem  im  feuchten  Warmhaus  befindlichen 
Stocke  dieser  Pflanze  wurden  zwei  möglichst  gleiche  Zweige  ab- 
geschnitten, beide  mit  ihrer  Basis  (Schnittfläche)  ins  Wasser 
getaucht,  der  eine  {Ä)  bei  der  Mutterpflanze  im  Warmhause 
belassen,  der  andere  {B)  jedoch  in  dem  ebenso  warmen,  aber 
trockenen  Experimentirraum  ^  aufgestellt.  Feuchtigkeit  im  Warm- 
hause =:  82—85,  F.  im  Exper.  =  56—68  Temp.  23—26°  C. 

Nach  6  Stunden  begann  Zweig-  B  zu  welken,  nach  24  Stunden 
waren  die  Blätter  ziemlich  schlaff.  Nach  2  Tagen  fielen  5  Blätter 
von  selbst,  7  bei  der  leisesten  Erschütterung  ab.  Das  jüngste  und 
das  älteste  zufällio-  unter  Wasser  tauchende  Blatt^  verblieb  auf 


1  Bei  Erica  nur  die  ältesten. 

-  In  diesem,  zum  Gewächshause  des  pflanzenphysiologischen  Insti- 
tutes gehörigen  Räume  wurden  fast  alle  meine  Versuche  ausgeführt. 

3  Die  Erscheinung,  dass  imtergetauchte  Blätter  erst  nach  langer  Zeit 
abfallen,  ist  auf  pag.  171  etc.  ausführlich  besprochen. 


152 


M  0  1  i  s  c  h, 


dem  Zweige.  Der  zweite,  im  Warmhause  nlso  unter  normalen 
Verhältnissen  befindliche  Spross  (ß)  blieb  beständig-  frisch,  schlug 
an  der  unteren  untergetauchten  Stengelpartie  Wurzel  und  verlor 
selbst  nach  vielen  Wochen  kein  einziges  Blatt.  Sprosse  von 
Impatiens  Snltani,  GoMfussia  isophylla,  G.  fjlomeruta,  Ruellia 
ockroleuca,  Hlhiscns  puniceus,  Croton- Arten,  Poinsettia  sp.  zeigten 
als  sie  demselben  Versuche  unterworfen  wurden,  ein  im  Wesent- 
lichen gleiches  Verhalten.  Innerhalb  1 — 2  Wochen  verloren  die 
im  trockenen  Kaume  befindlichen  Zweige  die  Mehrzahl  ihrer 
Blätter,  während  die  im  Warmhause  belassenen  ihre  turgescenten 
Blätter  insgesammt  behielten  und  sich  gleichfalls  nicht  selten 
bewurzelten. 

Bemerkenswerth  ist,  dass  derartige  Zweige  in  trockener 
Luft  anfänglich  stark  welken,  dann  aber,  nachdem  sie  die  ältesten 
und  älteren  Blätter  abgeworfen,  sich  wieder  erholen.  Anfänglich 
wird  eben  in  Folge  der  grossen  verdunstenden  Oberfläche  bei 
Weitem  mehr  Wasser  abgegeben  als  aufgenommen.  Daher  das 
Welken.  Später  wird,  sobald  durch  die  theilweise  Entlaubung  das 
richtige  Verhältniss  zwischen  Transpiration  und  Wasseraufnahme 
wiederhergestellt  ist,  der  Spross  wieder  frisch  und  behält  sogar 
für  lauge  Zeit  seine  jüngeren  nunmehr  turgescenten  Blätter. 

Versuche  mit  bewurzelten  Pflauzeu. 

1.  Eine  dem  feuchten  Wariiihause  (Fr=  83 — 87)  entnommene 
Begoniu  insigitis  (kräftige  Pflanze  mit  22  Blättern)  wurde  im 
trockenen  Experimentirraume  aufgestellt  und  von  nun  an  nicht 
mehr  begossen.  Feuchtigkeit  im  Warmhause  81 — 85,  Feucht, 
im  Exp.  70—75,  Temp.  in  beiden  17—20°  C. 


Vcrsiichs- 

dauer 
nach  Taffcii 


Zahl  der 

abgefallenen 

Blätter 


Anmerkung 


Nach    1 

:.         4 

,,  7 

„  12 

„  17 

.  20 


2 
6 
8 
9 
13 
18 


Pflanze  welk, 
l  Zweige  hängen 
)  schlaff  abwärts. 


Uiitersuchurigeii  über  Laubfall.  153 

2.  Zwei  im  leuchten  Warmhause  erwachsene ,  je  mit 
8  Blättern  versehene  Colens  wurden  im  trockenen  Raame 
gesteigerter  Transspiration  ausgesetzt.  Die  eine  Pflanze  (Ä)  wurde 
von  jetzt  an  gar  nicht  mehr  begossen,  die  andere  (F)  jedoch  regel- 
mässig. Sonst  Alles  wie  vorher. 

A  Hess  schon  nach  5  Tagen  fünf  ihrer  ältesten  Blätter  fallen, 
B  eben  so  viele,  aber  erst  nach  21  Tagen.  Es  bedurfte  mithin 
im  letzteren  Falle,  wo  nur  starke  Transspiration  im  Spiele  war, 
viel  längerer  Zeit,  um  die  Blätter  zum  Fallen  zu  bringen,  als  im 
ersteren  Falle,  wo  neben  intensiver  Verdunstung  auch  noch 
mangelhafte  Wasserzufuhr  mitwirkte. 

3.  Ich  stellte  5  kräftige  an  die  Atmosphäre  des  Warmhauses 
gewöhnte  Cro^//-Bäumcheu  (50 — 150  Ctm.  hoch)  in  den  trockenen 
Raum.  Feuchtigkeit  und  Temperatur  wie  vorher.  Die  Erde  der 
Pflanzen  wurde  während  der  ganzen  Versuclisdauer  möglichst 
gleichmässig  feucht  gehalten. 

Innerhalb  drei  Wochen  waren  alle  Bäumchen  in  Folge  der 
gesteigerten  Transspiration  fast  vollständig  entblättert.  Die  eben 
angeführten  Versuche  beweisen  zur  Genüge,  dass  Pflanzen, 
welche  in  feuchter  Luft  zu  leben  gewöhnt  sind,  ihre 
Blätter  theilweise  oder  völlig  abwerfen,  sobald  sie 
trockener  Luft  oder  ungenügender  Wasserzufuhr  oder 
beiden  zugleich  ausgesetzt  werden  ^  Vom  biologischen 
Standpunkte  ist  diese  Erscheinung  sehr  verständlich,  die  Pflanze 
sucht  eben  in  Zeiten  der  Wassernoth  ihre  verdunstende  Oberfläche 
durch  Abstossen  der  Blätter  möglichst  zu  verkleinern,  um  Stengel 
und  Knospen  vor  völligem  Austrocknen  zu  bewahren. 

Da  es  eigentlich  bei  dieser  Art  des  Blatt  falls  meiner  Ansicht 
nach  nur  darauf  ankommt,  den  Wassergehalt  der  ganzen  Pflanzen 


1  Es  scheint  uiir  nicht  unwichtig,  darauf  hinzuweisen,  dass  viele 
solcher  Pflanzen  auch  in  verhältnissmässig  trockener  Luft  ihre  Blätter 
behalten  können,  wenn  sie  an  diese  ganz  allmählich  gewöhnt  werden. 
Bei  dieser  von  Gärtnern  mit  grossem  Geschick  betriebenen  ..Abhärtung" 
werden  die  anfänglich  zarten  und  weichen  Blätter  derb,  die  Transspirations- 
widerstände  werden  durch  starke  Cuticularisirung  der  Membranen 
bedeutend  grösser,  kurz  die  Pflanzen  passen  sich  den  neuen  Verhältnissen 
au  und  gedeihen,  selbst  im  freien  Lande  und  bei  starker  Besonnung,  ganz 
ausgezeichnet.  (Begonin,  Abutilon,  Colcus,  Pici/s  elaslica  etc.) 


154  M  0 1  i  s  c  h,  , 

und  somit  auch  der  Blattgelenke  auf  ein  gewisses  Minimum 
herabzusetzen,  so  müssen  auch  nicht  immer  beide  Ursachen 
zusammenwirken^  es  genügt  schon  oft  eine. 

Soviel  über  Warmhauspflanzen^  und  wir  gehen  nun  zu 
Gewächsen  über,  welche  gerade  keine  feuchte  Atmosphäre  lieben. 
Da  sei  denn  gleich  bemerkt,  dass  solche  Pflanzen  in  trockenem 
Räume,  falls  ihnen  dauernd  kein  Wasser  geboten  wird,  nur  ihre 
ältesten  Blätter  abwerfen,  die  übrigen  aber  beibehalten.  Die 
letzteren  welken,  schrumpfen,  verfärben  sich  häufig,  aber  sie  sitzen 
am  Zweige  fest. 

Es  gelingt  jedoch  in  überraschend  kurzer  Zeit  alle  oder  die 
Mehrzahl  der  Blätter  zu  Falle  zu  bringen ,  sobald  man  die 
abgewelkte  und  in  trockener  Erde  stehende  Pflanze  plötzlich  so 
reichlich  mit  Wasser  versieht,  dass  der  Boden  völlig  durchnässt 
wird.  Ich  verdanke  die  Kenntniss  dieser  höchst  interessanten 
Thatsache  einer  privaten  Mittheilnng  des  Herrn  Prof.  Wiesner, 
der  im  Jahre  1881  darüber  eine  Reihe  von  Versuchen  machte  und 
mir  seine  Aufzeichnungen  gütigst  zur  Verfügung  stellte.^  Ich 
erlaube  mir  aus  denselben  folgende  zwei  Versuche  dem  Wortlaute 
nach  hervorznheben. 

a)  .,Eine  im  Blühen  befindliche  Azalea  iiulicn  wurde  im 
trockenen  Räume  stehen  gelassen  und  nicht  begossen,  bis 
die  Blätter  ganz  welk  wurden.  Hierauf  wurden  die  Wurzeln 
durch  Begiessen  der  Erde  stark  angenässt  und  die  Pflanze 
im  trockenen  Ra.ume(Zimmer)belassen.  Nach  einigen  Stunden 
war  die  Pflanze  entblättert. 

b)  Eine  ebensolche  Pflanze  wurde  stets  bis  zum  Welkwerden 
stehen  gelassen  und  hierauf  nicht  nur  der  Boden,  sondern 
auch  die  Blätter  durch  Besprengen  feucht  gehalten.  Die  Ent- 
blätterung trat  noch  früher  als  bei  («)  ein. 

Genau  so  verhalten  sich  auch  abgeschnittene  Zweige." 
Aus   diesen  Versuchen   schloss  Wiesner  mit  Recht,   dass 
eine  plötzliche  Turgorsteigerung  die  Zellen  der  Trennungsschichte 
zum  Auseinanderweiclien  und  das  Blatt  hiedurch  zum  Abfallen 
bringe. 


1  Hicfür  sowie  tür  die  vi(;U';iche  Auregung-,  die  mir  lueiu  hochver- 
ehrter Lehrer  Herr  Prof.  Dr.  .Julius  Wiesner  bei  der  Ausführung  dieser 
Arbeit  zutheil  werden  Hess,  sage  ich  meinen  besten  Dank. 


Uiitersnchungeü  über  Laubfall.  lo& 

Ich  wiederholte  diese  Versuche  mit  Azalea  indicu,  Evonymus 
japotncits,  Fnchsia  (Hybride),  La/ttana  sp.,  Goldfnssia  isophylla, 
Mimosa  pudica,  Ficus  elastica^  und  gelaugte  imWeseiitlicheu  gauz 
zu  demselben  Resultate;  Unterschiede  traten  nur  insoferue  ein, 
als  in  vielen  Fällen  die  Entlaubung  zwar  schon  einige  Stunden 
nach  der  Bewässerung  mid  Besprengung  anlmb,  bis  zu  ihrer 
Vollendung  jedoch  1 — 2  Tage  und  mehr  verflossen.  Auch  blieben 
die  jüngsten  Blätter  von  der  Ablösung  häufig  verschont,  Folgender 
Versuch  mit  Evonymus  japonicus  sei  hier  mitgetheilt. 

Ein  dem  Freien  entnommenes  Exemplar  wurde  in  dem 
gewöhnlichen  Versuchsraume  aufgestellt  und  durch  14  Tage 
nicht  begossen.  Während  dieser  Zeit  waren  8  Blätter  abgefallen, 
die  anderen  sehr  welk  geworden,  manche  sogar  dem  Vertrocknen 
nahe.  Nun  wurde  reichlich  begossen,  Kach  24  Stunden  fielen  75, 
nach  weiteren  24  Stunden  77  und  Tags  darauf  die  übrigen  46, 
also  innerhalb  3  Tagen  198  Blätter  ab.  Jetzt  war  die  Pflanze  kahl. 

Ich  habe  mich  bei  dieser  Pflanze ,  sowie  auch  bei  den 
anderen  durch  mikroskopische  Prüfung  der  Blattgelenke  über- 
zeugt, dass  bei  jenen  Blättern,  welche  noch  keine  Trennungs- 
schichte besitzen,  diese  während  des  lang  andauernden  Welkens 
angelegt  und  schliesslich  fertig  gebildet  wird.  Offenbar  ist  bei 
dem  sehr  geringen  Wassergehalte  der  ganzen  Pflanze  auch  die 
Trennungsschichte  sehr  wasserarm  und  wir  dürfen  uns  daher 
auch  gar  nicht  wundern,  wenn  die  Zellen  der  genannten  Schichte 
in  ihrem  turgorlosenZustaude  nicht  fungiren.  In  der  Zeit  nun,  wenn 
den  Blättern  reichlich  Wasser  geboten  wird,  nehmen  die  Ele- 
mente der  Trennungsschichte  in  Folge  ihres  Plasmareichthums 
und  hohen  endosmotischen  Aequivalents   reichlich  Wasser  auf, 

1  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  bemerkt,  dass  Eiipatorium  adenophorum 
Sprgi.,  eine  bei  uns  in  Glashäusern  häufig  gezogene  Composite,  ihre 
Blätter,  obwohl  sie  mehrjährig  und  von  holziger  Beschaffenheit  ist,  über- 
haupt nicht  abwirft.  Die  alten  Blätter  vertrocknen,  bleiben  aber  lange  Zeit 
haften.  Ich  habe  an  dreijährigen  Zweigen  vertrocknete  und  noch  immer 
festsitzende  Blattstiele  gefunden.  —  Die  Blätter  lösen  sich  von  den  Spros- 
sen auch  nicht  ab,  wenn  man  die  Pflanzen  lange  Zeit  nicht  begiesst  und 
hierauf  im  abgewelkten  Zustande  plötzlich  mit  viel  Wasser  versorgt.  Wir 
haben  es  demnach  in  dem  Eiipatorium  mit  einem  dicotylen  Gewächs  zu 
thun,  welches  trotz  seiner  Mehrjährigkeit  nicht  die  Fähigkeit  besitzt, 
Trennungsschichten  zu  bilden.  Dies  ist  umso  auffallender,  als  ja  diese 
Eigenschaft  vielen  krautartigen,  selbst  einjährigenPlanzen,  häufig  zukommt . 


156  Molisch, 

vergrössern  sich  bedeutend,  runden  sicli  ab,  drücken  auf  einander 
und  geben  scbliesslich,  wabrscheinlicb  unter  gleichzeitiger  Auf- 
lösung ihrer  Mittellamellen,  aus  dem  Verbände. 

Es  wurde  schon  früher  angedeutet,  dass  bei  all'  diesen  Ver- 
suchen in  dem  verminderten  Wassergehalte  des  Blattes  und 
Blattgruudes  die  wesentliche  Ursache  der  Bildung  einer  Tren- 
nungsschichte 7Ai  suchen  sei.  Auch  Wiesner  ^  hat  unter  Anderem 
aus  der  Thatsache,  dass  Blätter,  an  deren  Basis  die  Stammrinde 
entfernt  wurde  und  die  in  Folge  dessen  wasserärmer  wurden, 
früher  ihre  Trennungsschichten  bilden,  als  normale,  geschlossen, 
dass  eine  bestimmte  Verminderung  der  Wassermenge  des  Blattes 
zur  Bildung  der  Trennungsschichte  führt.  Wir  können  jetzt  hinzu- 
fügen, nicht  nur  zur  Entstehung  der  Trennungsschichte,  sondern 
häufig  auch  zur  Ablösung  des  Blattes,  entweder  ohne  jedweden 
weiteren  Einfluss,  wie  bei  allen  langsam  transspirirenden  Pflanzen 
^^Succulenten  etc.)  oder  nach  Herbeiführung  einer  raschen  Turgor- 
steigerung. 

Nun  wird  auch  die  von  Wiesner  festgestellte  Thatsache 
vollkommen  verständlich,  wonach  abgeschnittene  und  mit  der 
Sehnittflnche  ins  Wasser  eingestellte  Zweige  gewöhnlicher  Holz- 
gewächse ihre  Blätter  früher  abwerfen,  als  analoge  am  Baume 
verbliebene.^  Solche  im  Wasser  stehende  Zweige  verlieren  be- 
kanntlich nach  den  Untersuchungen  von  de  Vries"^  und 
V.  HöhneP  in  wenigen  Tagen  die  Fähigkeit,  mit  ihrer  Schnitt- 
fläche genügend  Wasser  aufzunehmen  und  verwelken.  Da  aber 
das  langsame  Abwelken,  wie  oben  gezeigt  wurde,  den  Anstoss 
zur  Bildung  der  Mohl'schen  Schichte  und  in  weiterer  Folge  zur 
Ablösung  des  Blattes  gibt,  so  dürfen  wir  uns  nicht  wundern,  wenn 
derartige  Zweige  ihre  Blätter  früher  abstossen,  als  wenn  sie  am 
Baume  verblieben  wären.''  Dass  diese  meine  Erklärung  richtig 
ist,   geht  auch   aus    interessanten  von  Wiesner  herrührenden 

1  1.  c.  \r.ig.  2G. 

-  1.  c.  \nig.  27. 

3  Über  das  Welken  iibgeschiüttener  Sprosse.  Arbeiten  d.  l)ot.  Insti- 
tutes in  Würzbnri^-,  I.  Bd.,  \)Hg.  287  etc. 

•t  P>ot.  Zeit-;:.  1879.  pag.  296  etc. 

5  Gleiches  gilt  auch  von  den  Interuodien  von  Ephedra  graeca,  da  diese 
im  abgewelkten  Zustande  sich  mittelst  Trennungsschichten  ebenfalls  von 
einander  trennen. 


Uutersuchungen  über  Laubfall.  lo7 

Versuchen  hervor,  denen  zufolge  Zweige,  durch  deren  Schnitt- 
wunde Wasser  vermittelst  künstlicher  Druckkraft  eingepresst 
wird,  ihre  Entlaubung  bedeutend  verzögern. ' 

Ähnliche  Bedingungen,  wie  sie  künstlich  in  den  auf  p.  154  bis 
155  angeführten  Experimenten  geschaffen  wurden,  dürften  nicht 
selten  auch  in  der  freien  Natur  zusammentreffen  und  eine  frühzei- 
tige Entlaubung  der  Holzgewächse  zur  Folge  haben.  Allein  es  darf 
die  Austrocknung  des  Bodens  nicht  allzu  rasch  erfolgen  und  nicht 
allzulange  andauern,  sonst  tritt  die  von  Gr.  Kraus^  eingehend 
geschilderte  Sommerdürre  der  Holzgewächse  ein,  welche  bloss 
zur  völligen  Eintrocknung  der  Blätter  und  auch  des  Blattgelenks, 
aber  nicht  zum  Laubfall  führt.  Dies  ist  namentlich  da  der  Fall, 
wo  die  Holzgewächse,  auf  felsigem  Untergrund  und  magerer 
Krume  stehend,  oft  länger  als  einen  Monat  unter  trockenen 
Winden  und  intensiver  Besonnung  zu  leiden  haben  und  lange 
Zeit  vom  Regen  nicht  erfrischt  werden.  Unter  solchen  Umständen 
welkt  das  Blatt  zu  rasch  und  stirbt,  bevor  es  noch  Zeit  gefunden, 
eine  Trennungsschichte  zu  bilden.  Diese  Erklärung  erscheint  mir 
deshalb  richtig,  weil  abgeschnittene  Sprosse  unserer  Holz- 
gewächse, an  der  Luft  liegend,  ihre  vertrockneten  Blätter  gleich- 
falls behalten,  dagegen  bei  langsamen  Welken  in  massig  feuchtem 
Baume  das  Laub  abwerfen  und  ferner,  weil  man  die  Erscheinung 
der  Sommerdürre,  wie  ich  mich  überzeugte,  auch  an  Topfpflanzen 
(Abutilo)i)  hervorrufen  kann,  wenn  man  dieselben  in  einen  sehr 
trockenen  Raum  stellt  und  den  Wurzelballen  sehr  rasch  aus- 
trocknen lässt. 

Auf  mangelhafte  Wasserzufuhr  ist  zweifelsohne  auch  jener 
Blattfall  zurückzuführen,  der  nicht  selten  bei  Grewächsen  auftritt, 
die  aus  dem  freien  Lande  ausgehoben  und  in  Blumentöpfe  ge- 
pflanzt werden.  Die  Gärtner  setzen  sehr  häufig  Abutilon,  Myrten, 
Fuchsien  aus  den  Töpfen  ins  freie  Land,  weil  sie  hier  üppiger 
gedeihen  und  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  eine  befleutende 
Grösse  erreichen.  Werden  nun  die  betreffenden  Pflanzen  im 
Herbste  wieder  eingepflanzt,  dann  wird  natürlicherweise  das 
ganze  Wurzelsystem,  besonders  die  für  die  Wasseraufsaugung  so 


1  1.  c.  pag.  28  etc. 
••;  Bot.  Zeitg.  1873. 


158  Moli  seh, 

wichtigen  feineren  Auszweig'uug-en  empfindlich  geschädig-t.  In 
Folge  dessen  nimmt  die  im  Topfe  befindliche  Pflanze  sehr  wenig 
Wasser  auf,  fängt,  oft  selbst  in  ziemlich  feuchtem  Räume  stehend, 
zu  welken  an  und  wirft  schliesslich,  namentlich,  wenn  die  Aus- 
bildung junger  Wurzeln  länger  auf  sich  warten  lässt,  einen  grossen 
Thcil  des  Laubes  ab.  Ich  habe  Hunderte  von  Myrten  gesehen, 
welche  auf  diese  Weise  ihr  Laub  und  viele  Abutilon,  welche  aus 
gleichen  Gründen  Laub  und  Blüthenknospeu'  verloren  haben. 

Als  ein  hieher  gehöriger  Fall  ist  höchstwahrscheinlich  die 
Schütte  junger  Kiefer  zu  betrachten.  Frank  spricht  sich  über 
dieselbe  in  seinem  Buche  über  Pflanzenkrankheiten  folgender- 
massen  nus:  „Nach  den  vieljährigen,  darüber  angestellten  Beob- 
achtungen Ebermeyer's  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  die  Schütte 
die  Folge  ist  einer  durch  die  warme  Frühjahrssonne  in  den 
Nadeln  angeregten  Verdunstung,  während  gleichzeitig  die 
Wurzeln  in  dem  noch  kalten  Boden  noch  keine  wasseraufsaugende 
Thätigkeit  ausüben,  so  dass  die  Pflanzen,  die  noch  nicht  im  Be- 
sitze eines  sehr  entwickelten  Holzkörpers  sind,  also  selbst  wenig 
Wasser  enthalten,  alsbald  den  Nadeln  keine  genügende  Feuchtig- 
keit mehr  zuführen  können."  Diese  werden  daher  braun  oder  rost- 
braun, vertrocknen  und  fallen  endlich  massenhaft  ab.  ^  —  Ganz 
ähnliche  Ursachen,  wie  bei  der  Schütte  der  Kiefer,  sind  neben 
anderen  meiner  Ansicht  nach  auch  bei  der  herbstlichen  Ent- 
laubung der  Holzgewäclise  im  Spiele,  nur  in  viel  geringerem 
Grade.  Während  der  kühlen  Herbstnächte  wird  sich  sehr  bald 
eine  bedeutende  Abkühlung  des  Bodens  und  bei  dem  Erscheinen 
warmer  Tage  eine  sehr  beträchtliche  Differenz  zwischen  Boden- 
und  Lufttemperatur  einstellen.  Die  Wurzeln  werden  mithin  in  dem 


1  Wie  rasch  sichBlütheu  und  deren  Knospen  bei  geringer  Wasserzufuhr 
und  vcrstärlvter  Transspiratiou  ablösen,  lässt  sich  sehr  schön  au  Begonien 
beobachten.  Eine  im  feuchten  Warmhause  gezogene  Begonia  tuberosa  wurde 
im  ebenso  warmen  geheizten  Zimmei*  aufgestellt  und  nicht  mehr  begossen. 
Innerhalb  G  Tagen  waren  alle  (28)  Blüthen  und  Blütheid-cnospeu  abgefallen. 

-  Damit  soll  durchaus  nicht  gesagt  sein,  dass  das  auffallend  rasche 
Abfallen  der  Kiefeniblätter  (Kurztriebe)  immer  auf  den  obigen  Ursachen 
beruhen  müsse,  denn  es  ist  ja  bekannt,  dass  Fröste  oder  Pilze  dieselbe 
Erscheinung  hervorrufen  können.  Deragemäss  spricht  auch  P.  Sorauer  in 
.seinem  Handbuche  der  Pflanzenkrankheiten  sehr  passend  von  Frostschütte, 
Dürrschütte,  Pilzschütte.    1.  Th.,  2.  xVufl..  Berlin  188G,  p.  332). 


Üutersuclumgeu  über  Laubfall.  159 

kalten  Boden  Wasser  nicht  im  gehörig-en  Verhältnisse  zu  der 
immerhin  noch  lehhaften  Transspiration  aufnehmen,  weshalb  der 
AVasserg-ehalt  des  Baumes  und  Blattes  im  Herbste  um  ein  Be- 
deutendes sinken  muss.^  Hiermit  ist  aber  schon  eine  Ursache 
zur  herbstlichen  Entlaubung-  gegeben. 

III. 

Stagnirende  Bodennässe  als  Ursache  des  Laubfalls. 

Werden  Topfpflanzen  an  ihrem  gewöhnlichen  Standorte  so 
ins  Wasser  gestellt,  dass  der  Topf  mit  seinem  unteren  Theil  einige 
Centimeter  unter  Wasser  taucht,  so  kann  man  nach  längerer  Zeit 
an  vielen  Gewächsen  gleichfalls  eine  vollständige  oder  theilweise 
Entlaubung  hervorrufen.  Bei  den  ang-egebenen  Verhältnissen 
füllen  sich  die  capillaren  Bäume  des  Bodens,  die  Luft  aus  dem- 
selben verdrängend,  alsbald  mit  Wasser  und  gestatten  derselben 
nur  einen  langsamen  und  mangelhaften  Zutritt. 

Die  Erde  wird,  wie  man  sich  mittelst  Lackmuspapier  über- 
zeugen kann,  wahrscheinlich  der  auftretenden  Humussäureu 
wegen  stark  sauer  und  nimmt  einen  ausgesprochen  faulen  Geruch 
an.  Es  darf  daher  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  das  Wurzelsystem 
binnen  einer  bis  wenig-en  Wochen  erkrankt  und  der  Pflanze 
weniger  Wasser  zuführt  als  dies  in  minder  feuchtem  Boden  bei 
gesunden  Wurzeln  der  Fall  wäre,  ja  das  Absterben  der  Wurzeln 
macht  uns  sog-ar  die  Thatsache  verständlich,  dass  Pflanzen,  welche 
stagnirender  Bodennässe  ausgesetzt  sind,  nicht  selten,  zumal  bei 
starker  Transspiration,  welken. 

Die  Versuchspflanzen  wurden  an  ihrem  gewöhnlichen  Orte  im 
Gewächshause  belassen  und  standen  auf  mit  Wasser  (3 — 5  Ctm. 
hoch)  gefüllten  Schalen. 

Coleus  warfen  unter  diesem  Umständen  schon  nach  2  bis 
3  Wochen  ihre  Blätter  vollständig  ab,  ebenso  entledigten  sich  in 
dieser  Zeit  Goldfv.ssia  isophylla,   Bef/onia-Arten   und   Boehmcria 


1  Nach  Versuchen  R.  Hurtig's  (Über  die  Vertheilung- der  org.  Sub- 
stanz etc.  in  d.  Unters,  aus  d.  forstbotauischen  Institute  zu  München,  1882, 
IL,  pag.  38  etc.)  ist  der  Wassergehalt  der  Bäume  thatsächlich  im  Oktober 
sehr  gering,  derselbe  sinkt  vom  Sommer  gegen  den  Herbst  zu  und  erreicht 
bei  der  Birke  zur  Zeit  des  Blattfalles  sein  Minimmn. 


160  M  ()  li  s  c  h, 

argentea  vieler  ihrer  Blätter,  Etwas  läng-er  lässt  die  tlieilweise 
Entlaubung-  bei  Erotrynius  japoiiictis  und  Rho(lodeiulro)i  auf  sich 
warten,  bei  Melaleuca  (dha  beschränkte  sich  dieselbe  während 
3  Monate  gar  nur  auf  die  ältesten  Blätter.  Das  Wasser  an  sich 
ist  gewiss  nicht  die  Ursache  dieser  Erscheinung-,  denn  dann  wäre 
es  ja  ganz  unbegreiflich,  warum  die  meisten  Gewächse  in  Nähr- 
lösung-en  (sogenannten  Wasserculturen)  sich  jahrelang  ganz  Wohl- 
befinden. Offenbar  sind  es  die  im  nassen  humösen  Boden  zur 
Geltung  kommenden  Fäulnissprocesse  und  die  Versauerung-  des 
Bodens,  welche  die  Wurzeln  angreifen  und  schliesslich  tödten.  So 
kann  es  kommen,  dass  eine  solche  Pflanze,  obwohl  in  ganz  durch- 
nässter  Erde  stehend,  dennoch  an  Wassermangel  leidet,  zu  welken 
beginnt  und  die  Blätter  abwirft.  Im  Grunde  genommen  hätte  diese 
Art  von  Blattfall,  weil  auf  mangelhafter  Wasserzufuhr  beruhend, 
auch  im  vorigen  Capitel  behandelt  werden  können;  ich  habe  dies 
jedoch  absichtlich  nicht  g-ethan,  weil  in  gewissen  Fällen  wenig- 
stens, neben  der  g-estörten  Wasseraufuahme  noch  etwas  Anderes 
mit  im  Spiele  sein  muss.  Es  fallen  nämlich  bei  Begonia  und  Coleiis 
die  Blätter  nicht  selten  im  anseheinend  ganz  turg;escenten  Zustande 
ab.  Welche  Ursachen  hier  den  Blattfall  einleiten,  ob  geringe  Nähr- 
stoffzufuhr, oder  die  Aufnahme  schädlicher  Stoffe  aus  dem  faulen- 
den Boden  oder  irgend  welche  andere  Momente,  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden. 

Die  verschieden  lange  Zeitdauer,  innerhalb  welcher  Pflanzen 
im  nassen  Boden  ihre  Blätter  verlieren,  dürfte  in  erster  Linie  mit 
der  Empfindlichkeit  der  Wurzeln  gegen  andauernde  Bodennässe  * 
und  mit  ihrer  specifischen  Transspirationsgrösse  im  Zusammen- 
hange stehen. 

Pflanzen,  deren  Wurzeln  in  obiger  Beziehung  sehr  empfind- 
lich sind  und  überdies  stark  transspiriren,  werden  die  Blätter  sehr 
bald  abwerfen,  dagegen  schon  viel  später  solche,  welche  durch 
harte  lederige  Blätter  gegen  rasche  Transspiration  geschützt  sind. 


1  Wie  verschiecleu  diese  Empfiiullichkeit  ist,  geht  deutlich  caiis  der 
bckaniiteu  Thatsache  hervor,  dass  manche  Pflanzen  z.  B.  Cyperus  altenii- 
foliits,  Jiic/iardia  actliioplca  Kth.  und  ^'epcnthe(i-Axi('\\  gerade  dann  am 
besten  gedeihen,  wenn  sie  mit  ihren  Töpfen  in  Wasserschalen  tauchen. 


Untersuchungen  über  Laubfall.  161 

IV. 

Einfluss  des  Lichtabschlusses  auf  den  Laubfall. 

In  seineu  vortrefflichen  Untersuchungen  über  die  herbstliche 
Entlaubung-  kam  Wiesner  zu  dem  Resultate,  dass  die  Herab- 
setzung oder  gänzliche  Hemmung  der  Transspiration  die  Ab- 
lösung der  Blätter  hervorrufe. '  Da  nun  die  Trausspirationsgrösse 
einer  Pflanze  in  hohem  Grade  beeinflusst  w^irdvon  der  Beleuchtung, 
so  zwar,  dass  die  Verdunstung  der  Blätter  sofort  abnimmt,  wenn 
die  Beleuchtung  sinkt,  so  schloss  Wiesner,  dass  der  im  Herbste 
eintretenden  verminderten  Lichtwirkung  gleichfalls  ein  Einfluss 
auf  den  Laubfall  und  zwar  ein  indirecter  zukomme. 

Die  Frage,  ob  Lichtmangel  nicht  auch  ganz  unabhängig  von 
der  Transspiration  für  den  Blattfall  von  Bedeutung  sei,  ist^bisher 
noch  nicht  gestellt  worden.  Sich  darüber  Gewissheit  zu  ver- 
schaffen, konnte  nicht  schwer  fallen.  Es  war  nur  nöthig  zu 
beweisen,  dass  Pflanzen  im  dunstgesättigten  Räume  bei 
Lichtabschluss  ihre  Blätter  früher  verlieren  als  bei  Lichtzutritt. 

Ich  unternahm  es  daher,  speciell  diesen  Gegenstand  und 
sodann  das  Verhalten  verschiedener  Pflanzen  im  Finstern  mit 
Rücksicht  auf  die  Ablösung  der  Blätter  überhaupt  zu  untersuchen; 
dies  erschien  mir  um  so  nothwendiger,  als  hiefür  in  der  Literatur 
gar  keine  experimentellen  Belege  aufzufinden  waren  —  abgesehen 
von  einem  einzigen  von  Vöchting^  herrührenden  Versuch, 
wonach  Blätter  \onHeterocentroti  diversifolium  im  Dunkeln  früher 
abfallen  als  im  Lichte. 

Die  folgenden  Versuche  zerfallen  in  zwei  Gruppen.  In  der 
ersten  {Ä)  befanden  sich  die  Pflanzen  im  dunstgesättigten  Räume. 
Transspiration  war  also  ausgeschlossen.^  In  der  zweiten  (B) 
standen  die  Versuchsobjecte  entweder  auch  unter  geräumigen 
Glasglocken  oder  frei,  beziehungsweise  (bei  Lichtabschluss)   in 


1  1.  c.  pag.  44. 

2  Über  Organbildnng  im  Pflanzenreiche.  Bonn  1878,  I.  Th.,  pag.  232. 

3  Streng  genommen  ist  dies  eigentlich  nicht  wahr,  da  bei  der  langen 
Versuchsdauer  vollständige  Temperaturconstanz  nicht  zu  erzielen,  mithin 
nach  jeder  Condensirung  von  dampfförmigem  Wasser  doch  wieder  schwache 
Transspiration  ermöglicht  ist.  Allein  diese  Transspiration  ist  eine  so 
sch^vftche  imd  kurzwährende,  dass  man  mit  Beruhigung  davon  absehen  kann. 

Sitzt»,  d.  mathem.  naturw.  Cl.  XCHI.  Bd.  I.  Abth.  11 


162 


M  0  1  i  s  c  h. 


einem  grossen  Dunkelkasten,  Im  letzteren  Falle  waren  die 
Gewächse  mehr  normalen  Verhältnissen  unterworfen,  denn  sie 
konnten  transspiriren.  In  Anbetracht  des  grossen  Einflusses,  den 
Feuchtigkeit  und  Lufttrockenheit  auf  den  Blattfall  ausüben,  wurde 
stets  darauf  gesehen  —  und  dies  wird  von  nun  an  bei  allen  Laub- 
fallversuchen geschehen  müssen  —  dass  die  zu  vergleichenden 
Objecte  stets  möglichst  gleicher  Luft-  und  falls  es  sich  um  Topf- 
pflanzen handelte,  auch  gleicher  Bodenfeuchtigkeit  ausgesetzt 
waren, 

A.  Versuche  bei  Ausschluss  der  Transspiration. 

Zwei  gleich  aussehende,  ziemlich  reich  belaubte  Lantanu  sp. 
(Topfpflanzen)  wurden  unter  mit  Wasser  abgesperrten  Glasglocken 
im  Experimentirraum  aufgestellt.  Die  Töpfe  standen  zur  Ver- 
meidung von  Bodennässe  auf  kleinen  Thonpostamenten.  Über  die 
eine  Glocke  wurde  des  Lichtabschlusses  halber  ein  geschwärzter 
Sturz  gestülpt,  Temperatur  17—20°  C. 


Versuchs- 
dauer 
in  Taffeu 


Nach  4 

„  6 

n  12 

«  14 

„  16 

„  18 

.  22 

,,  24 

„  27 


1. 

L((iihin(i  sp. 


Finster 


Zahl  der  abge- 
fallenen Blätter 


2 
5 
11 
12 
17 
24 
31 
89 
41 


Licht 


Zahl  der  abge- 
fallenen Blätter 


Am  27.  Tage  war  die  Finsternisspflanzc  vollständig  kahl, 
wenn  man  von  den  paar  kleinen  etiolirten  Blättchen  absieht,  die 
sich  während  dieser  Zeit  gebildet  hatten.  Die  Lichtpflanze  da- 
gegen war  noch  reich  belaubt. 


Uutersuchimgeu  über  Laubfall. 

2. 

VersuchsbedinguDg-en  dieselben  wie  bei  1. 
Goldfussia   (ßomerata. 


163 


Yersuchs- 

dauer 
in  Tageu 

Finster 

Anmerkung 

Licht 

Zahl  der  abge- 
fallenen Blätter 

Zahl  der  abge- 
fallenen Blätter 

Kach    2 

„     12 
„     15 
„     32 
„     35 

r       37 

'2 
3 
5 
7 

10 
15 

Pflanze  kahl. 

Auch  Inteniodieu 
lösten  sich  ab ! ! 

2 
2 
2 
2 

2 

Zu  gleichem  Resultate  gelaugte  ich  bei  Versucheu  mit 
Pereskia  acnleata  und  abgeschnittenen  Zweigen  von  Mahonia 
Aquifolinm,  Abies  jyectinata,  Ulmus  campestris  und  Philadelphus 
coronarius:  immer  fielen  die  Blätter  im  Finstern  viel  früher  ab  als 
im  Lichte,  woraus  sich  ergibt,  dass  der  Lichtabschluss 
noch  in  anderer  Weise  als  durch  Hemmung  der  Trans- 
spiration  den   Laubfall    im   hohen   Grade   beeinflusst. 

Wie  wirkt  nun  die  Dunkelheit?  Ruft  sie  die  Bildung-  der 
Trennungsschichte  hervor  oder  wirkt  sie  nur  secundär,  indem  sie 
die  Zellen  der  Trennuugsschichte  durch  chemische  Processe, 
etwa  durch  Bildung  organischer  Säuren  ^  aus  dem  Verbände 
bringt?  Oder  wirkt  sie  in  beiderlei  Weise?  Es  ist  mir  wahr- 
scheinlich, dass  das  letzte  der  Fall  ist  und  es  ist  mir  gewiss,  dass 
durch  den  Lichtentzug  der  Anstoss  zur  Ausbildung  der  Trennungs- 
schichte gegeben  wird,  Natürlich  konnte  der  letztere  Punkt  in 

1  Bekanntlich  hat  Wiesner  zuerst  darauf  hingewiesen,  dass  Keim- 
linge und  erwachsene  Pflanzen  im  Finstern  reichlicher  organische  Säuren 
bilden  als  im  Lichte  (Untersuch,  über  d.  Beziehungen  des  Lichtes  zum 
Chlorophyll.  Sitzber.  d.  kais.  Akad.  zu  Wien  1874.  pag.  49)  und  ferner 
darauf,  dass  organische  Säuren  die  Isolirung  der  Zellen  in  der  Trenuungs- 
schichte  besorgen  dürften.  Herbstl.  Entlaubung,  1.  c.  pag.  39. 

11* 


164 


M  o  1  i  s  c  h, 


den  vorherg-ehenden  Versuchen  Dicht  mit  jenen  Gewächsen  ent- 
schieden werden,  welche  im  Lichte  bei  g-eliemniter  Transspiration 
die  Blätter  abwerfen.  Hier  ist  —  so  hätte  man  sagen  können  — 
die  Treunungsschichte  in  Folge  der  unterdrückten  Verdunstung- 
entstanden,  die  Dunkelheit  sorgte  nur  durch  secundäre  Einflüsse 
für  das  raschere  Auseinanderweichen  der  Zellen.  Um  diesem 
Einwand  zu  entgehen,  experimentirte  ich  auch  mit  Goldfnssia 
glomcriäa  und  Pe'rcskia  aculeata,  zweien  Pflanzen,  welche  durch 
zwei  Monate  hindurch  und  länger  im  duustgesättigten,  beleuch- 
teten Eaume  stehen  können,  ohne  Trennungsschichten  zu  bilden, 
geschweige  denn  die  Blätter  abzustossen.  Da  nun  auch  diese 
beiden  ihre  Blätter  im  Finstern  bei  Ausschluss  der  Transspiration 
verloren,  die  belichteten  aber  nicht,  so  ist  damit  der  Beweis  ge- 
liefert, dass  die  Dunkelheit  auch  zur  Bildung  der 
Trennungsschichten  Veranlassung  gibt. 

B.  Die  Versuchsobjecte  transspirirten. 

Versuche] — 4  beziehen  sich  auf  in  Töpfen  cultivirte,   also- 
bewurzelte  Pflanzen. 

1. 
Gingko  biloba. 
Beginn  des  Versuches  5.  October.   Zwei  vierjährige  Bäum- 


chen   wurden    unter 
Temp.  17—20°  C. 


Glasglocken    licht     und    finster    Gestellt. 


Versuclis- 

dauer 
in  Tagen 

r  i  n  s  t  e  r 

Licht 

F 1  =  90—94 

i)'=  91—96 

Zahl  der 

abgefallenen 

Blätter 

Anmerkung 

Zahl  der 

abgefallenen 

Blätter 

Anmerkimg 

Nach  14 
„     15 
„     16 

n       1^» 

2 
6 
6 

8 

Alle  abfallen- 
Blätter  gelb. 

Pflanze  kahl. 

1 
1 

Am  Schlüsse 
des  Versuches 
sind  alle  Blät- 
ter noch  grün. 
Die  Pflanze 
behielt  ihre 
Blätter  bis 
über  den 
lö.  November 
hinaus.     . 

^i<"' bedeutet  in  allen  Tab.  die  r.  Fcuchtii4-keit  des  Vcrsuchsramnes. 


Untersuchungen  über  Laubfall.  IbÖ 

2. 
Fuchsia  hybrida. 
Beginn  des  Versuches   17.  October.   Zwei   kräftige,   kaum 
Yg  m.    hohe    Fuchsien   wurden   wie   vorhin    aufgestellt.    Temp. 
17_20°  C. 


Versuchs - 

dauer 
in  Tagen 

Finster                                     Licht 

F=90— il4 

F=  90—95 

Zahl  der 

abgefallenen 

Blätter 

Anmerkung 

Zahl  der 
abgefalleneu     Anmerkung 
Blätter 

Nach    5 
„       9 
„     U 
.     16 
„     18 
„     20 
„     21 
„     23 
„     26 

3 
13 
25 
34 
42 
48 
50 
60 

Bereits  alle 
Blätter  gelb. 

Pflanze  kahl. 

3 
5 
5 
5 
5 
9 
9 
9 
9 

Nur  einzelne 
Blätter  gelb. 

Pflanze  fast 
im  Vollbe- 
sitze ihrer 
grünenBlätter, 

Percskia  acidcdta. 
Beginn  des  Versuches  28.  September.  Sonst  Alles  wie  vorher, 


Versuchs- 
dauer 
in  Tagen 

Finster 

Licht 

i^=89— 93 

i^=  90—93 

Zahl  der 

abgefallenen 

Blätter 

Anmerkung 

Zahl  der 

abgefallenen 

Blätter 

Anmerkung 

Nach    4 
„     10 

n      13 

..     17 

„     26 
„     29 

1 
2 
3 
4 
6 
7 
8 

Blätter  werden 
meist  gelblich, 
bevor  sie  ab- 
fallen. 

Pflanze  kahl. 

0 

Alle  Blätter 
grün  und  fest 

166  Mo  11  seh, 

4. 

Begonia  ascotiensis. 

Beginn  des  Versuches  3.  October.  Beide  Pflanzen  waren 
unbedeckt,  die  eine  stand  im  Dunkelkasten,  die  andere  im 
Experimentirraum.  Temp.  17 — 20°  C. 


Versuchs- 
dauer 
in  Tagen 

Finster 

Licht 

i^=72  (Mittel) 

F^IO  (Mittel) 

Zahl  der 
abgefallenen     Anmerkung 
Blätter 

Zahl  der 
abgefallenen     Anmerkung 
Blätter 

Nach    2 
„       5 
.       1 
„       8 
«       9 
„     10 

.     11 
„     12 
.     16 

3 
20 
27 
35 
45 
62 
70 
83 
99 

• 

Pflanze  kahl. 

Nun  beginnt 
sie  auch  dieln- 
ternodien  ab- 
zuwerfen. 

2 
2 
2 
2 
2 

Versuche  mit  abgeschnittenen  Zweigen. 

Beginn  des  Versuches  18.  September.  Trennungsschichten 
noch  nicht  angelegt.  Die  zu  vergleichenden  Zweige  waren  von 
demselben  Baum  und  von  möglichst  gleichem  Aussehen.  Temp. 
17_20°  C.  (Tabelle  siehe  pag.  167.) 

Nach  13  Tagen  waren  also  bereits  im  Finstern  im  Ganzen 
20  Blätter  abgefallen,  im  Lichte  jedoch  erst  4.  Am  Schlüsse  des 
Versuches,  also  nach  16  Tagen,  betrug  die  Zahl  der  abgelösten 
Blätter  im  Finstern  26,  im  Lichte  13.  Am  deutlichsten  zeigte 
sich  der  Einfluss  des  Lichtabschlusses  bei  Phüadelphns,  denn 
innerhalb  der  Versuchsdauer  hatte  der  verfinsterte  Zweig  sämmt- 
liche  Blätter  abgeworfen,  der  beleuchtete  dagegen  kein  einziges. 
Ahnliche  Kesultate   ergaben  Versuche   mit  Zweigen  von  Morus 


Untersuchungen  über  Laubfall. 


167 


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168  M  o  1  i  s  c  h, 

Die  verschiedenen  Pflanzenarten  erwiesen  sich  gegen  Licht- 
abschluss  in  ungleichem  Grade  empfindlich.  Manche,  z.  B.  CoIchs, 
die  genannte  Balsamiue,  ferner  Begonien  und  Fuchsien,  werfen, 
zumal  wenn  der  Raum  nicht  sehr  feucht  ist,  schon  nach 
1 — 2  Wochen  die  meisten  ihrer  Blätter  ab;  die  holzigen  Azaleen, 
Lantana  und  Ei-onymus  thun  dies  erst  in  viel  späterer  Zeit:  den 
21.  September  in  den  Dunkelkasten  gestellte  Azalea-,  Rhodo- 
dendron- und^yowi/mMs-Bäumchen  brauchten  nahezu  drei  Monate, 
um  die  Mehrzahl  ihrer  Blätter  abzustossen. 

Die  bei  weitem  grösste  Resistenz  zeigen  in  dieser  Be- 
ziehung einzelne  immergrüne  Coniferen,  z.  B.  Pinns  Laricio 
Poir.,  Podocarpus  und  Taxus  haceata.  Die  letztere  Pflanze 
(bewurzelte  Topfpflanze)  erwies  sich  gegen  viermonatlichen 
Lichtabschluss  (^seit  5.  Octo])er  1885  bis  5.  Februar  1886)  ganz 
unempfindlich.  ^ 

Wenn  ich  alle  Erfahrungen,  die  ich  über  den  Einfluss 
dauernder  Finsterniss  auf  den  Blattfall  gemacht  habe,  über- 
schaue, so  möchte  ich  sagen:  Die  Pflanzen  mit  fallenden  Blättern 
lassen  sich  in  dieser  Hinsicht  in  drei  Kategorien  theilen.  Sehr 
empfindlich  gegen  Lichtmangel  sind  im  Allgemeinen 
stark  transspirirende ,  mit  weichen  Blättern  ver- 
sehene Gewächse  (Coleus,  Fuchsia),  schon  bedeutend 
weniger  reagiren  schwächer  transspirirende  Pflanzen 
mit  lederartigem,  stark  cuticularisirtem  Laub  (Piho- 
dodendron,  Azalea^  Evotiymus,  Buxus)  und  fast  gar  nicht 
empfindlich  die  noch  weniger  Wasser  abgebenden 
immergrünen  Coniferen  (Föhre,  Eibe).^ 

Auch  die  im  Finstern  entstandenen  kleinen  gelben  Blättchen 
fallen  häufig  ab  (Fuchsia,  Evonymus,  Beyonia,  Coleus).  Ab- 
weichend davon  verhält  sich  Pelargonium  zonale,  deren  etiolirte 
Blätter  ziemlich  mächtig  heranwachsen  und  sodann  in  kräftig 
diffuses  Licht  gebracht,  ergrünen  und  haften  bleiben.  Auf  p,  169 
habe  ich  mitgetheilt,  dass  ich  bei  Robinien-  und  Fraxinus-Zweigen 


1  Auch  bei  Ifiug-.sameu  Abwelken  verliert  die  Eibe  ihre  Blätter 
nicht. 

-  Die  viel  lebhafter  traiisspirirenden  anderen  Coniferen,  wie  Gingko, 
Lärche,  Tanne  verhalten  sich  schon  anders;  sie  werfen  im  Finstern  die 
Blätter  ab. 


Untersuchungen  über  Laubfall.  169 

keine  klaren  Resultate  erhalten  habe,  class  deren  Blätter,  gleieh- 
giltig-  ob  beleuchtet  oder  nicht,  entweder  gleichzeitig-  abfielen, 
oder  bald  in  dem  einen,  bald  in  dem  anderen  etwas  früher.  Es 
dürfte  auch  in  diesem  Falle  der  Lichtmangel  seineu  Einfluss  auf 
den  Blattfall  geltend  machen,  derselbe  dürfte  jedoch  hier  durch 
andere  Blattfallursachen  verdeckt  werden.  Verläuft  nämlich  der 
Versuch  unter  Glasglocken,  also  in  ziemlich  feuchtem  Baume, 
dann  ist  durch  die  Herabsetzung  der  Transspiration  auch  beim 
beleuchteten  Sprosse  eine  gerade  bei  diesen  Pflanzen  sehr  wirk- 
same Ursache  der  Entlaubung  gegeben.  Der  Einfluss  der  Fiuster- 
uiss  tritt  mithin  mehr  in  den  Hintergrund  und  wird  so  gut  wie 
verdeckt.  Vollzieht  sich  hingegen  der  Versuch  unter  gewöhn- 
lichen Feuchtigkeitsverhältnissen  in  freier  Luft  oder  im  Zimmer, 
dann  beginnen  die  Zweige,  da  deren  Schnittflächen  ihr  Saugungs- 
vermögen  bald  einbüssen  (vergl.  das  auf  p.  156  Gesagte),  nach 
wenigen  Tagen  schon  zu  verwelken.  In  Folge  dessen  fallen  nach 
den  auf  p.  156  gegebenen  Auseinandersetzungen  auch  von  dem 
belichteten  Zweige  die  Blätter  schon  zu  einer  Zeit  ab,  bevor  die 
durch  die  Dunkelheit  hervorgerufene  Einwirkung  im  Parallel  ver- 
suche zum  Ausdruck  kommen  konnte.  Ich  zweifle  jedoch  nicht, 
dass  diese  letztere  zur  Geltung  gelangen  würde,  wenn  man  mit 
bewurzelten  Robinien  oder  Eschen  den  Versuch  unter  sonst  natür- 
lichen Bedingungen  anstellen  würde. 

Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  bemerken,  dass  langsames 
Welken  —  gleichgiltig  ob  herbeigeführt  durch  gesteigerte  Trans- 
spiration oder  durch  geringe  Wasserzufuhr  —  auf  die  Entlaubung 
viel  energischer  wirkt  als  Lichtmangel.  Dies  gilt  wahrscheinlich 
von  allen  Gewächsen,  besonders  aber  von  jenen,  welche  feuchte 
Atmosphäre  lieben.  Boehmeria  argeiitea,  Goldf'ussla  fjlomerata,  G. 
isophylla,  Chloranthus  erectus  etc.  werfen  die  Blätter  im  dunst- 
gesättigten, finsteren  Räume  oft  erst  nach  einem  Monat  ab,  im 
hellen  trockenen  Räume  dagegen  schon  in  der  Hälfte  der 
Zeit  oder  sogar  noch  früher.  Noch  rascher  kann  man  den  Laub- 
fall hervorrufen,  wenn  man  beide  Factoren,  Wasserentzug  und 
Lichtabschluss  auf  die  Pflanze  gleichzeitig  einwirken  lässt. 

Zum  Schlüsse  dieses  Capitels  sei  noch  ein  Versuch  mit- 
getheilt,  welcher  den  Beweis  liefern  soll,  dass  die  Beeren  von 


170 


M  0  1  i  s  c  h, 


Ligustriim  vulgare  sich  gegen  Lichtabschluss  ganz  so  verhalten 
wie  Blätter. 

Zwei  mit  vielen  reifen  Früchten  besetzte,  möglichst  gleiche 
Zweige  der  genannten  Pflanze  wurden  mit  ihrer  Schnittfläche  ins 
Wasser  eingestellt  und  sodann  mit  Glasglocken  bedeckt.  Zur  Her- 
stellung eines  dunstgesättigten  Raumes  wurden  beide  mit  Wasser 
abgesperrt  und  eine  davon  behufs  Lichtabschlusses  überdies  noch 
mit  einem  schwarzen  Sturz  bedeckt.  Temperatur  16 — 20°  C. 
Versuchsdauer  10. — 18.  October. 


Finster 

Licht 

Versuchsdauer 
in  Tagen 

Zahl  der 

abgefallenen 

Beeren 

Zahl  der 

abgefallenen 

Blätter 

Zahl  der 

abgefallenen 

Beeren 

Zahl  der 

abgefallenen 

Blätter 

Nach  5 

85 

7 

6 



«     <j 

i9 

9 

26 

— 

n       7 

72 

9 

44 

— 

„     8 

77 

Zweig  n 

9 
un  kahl. 

47 

Am  prägnantesten  trat  die  Wirkung  der  Dunkelheit  hervor 
nach  dem  5.  Tage.  Während  dieser  Zeit  waren  im  Finstern  fast 
sechsmal  mehr  Früchte  abgefallen  als  im  Lichte.  Die  abgefallene 
Beere  sitzt  gewöhnlich  auf  einem  kleinen  Stielchen,  an  dessen 
Basis  noch  die  Eeste  der  Trennungsschichte  zu  bemerken  waren. 
Am  8.  Tage  wurde  der  Versuch  unterbrochen,  zu  welcher  Zeit  der 
belichtete  Zweig  noch  viele  Beeren  und  noch  alle  Blätter  hatte. 


V. 

Sauerstoff,  eine  nothwendige  Bedingung  des  Laubfalls. 

Bei   Versuchen    mit  abgeschnittenen  Zweigen   liabe  ich  zu 
wiederholten  Malen  die  Beobachtung  gemacht,  dass  die  untersten 


Uutei'suchimg'en  über  Laubfall.  171 

zufällig  unter  Wasser  befiudlicben  Blätter  eines  Spros- 
ses meistens  viel  später  abfielen  als  die  oberen  in 
Luft  befindliehen.'  Dies  musste  umsomehr  auffallen,  als  ja 
unter  normalen  Verhältnissen  in  der  Regel  die  ältesten  Blätter 
sich  stets  zuerst  ablösen.  ^ 

Höchst  anschaulich  lässt  sich  das  Gesagte  an  Gabelzweigen 
des  ersten  besten  Holzgewächses  demonstriren.  Fixirt  man  einen 
Gabelspross  derartig,  dass  der  eineZweig  unterWasser  taucht,  der 
Schwesterzweig  sich  im  dunstgesättigten  Räume  befindet,  so  fallen 
die  Blätter  des  Luftzweiges  stets  früher  ab  als  die  des  Wasser- 
zweiges. 

Ich  prüfte  in  dieser  Weise  Sprosse  von  Syringa  vulgaris,  Li- 
f/i(strum  vulgare,  Frax'mus  excelsior,  Vifis  viiiifera.  Acer  cam- 
pesfre,  Prunus  avium,  Coruus  mas,  C.  sanguinea,  Corylus  Avellana, 
Philadel phus  coronarius,  Symphoricarpus  racemosus,  Kerria 
japonica,  Evonymus  japonicus,  Bhamnus  alpiuus,  Azalea  iudica 
und  Fuchsia  —  immer  mit  demselben  Erfolg. 

Und  die  Ursache  dieser  Erscheinung?  Die  Berührung  mit 
Wasser  konnte  es  wohl  nicht  sein,  weil  ja  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  die  Blätter  auch  unter  Wasser  abfallen,  nur  bedeutend 
später  als  in  Luft,  die  durch  das  Untertauchen  hervorgerufene 
Hemmung  der  Trausspiration  ebenfalls  nicht,  da  diese  den  Laubfall 
bei  den  eben  angeführten  Pflanzen  gerade  herbeiführen  sollte. 

Ich  kam  alsbald  auf  die  Vermuthung,  dass  der  unter  Wasser 
erschwerte  Luft-  beziehungsweise  Sauerstofifzutritt  die  Ausbildung 
der  Trennungsschichte  erschweren  und  hiedurch  den  Blattfall 
verzögern  dürfte.  Wäre  diese  Vermuthung  richtig,  dann  müssten 
Zweige  im  sauerstoflfreichen  Wasser  ihre  Blätter  viel  früher  ver- 
lieren als  im  sauerstoffarmen,  ferner  müsste,  falls  Sauerstoff  für 
den  Laubfall  von  wesentlicher  Bedeutung  ist,  im  sauerstofiffreieu 
Räume  der  Blattfall  unterbleiben.  Dies  ist  nun  thatsächlich 
der  Fall. 


1  Mitunter  lösen  sich  —  und  dies  ist  gewöhnlich  bei  solchen  Sprossen 
der  Fall,  deren  Blätter  im  absolut  feuchten  Räume  sehr  lange  haften  blei- 
ben (Tanne)  —  die  Blätter  unter  Wasser  früher  ab  als  die  in  der  Luft.  Diese 
Erscheinung  ist  jedoch  ganz  anderer  Natur,  denn  sie  beruht  einfach  auf 
dem  Abfaulen  der  Blätter  vom  Stamme. 

-'  Vgl.  Wiesner  1.  c.  pag.  20. 


172 


M  0  1  i  s  c  b . 


Den  5.  November  wurde  je  ein  Zweig  von  Fuchsia  hybrida, 
Ligustrnm  vulgare,  Baccharis  sp.  in  einer  mit  ausgekochtem  und 
selbstverständlicli  abgekühltem  Brunnenwasser  gefüllten  Glas- 
wanne untergetaucht.  Durch  Bedecken  des  Wassers  mit  einer 
etwa  2  Mm.  dicken  Olivenölschichte  wurde  der  Luftzutritt  mög- 
lichst gehemmt.  In  einer  zweiten  Wanne  tauchten  analoge  Sprosse 
in  gewöhnliches  Wasser,  durch  welches  ausserdem  während  der 
hellen  Tagesstunden  ein  langsamer,  aber  continuirlicher  Blasen- 
strom von  atmosphärischer  Luft  geleitet  wurde.  Temperatur  16 
bis  20°  C. 

Das  Wasser  wurde,  um  das  Faulen  der  Blätter  zu  verhin- 
dern, alle  drei  Tage  gewechselt.  Geschieht  dies  nicht,  dann 
erhält  man  ganz  unklare  Resultate,  da  die  Blätter  an  ihrem 
Grunde  sich  in  Folge  einer  durch  Fäulniss  hervorgerufenen 
Maceration  ablösen. 


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Im  sauerstoffariueii  Wasser 

Im  sauerstoflfreichen  Wasser 

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Fuchsia 

Baccharis 

Ligustrum 

Fuchsia 

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1 

11 

14 

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Die  vorstehende  Tabelle  zeigt  wohl  zur  Genüge,  wie  durch 
gehemmten  Sauerstoffzutritt  der  Blattfall  unter  Was- 
ser verzögert,  durch  reichlichen  Zutritt  dagegen 
gefördert  wird. 

Es  soll  nun  noch  der  Nachweis  erbracht  werden,  dass  in 
sauerstofffreier  Luft  eine  Ablösung  der  Blätter  überhaupt  nicht 
erfolgt.  Zu  diesem  Zwecke  ging  ich  folgendermassen  vor. 


Untersuchungen  über  Laubfall.  173 

In  eine  grosse  (20  Ctm.  lange,  3  Ctm.  breite)  Eprouvette 
wurde  ein  kurzer  beblätterter  Zweig  von  Azalea  iudica  oder 
Abutilon  Danoinu  möglichst  weit  eingeschoben,  die  Eprouvette 
mit  ihrer  Mündung  nach  unten  in  ein  schmales  cylindrisches 
Gefäss  (sogenanntes  Lapisglas)  gestellt  und  durch  Kork  fixirt. 
Hierauf  schüttete  ich  1-5  Grm.  feste  Pyrogallussäure  auf  den 
Boden  des  Lapisglases,  goss  60  cm^  Kalilauge  vom  specifischen 
Gewichte  1-050^  darauf  und  stürzte,  um  das  Ganze  mit  einem 
möglichst  kleinen  Luftvolum  zu  umgeben,  einen  schmalen,  mit 
Wasser  abgeschlossenen  Glascylinder  darüber.  Die  Pyrogallus- 
säure löst  sich  unter  Braunwerden  fast  momentan  in  der  Kali- 
lauge auf,  gelangt  in  die  Eprouvette  und  kann  hier  durch  vor- 
sichtige Neigung  derselben  sehr  leicht  auf  ein  höheres  Niveau 
als  ausserhalb  (im  Lapisglas)  gebracht  werden.  Einige  Zeit  darauf 
fängt  die  inzAvischen  ganz  dunkel  gewordene  Pyrogallussäure  in 
der  Eprouvette  an  zu  steigen  und  bleibt,  wenn  schliesslich  aller 
Sauerstoff  absorbirt  ist,  stehen.  Von  diesem  Augenblicke  an 
befindet  sich  der  Spross  im  sauerstofffreien  Räume.  Als  Parallel- 
versuch stellt  man  eine  mit  einem  analogen  Zweige  versehene 
Eprouvette  daneben  auf  und  sperrt  dieselbe  nur  mit  einer  dünnen 
Wasserschichte  ab.  Durch  täglich  1 — 2  mal  stattfindendes  Empor- 
heben konnte  die  Luft  in  dieser  Eprouvette  wieder  erneuert 
werden.  Sodann  wurde  das  Ganze  im  Dunkelkasten  bei  einer 
Temperatur  von  16 — 20°  C.  aufgestellt. 

Obwohl  in  beiden  Fällen  zwei  für  die  Entlaubung  ungemein 
günstige  Bedingungen  vorhanden  waren:  1.  vollständige  Hemmung 
der  Trausspiration  und  2.  Lichtabschluss,  so  fielen  die  Blät- 
ter doch  stets  nur  in  der  sauerstofferfüllten  Eprouvette 
ab,  in  der  anderen  (sauerstofffreien)  aber  nicht.  Bei  Abutilon 
stellte  sich  der  Blattfall  innerhalb  zwei,  bei  Azaleu  nach  2  bis 
3  Wochen  ein. 

Die  Nothw^endigkeit  des  Sauerstoffes  für  den  Laubfall  zeigt 
wieder  auf  das  Deutlichste,  dass   wir  es  entgegen  der  Ansicht 


'  Nach  Th.  Weyl  und  X.  Zeitler  (Liebig's  Annal.  d.  Chemie, 
Bd.  205,  Jahrg.  18S0,  2.  Heft,  pag.  255)  erreicht  die  Pyrogallussäure  in 
diesem  Gewichtsverhältniss  mit  Kalilauge  gemengt  für  die  Sauerstoff- 
absorption ihr  Optimum. 


174  Molisch, 

älterer  Physiologen  (z,  B.  Duhamel^)  im  Blattfalle  mit  einem 
Lebensact,  mit  einem  org-anischen  Process  zu  tkun  haben,  der 
sich,  wie  MohF  zuerst  erkannte,  am  Grunde  des  Blattes  in  der 
sogenannten  Trennungssehichte  abspielt.  Die  Abhängigkeit  der 
Entlaubung  von  der  Gegenwart  des  Sauerstoifes  wird  auch  voll- 
kommen einleuchtend,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Ablösung 
des  Blattes  durch  Theilung  und  das  Wachsthum  von  Zellen  ein- 
geleitet wird  —  zwei  physiologische  Erscheinungen,  deren 
Zustandekommen  ja  in  der  Regel  an  das  Vorhandensein  dieses 
Gases  geknüpft  ist. 

VI. 

Beziehungen  zwischen  Temperatur  und  Laubfall,  •* 

Der  Zusammenhang  zwischen  Entlaubung  und  Temperatur 
ist  ein  viel  complicirterer,  als  es  bei  oberflächlicher  Betrachtung 
erscheinen  möchte.  Bekanntlich  ist  die  Transspiration  der 
Gewächse  im  hohen  Grade  von  der  Temperatur  abhängig. 
Mit  dem  Steigen  oder  Sinken  der  letzteren  steigt  und  sinkt 
auch  die  Transspiration.  Nun  wissen  wir  aber,  dass  eine 
bedeutende  Herabsetzung  der  Transspiration  den  Blattfall  bei 
vielen  Gewächsen  hervorruft,  desgleichen  eine  ungewöhnliche 
Steigerung.  Wir  müssen  daher  schliessen,  dass  sowohl  niedrige 
Temperatur,  insoferne  sie  die  Wasserverdunstung  der  Blätter 
bedeutend  hemmt,*  als  auch  erhöhte  Temperatur,  insoferne  sie 
die  Transspiration  abnorm  steigert,  den  Eintritt  des  Blattfalles 
begünstigen. 

Ausserdem  ist  aber  noch  die  Frage  zu  untersuchen,  ob  denn 
die  Wärme  nicht  als  solche,  also  ganz  unabhängig  von  ihrer  Be- 
ziehung zur  Transspiration  beim  Blattfall  eine  Rolle  spiele.  Mir 
erschien  dies  um  so  wahrscheinlicher,   als  ja  fast  jeder  physio- 


1  Vgl.  Mohl,  1.  c.  pag.  2. 

-  Ebenda  pag.  14. 

3  Auf  die  Ablösung  der  Blätter  durch  Frost  ist  hier  keine  Rücksicht 
genommen;  man  vergleiche  darüber  die  Untersuchungen  von  Mohl  (1.  c. 
pag.  16—17)  und  Wiesner.  (Herbstl.  Entlaubung,  1.  c.  pag.  42  und  43.) 

i  Dieser  indirecte  Einfluss  auf  den  Laubfall  wurde  bereits  von 
Wiesner  in  seinen  Untersuchungen  über  die  herbstliche  Entlaubung,  1.  c. 
pag.  86  und  44  erkannt. 


Untersuchungen  über  Laubfall.  175 

logische  Vorgang  in  einem  bestimmten  Abhäng-igkeitsverhältniss 
zur  Temperatur  steht  und  sich  innerhalb  bestimmter  Temperatur- 
grenzen mit  verschiedener  Energie  vollzieht.  Dies  ist  auch  beim 
Blattfall  zu  erwarten,  da  die  Ausbildung-  der  Trennungssebichte 
—  im  Wesentlichen  auf  der  Theilung  und  dem  Wachsthum  von 
Zellen  beruhend  —  sich  offenbar  bei  verschiedenen  Temperaturen 
ungleich  rasch  vollziehen  wird.  Man  wird  auch  hier  die  drei 
bekannten  Cardinalpunkte:  Minimum,  Optimum  und  Maximum, 
annehmen  müssen,  obwohl  auf  den  ersten  Blick  dagegen  die 
alte  Erfahrung  zu  sprechen  scheint,  dass  die  Blätter  für  gewöhn- 
lich im  kühlen  Herbst  und  nicht  im  warmen  Sommer  abfallen. 
Bei  der  herbstlichen  Entlaubung  arbeiten  eben,  abgesehen  von 
inneren  Ursachen,  eine  Reihe  von  äusseren  Factoren  mit,  so  dass 
der  Antheil.  welcher  jedem  einzelnen  Factor  bei  der  Ablösung 
des  Blattes  gebührt,  nicht  klar  ersichtlich,  ja  manchmal  geradezu 
verdeckt  wird.  Dies  letztere  gilt  wohl  auch  von  dem  directen 
Einfluss  der  Temperatur  auf  den  Laubfall. 

Ich  begann  leider  meine  Untersuchungen  darüber  erst  im 
Spätherbst  1885,  zu  einer  Zeit,  in  welcher  die  Blätter  ihre 
Trennungsschichten  schon  besassen.  Unter  solchen  Umständen 
konnte  ich  keine  prägnanten  Unterschiede  in  der  Raschheit  der 
Entlaubung  wahrnehmen,  als  ich  Zweige  bei  niederer  (+1  bis 
10°  C)  und  mittlerer  (17  bis  22°  C)  Temperatur  im  dunst- 
gesättigten hellen  Räume  beobachtete.  Ich  suchte  daher  nach 
Zweigen,  welche  oft  bis  in  den  Winter  hinein  ihr  Laub  behal- 
ten, da  ich  hoffen  durfte,  dass  diese  ihre  Trennungsschichten 
noch  nicht  oder  nur  zum  Theil  ausgebildet  hatten.  Solche 
Zweige  warfen  thatsächlich  ihre  Blätter  bei  höherer 
Temperatur  reichlicher  und  früher  ab,  als  bei 
niederer. 

Die  Sprosse  befanden  sich,  hellem  diffusen  Licht  ausge- 
setzt und  mit  ihrer  Basis  in  Wassergefässe  tauchend,  unter  Glas- 
glocken im  absolut  feuchten  Räume.  Beginn  des  Versuches  den 
1.  Dezember.  Hier  die  tabellarische  Übersicht  der  Versuchs- 
resultate: 


176 


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üutersiichimg-en  über  Laubfall.  177 

VII. 

Anatomisclie.s  nebst  Schlussbemerkungen. 

Von  der  Ansicht  ausgehend,  dass  ein  klarer  Einblick  in  die 
Physiologie  des  Laubfalls  nur  unter  gleichzeitiger  Berücksich- 
tigung der  im  Hlattgrunde  vorhandenen  und  sich  kurz  vor  der 
Ablösung  li ervorbildenden  anatomischen  Verhältnisse  möglich  ist, 
habe  ich  diesen  gelegentlich  der  vorhergehenden  Untersuchungen 
stets  Beachtung  geschenkt  und  hiebei  einzelne  Beobachtungen 
gemacht,  die  hier  kurz  zusamniengefasst  werden  sollen. 

Verholzung  von  Grundgew^ebszelleu  in  der  Nähe 
der  Trennungsschichte.  Bei  sehr  vielen  Blättern  unserer 
Holzgewächse  verholzen  in  unmittelbarer  Nähe  der  Trennungs- 
schichte bald  grössere,  bald  kleinere  Zellcomplexe,  wovon  man 
sich  leicht  überzeugen  kann,  wenn  man  geeignete  Schnitte  mit 
einem  der  bekannten  Wiesner'schen  Holzreagentien,  z.  B.  mit 
Phloroglucin  und  Salzsäure  behandelt.  Die  verholzten  Zellgruppen 
oder  Zelllagen  geben  sich  dem  Auge  bereits  unter  Zuhilfenahme 
der  Loupe  als  rothe  Flecken  oder  Linien  kund.  Eine  derartige 
Ausfärbung  des  Präparates  empfiehlt  sich  schon  deshalb,  weil 
die  etwa  vorhandenen  Schichten,  w  ie  Periderm,  rundzellige  Schichte, 
Treunungsschichte  und  die  knapp  darüber  liegenden  Zelllagen 
sich  von  einander  ungemein  scharf  abheben,  wodurch  eine  rasche 
Orientirung  über  die  Anatomie  des  Blattgrundes  ermöglicht  wird. 
Bezüglich  der  Verholzung  im  Blattgrunde  konnte  ich  bei  dicotylen 
Pflanzen  folgende  Fälle  unterscheiden. 

Die  Verholzung  erstreckte  sich  J.  nur  auf  das  unterhalb 
der  Trennungsschichte  liegende  Periderm,  2.  nur  auf  die  rund- 
zeilige  Schichte  (Ulmus  catnpestris),  3.  nur  auf  die  oberhalb  der 
Trennungsschichten  gelegenen  Zelllagen  (Tilia  'parvifoUa),  4.  auf 
zwei  (Gymnocladus  cauadensis)  oder  alle  drei  der  genannten 
Lagen,  5.  auf  gar  keine  (Lifiustrtim  vuUjwre). 

Die  Verholzung  greift  in  den  einzelnen  Schichten  entweder 
durch  den  ganzen  Querschnitt  des  Blattgrundes  um  sich  —  und 
dies  ist  der  gewöhnliche  Fall  —  oder  nur  in  den  perifer  gelegenen 
Partien. 

Einschnürung  des  Gefässbündels  im  Blattgrunde. 
Auf  diese  für  die  erleichterte  Ablösung  des  Blattes  offenbar  sehr 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abtli.  12 


178  Molisch, 

wichtige  Thatsache  hat  zuerst  Wiesuer  aufmerksam  g-emacht.* 
Der  genannte  Autor  sagt:  „Durch  Anfertigung  von  Querschnitten 
durch  die  Blattbasis  kann  man  sich  leicht  überzeugen,  dass  die 
nach  unten  zu  an  allen  Laubblättern  sich  theileuden  Gefäss- 
bündel  an  Volumen  abnehmen,  indem  ihre  Querschnitte  nach 
unten  hin  kleiner  werden.  Die  grösste  Verengung  finde  ich  in 
jenem  Abschnitte  des  Blattgelenkes,  den  die  Trennungsschichte 
einnimmt. .  .  .  Stets  aber  habe  ich  in  dem  herbstlich  veränderten 
Blattgelenke  nach  dem  Grunde  hin  eine  Verminderung  der  Bast- 
zellen und  Gefässe  beobachtet." 

Diese  interessanten  Angaben  sind  merkwürdigerweise  bis- 
her so  gut  wie  unbeachtet  geblieben,  obwohl  es  leicht  gelingt, 
sich  bei  vielen  Blättern  von  der  Richtigkeit  derselben  zu  über- 
zeugen. Ich  habe  an  zahlreichen  Blättern  die  selbstverständlich 
schon  von  Anfang  an  vorhandene  Einschnürung  des  Gefäss- 
btindels,  sowie  die  Reduciruug  der  derberen  Elemente  in  der 
Trennungslinie  bemerkt  und  empfehle  als  ein  in  dieser  Beziehung 
sehr  günstiges  Object  Äzalea  indica.  Hier  ist  der  Holzkörper  in 
der  Trennungsschichte  ungefähr  '/gmal  schmäler  als  unmittelbar 
darüber.  Ganz  analoge  Verhältnisse  sind  von  v.  HöhneP 
für  viele  Zweigsabsprünge  (Salix)  beobachtet  worden. 

Einschnürung  des  Blattgrundes.  Die  Blätter  mancher 
Pflanzen  zeigen  am  Blattgrunde  eine  höchst  auffallende,  oft  ganz 
unvermittelt  auftretende  Verschmälerung.  Betrachtet  man  die 
Blattbasis  einer  Echeveriti,  Peret^kiu  oder  Crassula,  so  würde  man 
bei  oberflächlicher  Beobachtung  glauben,  dass  der  Blattgrund 
mit  breiter  Fläche  dem  Stengel  aufgewachsen  ist.  Dies  ist  jedoch 
keineswegs  der  Fall,  denn  thatsächlich  wird  der  organische 
Verband  zwischen  Blatt  und  Stengel  nur  durch  eine  kleine  cen- 
trale Partie  des  Blattgelenkes  vermittelt,  wie  man  sich  leicht 
überzeugen  kann,  wenn  man  das  Blatt  an  seiner  Basis  vom 
Stamme  ablöst.  Folgende  Zahlen  sollen  die  Grösse  der  Ein- 
schnürung veranschaulichen. 


1  Herbstl.  Eutl:uil)inig-,  1.  c.  pa.^-.  41. 

-  Fr.  V.  II  ohne  ,  weitere  Untersuchuug-eu  über  den  Ablösungsvor- 
gung  von  verholzten  Zweigen.  Mitth.  aus  d.  forstl.  Versiichswesen  Österr.. 
Bd.  II.  2.  Tieft,  Separatabdr.  pag.  11.  Wien  1879. 


Untevsuchunfi-en  über  Laubfall. 


179 


Grüsster  Blatt- 
grimddnrchmesser 

Breite  des  schmalen 
Yerbindimgsstückes 

Pereskia  aculeata     .    .    . 

Echeveria  sp 

Crasstila  obligtia  .... 

3-4  Mm. 

4-8     „ 
5-0     „ 

0-8  Mm. 
1-4     .. 
1-0     „ 

Erwägt  man,  dass  bei  manchen  dieser  Pflanzen  (Pereskia) 
an  der  eingeschnürten  Stelle  die  derben  Elemente  des  Gefäss- 
bündels  bedeutend  zurücktreten  und  viel  zarter  ausgebildet  sind, 
so  leuchtet  ein,  dass  bei  derlei  anatomischen  Einrichtungen  die 
Ablösung  des  Blattes  sich  sehr  leicht  vollziehen  wird. 

Die  geschilderten  Verhältnisse  sind  keineswegs  auf  die 
genannten  Pflanzen  beschränkt,  sie  finden  sieh  mitunter  auch  bei 
Holzgewächsen,  nur  in  viel  minderem  Grade,  oft  gar  nur  auf 
einer  Seite  des  Blattgrundes '  (Juniperns  communisj  Gingko 
biloba^  Lif/ustrum  vulf/m-e,  Viscnm  album  etc.) 

Trennungszone  einiger  Coniferen.  Obwohl  man  die 
Anatomie  des  Blattgelenkes  bei  den  verschiedensten  Pflanzen- 
ordnungen genau  untersucht  hat,  existiren  doch  keine  diesbezüg- 
lichen Angaben  über  die  Blätter  der  Coniferen.  Ich  fand  nur  eine 
einzige  Bemerkung  bei  v.  Mohl^  über  Gingko  biloba,  aus  welcher 
hervorgeht,  dass  der  Blattgrund  ganz  ähnlich  gebaut  ist  wie  der 
vieler  Laubhölzer  und  nichts  Abweichendes  darbietet.  Dagegen 
bieten  die  Blätter  anderer  Coniferen  so  viel  Eigenartiges  und 
auch  Interessantes,  dass  ich  es  mir  nicht  versagen  will,  das 
Wichtigste  darüber  mitzutheilen. 

Abies  excelsa.  Das  Blatt  der  Fichte  sitzt  auf  einem  soge- 
nannten „Blattkisseu",  welches  nach  der  Ablösung  des  Blattes 
am  Stamme  verbleibt.   Ein   Längsschnitt  durch  die  Basis  einer 


5  Ähnliches  findet  sich  nach  v.  Höhnel  fAblösimgsvorgang,  1.  c. 
pag.  11.)  bei  Zvveigabsprüngen  von  Thuja  occidentalis  und  den  Kurztrieben 
der  Kiefer,  nach  meinen  Beobachtungen  an  den  abfallenden  Zweigen  von 
Tnmarix  gallica. 

2  1.  c.  pag.  9  und  12. 

12* 


180  Mo  lisch, 

ein-  oder  mehrjälirig'en  Nadel  zeigt  sofort  au  der  Grenze  zwischen 
Blattkissen  und  Blattgrimd  eine  höchst  aufFallend  gebildete 
Trennnngszone.  Diese  verläuft  in  einem  flachen  nach  oben  con- 
vexen  Bogen  und  besteht  aus  zwei  Schichten.  Die  eine  setzt  sich 
gewöhnlich  aus  zwei  bis  drei  Lagen  von  in  der  Richtung  der 
Blattachse  ziemlich  gestreckten  Sklerenchymzellen  zusammen. 
Dieselben  sind  porös  verdickt,  stark  verholzt  und  besitzen  je 
einen  Zellkern.  Die  andere  ist  viel  weniger  auffallend,  weil 
geringer  entwickelt  und  besteht  aus  kurzen,  polyedrischen,  gleich- 
falls in  zwei  bis  drei  Lagen  vorhandenen  Sklerenchymzellen.  An 
der  Grenze  zwischen  diesen  beiden  Sklerenchym- 
schichten  findet  die  Ablösung  des  Blattes  statt. 
Daher  findet  man  den  Grund  der  abgetrennten  Nadel  von  der 
oberen  die  Narbe  des  Blattkissens  von  der  unteren  Sklerenchym- 
platte  bedeckt.  Von  der  letzteren  haften  gewöhnlich  einige  au 
dem  fallenden  Blattgrund  fest.  Ob  in  der  kleinzelligen  Skleren- 
chymzone  vor  dem  Blattfall  Theilungen  eintreten,  konnte  ich 
nicht  beobachten. 

Abies  pect'muta.  Das  Blatt  sitzt  am  Zweige  mit  verbreitertem 
Grunde  fest.  An  der  Grenze  zwischen  beiden  ist  eine  unbedeutende 
Einschnürung  zu  bemerken,  von  welcher  die  mehr  minder  braun- 
gefärbte, zumeist  aus  2 — 3  Zelllagen  bestehende  Trennungs- 
zone ausgeht.  Auch  hier  besitzen  die  Zellen  einen  wenn  auch  nur 
wenig  ausgesprochenen  sklerenchymatischen  Charakter.  Sie  sind 
polyedrisch,  verholzt  und  führen  nicht  selten  kleine  Krystalle  von 
oxalsauremKalk.  Unmittelbar  darüber  bildet  sichdieTrennungs- 
schichte,  eine  gewöhnlich  nur  zwei  Zelllagen  umfassende,  klein- 
zellige, plasmareiche  Gewebsplatte,  die  sich  von  dem  darüber 
liegenden  Grundgewebe  nur  wenig  abhebt.  Beim  Blattfall  bleibt 
dieSklerenchymschichte  am  Zweige  zurück  undbedeckt  die  Narbe. 

Lariv  eiiropaea.  Durch  das  unvermittelte  Aufeinanderstossen 
von  kleinen  polyedrischen  Sklerenchymzellen  auf  zarte,  fast  eben 
so  grosse  Parenchymzellen  kommt  eine  scharf  markirteTrennungs- 
zoue  zu  Staude.  Die  verholzten  Parenchymzellen  gehen  nach  unten 
allmählich  in  Periderm,  nach  oben  ohne  Übergang  in  zartwandiges 
Parenchym  über,  aus  welchem  offenbar  die  Treunungsschicht  sich 
hervovbildet.  Ganz  ähnlich  verhält  sich  Cednts  Deodora,  deren 
Nadeln  auf  einem  ziemlich  lauü-en  Blattkisseu  sitzen. 


Uütersucluuigeu  über  Laubfall.  181 

Taccus  baccata.  Ich  untersuchte  verschieden  alte,  selbst  fünf- 
jährig-e  Nadeln,  konnte  jedoch  weder  das  Vorhandensein  einer 
Trennung'szone,  noch  einer  Trennung-sschichte  nachweisen.  Offen- 
bar bildet  sich  die  letztere  erst  ganz  kurz  vor  dem  Abfall  des 
Blattes  aus.  Ich  suchte  die  Bildung  der  Mohl'schen  Schichte 
durch  Einstellen  der  Zweige  in  einem  finsteren,  dunstgesättigten 
Raum,  oder  durch  mangelhafte  Wasserzufuhr  hervorzurufen  — 
allein  vergebens.  Die  Eibe  ist  diesen  Einflüssen  gegenüber 
ungemein  resistent. 

Auf  pag.  176 — 178  wurden  einige  anatomische  Thatsachen 
angeführt,  welche  eine  leichtere  Lostrennung  des  Blattes  vom 
Sprosse  ermöglichen.  Eine  der  wichtigsten  Fragen  jedoch,  welche 
Umstände  die  Isolirung  der  Zellen  in  der  Trennungssehichte 
überhaupt  bedingen,  wurde  bisher  noch  nicht  erörtert. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Wiesner'  lösen  die  organi- 
schen Säuren,  welche  bei  gehemmter  Transspiration  in  Folge  der 
Stagnation  der  Zellsäfte  nachweislich  reichlich  entstehen,  die 
Mittellamellen  der  betreffenden  Zellen  auf.  Der  genannte  Autor 
konnte  sogar  Blätter,  deren  Trennungsschichten  bereits  angelegt 
waren,  durch  Einlegen  in  Auflösungen  organischer  Säuren  nach 
einigen  Tagen  zur  Ablösung  bringen.  ^ 

Van  Tieghem  undGuignard^  stellten  vor  nicht  langer 
Zeit  die  Behauptung  auf,  dass  kurz  vor  Abfall  des  Blattes  eine 
mittlere  Zone  der  Trennungsschichte  resorbirt  wird,  die  übrig- 
bleibenden Zellen  sodann  aufeinander  zuwachsen,  in  Folge 
grossen  Turgors  gegeneinander  drücken  und  auf  diese  Weise  das 
Gefässbündel  zerreissen.  Ich  habe  mich  bei  verschiedenen  dico- 
tylen  Blättern  bemüht,  eine  solche  Resorption  aufzufinden,  allein 
ich  gelangte  stets  zu  einem  negativen  Resultat.  Abgesehen  von 
dem  Gefässbündel,  dessen  Elemente  zumeist  zerreissen,  fand  ich 
die  Trennungszellen  vollständig  intact,  oft  bedeutend  vergrössert, 
zusammen  mitunter  einen  mehligen  Belas'  bildend. 


1 1.  c.  pag.  44. 

2  1.  c.  pag.  39. 

3  Observations  sur  le  mecanisme  de  la  chute  des  feuilles.  Bull.  soc.  bot. 
France,  T  29,  pag.  312—317.  Ein  Referat  darüber  von  mir  findet  sich  im 
bot.  Centralblatr,  Bd.  17.  pag.  72. 


182  Molisch, 

Bei  BeantwortUDg-  unseres  Problems  seheint  es  mir  passend^ 
auf  verwandte  Erscheinungen  vergleichend  auszublicken  und 
sich  /u  fragen,  welcher  Mittel  sich  denn  die  Pflanze  bedient^ 
wenn  es  sich  um  die  Isolirung  von  Zellen,  um  die  Auflösung  von 
]\Iittellamellen  oder  ganzer  Membrantheile  handelt.  Solche  Pro- 
cesse  kommen  in  der  Pflanze  sehr  oft  vor:  die  Querwände 
junger  zum  AulTjau  von  Gelassen  bestimmten  Zellen  verschwinden 
häufig  ganz,  das  Celluloseendosperm  vieler  Palmensamen  wird 
bei  der  Keimung  resorbirt,  Pilzhypheu  durchbohren  spielend  leicht 
die  Membran  ihrer  Wirtbe,  die  Zellen  im  Fruchtfleische  von 
Liyustrum  vulgare  und  Symphoricarpus  racemosus  gehen  mit 
glatten  Wänden  aus  dem  Verbände,  selbst  todte  Pflanzentheile 
zerfallen  in  bakteriösen  Flüssigkeiten  in  ihre  Elemente. 

Alle  diese  Vorgänge  erklären  sich  in  einfacher  Weise  durch 
die  Einwirkung  eines  celluloselösenden  Ferments.  Es  ist  mir 
daher  im  hohen  Grade  wahrscheinlich,  dass  auch  bei  der  Ab- 
lösung des  Blattes  in  der  Trennungsschichte  ein 
solches  Ferment  auftritt  und  die  Auflösung  der  Mittel- 
lamellen besorgt. 

Wiesner^  hat  jüngst  die  schöne  Entdeckung  gemacht,  dass 
die  Gummibildung  in  der  Pflanze  durch  die  Wirkung  eines  Fer- 
mentes auf  die  Zellmembran  zu  Stande  kommt.  Als  ich  davon 
Kenntniss  erhielt,  kam  ich  auf  die  Vermuthung,  ob  nicht  zur  Zeit 
des  Blattfalls  im  Blattgelenke  dieses  oder  ein  ähnliches  Ferment 
auftritt  und  die  Auflösung  der  Mittellamellen  bedingt.  In  der  That 
konnte  ich  mich  bei  sehr  vielen  Blättern  von  der  Gegenwart  eines 
solchen  Fermentes  überzeugen,  und  zwar  mit  Hilfe  der  von 
Wiesner  zum  Nachweis  seines  Gummiferments  angegebenen 
prachtvollen  Farbenreaction  (Orcin  + Salzsäure).  Behandelt  man 
geeignete  Schnittenach  der  von  Wie  sn  er  emi)fohlenen  Methode^ 
mit  Orcin  und  Salzsäure,  so  färben  sich  in  der  Kälte  bloss  die  ver- 
holzten Elemente  violett,  erwärmt  man  dann  bis  zur  Siedehitze 
(am  Objectträger),  so  färbt  sich  der  Plasmainhalt  vieler  Zellen  des 
Blattgrundes  violett  oder  blau,  am  meisten  aber  der  Inhalt 


1  Über  das  Gnmmiforment.   SitzLer.    d.  kais.  Akad.   d.   Wisseiisch. 
Jahrg.  1885,  Bd.  92. 

-  Gummiterment.  1.  c.  pag.  2ü  etc. 


Untersuchungen  über  Laubfall.  183 

der  die  Treuuuug-sschiclite  bildenden  Zellen.  [Evonymus 
japouicns,  Äxalea  hulicn,  Aesculus  Hippocastanum,  Fra.vinus 
excelsior,  Til'ta  pan'if'olia  etc.)  Hier  wird  also  das  Gummiferment 
in  grosser  Menge  gebildet,  in  grösserer  als  in  den  anderen  Zellen 
des  Blattgrundes  und  den  daranstossenden  Geweben. 

Hiermit  lässt  sich  auch  die  Ansicht  von  Wiesner,  wonach 
organische  Säuren  bei  der  Lsolirung  der  Zellen  in  der  Trennungs- 
schichte betheiligt  sind,  vereinigen,  da  die  Wirkung  von  Fer- 
menten durch  die  Gegenwart  von  Säuren  nach  mehrfachen 
Angaben  unterstützt  wird. 

VIII 

Die  wichtigeren  Eesultate  der  vorhergehenden  Untersuchungen 
lassen  sich  in  folgenden  Sätzen  zusammenfassen. 

1.  Wird  die  Transspiration  von  Zweigen,  welche  stark  zu 
transspiriren  gewöhnt  sind,  plötzlich  gehemmt,  so  werfen  sie  die 
Blätter  ab  (Wiesner). 

Pflanzen,  welche  feuchte  Atmosphäre  lieben,  behalten  oft 
monatelang  im  dunstgesättigten  Kaume  ihr  Laub. 

'2.  Eine  nicht  allzu  rasche,  aber  continuirliche  Herabsetzung 
des  Wassergehaltes  im  Blattgrunde  führt  zur  Anlage  der  Tren- 
nuugsschichte  und  in  vielen  Fällen  auch  zur  Ablösung  der 
Blätter. 

Die  letztere  wird  in  auffallender  Weise  begünstigt  und 
beschleunigt,  wenn  der  Turgor  des  Blattgrnndes  durch  reiche 
Wasserzufuhr  rasch  gesteigert  wird  (Wiesner). 

3.  Es  ist  im  Wesentlichen  gleichgiltig,  ob  das  Welken  der 
Pflanzen  durch  gesteigerte  Transspiration,  durch  mangelhafte 
Wasserzufuhr  oder  durch  beide  zugleich  herbeigeführt  wird;  von 
Wichtigkeit  ist  jedoch,  dass  das  Welken  nicht  allzurasch  eintritt, 
weil  die  Blätter  sonst  vertrocknen,  bevor  sie  noch  Zeit  gefunden, 
ihre  Trennungsschichten  zu  bilden. 

4.  Abgeschnittene  Zw^eige,  welche  ihrer  Organisation  wegen 
sehr  langsam  transspiriren,  werfen  ihre  Blätter  selbst  an  der  Luft 
liegend  ab.  (Succulente  Pflanzen,  Fichte,  Tanne,  Begonia  eto 

5.  Auf  mangelhafter  Wasserzufuhr  beruht  auch  die  That- 
sache,  dass  abgeschnittene  und  mit  ihrer  Basis  ins  Wasser  ein- 


184  Molisc'li.  Untersuchungeu  über  Lidibfall. 

g-estellte  Zweige  ihr  Laub  tVüliev  verlieren  als  aualoge  am  Baume 
verbliebene  und  ferner,  dass  viele  Grewächse  in  Folge  starker 
Schädigung  des  Wurzelsystems  beim  Verptlauzen  aus  freiem 
Lande  in  Töpfe  oft  einen  grossen  Theil  ihres  Laubes  einbüssen. 

6.  Durch  stagnirende  Bodennässe  kann  gleichfalls  das 
Wurzelsystem  geschädigt  und  bei  vielen  Pflanzen  hiedurch  theil- 
weise  oder  völlige  Entblätterung  herbeigeführt  werden. 

7.  Lichtmangel  bewirkt  Entlaubung.  Am  empfindlichsten 
erweisen  sich  stark  transspirirende  Pflanzen  mit  krautigen  Blät- 
tern (Coleus),  weniger  empfindlich  Gewächse  mit  lederigem, 
stark  cuticularisirtem  Laub  (Azalea,  Rhododendron,  Abies  pectl- 
nata),  fast  gar  nicht  empfindlich  einzelne  wintergrüne  Coniferen 
(Eibe,  Föhre). 

8.  Der  Einfluss  der  Temperatur  auf  den  Blattfall  ist  ein 
sehr  complicirter.  Sie  wirkt  indirect  durch  Beeinflussung  der 
Transspiration,  aber  auch  direct,  ganz  unabhängig  von  der 
letzteren.  Es  fallen  nämlich  im  dunstgesättigten  Pvaume  Blätter, 
deren  Trennungschichten  noch  nicht  oder  eben  erst  angelegt 
wurden,  l)ei  höherer  Temperatur  (17 — 22°  C.)  viel  reichlicher 
und  früher  ab  als  bei  niederer  (1 — 10°  C). 

9.  Sauerstoff  ist  eine  wesentliche  Bedingung  des  Laubfalles. 
Erschwerter  Luftzutritt  verzögert  bereits  den  Laubfall,  Daher 
lösen  sich  denn  auch  unter  Wasser  getauchte  Blätter  viel  später 
ab^  als  in  feuchter  Luft  befindliche. 

10.  Mit  Rücksicht  auf  analoge  Vorgänge  in  der  Pflanze  und 
mit  Rücksicht  darauf,  dass  Wiesner's  jüngst  entdecktes  Gummi- 
ferment bei  vielen  Pflanzen  gerade  in  der  Trennungsschichte  in 
reichlichem  Masse  nachgewiesen  werden  konnte,  erscheint  es  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  Auflösung  der  Mittellamellen  beziehungs- 
weise die  Tsolirung  der  Zellen  hier  durch  ein  celluloseumbilden- 
des  Ferment  vollzogen  wird,  wobei  organische  Säuren  unter- 
stützend eingreifen. 

11 .  Die  Arbeit  enthält  ferner  neue  Beobachtungen  anatomischer 
Natur  über  die  Verholzung  von  Gewebeschichten  in  der  Nähe  der 
Trennungsschichte,  über  die  Einschnürung  des  Blattgrundes  und 
über  das  Blattgelenk  von  Coniferen, 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


miii  üiDiE  m  wisisceiFfi 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  CLASSE. 


XOIII.  Band.  III.  Heft. 


ERSTE   ABTHEILUNG. 


Enthält  die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Mineralogie,  Botanik^ 
Zoologie,  Geologie  und  Paläontologie. 


187 


VII.  SITZUNG  VOM  4.  MÄRZ  1886. 


Die  Bibliothek  der  Stazioue  zoologica  in  Neapel  dankt 
für  die  Betlieilimg  derselben  mit  dem  akademischen  Anzeiger. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Prof.  C.  Claus  übermittelt  für  die 
akademische  Bibliothek  17  Hefte  der  von  ihm  herausgegebenen: 
„Arbeiten  aus  dem  zoologischen  Institute  der  Uni- 
versität Wien  und  der  zoologischen  Station  in  Triest" 
aus  den  Jahren  1878—1886. 

Herr  F.  Friedrich,  königl.  preuss.  Hoflieferant  zu  Prag, 
übermittelt  ein  Exemplar  einer  von  ihm  verfassteu :  „Anleitung 
auf  mnemonischem  Wege  die  Kenntniss  der  Bedeu- 
tung sämmtlicher  telegraphischer  Zeichen  binnen 
einem  Tage  sich  anzueignen". 

Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Prof.  Dr.  A.  Rollett  über- 
sendet unter  dem  Titel:  „Beobachtungen  an  den  geformten 
Bestandtheilen  des  Blutes",  eine  Arbeit,  vpelche  Herr 
Dr.  Karl  Laker  im  physiologischen  Institute  der  Grazer  Uni- 
versität ausgeführt  hat. 

Herr  Dr.  Clemens  Winkler,  Professor  der  Chemie  an  der 
königl.  sächsischen  Bergakademie  in  Freiberg,  macht  mit  Schrei- 
ben vom  21.  Februar  1.  J.  die  Mittheilung,  dass  er  im  Argyrodit 
von  Freiberg  ein  neues,  dem  Arsen  und  Antimon  nahestehendes, 
nicht  metallisches  Element  aufgefunden  und  demselben  den 
Namen  „Germanium"  beigelegt  habe. 

Das  w.  M.  Herr  Professor  v.  Kerner  hält  einen  Vortrag: 
„Über  die  Ernährungsgenossenschaften  von  Pilzen 
und  Blüthenpflanzen." 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  C.  Claus  überreicht  eine  Mit- 
theilung: „Über  die  Charaktere  der  Gattung  Artemia  im 
Gegen  Satze  zu  Braiichlpus.'^ 


188 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  Ad.  Lieben  überreicht  eine  von  ihm 
in  Gemeinschaft  mit  Herrn  Dr.  S.  Zeisel  ausgeführte  Arbeit: 
„über  Condensationsproducte  der  Aldehyde",  lY.  Ab- 
handlimg. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Intendant  Ritter  v.  Hauer  über- 
reicht eine  Mittheihing  aus  dem  geologischen  Institute  der 
deutschen  Universität  zu  Prag  unter  dem  Titel:  „Neue  Beiträge 
zur  Kenntniss  der  Juraablagerungeu  im  nördlichen 
Böhmen".  (IL)  von  Herrn  G.  Bruder. 

Herr  Dr.  Eduard  Mahler,  Assistent  der  k.  k.  österreichischen 
Gradmessung  in  Wien,  überreicht  eine  Abhandlung  unter  dem 
Titel:  „Untersuchung  einer  im  Buche  „Nahum"  auf  den 
Untergang  Ninive's  bezogenen  Finsterniss." 

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht  zu- 
gekommene Periodica  sind  eingelangt : 
South  African  Philosophical  Society:  The  Transactions,  Vol.  III. 

Part  1  (1881—83),  Part  2  (1883—85).  Cape  Town,  1884, 

1885;  8^ 
Bergens  Museum:  Bidrag  til  Myrostomernes  anatomi  og  histologi 

af  Fridtjof  Nansen.  (Med  9  Planchers.)  Bergen,  2885.  Fol. 
Stoliczka  Ferdinand:  Scientific  Eesults  of  the  second  Yarkaud 

Mission:  Araneidea.  Calcutta,  1885;  Fol. 


1 


189 


YIII.  SITZUNG  VOM  18,  MÄRZ  1886. 


Se.  Excellenz  der  Herr  Curator-Stellvertreter  Kitter 
V.  Schmerling-  spricht  in  einem  an  den  Herrn  Präsidenten 
der  Akademie  gerichteten  Schreiben  seinen  verbindlichsten  Dank 
aus  für  die  ihm  gewordene  auszeichnende  Begrüssung  anlässlich 
der  am  10,  März  d.  J.  zu  Ehren  des  Curatoriums  abgehaltenen 
feierlichen  Sitzung  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 

Der  S  e  c  r  e  t  ä  r  macht  im  Namen  der  akademischen  Commission 
für  die  Herausgabe  der  wissenschaftlichen  Publicationen  über  die 
ö  s  t  e  r  r  e  i  c  h  i  s  c  h  e  J  an  M  ay  e  n  -E  X  p  e  d  i  t  i  0  n  die  IMittheilung  von 
dem  Abschlüsse  und  dem  unmittelbar  bevorstehenden  Erscheinen 
des  ersten  Bandes  diesesWerkes,  mit  dem  Bemerken,  dass  von  den 
14  Polarstationen,  welche  im  Jahre  1882/83  über  Anregung  des 
Polarfahrers  C  arl  Weyp recht  und  des  Grafen  HansWilczek 
zu  dem  Zwecke  gleichzeitig  in  Thätigkeit  gesetzt  wurden,  um 
nach  einem  gemeinsamen  Programme  Beobachtungsdaten  zu 
sammeln  und  wissenschaftliche  Untersuchungen  in  den  eiserfüllten 
Kegionen  anzustellen,  die  von  der  österreichischen  Expedition 
activirte  Station  auf  der  Insel  Jan  Mayen  erfreulicher  Weise  die 
erste  Station  sein  dürfte,  deren  wissenschaftliche  Errungen- 
schaften als  ein  Beitrag  zu  dem  grossen  internationalen  Unter- 
nehmen der  Erforschung  des  Polargebietes  schon  jetzt  vor  die 
Öffentlichkeit  treten. 

Herr  A.  B.  Meyer,  königi.  sächs.  Hofrath  und  Director  des 
zoologischen  und  autbropologisch-ethnographischen  Museums  in 
Dresden,  übermittelt  für  die  akademische  Bibliothek  folgende 
von  ihm  herausgegebene  Druckwerke  mit  Illustrationen: 

1.  ..Gurina  im  Obergailthal  (Kärnthen).  Ergebnisse  der 
im  Auftrage  der  anthropologischen  Gesellschaft  zu  Wien 
im  Jahre  1884  vorgenommeneu  Ausgrabungen." 

2.  „Das  Gräberfeld  von  Hallstadt." 


190 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  V.  v.  Laug  übersendet  eine  für  die 
Sitzungsberichte  bestimmte  Abliandhing:  „Bestimmung  der 
Tonhöhe  einer  Stimmgabel  mit  dem  Hipp'schen  Chrouo- 
skop,"  über  welche  derselbe  bereits  in  der  Sitzuug  vom  11.  No- 
vember V.  J.  berichtet  hat. 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  E.  Hering  übersendet  eine  Arbeit 
aus  dem  physiologischen  Institute  der  deutschen  Universität  zu 
Prag:  „Beiträge  zur  allgemeinen  Nerven-  und  Muskel- 
physiologie. XIX.  Mittheilung.  Über  das  elektromoto- 
rische Verhalten  des  Muskelnerven  bei  galvanischer 
Reizung,"  von  Herrn  Prof.  Dr.  Wilh.  Biedermann. 

Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Prof.  L.  Boltzmann  in 
Graz  übersendet  eine  in  seinem  Institute  ausgeführte  Arbeit: 
„Untersuchungen  über  das  Verhältniss  zwischen  dem 
elektrischen  und  elektromagnetischen  Maasssystem" 
(IL),  von  Herrn  Dr.  Jgn.  Klemencic. 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  V.  v.  Ebner  übersendet  eine  im 
Institute  für  Histologie  und  Embryologie  in  Graz  von  dem 
Assistenten  dieses  Institutes  Herrn  Dr.  Ludwig  Merk  ausge- 
führte Arbeit:  „Über  die  Schleimabsonderung  an  der 
Oberhaut  der  Forellenembryonen." 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  L.  Gegenbauer  in  Innsbruck  über- 
sendet eine  Abhandlung  unter  dem  Titel:  „Arithmetische 
Notiz." 

Herr  Prof.  Dr.  J.  H()rl)aczewski  in  Prag  übersendet  eine 
Abhandlung  unter  dem  Titel:  „Versuche  über  die  Ent- 
stehung der  Harnsäure  im  Organismus  des  Menschen." 

Herr  Prof.  Dr.  Sigmund  Mayer  in  Prag  übersendet  eine 
zweite  (vorläufige)  Mittheihmg:  „Studien  zur  Histologie 
und  Physiologie  des  Blutgefässsysteras". 

Der  S  e  c  r  e  tä  r  legt  folgende  eingesendete  Abhandlungen  vor : 

1.  „Untersuchungen  über  Strychnin.  IL  Über  Xantho- 
strychnol  und  Strychnol",  von  den  Herren  Prof.  Dr.  W. 
F.  Loebisch  und  Dr.  P.  Schoop  in  Innsbruck. 

2.  „Einwirkung  von  Cyankalium  auf  Dinitroaniliu", 
von  den  Herren  Prof.  Dr.  E.  Li pp mann  und  F.  Fleissner 
in  Wien. 


191 

3.  ,,Über  das  Cyanhydriu  des  Nitrosodipropyl- 
anilins",  von  Herrn  A.  Man  dl  in  Wien. 

4.  „Über  den  Zusammenhang  zwischen  den  voll- 
ständigen Integralen  und  der  allgemeinen  Lösung 
bei  partiellen  Differentialgleichungen  höherer 
Ordnung",  von  Herrn  Dr.  V.  Sersawy  in  Wien. 

5.  j,Über  Einlagerung  von  Calciumoxalat  in  die 
Zellwand  bei  Nyctagineen",  vonHerrn  Anton  Heimerl 
in  Wien. 

6.  „Über  hyperelliptische  Curven",  von  Herrn  Dr.  K. 
Bobek  in  Prag. 

7.  „Über  die  innere  Reibungscoustante  und  die 
specifische  Zähigkeit  organischer  Flüssigkeiten 
und  ihrer  flüssigen  Lösungen"  und 

8.  „Über  Tropfengewichte  und  deren  Beziehung  zu 
den  C api  11  aritätscons tauten;  über  die  Endlichkeit 
und  Constanz  des  Randwinkels  und  über  den 
Einfluss  der  Krümmung  der  Wand  auf  die 
Capillaritäts Constanten",  letztere  beiden  Arbeiten  von 
Herrn  Dr.  J.  Traube  in  Hildesheim  (Prov.  Hannover). 

Ferner  legt  der  Secretär  ein  versiegeltes  Schreiben  vor, 
welches  Herr  J.  Rieh.  Harkup,  Realitätenbesitzer  in  Krems, 
behufs  Wahrung  der  Priorität  eingesendet  hat.  Dasselbe  führt  die 
Aufschrift:  „Beschreibung  einer  Verbesserung  in  der 
gegenwärtigen  Art  der  Hinterlader". 

Das  wirkliche  Mitglied  Herr  Hofrath  C.  Claus  übergibt 
folgende  Mittheilung:  „Über  die  Entwicklung  und  den 
feineren  Bau  der  Stilaugen  von  Branchipus.'-^ 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  J.  Loschmidt  überreicht  eine 
Abhandlung  unter  dem  Titel:  „Die  Schwingungszahlen 
einer  elastischen  Hohlkugel". 

Herr  Prof.  Dr.  Ernst  Fleischl  v.  Marxow  überreicht  eine 
nachträgliche  Mittheilung  zu  seiner  in  den  Sitzungsberichten 
veröffentlichten  Theorie  der  optischen  Eigenschaften 
eines  homogenen  magnetischen  Feldes. 


192 

Herr  Friedrich  Biclschof  in  Wien  übeiTeicht  eine  Abhand- 
lung: „Untersuchung-en  über  die  Bahn  des  Planeten 
(220)  Stephanie/' 

Selbständige  Werke  oder  neue ,  der  Akademie  bisher  nicht  zu- 
gekommene, Periodica  sind  eingelangt: 

M.  Mendelssohn  und  Ch.  Riebet:  Archives  Slaves  de  Bio- 
logie. Tome  I.  Tome  I.  Fase.  1,  Paris.  1886;  8". 


193 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Juraablagerungen 
im  nördlichen  Böhmen.  11. 

Von  Georg  Bruder. 

(Mit  1  Tafel  und  1  Holzschnitt.) 

(Mittheilungen  aus  dem  geologischen  Institute  der  k.  k.  deutschen 
Universität  in  Prag  Nr.  6.) 

Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  4.  März  1886.) 

Zu  Beginn  des  verflossenen  Jahres  machte  mich  Herr 
Geheimrath  H.  B.  Geinitz  auf  eine  sehr  reichhaltige  und 
interessante  »Sammlung  böhmischer  Jurafossilien  aufmerksam,  die 
sich  im  Besitze  des  HeiTn  August  Weise,  Vorstandes  des  Hum- 
boldt Vereines  zu  Ebersbach  in  der  Oberlausitz,  befindet. 

Auf  mein  Ansuchen  wurde  mir  von  demselben  nicht  nur  die 
besagte  Sammlung  auf  das  bereitwilligste  zur  Verfügung  gestellt, 
sondern  es  gelang  Herrn  Weise's  gütigen  Bemühungen  auch 
noch  weitere  Suiten  auszuforschen,  welche  mir  durch  seine  Ver- 
mittlung gleichfalls  fi*eundlichst  anvertraut  wurden;  so  vom 
Hen-n  Carl  Kögler  zu  Schönbüchel  bei  Schönlinde. 

Unter  den  mir  also  zur  Bestimmung  vorgelegten  böhmischen 
Juraversteinerungen  aus  Sternberg  und  Khaa  erregten  beson- 
ders einige  Brachiopoden  meine  Aufmerksamkeit,  welche  mir  bis 
dahin  weder  aus  Böhmen  noch  aus  Sachsen  bekannt  geworden 
waren.  Um  wo  möglich  noch  weiteres  Material  zu  erhalten,  erbat 
ich  mir  die  von  Dr.  0.  Lenz*  gesammelten  und  theilweise 
beschriebenen  Brachiopoden  von  Sternberg  aus  der  Sammlung 
der  k.  k.  geologischen  Eeichsanstalt  zur  Revision,  und  wurde 
dieser  meiner  Bitte  vom  Herrn  Director  Oberbergrath  D.  Stur  in 
zuvorkommendster  Weise  entsprochen. 


1  0.  Lenz:   Über  Auftreten  jurassischer  Gebilde  in  Böhmen.  Zeitsch. 
für  die  gesammten  Naturwiss.  Bd.  XXXV. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Gl.  XCIII.  Bd.  I.  Ablh.  13 


194  Bruder, 

Wenn  ich  beute  in  der  Lage  bin,  neuerdings  einen  Beitrag 
zur  Kenntniss  der  Juraablagerungen  im  nördlicben  Böhmen  vor- 
zulegen^ so  danke  ich  dieses  nur  der  liebenswürdigen  Unter- 
stützung, welche  mir  von  den  genannten  hochverehrten  Herren  in 
der  oben  bezeichneten  Weise  zu  Theil  wurde.  Desgleichen  bin 
ich  meinem  hochgeehrten  Vorstande  Herrn  Professor  Dr.  G.  C. 
Laube  und  Herrn  Oberbergrath  Prof.  W.  Waagen  für  die 
freundlichst  zu  Gebote  gestellte  Literatur  zu  innigem  Danke  ver- 
bunden. 

A.  Allgemeines. 

Die  nachstehend  angeführten  Versteinerungen  stammen 
grösstentheils  aus  dem  Sternberger  Bruche,  nur  einige  aus  der 
verlassenen  Grube  bei  Khaa.  Dieersteren  lassen  an  der  Beschaffen- 
heit ihres  Versteinerungsmateriales  und  an  der  Art  ihres 
Erhaltungszustandes  zumeist  leicht  erkennen,  in  welcher  Schichte 
sie  eingebettet  waren.  8ie  vertheilen  sich  auf  dieselben  wie  folgt: 

A.  Ammonitenkalke. 

(Zone  der  Oppelia  teiiuilobata.') 

1 .  Aspuloceras  sp.  (W. )  ^ 

2.  Simoceras  sp,  (W. ) 

3.  Perisphmctes  cf.  crusoUensis  Font  sp.  (W.) 

4.  Perisphinctes  cf.  Ernesti  P.  d.  Loriol  sp.  (W.) 

5.  Oppelia  trachynota  Opp.  sp.  (W.) 

6.  Oppelia  tenuilohata  0])p.  sp.  (W.) 

7.  Aptychus  o-asnicauda  Q neust.  (W.) 

8.  Nautilus  franconicus  Opp.  (W.) 

9.  Astarie  cf.  snpracorallina  d'Orb.  (W.) 

B.  Thonig-mergeiige  Zwischenschichte. 

(Schwammlager.) 

10.  Lima  cf.  fcfpdata  Münster  (W.) 

11.  Blast inia  äff.  costa/a  Qucnst.  sp.  (W.) 


1  (W)  zeigt  an,  da«s  sicli  die  betreffendcü  Exemplare  in  der  Sammlung 
des  Herrn  August  Weise;  in  Ebersbach  befinden. 


Neue  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Juraablagerungen  etc.  195 

12.  Myrmecium  he7nisphnericiim  Gold  f.  sp.  (W.) 

13.  Cory Hella  Quenstedfi  Zittel  i^W.) 

14.  Eusiphonell n  perple.va  Quenst.  sp. 

15.  Enden  perforata  Quenst.  sp.  (Geolog-.  Inst.  Prag.) 

16.  Pachyteichisma  jugosa  Quenst,  sp.  (TV.) 

17.  Pachyteichisma  microstoma  Quenst.  sp.  (TV.) 

18.  Trochobolus  culeiis  Quenst.  sp.  (W.) 

19.  Trochobolus  barbatus  Quenst.  sp.  (W.) 

20.  Oophyma  labyritithica  nov.  gen.  nov.  sp.  (G.  Inst.  Prag.) 

21.  Cylindrophyma  heteroporacea  nov.  sp.  (W.) 

22.  Hyalotrayos  fistulosinn  Quenst.  sp.  (W.) 

23.  Hyalotrayos  cf.  pezizoides  Goldf.  sp.  (W.) 

24.  Cnemidiastnim  cf.  condliiuim  Quenst.  sp.  (W.) 

25.  Cnemidiastrum  striata- punctat um  Goldf.  sp.  (W.) 

C.  Brachiopodenkalk. 

(Zone  des  Peltoceras  bimammatum.) 

26.  Amalthens  ühligii   Bruder  (Geolog-.  Inst.  Prag.) 

27.  Pecten  äff.  paraphorus  Böhm.  (Kögler  in  Schönbücliel.) 

28.  Spondylus  moravicus  Böhm.  (SV.) 

29.  Hinnites  sp.  (TV.) 

30.  Terebratula  (  Waldh eimia)  äff.  pseudolugenalis  (M  o  e  s  c  li) 

31.  Terebratula  [Waldheimia)  magasif'ormis  Zeusch  (TV.) 

32.  Terebratula  imma)iis    Zeusch.   ysiv.  jucunda  Schi oss. 

(Geolog.  Inst.  Prag.) 

33.  Terebratula  cerricula  Quenst.  (k.  k.  geol.  Reichsanst.) 

34.  Terebratida  cyclogonia  Zeusch.  (TV.) 

35.  Terebratula  formosa  Suess  (Geolog.  Inst.  Prag-.) 

36.  Terebratula  saxonica  Bruder  (k.  k.  geolog.  Eeichsanst.) 

37.  Terebratula  subbararica  v.  Ammon  (TT^.) 

38.  Rhynchonella  moravica  Uhlig  (k.  k.  geolog.  Reichsanst.) 

39.  Rhynchonella  Laubei  Brudev  (Geolog.  Inst.  Prag.) 

40.  Rhynchonella   lacu?iosa   var.  dichotoma  Quenst.  (k.  k. 

geolog'.  Reichsanst.) 

41.  Crania  porosa  Goldf.  (Geolog.  Inst,  in  Prag.) 


12* 


196  Bruder, 

Aus  clem^  durch  eine  Halde  von  Lesesteinen  verschütteten 
Kalkbruche  auf  dem  sogenannten  „Peschkeus  Räumigt",  etwas 
östlich  von  den  ersten  Häusern  des  Dorfes  K  haa,  sind  nur  drei 
bisher  aus  den  böhmischen  Juragebilden  unbekannt  gebliebene 
Arten  zu  nennen.  Dieselben  stammen  aus  dem  dünnschieferigen 
Mergelkalke,  über  dessen  Petrefactenführung  ich  bereits  Aus- 
führliches berichtet  habe.  ^  Es  sind  dies  folgende: 

42.  Pecoptichins  refr actus  Rein.  sp.  (W.) 

43.  Harpoceras  hecticiim  Rein.  sp.  (W.) 

44-  Amaltheus  dorsocavntus  Quenst.  sp.   (W.) 

Für  die  Sternberger  Ammonitenkalke  ist  besonders  das  Vor- 
kommen der  OppeUa  tenuilobata^  des  wichtigsten  Leitfossiles  für 
die  Bestimmung  des  Horizontes,  hervorzuheben. 

Das  Schwammlager  lieferte  abermals  eine  Anzahl  von  Arten, 
welche  in  der  westliehen  Schweiz,  Süddeutschland,  Polen  und 
Schlesien  im  mittleren  Malm  (Qu enstedts  weisser  Jura  7  und  0) 
verbreitet  sind,  nur  einige  wenige  finden  sich  in  den  genannten 
Juradistricten  in  etwas  höherem  Niveau,  das  dem  schwäbischen 
£  entspricht. 

Betreff  der  Brachiopodenkalke  ist  das  Auftreten  kieseliger 
Concretionen  von  grossem  Interesse,  das  auf  Grund  eines  in  der 
Sammlung  des  Herrn  Weise  befindlichen  Belegstückes  mit 
umgebendem  G-esteine  nachgewiesen  werden  konnte.  Durch 
dieses  Verhalten,  nämlich  Einschluss  von  Kiesel- 
concretionen,  ist  auch  in  der  petrographischen  Be- 
schaffenheit eine  auffallende  Übereinstimmung  des 
hellen  dichten  Brachiopodenkalkes  der  böhmischen 
Juragebilde  mit  den  Kieselnierenkalken  Nieder- 
baierns,  den  Ruditzer  Schichten  Mährens,  sowie  den 
plumpen  Felsenkalken  Polens  und  Oberschlesiens 
ausgedrückt;  mit  welchen  sie,  wie  ich  bereits  nachgewiesen 
habe,  zufolge  ihrer  Petrefactenführung  als  gleichalterig  aufzu- 
fassen sind.  ^ 


1  Bruder,  Neue  Beiträge  etc.  p.  18,  Sitzber.  der  k.  Akad.  d.  Wiss. 
Bd.  LXXXV,  p.  467—468. 

-  Bruder,  Zur  Kenutniss  der  Juraablageruugen  von  Steruberg  etc. 
Sitzb.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  Bd.  LXXXIII,  p.  58— .-)9. 


Neue  Beiträge  zur  Keuntuiss  der  Juraablag-eriingen  etc.  19  < 

Aber  auch  die  ueuerding-s  aus  dieser  Schichte  vorliegeiideu 
Fossilien  verdienen  einige  Beachtung-.  Abgesehen  von  den  nicht 
genau  bestimmbaren  Bivalven,  welche  mit  Stramberger  und  Kel- 
heimer  Vorkommnissen  verglichen  werden  konnten,  kommen  in 
dieser  Hinsicht  in  erster  Reihe  die  Brachiopoden  in  Betracht. 
Eine  nicht  unbedeutende  Zahl  derselben  findet  sich  nämlich  vor- 
herrschend in  den  tithonischen  Ablagerungen  von  lunwald,  Stram- 
berg,  Wimmis  und  Sicilien,  so  z.  B.  Waldheimia  magasiformis, 
Terebratula  immanis  vüy.  jucunda,  T.  cycloi/o?iiff  und  T.  formosoj 
dagegen  sind  W.  pseudola(/ena/is,  T.  sitbbav urica,  Rhynchonclla 
moravica,  Rh.  lacunosa  var.  dichotoma  und  Cranla  j^orosa  vor- 
züglich im  mittleren  weissen  Jura  der  westlichen  Schweiz,  Süd- 
deutschlands, Mährens  und  Polens  verbreitet.  Den  letzteren  reihen 
sich  an  die  bereits  früher  aus  dieser  Schichte  beschriebenen 
Arten:  W.  Moeschi,  T.  Zieteni,  T.  eUiptoides,  T.  bisujfarcinata, 
Rh.  Astieriana,  Rh.  lacunosa  var.  subsimilis  und  var.  cracoviensis, 
Dictyothivis  Kurri  xmd  Meyerlea  loricata.  Die  Formen  mit  jurassi- 
schem Charakter  treten  somit  sowohl  nach  Zahl  der  Gattungen 
und  Arten,  als  auch  nach  der  Menge  der  Individuen  gegenüber 
den  wenigen  und  selteneren  tithonischen  Arten  entschieden  in 
den  Vordergrund  und  können  allein  für  die  Altersbestimmung 
massgebend  sein. 

Dieses  merkwürdige  Zusammenvorkommen  sogenannter 
tithonischer  und  jurassischer  Brachiopoden,  welches  auch  von 
Schlosser'  für  die  Diceraskalke  von  Kelheim,  und  von  Uhlig^ 
betreff  der  hellen  Kieselnierenkalksteine  der  Schwedenschanze 
in  der  Umgebung  von  Brunn  nachgewiesen  wurde,  lehrt  aber- 
mals, dass  den  Brachiopoden  im  weissen  Jura  bei  Feststellung 
des  Horizontes  nicht  die  Bedeutung  von  Leitfossilien  zuerkannt 
werden  darf. 

Dagegen  scheint  dieses  Vorkommen  für  die  Beurtheilung 
der  Verbindungswege,  welche  gewiss  zwischen  den  verschiedenen 
Meeresbecken  während  der  Jurazeit  bestanden  haben,  von  nicht 
zu  unterschätzender  "Wichtigkeit  zu  sein. 

Es  kann  nicht  als  ein  Ergebniss  des  Zufalles  aufgefasst 
werden,  dass  aus  den  böhmischen  Juraablagerungen  von  Stern- 

1  Schlosser,  Brachiopoden  des  Kelheimer  Diceraskalkes.  p.  208. 
-  Uhlig.  Die  Jurabilduugen  in  der  Umgebung  von  Brunn,  p.  29. 


198  Bruder, 

berg-  und  Khaa  sogeuaunte  tithonische  Brachiopoden  in  vier 
Arten  und  zehn  Exemplaren  vorliegen,  während  unter  den  mir  in 
mehr  als  dreifacher  Individuenauzahl  zur  Verfügung  gestellten 
Hohnsteiner  Brachiopoden  sich  nur  ein  einziges  Exemplar  von 
T.  äff.  formosa  vorfand,  und  anderseits  die  entschieden  nord- 
deutschen Formen  Waldheimia  hnmeralis  und  Rhynchnnella 
pinyuis  bisher  in  Böhmen  nicht  gefunden  worden  sind. 

Für  Hohnstein  habe  ich  bereits  a.  a.  0.  *  den  Einfluss  her- 
vorgehoben; w^elchen  die  Nachbarschaft  der  jurassischen  Nord- 
see auf  die  Zusammensetzung  der  Fauna  dieser  Ablagerung 
genommen  hat,  heute  muss  für  die  böhmischen  Juragebilde 
betont  werden,  dass  in  denselben  mehr  der  Charakter  jener 
Faunen  zum  Ausdrucke  kommt,  welcher  für  die  mährischen  und 
niederbaierischen  Jurabildungen  bezeichnend  ist. 

Ist  auch  die  Möglichkeit  keinesfalls  ausgeschlossen,  dass 
etwaige  neue  Funde  das  gänzliche  Fehlen  der  in  Rede  stehenden 
Formen  in  der  einen  oder  der  anderen  der  genannten  Localitäten 
nicht  bestätigen  würden,  so  dürfte  doch  dadurch  kaum  das 
bezeichnete  Verhältniss  gestört  werden,  welches  in  einem  Über- 
wiegen südlicher  Arten  im  Jura  von  Böhmen  gegenüber  jenem 
Sachsens  besteht. 

Dieses  Verhältniss  lässt  sich  nicht  in  ungezwungener  Weise 
erklären  unter  Aufrechthaltung  der  Ansicht:  „die  böhmisch- 
sächischen  Juragebilde  seien  Ablagerungen,  welche  in  einer 
schmalen  Bucht  des  Jurameeres  zum  Absätze  kamen,  die  sich 
entlang  der  Elbeniederung  hinzog,  ohne  jedoch  weiter  in  das 
Innere  von  Böhmen  hinein  zu  reichen."^  Unter  dieser  Voraus- 
setzung könnte  eine  Zuwanderung  von  Lebewesen  aus  Baiern 
oder  Mähren  nach  Böhmen  und  umgekehrt  nur  über  Polen,  Ober- 
schlesien und  Sachsen  erfolgt  sein,  es  wäre  somit  nicht  wahr- 
scheinlich, dass  dieselben  in  den  bezeichneten  Gebieten  keine 
Spuren  ihres  ehemaligen  Vorkommens  hinterlassen  hätten, 
während  sie  in  dem  von  ihren  Ausgangspunkten  am  weitesten 
entfernten  Gebiete  ziemlich  häufig  gefunden  werden.  Es  spricht 


1  Bruder,  Fauna  von  Hohnstein,  p.  18. 

-  Hauer,  Übersichtskarte  der  österreichischen  Monarchie,  Blatt  I  und 
11,  p.  43. 


Nene  Beiträge  zm-  Kenntuiss  der  Juraablagernngen  etc.  3  99 

vielmehr  dieser  Umstand  für  die  Amiahme  einer  directen  Ver- 
bindimg des  böbmisch-sächsisclieu  Meerestheiles  mit  jenem, 
welcher  den  Südosten  des  Massives  iimfluthete. 

Hiernach  wäre  eine  Wasserstrasse  zu  denken,  welche  einen 
unmittelbaren  Austausch  von  Lebewesen  zwischen  Böhmen  und 
Mähreu  möglich  machte,  so  dass  es  ganz  natürlich  erscheint,  wenn 
in  den  böhmischen  Juragebilden,  als  den  nähergelegenen,  der 
mährische,  beziehungsweise  süddeutsche,  Einfiuss  entschiedener 
zur  Geltung  kam  als  in  den  sächsischen. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  diese  Annahme,  welche  sich  zunächst 
nur  auf  palaeontologische  Vorkommnisse  stützt,  vom  geologischen 
Standpunkte  begründet  werden  kann,  oder  ob  derselben  strati- 
graphische  Hindernisse  entgegen  stehen. 

Der  untrüglichste  Beweis  für  die  Eichtigkeit  dieser  meiner 
Ansicht  würde  dadurch  geliefert,  wenn  unzweifelhafte  Jura- 
sedimente noch  an  anderen  Punkten  des  nordöstlichen  Böhmen, 
etwa  zwischen  Liebenau,  Eisenbrod  und  Mährisch-Krumau  nach- 
gewiesen werden  könnten.  Dieses  ist  bis  heute  nicht  der  Fall,  und 
wäre  ein  solcher  höchstens  durch  Tiefbohrungen  in  der  Nähe  des 
Nordrandes  der  böhmischen  Kreidemulde  zu  erbringen,  da  in 
Folge  der  viel  bedeutenderen  Transgression  des  Kreidemeeres, 
gegenüber  dem  jurassischen  Ocean,  die  Ablagerungendes  letzteren 
von  Kreidegebilden  mit  übergreifender  Lagerung  verdeckt 
wurden.  Überdies  muss  auch  der  Umstand  im  Auge  behalten 
werden,  dass  erwiesenermassen  ein  grosser  Theil  der  Jura- 
schichteu  in  Böhmen  und  Mähren  noch  vor  Absatz  der  Kreide- 
sedimente durch  eine  bedeutende  Denudation  zerstört  worden 
war. ' 

Um  daher  die  muthmasslichen  Verbindungswege  zwischen 
den  einzelnen  Meerestheilen  gegen  das  Ende  der  Jurazeit  fest- 
stellen zu  können,  sind  wir  augewiesen  anderweitige  Anhalts- 
punkte aufzusuchen.  Wir  gewinnen  solche  durch  Beantwortung 
der  Frage  über  die  Terrainverhältnisse  des  damaligen  Meeres- 
grundes. 

Die  Glieder  der  böhmisch-sächsischen  Juragebilde  finden 
sich  zwar  in  nächster  Nähe,  aber  niemals  in  unmittelbarem  Con- 


^  Siehe  hierüber  Näheres  auf  pag.  205 . 


200  Bruder. 

Contact  mit  dem  Urgebirge,  es  lagern  zwischen  denselben  stets 
Schichten  bunter  Thone  von  gelber,  blauer  oder  blutrother  Farbe, 
die  letzteren  mit  grünlichen  Kalkschmitzen,  welche  zugleich  mit 
den  Juraschichten  emporgeschoben  wurden.  Dieselben  sind  voll- 
kommen versteinerungsleer  und  ihre  Mächtigkeit  schwankt 
zwischen  2  Meter  im  Bruche  von  Sternberg  und  30  Meter  in  der 
Kalkgrube  von  Hohnstein.  Wie  ich  bereits  a.  a.  0.  ^  nachgewiesen 
habe,  sind  diese  Thone  kaum  jurassischen  Alters,  denn  es 
bestehen  keine  ihnen  äquivalenten  Gebilde  in  den  benachbarten 
Juradistricten,  dagegen  scheinen  sie  zufolge  ihrer  petrogra- 
phischen  Beschaffenheit  vollkommen  mit  jenen  bunten  Letten 
übereinzustimmen,  welche  in  Sachsen  das  Hangende  der  Zech- 
steinformation  bilden.  Schlemmproben  nach  einer  Quantität  des 
rothen  Thones  von  Sternberg  ergaben  keine  Spur  organischer 
Reste,  der  Rückstand  stellt  einen  groben  Sand  dar,  welcher  aus 
kleinen  farblosen  Quarzkörnern  und  grösseren  grünlich-grauen 
Kalkklümpchen  zusammengesetzt  ist. 

Rothliegendgebilde,  bestehend  aus  Sandsteinen,  Melaphyr 
und  Porphyr,  treten  auch  bei  Liebenau,  also  am  südlichsten 
bereits  von  Cotta  beschriebenen  Punkte  der  böhmisch-sächsischen 
Überschiebung,  unter  ganz  ähnlichen  Lageruugsverhältnissen  zu 
Tage.  Nebenstehendes  Profil,  welches   mir  von  Herrn  Professor 

NO  SW 

»Suskal  Liebenau 


7  .»,       RM^R  P    CK     TK 

T  Phyllit,  J/j  AU  ivielaphyr,  i?  Ob.  Rothl.  Saudsteiu, 
P  Porphyr,   CK  Cenomane  Krtüde,   TK  Turouc  Kreide. 

Laube  gütigst  mitgetheilt  wurde,  zeigt  deutlich  die  Aufrichtung 
der  Dyasschichten  am  Urthonschiefer  und  mit  denselben 
erscheint  auch  der  Quadersandstein  gehoben. 


1  Fauna,  von  Hohnstein,  p.  14. 


Neue  Beiträg-e  zur  Keuntniss  der  Juraublageruugen  etc.  201 

Desgleichen  finden  Avir  bei  Harnstein  südlich  von  Eiseu- 
brod,  zwischen  Kosakow  und  Semil^,  sowie  bei  Stavkenbach^ 
Rotlilieg-endg-esteine  und  unteren  Quader  am  Phyllit  aufg-erichtet 
beziehungsweise  von  demselben  abfallend.  Es  folgt  ferner  die 
merkwürdige  sattelförmige  Umbiegung  des  Rothliegenden  bei 
Eipel  •'^,  welche  durch  einen  eingesunkenen  NW — SO  streichenden 
schmalen  Kreidezug  von  den  Dyasablagerungen  der  Braunauer 
Mulde  getrennt  ist.  In  derselben  haben  längs  dem  östlichen  Abfall 
des  böhmisch-glätzischen  Gebirges  und  am  Rande  des  den 
glätzisch-mährischeu  Golf  begrenzenden  Urgebirges,  ähnliche 
Lagerungsverhältnisse  platzgegriffen  wie  zw^ischen  Liebenau  und 
Meissen.  Den  interessantesten  Aufschluss  hierüber  bietet  der 
rothe  Berg  bei  Glatz*  dar.  In  überstürzter  Stellung  unter  50° — 73" 
gegen  das  Urgebirge  einfallend  stosseo  mit  krystallinischen  Schie- 
fern Schichten  des  Roth  liegenden  zusammen,  darauf  folgen,  nach 
und  nach  von  der  überkippten  zur  senkrechten  Stellung  über- 
gehend: ein  conglomeratisch  w^erdender  Sandstein,  ein  ver- 
steinerungsloser Kalkstein  und  endlich  Quadersandstein  mit 
Exogyra  Columba.  Au  die  Dyasgebilde  von  Eipel  reihen  sich  die 
von  Hronow,  Giesshübel,  Mährisch-Trübau,  Brünn-^  und  Krems  i 
letztere  steil  ostwärts  gegen  den  Bruch  einfallend  und  sich  an 
den  Ostrand  des  böhmischen  Massives  anschliessend.*^ 

Es  kann  somit  ein  nur  auf  kurze  Strecken  unterbrochener 
Zug  von  Rothliegendablagerungen  verfolgt  werden,  der  nahe- 
zu 400  Kilometer  Länge  besitzt,  und  sich  aus  der  Gegend  von 
Tharand  über  Loschwitz,  Hohnstein,  Hinter-Hermsdorf,  Sternberg, 
Daubitz,  dann  w^eiter  entlang  dem  Iser-  und  Riesengebirge  bis 
nach  Mähren  hinzieht^;   die  böhmische  Kreidemulde  im  Norden 


1  Hoehstetter,  Durchschnitt  d.  d.  Nordrand  d.  b.  Kreideabi.  etc. 
Jahrb.  d.  k.  k.  geolog.  ßeichsanst.  Bd.  XVIII,  p.  249,  Fig.  1. 

•^  Jokely,  Übersicht  d.  Eothl.  etc.  1.  c.  Bd.  XII,  p.  389,  Fig.  3. 

3  Schütze  ,  Niederschi.  böhm.  Steinkohlenbecken.  Abh.  z,  geol. 
Karte  v.  Pi-enssen.  Bd.  III,  p.  5.  Fig.  a. 

^  Beyrich,  Lagerung  der  Kreidet',  im  schl.  Geb.,  p.  75. 

5  ßeuss,  Beiträge  zur  geogr.  Kenntn.  v.  Mähren.  Jahrb.  d.  k.  k.  geol. 
ßeichsanst.  Bd.  V,  p.  G63. 

6  Suess,  Antlitz  der  Erde,  p.  252. 

'  Suess,  Entstehung  d.  Alpen,  p.  94. 


202  Bruder. 

und  Osten  uni-säuuiend.  Weiter  südlich  folgen  dieselben  der  Tiefen- 
linie, welche  das  Rrünner  Syenitgebirg-e  vom  böhmischen  Massiv 
trennt. 

Am  Südrande  der  böhmischen  Kreidemulde  treten  ebenfalls, 
aber  räumlich  mehr  von  einander  abstehend,  Rothliegendgebilde 
bei  See,  Rudov^,  Scliwarzkostelec,  Böhmisch-Brod,  Schlan  etc. 
mit  synklinalem  Einfallen  in  ziemlicher  Ausdehnung  zu  Tage.  Es 
gilt  somit  als  sehr  v^ahrscheinlich,  dass  die  Rothliegendschichten 
des  Riesengebirges  unter  den  mächtig  entwickelten  Kreide  und 
Diluvialgebilden  der  Elbe-  und  Isergebiete  mit  jenen  des  mittleren 
Böhmens  in  unmittelbarem  Zusammenhange  stehen^,  was  darauf 
hinweiset,  dass  während  der  Dyaszeit  sich  ein  grosser  See  im 
nördlichen  Böhmen  ausgebreitet  habe,  welcher  im  Norden  bis 
nach  Sachsen,  im  Süden  mittelst  eines  verhältnissmäsig  schmäleren 
Armes  nach  Mähren  und  Niederösterreich  bis  in  die  Gegend  von 
Krems  reichte.  Ganz  analoge  Bedingungen  für  ihre  Ausbreitung 
haben  auch  die  Gewässer  des  Kreidemeeres  noch  angetroffen;  denn 
auch  die  Ablagerung  der  Kreideformation,  welche  die  oben  näher 
begrenzte  Mulde  erfüllen,  stehen  einerseits  im  Norden  entlang 
dem  Elbethale  im  directen  Zusammenhange  mit  jenen  Sachsens, 
anderseits  erstrecken  sie  sich  nach  Südost  mit  einer  weit  vor- 
springenden Zunge  bis  in  die  Nähe  von  Brunn. 

Es  müssen  demnach  hier  sehr  alte,  bereits  vor  der  Ab- 
lagerung der  Rothliegendgebilde  entstandene  Reliefformen  des 
Gebirges  bestehen,  welche  im  Wesentlichen  unverändert  bis 
zur  Tertiärzeit  hin  die  Anordnung  der  einander  folgenden  For- 
mationen bestimmten.-' 


1  Krejci,  Eisengebirg-e.  Archiv,  der  Lamlesf.  v.  Bölunen.  V.  Bfind, 
p.  tjT. 

-  Hauer,  geol.  Karte.  Bl.  I  u.  II,  p.  4!. 

'•'  Beyrich  a.  a.  0.  p.  70.  Nur  im  Süden  der  ;ilteu  (Waldeiiburger) 
Mulde  sind  die  Urgebirgsränder  verschwunden  und  die  Art  und  Weise,  wie 
die  Kreideformatioh  allein  sich  südlich  des  Heuscheuergebirges  weiter  ver- 
breitet, liefert  den  Beweis,  dass  liier  in  der  Zwischenzeit  zwischen  der 
Ablagerung  des  Rothlicgenden  und  der  Kreideformation  (wahrscheinlich 
nach  dem  Rückzug  des  Jurameeres)  in  einer  wegen  des  Fehlens  der  zwischen- 
liegenden Formationen  nicht  näher  zu  bestimmenden  Zeit  grosse  Ver- 
änderungen in  den  Formen  des  Gebirges  eingetreten  sein  müssen.  (Welche 
als  locale  Einbrüche  in  diesem  Gebirgstheile  eine  weitere  Ausdehnung  des 
Kreidemeeres  gestatteten.) 


Neue  Beiträge  zur  Kemitniss  der  Juranblagerungen  etc.  203- 

War  den  jedenfalls  seichten  Dyasgewässern  die  Möglichkeit 
geboten,  in  der  oben  bezeichneten  Weise,  nach  Sachsen  und 
Mähren  überzugreifen,  so  raussteu  sich  diese  Verbin dnng-swege 
auch  den  bedeutenden  Wassermassen  des  jurassischen  Oceans 
erschliessen. 

Versucht  man  unter  Berücksichtigung  der  vorangehend  näher 
erörterten  Verhältnisse  ein  Bild  zu  entwerfen  über  die  Gliederung 
von  Festland  und  Meer  des  besprochenen  Gebietes  gegen  das 
Ende  der  Jurazeit,  so  gelangt  man  zur  Darstellung  des  bei- 
gefügten Kärtchens,  ohne  dass  jedoch  selbes  Anspruch  auf 
Genauigkeit  erheben  könnte;  denn  zur  Feststellung  der  einstigen 
Uferlinien  fehlen  fast  jegliche  Anhaltspunkte,  Jedenfalls  dürfte 
sich  aber  die  Annahme  rechtfertigen  lassen,  dass  das  böhmische 
Massiv  während  der  Dyas-Jura  und  Kreidepeiiode  durch  einen 
Canal  vollständig  vom  Sudetenmassiv  getrennt  war.  Hiebei  fasse 
ich  unter  letzterer  Bezeichnung  das  zu  einem  langen  schmalen 
insularen  Vorlande  vereinigte  krystallinische  System  desLausitzer-^ 
Iser-,  Riesen-  und  Altvatergebirges  zusammen,  welches  sich  auch 
durch  die  petrographische  Beschaffenheit  seiner  archäischen 
Gesteine  wesentlich  von  jenem  des  mittleren  Böhmens  und  des 
Erzgebirges  unterscheidet. 

Dieser  Canal  scheint  sichln  der  Mitte  zu  einem  „böhmischen 
Becken'-  erweitert  zu  haben,  während  er  sich  im  Süden  zu  einer 
mährischen,  im  Norden  zu  einer  sächsischen  Strasse  ver- 
schmälerte. Zur  Jurazeit  hat  er  jedoch  keinesfalls  jene  bedeu- 
tende Breite  erreicht,  welche  hier  später  das  Kreidemeer  einnahm. 
Seine  Küsten  scheinen  nur  längs  der  Sudeteninsel  steil  gewesen 
zu  sein  \  entlang  dem  Nordrande  des  Massives  mochten  dieselben 
flacher  abfallen.  Absätze  aus  tiefem  Wasser  mögen  daher  wohl  nur 
durch  einen  schmalen  Zug  von  Kalksteinen,  der  sich  nahe  dem 
Südrande  der  Sudeten  hinziehen  dürfte,  vertreten  sein.  Die  gleich- 
zeitigen Ablagerungen  nahe  der  gegenüberliegenden  Küste 
des  Canales  Avaren  wahrscheinlich  von  ab  weichenderNatur,  viel- 
leicht aus  lockeren  Sandsteinen  oder  Conglomeraten  bestehend. 

In  Böhmen  und  Sachsen  herrscht  ein  ähnliches  bemerkens- 
werthes  Verhältniss  wie  in  Oberschlesien  und  Polen,  auf  welches 


1  Bruder,  Fauna  von  Hohnstein,  p.  IG. 


204  B  r  u  der, 

bereits  Herr  Prof.  Römer'  aufmerksam  gemacht  hat.  Dort  über- 
lagern die  Eisenoolithe  des  mittleren  brauneu  Jura  buute  zumTheile 
blutrothe  Thone  des  Keuper,  hier  lagern  Doggersandsteine  über 
eben  so  beschaffenen  „Letten",  welche  als  Hangendes  der 
Dyasformation  auftreten  und  entweder  noch  dieser  zugerechnet^, 
oder  auch  als  ältestes  Triasgebilde  aufgefasst  werden.^  Diese 
Thatsache  berechtigt  jedoch  nicht  zu  der  Annahme,  dass  hier 
zwischen  dem  Schluss  der  Dyas-  und  dem  Beginn  der  Dogger- 
periode keine  Unterbrechung  der  Niederschläge  stattgefunden 
habe.  Denn  erstens  kann,  in  Folge  der  durch  die  Dislocation 
bedingten  Verschiebungen  in  der  gegenseitigen  Lagerung  der 
emporgedrängten  Schichten,  nicht  mehr  mit  Bestimmtheit  ent- 
schieden werden,  ob  zwischen  denselben  ursprünglich  eine  Dis- 
cordanz  bestanden  habe;  und  zweitens  ist  eine  solche  in  bedeu- 
tenderem C4rade  wohl  kaum  zu  erwarten,  da  in  dem  in  Betracht 
gezogenen  Gebiete  nachweisbar  während  der  mesozoischen  Zeit 
keine  erheblichen  Störungen  im  Relief  des  Grundgebirges 
stattgefunden  hatten.  Immerhin  erscheint  es  möglich  und  sogar 
walirscheinlicli,  dass  auch  Glieder  der  Zechstein-  und  Trias- 
formation, welche  nördlich  der  Sudeten  ihre  normale  Entwicklung 
gefunden  haben,  südlich  derselben,  also  im  böhmischen  Becken, 
sich  in  den  sehr  mächtigen  rothen  Sandsteinmassen  verbergen; 
was  Herr  Prof.  Beyrich*  für  den  ersteren  angenommen  hat,  und 
wie  anderseits  Herr  Prof.  Geinitz^  die  Hang end-T hone 
derselben  als  ältestes  Glied  des  Buntsandsteiues  auffasst.  Ganz 
besonders  auf  dieses  Gebilde  möchte  ich  daher  Herrn  v.  Haue  r's*^ 
Satz  angewendet  wissen:  „Es  sind  nicht  immer  scheinbare 
Lücken  einem  wirklichen  Fehlen  der  betreffenden  Schichten- 
gruppe  zuzuschreiben;  gewisse  Faciesgel)ilde,  die  in  einem 
Gebiete    eine    eng     umgrenzte    Forniationsstufe    repräsentiren. 


1  Röraer,  Geologie  v.  Oberschlesien,  p.  275. 

-  Credner,  Die  ol:)ere  Zechsteinforniation  in  Sachsen.  Sitzb.  d.  kg. 
Sachs.  Ges.  d.  W.  ISSb,  p.  ii»2. 

3  Geinitz,  Nachträge  zur  Dyas  I,  p.  40. 

*  Beyrich,  Über  Eutwicklung  des  FKitzgebirges  in  Schlesien 
p.  0—71. 

•"'  Geiiiitz,  Dyasformation,  p.  175. 

*>  Haner   Geologie  der  österr.-nngar.  Monarchie  IT.  Anfl.  p.  521. 


Neue  Beiträge  zur  Kenutuiss  rter  Juraablagerungeii  etc.  205 

können  in  einem  anderen  Ablagerungen  einer  längeren  Zeit- 
periode umfassen. 

Dagegen  bat  erwieseuermassen  naeb  Ablagerung  der  Tenul- 
/o6«^;<s-Scbichten  in  Folge  von  Oscillationen  des  Meeres  inSacbsen^ 
Böbmen  und  Mähren  eine  Unterbrecbung  der  Nicderscbläge 
stattgefunden.  Die  Grenzen  von  Festland  und  Meer  wurden  ver- 
scboben,  ein  Tbeil  des  trockengelegten  Meeresgrundes  dureb 
Denudation  zerstört,  und  in  vertieften  Stellen  desselben,  von  Seen 
und  Flüssen,  Süsswassergebilde  abgesetzt.  Diese  Vorgänge 
bedingten  die  lückenbafte  Ausbildung  von  Jura  und  Kreide,  indem 
einerseits  die  böchsten  Malmborizonte  anderseits  die  Neocom- 
uud  Gault-Bildungen  nicbt  zum  Absätze  kamen.  Sie  erklären 
ferner  die  Einscblüsse  von  Fragmenten  jurassiscber  Kalksteine 
in  den  Quadercouglomeraten  von  Zescbnig  bei  Hobnstein,  sowie 
den  Umstand,  dass  dieselben  sehr  häufig  von  Gastrochaena  ostrea 
und  LHhodomns  rufjosus  angebohrt  und  die  Höhlungen  mit  dattel- 
bis  feigenförmigen  Sandsteinkernen  erfüllt  sind;  was  nur 
möglich  war,  wenn  die  betreffenden  Kalkfragmente  noch  vor  der 
Bildung  dieses  Trümmergesteines  längere  Zeit  vom  Meere  über- 
deckt wurden.^ 

Das  Nordmeer  musste  zur  Maimzeit  durch  mehre  Arme  mit 
den  südlicher  gelegenen  helvetisch-germanischen,  mährischen  und 
polnischen  Meerestheilen  in  Verbindung  gestanden  sein,  deren 
Jeder  für  die  Verbreitung  bestimmter  Lebewesen  besonders 
günstig  gewesen  sein  mochte;  worauf  Tiefenverhältnisse  und 
Strömungen  wohl  von  massgebendem  Einfluss  waren.  So  scheinen 
viele  Brachiopoden  und  Bivalven  ihre  Wohnplätze  in  Nord  oder 
Süd  unter  Benützung  jener  AVasserstrasse,  die  das  böhmische 
Massiv  von  dem  der  Sudeten  abtrennte,  vertauscht  zu  haben. 
Hiefür  spricht  auch  die  Thatsache,  dass  in  dem  den  böhmisch- 
sächsischen  Juragebilden  zunächstgelegenen  Jnravorkommen  bei 
Goslar^  unter  148  Arten  sich  mehr  als  zwanzig  befinden,  welche 
auch  den  ersteren  eigen  sind. 

Und  zwar:  1.  Aus  den  Mergelthonen  der  Kellowaygruppe 
(Macrocephalus    und     Ornathenthon)   Gryphaea   dilatata  Sow., 

1  Creclner,   Gliederung  des  oberen  Juni  in  Norddeutschlaud.   p,  96. 

2  Würtenberger,  Über  Jura  bei  Goslar  etc.  Zeitscli.  d.  deutsch- 
geol.  Gesellseh.  Bd.  XXXVI,  p.  58.5. 


206  B  1-  u  d  e  r, 

Pholüdomya   Murchisoni  Sow.^   Pleurotomitria  gritimhitd    Defr., 
Belemnites  cannHcuJatus  Sclil. 

2.  Aus  den  Mergelkalken  des  unteren  und  oberen  Coralleu- 
oolitli  und  den  Scliicliten  der  Terebrdtula  humeralis:  Cidaris 
Blumenbachi  M^tr.,  Pseudodiadema  niomillnnum  A.B..,  Holcctypus 
coiallhiu.'i  d'Orb.,  Tercbratuln  humeralh  A.  R.,  T.  hiaignls  Selil. 
T.  äff,  muf/asif'ormis  Ze  nsch.,  Bhy/ichone/ld  puu/uis  A.  R.,  Östren 
mrdiiformi.9  Dkr.,  0.  Römeri  Quen.st.,  0.  rasfrllaris  Mstr., 
Grypluied  ddatata  Sow.,  Pecten  subtextorius  Phill,,  P.  vimhieus 
•Sow.,  Tricfonia  papiUatu  K<;^.,  Pleuromya  sinuosa  A.  R.,  P.  ttdlina 
Ag-.,  Mactromya  riu/osa  A.  R. 

Die  identischen  Arten  sind  also  hauptsäehlieh  nur  durch 
Brachiopoden,  Bivalven  und  einige  Echiniden  vertreten.  Es  darf 
aber  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  Würtenberger  auch 
mehrere  Spongien  anführt,  wodurch  in  der  Znsammensetzung  der 
Fauna  eine  weitere  Annäherung  an  den  süddeutschen  und 
polnischen  Typus  zum  Ausdrucke  kommt.  Diese  Juraablagerungen 
ziehen  sich  am  Nordrande  des  Harzes  von  Harzburg  über  Oker  bis 
nach  Goslar  hin,  bilden  also  eine  geradlinigeNW — SO  streichende 
Fortsetzung  zu  dem  Zuge  von  Juraschollen,  welche  an  der  Grauit- 
Quadersandsteingrenze  emporgedrängt  wurden.  Wie  in  Böhmen 
und  Sachsen  belinden  sich  auch  die  obgenannten  Juraschichten 
in  umgestürzter  Lagerung  und  wurden  mit  ihnen  alle  dortselbst 
vertretenen  Schichten  vom  Buntsandstein  bis  zum  Senon,  von  der 
Dislocation  getroöen.  Ihre  Überkippung  ist  durch  einen  vom 
Massive  des  Harzes  ausgeübten  in  NO-Richtung  wirkenden 
Horizontaldruck  verursacht  worden.  Durch  einen  ebenfalls  von 
SW  nach  NO  gerichteten  Druck  erscheint  am  nordöstlichen 
Fusse  des  Erzgebirges,  bei  Niederwarta  am  linken  Elbeufer,  der 
Granit  gegen  den  Südrand  der  Kreidemulde  vorgeschoben, 
wodurch  eineAufifaltung  und  thcilweise Überschiebung  der  Pläner- 
schichten  hervorgerufen  wurde.  Im  Gegensatze  liiezu  ist  die 
grosse  Überschiebung  und  Verwerfung  am  Nordrande  derselben 
durch  eine  Bewegung  der  Masse  des  Riesen-  und  Isergebirges  in 
nordöstlicher  Richtung  erzeugt  worden.  Es  erscheinen  also  die 
Jura-  und  Krcideablagerungen,  welche  die  Mulde  erfüllen, 
an  den  sie  begrenzenden  Massiven  abgesunken,  während  die 
Ränder  der  letzteren  sich  stellenweise  über  die  gesunkene  Scholle 


Neue  Beiträge  zur  Keuntiiiss  der  Juraablageruugen  etc.  207 

vorgeschoben  haben.  Das  sächisch-böhmiscbe  Kreidebeeken  ist 
demuacb  als  einSenkuiigsgebiet  aufzufassen,  welches  mit  den  aus- 
gedehnten Senkungsfeldern  im  Osten,  Süden  und  Westen  der 
alten  böhmisclien  Festlandsmasse  in  inniger  Beziehung  steht. 

Auch  die  Ränder  dieser  Senkungsgebiete  zeigen  ähnliche 
tektonische  Verhältnisse.  So  finden  wir  zwischen  Regeusburg  und 
Passau  Jura-  und  Kreideschichten,  denen  sich  bei  Donanstauf 
auch  noch  Rothliegendes  anschliesst,  steil  aufgerichtet.  Bei  Vog- 
larn  erscheinen  sogar  Juraschichten  in  einer  Synklinalen  Falte 
überworfen,  deren  Mitte  aus  Gneiss  besteht  und  welche  von 
Kreidegebilden  uuterteuft  wird.  Die  mesozoischen  Schichten  der 
nach  Südosten  geneigten  Sudetenscholle  sind  von  den  Karpathen 
überfaltet  worden.  Dessgleichen  kann  die  Bildung  derkarpatischen 
Juraklippenzüge  darauf  zurückgeführt  werden,  dass  die  meso- 
zoischen Ablagerungen,  die  in  bedeutender  Mächtigkeit  und  Aus- 
dehnung die  Karpathen  im  Norden  umsäumen,  am  Massive 
derselben  abgesunken  seien  und  letzteres  sich  gegen  Nord 
bewegt  habe.  Hiedurch  wurden  dieselben  in  der  Richtung  von 
Süd  nach  Nord  zusammengepresst,  was  zur  Folge  hatte,  dass  sie 
sich  in  parallel  zum  Gebirge  gestellten  Falten  hoch  aufwölbten, 
welche  stellenweise  sogar  aufbarsten. 

Ebenso  ist  am  Nordrande  der  Sudeten  die  Kreideformation 
am  Urgebirge  abgesunken,  und  der  Umstand,  dass  bei  Wehrau 
und  Hermsdorf  in  Schlesien  Muschelkalk  als  Hangendes  der 
Kreideglieder  auftritt,  beweist  die  Theilnahme  noch  älterer 
mesozoischer  Schiebten  an  dieser  Bewegung.* 

Die  Ursache  des  fast  allgemein  zu  beobachtenden  Abbruches 
der  mesozoischen  Ablagerungen  an  alten  Festländern  ist  nach 
Probst^  in  der,  durch  die  langandauernde  Meeresbedeckung 
bedingten,  rascheren  Abkühlung  und  der  ebenfalls  damit  zu- 
sammenhängenden stärkeren  Contraction  des  damaligen  Meeres- 
grundes, gegenüber  den  hievon  in  geringerem  Grade  betroffenen 
Landmassen,  zu  suchen. 

Dort  wo  steilere  Küstenbildungen  geherrscht  haben,  also  die 
Gegensätze  in  den  TTirkungen  von  Festland  und  Tiefsee  einander 


1  Beyrich,  Lagerung-  d.  Kreidef.  i.  schl.  Geb.  p.  64 — (i5. 
'•^  Probst,  Natürl.  Warmwasserheizung  etc.  Abhandlung  der  Senkeub. 
nat.  Gesellsch.  Bd.  XIIL  p.  372— 3S0. 


208  B  r  u  d  0  V, 

unvermittelt  g-egenüber  standen,'  mussten  umso  bedeutendere 
Spannungen  auftreten,  die  hier  allem  Anscheine  nach  zumeist  in 
der  späteren  Tertiärzeit  zur  Auslösung  kamen,  und  welche  deut- 
lich niarkirte  Bruchlinien  als  Spuren  hinterlassen  haben.  So  am 
Südfusse  des  Riesen-  und  Isergebirges,  und  am  Westabhange 
des  Böhmerwaldes. 

Wenn  im  Vorstehenden  die  Folgerungen  dargelegt  erscheinen^ 
zu  welchen  ich  auf  Grund  meinerStudien  derböhmisch-sächsischen 
Juragebilde  gekommen  bin,  so  erwächst  mir  zum  Schlüsse  noch 
die  Aufgabe,  dieselben  mit  den  Resultaten  zu  vergleichen,  welche 
Herr  Professor  M.  Neumayer  in  seiner  erst  vor  Kurzem 
erschienenen  Abhandlung:  „Die  geographische  Verbreitung  der 
Juraformation"  (Denksch.  d.  k.  Akad.  Bd.  50,  p.  1 — 86)  ver- 
öffentlicht hat.  Es  gereicht  mir  zur  besonderen  Befriedigung,  das» 
ein  so  ausgezeichneter  Juraforscher  im  Wesentlichen  zu  derselben 
Annahme  über  Vertheilung  von  Festland  und  Meer  während  der 
jüngeren  Jurazeit  in  dem  in  Rede  stehenden  Gebiete  gekommen 
ist,  zu  der  auch  ich  mich  veranlasst  sah,  und  welche  darin 
besteht,  dass  der  böhmisch-sächsische  Meerestheil  einerseits  mit 
jenem  des  nordwestlichen  Deutschland,  anderseits  mit  dem 
mährisch-polnischen  Becken  in  unmittelbarer  Verbindung  gestan- 
den sein  müsse.  Hingegen  wird  abweichend  von  meiner  Auffassung 
angenommen: 

1.  Das  Malmmeer  habe  sich  auch  längs  dem  Nordfiisse  des 
sächsischen  Erzgebirges  hingezogen,  so  dass,  wie  sich  Herr  Prof. 
Neumayr  ausspricht,  der  böhmisch-sächsische  Jura  ein  Stück 
Frankenjura  sei  (1.  c.  p.  9). 

2.  Sollen  die  Sudeten  vollständig  überfluthet  gewesen  sein 
(1.  c.  p.  17). 

Die  Annahme  eines  ehemaligen  Zusammenhanges  der 
böhmisch-sächsischen  Juraablagerungen  mit  jenen  von  Franken 
scheint  in  der  That  vom  palaeontologischen  Standpunkte  gereciit- 
fertigt,  und  habe  ich  diesbezüglich  bereits  ebenfalls  darauf  hin- 
gewiesen^, dass  die  beiden  Flügel  der  in  einem  gegen  NW 
geöffneten  Bogen  rings  um  das  böhmische  Massiv  auftretenden 
Juraablagerungen  in   Böhmen    und  Sachsen    einerseits    und   in 

1  Linien  schwächsten  Widerstandes  nach  Schiaparelli. 

2  Brnder,  Fanna  v.  Hohnstein,  p.  14. 


Neue  Beiti-äge  znr  Kenntniss  der  Juraablagenmgen  etc.  209 

Frauken  anderseits,  eine  merkwürdige  Übereinstimmung-  in  der 
Entwickehmg  gleichaltriger  Schiebten  in  Bezug  auf  ihre  Facies 
und  somit  auch  hinsichtlich  des  Charakters  ihrer  Faunen  erkennen 
lassen.  Ich  wage  jedoch  nicht  zu  entscheiden,  ob  diese  Überein- 
stimmung nur  durch  den,  von  Herrn  Neumayr  angenommenen 
Zusammenhang  des  fränkischen  und  böhmischen  Beckens  längs 
dem  Erzgebirge  erklärt  werden  könne.  Einige  Thatsachen 
scheinen  sogar  gegen  denselben  zu  sprechen. 

Zunächst  erweisen  sich  die  Sedimente  der  böhmisch- sächsi- 
schen Juraablagerungen  ihrer  petrographischen  Beschatfen- 
heit  nach  in  auffallender  Übereinstimmung  mit  den  äquivalenten 
Jiiraschichten,  die  südlich  und  östlich  des  böhmischen  Massives 
angetroffen  werden,  eine  solche  besteht  jedoch  in  gleichem  Grade 
mit  jenen  des  fränkischen  Jura  nicht. 

Schon  die  Eigentbümlicbkeit  der  sandigen  Entwickelung  des 
oberen  Doggers,  mit  einer  ähnlichen  Concentrirung  der  Fauna, 
wie  sie  in  den  Macrocepha/us-Schichten  des  nordwestlichen 
Deutschlands  und  des  Krakauer  Gebietes  festgestellt  wurde, 
welche  eine  Trennung  von  Bathonien  und  Callovien  nicht 
gestattet,  steht  im  Gegensatze  zu  den  gleichalterigen  Gebilden 
in  Franken.  Die  Oxfordschichten  sind  in  Hohnstein  gleich  jenen 
Mährens  und  Polens  durch  das  Fehlen  des  Impressahorizontes  * 
ausgezeichnet,  und  ist  für  dieselben  auch  das  Vorkommen  grosser 
Peltoceras-Arten  bezeichnend,  so  dass  sie  hiedurch  wesentlich 
vom  Typus  der  Biarmatus-  und  TratisversariusStufQ  in  Franken 
und  Schwaben  abweichen.  Auch  die  hellen,  kieselige  Concretionen 
einschliessenden  Brachiopodenkalke  von  Sternberg  und  Khaa 
finden  ihr  Aualogum  nur  in  den  gleichalterigen  Kieselnieren- 
kalken,  welche  in  Niederbaiern,  Mähren,  Polen  und  Oberschlesien 
allgemeine  Verbreitung  gefunden  haben.  Selbst  in  palaeontologi- 
scher  Beziehung  haben  diese  Schichten  einen  gemeinsamen 
Charakter,  welcher  in  dem  häufigen  Vorkommen  feinrippiger 
und  hochgewölbter  Rhynchonellen  aus  den  Formenkreisen  der 
Rh.  moravica,  Rh.  cracoviensis   und   Rh.  subsimilis   seinen  Aus- 


1  Die  typische  T.  impressa  findet  sich  nur  im  unteren  Weissen  des 
südwestlichen  Franken,  im  nordöstlichen  dagegen  wird  sie  durch  eine  sehr 
nahestehende  kleinere  Form  vertreten.  Schürfer,  Jura  in  Franken,  p.  67. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  1  i 


210  Bruder, 

druck  findet.  Ferner  ersclieinen  die  Eingangs  erwähnten  soge- 
nannten titlionisclien  Arten;  darunter  T.  njr/of/onin  Z.  (=7". 
striativ(i)  in  Mähren  bereits  in  den  Kieselnierenkalken  der 
Schwedenschanze,  während  dieselben  bei  Kelheim  erst  in  den 
jüngeren  Diceraskalken  auftreten. 

Die  Ammonitenkalke  zeigen  allerdings  in  ihrer  Petrefaeten- 
führung  eine  überraschende  Verwandtschaft  mit  den  Tenuilobatns- 
Schichten  Frankens,  doch  muss  es  anderseits  auffallen,  dass 
sie  sich  von  denselben  durch  ihre  blaugraue  Färbung  und 
grösseren  Thongehalt  unterscheiden.  Während  der  sogenannte 
Kragenplanulaten  -  Horizont  in  der  östlichen  Schweiz, 
Schwaben  und  Franken  sehr  viel  Übereinstimmendes  in  seinem 
Aussehen  und  in  seinen  Eigenschaften  besitzt,  nähern  sich  die 
böhmisch-sächsischen  Ammonitenkalke  mehr  jener  Entwicklung 
der  unter  Kimmeridgschichten,  welche  einerseits  im  nordwest- 
lichen Deutschland,  anderseits  im  Gebiete  von  Krakau  durch 
dunklere  Färbung  und  reichlichen  Thongehalt  ausgezeichnet 
sind.  Erwägt  man  endlich,  dass  die  TennHobatuH-HchiGhian  in 
Mähren  ursprünglich  vorhanden  gewesen  ^  und  dieselben  höchst- 
wahrscheinlich nach  dem  Typus  der  Söldenauer  Schichten  Nieder- 
baierns  entwickelt  waren,  so  dürfte  das  Vorkommen  von  zahl- 
reichen Ammoniten  der  Gattungen  Aspldoceras,  Perisphi7icfes, 
Olcostephanus,  Oppelia,  Ifaploceras  etc.  ^  nicht  mehr  befremden, 
sondern  geradezu  bei  der  Übereinstimmung  der  Facies  dieser 
Gebilde  erwartet  werden.  Umgekehrt  spricht  das  gänzliche 
Fehlen  von  entschieden  norddeutschen  Fossilien  im  mittleren 
weissen  Jura  von  Franken,  wogegen  solche  in  den  Hohnsteiner 
Mergelkalken  ziemlich  häufig  vorkommen,  nicht  zu  Gunsten  der 
Annahme,  dass  ein  unmittelbarer  Zusammenhang  jener  Mceres- 
theile,  in  welchen  sie  gebildet  wurden,  gegen  das  Ende  der 
Malmperiode  bestanden  habe.  Hiebei  ist  der  Umstand  noch  beson- 
ders zu  berücksichtigen,  dass  sowohl  in  Franken  als  in  Sachsen 
und  Böhmen,  die  in  Betracht  gezogenen  Schichten  in  derselben 
Facies  entwickelt  sind.^ 


1  Conf.  Neiimayr  1.  c.  p,  7. 

-'  Animo n,    Jiirjiabkg-erimi^-en   zwisclieu  Regeusburg    uud  Passau. 
p.  155—157. 

^  See  b ach,  Der  hainiover'sche  Jura.  p.  70. 


Xeue  Beiträge  zur  Kenntniss  des  Juraal)lagerungen  etc.  21 1 

Der  Ansicht  einer  Überfluthung-  der  Sudeten  in  ilirer  Totalität 
durch  die  Gewässer  des  Malmmeeres  kann  ich  ebenfalls  nicht 
unbedingt  beipflichten.  Ist  es  auch  gegenwärtig  nicht  mehr  mög- 
lich, in  Folge  der  bedeutenden  Denudation,  welcher  die  Jura- 
schichten sowohl  vor  als  nach  Ablagerung  der  Kreidesedimente 
ausgesetzt  waren,  die  Vertheilung  von  Festland  und  Meer  zur 
Malmzeit  genau  festzustellen,  so  dürfte  das  von  mir  entworfene 
Kärtchen  doch  in  den  Hauptzügeu  die  tieferen  Meeres- 
regioneu  jener  Periode  zur  Darstellung  bringen, 
welche  auch  für  die  Verbreitung  von  Tiefseeorganis- 
men in  erster  Reihe  massgebend  gewesen  sein  mussteu. 

Augenscheinlich  deutet  die  verschiedene  Entwickelung, 
welche  Zechstein,  Trias,  Jura  und  Kreide  '  diesseits  und  jenseits 
der  Sudeten  erfahren,  auf  eine  während  dieser  Perioden  ununter- 
brochen bestehende  räumliche  Trennung  der  beiden  Becken  hin, 
in  denen  die  einen  und  die  anderen  Absätze  stattgefunden  haben. 
Die  Verbindungen,  die  gewiss  zwischen  den  Gewässern  der 
beiden  Becken  zur  Jura  und  Kreidezeit  vorhanden  waren,  dürften 
kaum  über  die  Sudeten  hinweg  erfolgt  sein. 

Wenn  Herr  Professor  Neumayr  ferner  seine  Annahme  auf 
das  gänzliche  Fehlen  von  Strandbildungen  in  den  böhmisch- 
sächsischen Juraablagerungen  stützt,  so  muss  darauf  hingewiesen 
werden,  dass  schon  Cotta^  das  Vorkommen  von  verkohlten  Holz- 
stücken und  kleinen  Partien  Pechkohle  aus  der  Lettenschicht  ^ 
Hohnsteins  erwähnt.  Ja  die  Doggersandsteine,  welche  daselbst 
Fragmente  von  Belemnites  canaliculatus  und  CiV/«;7',«-Stacheln 
enthalten,  erscheinen,  wie  ich  mich  selbst  überzeugte,  dicht  erfüllt 
mit  kohligen  Partikeln,  die  innig  gemengt  sind  mit  dem  nur  lose 
verbundenen  sehr  feinen  Sandkörnchen.  Kann  man  auch  ein 
solches  Sediment  wohl  nicht  als  eine  typische  Littoralbildung 
bezeichnen,  so  spricht  das  Vorkommen  von  eingeschwemmten 
Hölzern  doch  kaum  für  eine  allzugrosse  Entfernung  vom  Fest- 
laude,  und  die  Zerkleinerung  und  gleichförmige  IMischung  der 
Kohlenpartikel  mit  dem   Sande  scheint  durch  die  mechanische 


1  Conf.  Beyrich,   Lagerung   der   Kreideformation   im   scLlcsischen 
Geb.  p.  61  und  Entwicklung  des  Flötzgeb.  p.  6—74. 

-  Cotta,   Geogn.  Wanderungen,  p.  22,  p.   24  und p.  31.    Bruder, 
Fauna  v.  Hohnstein,  p.  10. 

14* 


212  Bruder. 

Wirkung  der  Brandung  hervorgebracht.  Übrigens  hat  Herr  Gustos 
Th.  Fu  ch  s  ^  gezeigt,  dass  bei  einer  Küste  mit  mittleren  Neigungs- 
winkel bereits  in  einer  Entfernung  von  weniger  als  -y^  Meilen  vom 
Ufer  schon  ausgesprochene  Tiefseefauna  anzutreffen  ist.  Endlich 
müssen  die  ursprünglich  gewiss  vorhandenen  Strandbildungen, 
nach  Rückzug  des  Jurameeres  vermöge  ihrer  leichteren  Zerstör- 
barkeit gegenüber  den  Kalken  der  Tiefsee  und  zufolge  ihrer 
höheren  Lage  am  Eande  der  Mulde  auch  zuerst  durch  die  Denu- 
dation beseitigt  worden  sein. 

B.  Palaeontologisclie  Notizen 

zu  dem  auf  Seite  194 — 195  augeführten  Petrefactenverzeichniss. 

Nr.  2.  Simoceras  sp.  ind.  (Bruder  Fauna  v.  Hohnsteiu 
p.  26.)  Ein  Fragment  eines  Glehäuses  dieser  Gattung  lässt  7  Um- 
gänge erkennen,  dieselben  sind  sehr  wenig  involut  und  mit 
geraden  radial  gestellten  Rippen  geziert. 

Nr,  3.  Oophyma  Inbyrinfhica  nov.  gen.  nov,  sp.  Diese  neue 
Spongiengattung  hat  eine  eiförmige  Gestalt  (L=:70Mm.,  äquatoria- 
ler D  =  50Mm.)  Die  Centralhöhle  ist  röhrig,  breit,  im  letzten 
Drittheil  der  Länge  in  vvurzelförmige  Aste  sich  spaltend.  Die 
Wand  derselben  mit  vertical  von  einander  abstehendenKreisen 
dicht  nebeneinander  liegender  Ostien  besetzt.  Diese  führen  in  mehr 
weniger  horizontal  verlaufende  sich  mehrfach  theilende  Haupt- 
canäle,  welche  stets  gleiche  Stärke  behalten.  Die  Hauptcanäle 
sind  verzweigt  und  durch  Quercomndssuren  verbunden.  E in- 
st römungscanä  le  dendritisch  verzweigt  von  unten  und  innen 
nach  oben  und  aussen  aufsteigend,  treten  mit  den  Hauptcanäleu  in 
Communication.  Ob  e  r  f  1  ä  ch  e  auf  der  Oberseite  dicht  mit  Grübchen 
bedeckt,  genarbt  erscheinend.  Unterseite  glatt.  Grübchen  isolirt 
oder  unregelmässig  verschmolzen.  Gittergerüst  feinmaschig. 
Skeletelemente  aus  vier  oder  mehr  glatten,  in  einem  verdickten 
Centrum  zusammenstossenden  Armen  bestehend. 

Nr.  4.  Cylindrophyma  lieteroporueea  nov.  sp.  (L  =:  110, 
D  =r  85  Mm.)  Die  Mündungen  der  Einströmungscanäle  bilden  auf 
dem   verdickten  oberen  Ende  zerstreut  stehende  Ostien.  Gegen 


1  Fuchs,  Tielseebilduugeu.  Neues  Jahrbuch  1885,  II.  Beihigeband, 
p.  493— it4. 


Neue  Beiträge  zur  Keuntuiss  der  Juraablugerungeü  etc.  213 

die  Mitte  zu,  und  unterhalb  derselben  treten  meist  mehrere  der- 
selben zu  kurzen,  parallel  zur  Schwammaxe  orientirten  Reihen 
zusammen,  die  meist  am  Grunde  meridian  gestellter  Furchen 
liegen,  wodurch  sich  die  in  Rede  stehende  Art  von  C.  milleporata 
Goldf.  sp.  unterscheidet, 

Nr.  2Q.  Amaltlieus  Uhligi  nov.  sp.  (Amaltheiis  temdserratus 
Uhlig  [non  Oppel]  Jura  v.  Brunn,  p.  148,  Tb.  XIII,  Fig.  1.)  Von 
dieser  Art  liegt  ein  unvollständiges  Exemplar  vor.  Das  Verhalten 
der  Sculptur  stimmt  vollständig  mit  obiger  Abbildung  Uhlig's 
überein,  nicht  aber  mit  jener  Oppel's.  Uhlig's  Annahme,  dass 
Oppel's  Original  sehr  ungünstig  erhalten  gewesen  sei,  so  dass 
die  Rippchen  zweiter  und  dritter  Ordnung  nicht  mehr  sichtbar 
gewesen,  scheint  dadurch  widerlegt,  dass  ein  vorzüglich  erhaltenes 
Schalenexemplar  aus  der  Lettenschicht  von  Hohnstein  vollkommen 
die  Sculpturverhältnisse,  welche  Oppel  beschreibt  und  zeichnet, 
erkennen  lässt. 

Nr.  27.  Pecteii  siff.  paraphoros  Böhm.  Das  böhmische  Exem- 
plar unterscheidet  sich  von  jenem  aus  den  Diceraskalken  von 
Kelheim  (Palaeontogr.  VIII.  Bd.,  p.  183,  T.  XL,  F.  7)  durch 
etwas  spitzeren  Winkel  der  Randrippen  und  durch  einen  weniger 
markirten  dreifachen  Cyclus  von  Strahlen,  welcher  hier  nur 
durch  sporadisches  Auftreten  einer  zweiten  kürzeren  Secundär- 
rippe  angedeutet  ist. 

Nr.  29.  H'mnites?  Drei  Exemplare  eines  Zweischalers 
gehören  höchst  wahrscheinlich  dem  Geniia  Hhmites  an  und  dürften 
allem  Anscheine  nach  mit  jenem  identisch  sein,  welches  Böhm 
in  seinen  ßivalven  von  Stramberg  unter  Fig.  16  und  17.  Tafel 
LXVIII  abbildet.  Die  Zahl  der  Rippen  schwankt  zwischen 
14 — 20.  Dieselben  beginnen  sehr  fein,  werden  bald  kräftiger  und 
nehmen  einen  schwach  welligen  Verlauf. 

Nr.  30.  Wuldheimia  äff.  psendoUnjeuaUs  Mo  es  eh.  (Aargauer 
Jura  p.  313,  T.  IV,  F.  8.)  Unterscheidet  sich  von  der  typischen 
Form  durch  etwas  gedrungenere  Gestalt. 

Nr.  31.  Waldheimia  mdgasiformis  Zeuschn.  Mehrere  Exem- 
plare liegen  vor.  welche  theils  der  symmetrischen,  theils  der 
unsymmetrischen  Form  angehören. 

Nr.  33.  Terebratula  cervicida  Quenst.  (Brachiop.  p.  389, 
T.  49,  F.  3.)  Der  schlanke  Hals,   der  gekielte  Rücken  und  die 


214     Bruder,  Neue  Beiträge  z.  Kenntniss  d.  Juraablagerungen  etc. 

etwas  unsymmetrische  Gestalt  stimmen  g-ut  mit  Quenstedt's 
Beschreibung  und  Abbildung  Uberein. 

Nr.  34.  Terehratula  cyclogonia  Zeuschner.  (Jurak.  v.  Inn- 
wald  p.  11,  T.  III,  F.  Id — 4^.)  Zwei  gut  erhaltene  Exemplare 
liegen  vor.  Die  Schale  zeigt  die  charakteristische  Ornamentik. 

Nr.  37.  Terehratula  cf.  suhbavarica  v.  Ammon.  (Juraabi. 
zw.  Regensburg  etc.  p.  199,  T.  I,  F.  1.)  L  =  22  Mm.,  Br.  —  \1  Mm., 
0  =  17.  Stimmt  in  allen  Merkmalen  mit  Ammon's  Art  gut 
überein,  ist  aber  etwas  kleiner. 

Nr.  39.  Bhynchonella  Laiibei  Bruder.  (Neue  Beiträge p.  12, 
T.  II,  F.  3.)  Von  dieser  Art  liegen  nun  mehrere  Exemplare  vor, 
dieselben  sind  durchgehends  etwas  grösser  als  das  erst  be- 
schriebene, welches  eine  Jugendform  dieser  neuen  Art  ist.  Die 
ausgewachsenen  Individuen  von  Rh.  Lanbci  erinnern  sehr  an  jene 
Formen  von  Rhynchonella  Astieriana,  welche  Zeuschner  a.  a. 
0.  p.  37,  T.  I,  F.  la  — 9«  als  Rh.  snhdepressa  beschreibt  und 
abbildet.  Den  dreiseitigen  Umriss,  die  abgerundeten  Ecken,  das 
Überwiegen  der  Breitendimension  über  die  der  Länge  und  den 
bogenförmigen  Verlauf  der  Stirnlinie  haben  beide  Arten  mit- 
einander gemein.  Dagegen  ist  bei  Rkynchonella  La7(hei  d\e  Mehr- 
zahl der  22  an  der  Stirnlinie  endigenden  Ri})pen  durch  dichotome 
Theilung  einfacher  Rippen  entstanden,  welche  etwas  oberhalb 
deren  Mitte  erfolgt.  Durch  letzteres  Verhalten  unterscheidet  sich 
selbe  sehr  wesentlich  von  Rh.  sulxlepretim  Zeus  eh. 


G.Bruder :  Juraablagerungen  im  nördlichen  Böhmen  II . 


MUHCHüM — ' 


Sitziingsb.d.kais.Akad  dA\'. math natunr (lasse XCHI.Bd I.Abth.l8Bß. 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


mm  «1 M  WISIMFFI 


MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  CLASSE. 


XOIII.  Band.  IV.  Heft. 


ERSTE  ABTHEILUNG. 


Enthält  die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Mineralogie,  Botanik, 
Zoologie,  Geologie  und  Paläontologie. 


217 


IX.  SITZUNG  VOM  1.  APRIL  1886. 


Der  Secretär  legt  den  eben  erscliieneDen  I.  Band  des 
von  der  kaiserlichen  Akademie  herausgegebenen  Werkes :  ,,Die 
internationale  Polarforschung  1882  — 1883,  die  öster- 
reichische Polarstation  Jan  Mayen"  und  zugleich  den  zu 
diesem  Werke  in;  einer  Separatausgabe  erschienenen  Vo  r- 
bericht,  welcher  den  beschreibenden  Theil  der  Expedition 
bildet,  vor. 

Ferner  legt  der  Secretär  die  als  Separatausgabe  aus  den 
Sitzungsberichten  erschienene  Publication:  „Statistik  der  Erd- 
beben von  1865—1885,"  von  Prof.  Dr.  C.  W.  C.  Fuchs  in 
Meran  vor. 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  E.  Weyr  überreicht  im  Namen  des 
Verfassers  das  Werk:  ^Correspoiidance  de  Renö  Frangois  de 
Sluse'-^,  von  Prof.  Dr.  C.  LePaige  an  der  Universität  zu  Lüttich. 

Herr  Hofrath  Dr.  A.  B.  Meyer,  Director  des  königl.  geolo- 
gischen und  anthropologisch-ethnogTaphischen  Museums  zu 
Dresden,  übersendet  folgende  mit  Unterstützung  der  General- 
direction  der  königl.  Sammlungen  für  Kunst  und  Wissenschaft 
in  Dresden  herausgegebene  illustrirte  Publicationen: 

1.  „Seltene  Waffen   aus  Afrika,  Asien  und  Amerika". 
(V.  Lieferung.) 

2.  „Abbildungen  von  Vogel-Skeleten".  (VIIL  und  IX. 
Lieferung.) 

Herr  Prof.  J.  V.  Janovsky  an  der  höheren  Staatsgewerbe- 
schule in  Eeichenberg  übersendet  eine  Abhandlung:  „Über 
Nitro  azokörper  und  Bromsubstitutions-Producte". 

Herr  Prof.  J.  M.  Eder  in  Wien  übersendet  folgende  Notiz: 
„Über  die  Wirkung  verschiedener  Farbstoffe  auf  das 
Verhalten  des  Bromsilbers  gegen  das  Sonnen- 
spectrum". 

15* 


218 

Der  Secretär  legte  folgende  eingesendete  Abhandlungen 
vor: 

1.  „Anatomisch  -  physiologische  Untersuchungen 
über  die  Keimpflanze  der  Dattelpalme",  Arbeit  aus 
dem  botanischen  Laboratorium  der  technischen  Hochschule 
in  Graz,  von  Herrn  G.  Firsch. 

2.  „Die  höheren  Sinus",  von  den  Herren  Dr.  J.  C.  Kapteyn 
und  Dr.  W.  Kapteyn  in  Groningen. 

3.  „Über  die  durch  die  Fortpflanzung  des  Lichtes 
hervorgerufeuenUngleichheiten  in  der  Bewegung 
der  physischen  Doppelsterne.  Analyse  derBahn  ^ 
ürso  majoris  (Struve  1523)",  von  Herrn  Dr.  L.  Birken- 
maj  er  in  Krakau. 

4.  „Zur  Theorie  der  Thetacharakteristiken",  von 
Herrn  A.  Arnes eder  in  Wien. 

Das  w.  M,  Herr  Prof.  E.  Weyr  überreicht  eine  Abhandlung 
von  Herrn  Regierungsrath  Prof.  Dr.  F.  Me  rtens  in  Graz:  „Über 
die  bestimmenden  Eigenschaften  der  Resultante  von 
n  Formen  mit  n  Veränderlichen". 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  Wiesner  überreicht  eine  im  pflanzen- 
physiologischen Institute  der  Wiener  Universität  von  Herrn  Dr. 
K.  B.  J.  Forsseil  aus  Karlstad  in  Schweden  ausgeführte  Arbeit^ 
betitelt:  „Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechten". 

Herr  Prof.  Dr.  Franz  Toula  an  der  technischen  Hoch- 
schule in  Wien  überreicht  eine  von  ihm  redigirte  Abhandlung 
seines  Begleiters  auf  den  im  Auftrage  der  kaiserlichen  Akademie 
der  Wissenschaften  in  den  Jahren  1880  und  1884  ausgeführten 
Reisen  im  westlichen  und  centralen  Balkan,  des  Herrn  Georg  N. 
Zlatarski  in  Sofia  unter  dem  Titel:  „Beiträge  zurGeologie 
des  nördlichen  Balkan-Vorlandes  zwischen  den  Flüs- 
sen Isker  und  Jantra". 

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht  zuge- 
kommene Periodica  sind  eingelangt : 

S  olered  er,    H.,    Über   den    systematischen    AVerth    der  Holz- 
structur  bei  den  Dikotyledonen.  München,  1885;  8". 


219 


Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechten. 

Von  Dr.  K.  B.  J.  Forsseil, 

Oberlehrer  an  dem  Gjimnasiuin  in  KarJstad  in  Schweden. 

(Arbeiten  des  pflanzen-physiologischen  Institutes  der  k.  k.  Wiener  Univer- 
sität. XXXII.) 


Innerhalb  der  beschreibenden  Lichenologie  spielen  nunmehr 
gewisse  chemische  Reagentieu  z.  B.  KOH,  Ca(0Cl)2,  J+KJ  eine 
ebenso  grosse  als  traurige  Rolle,  indem  die  oft  unbedeutenden 
Farbenreactioneu,  welche  bei  Behandlung  der  Flechten  mit 
den  genannten  chemischen  Körpern  hervorgerufen  werden,  die 
Begierde,  „neue  Arten"  aufzustellen,  nur  unterstützen.  Unzählig 
sind  schon  die  ,,Arten",  welche  nur  durch  die  Einwirkung  der 
Jodlösung  auf  das  Hymenium  charakterisirt  werden,  und  in  jedem 
Jahre  wächst  deren  Anzahl  in  einem  geradezu  beunruhigenden 
Grade. 

Man  sollte  meinen,  dass  unter  solchen  Umständen  die 
Kenntniss  von  den  chemischen  Bestandtheilen  der  Flechten  eine 
besonders  gute  wäre.  Dies  ist  jedoch  keineswegs  der  Fall.  Der 
beschreibende  Lichenolog  bekümmert  sich  jetzt  nicht  um  die 
chemischen  Bestaudtheile  der  Flechten;  für  ihn  ist  es  voll- 
ständig hinreichend,  zu  wissen,  ob  z,  B.  das  Hymenium  durch 
gewisse  Reagentien  blau,  roth,  gelb  oder  erst  blau  und  dann 
roth  gefärbt  wird,  damit  allein  werden  ja  schon  die  Charaktere 
für  vier  „Arten"  gegeben. 

Als  Lichenolog  habe  ich  schon  längst  gewünscht,  auf  diese 
Fragen  meine  specielle  Aufmerksamkeit  lenken  zu  können.  Eine 
passende  Gelegenheit,  mikrochemische  Untersuchungen  über 
Flechten  anzustellen,  bot  sich  mir  indess  im  pflanzenphysio- 
logischen Institute  zu  Wien,  wobei  ich  den  grossen  Vortheil 
hatte,  unter  Anleitung  des  Professors  Dr.  J.  Wies  n  er  zu  arbeiten. 


220  Forsseil, 

welcher  mir  das  gTösste  Entgegenkommeu  bezeigte  und  mir 
mit  Eatb  und  Anregungen  behilflich  war,  wofür  ich  ihm  hier 
meinen  ergebensten  Dank  abstatte.  Obgleich  meine  theilweise 
auch  die  Pilze  und  Algen  berührenden  mikrochemischen  Studien 
noch  nicht  abgeschlossen  sind,  übergebe  ich  nachstehende  unbe- 
deutende Untersuchungen  schon  jetzt  der  Öffentlichkeit,  da  ich  für 
die  nächsteZeit  diese  Studien  fortzusetzen  keine  Gelegenheit  habe. 

1.  Über   das  Vorkommen    verholzter   Membranen   bei 
Flechten  und  Pilzen. 

Schon  Schacht  gibt  an,  dass  die  Membranen  gewisser 
Pilze  *  verholzen,  und,  obgleich  er  keine  bestimmte  Flechte 
nennt,  bei  denen  dies  der  Fall  sei,  sagt  er  jedoch,  ^  dass  auch 
in  dieser  Gruppe  bisweilen  Verholzung  der  Membranen  vor- 
komme. 

Durch  Wies n er  wurde  später  ein  zuverlässigeres  Rea- 
gens auf  „Lignin"  in  die  Mikrochemie  eingeführt.  ^  Im  Anilin- 
sulphat  fand  er  nämlich  einen  Körper,  welcher,  im  Wasser 
gelöst,  Holz  und  verholzten  Membranen  (z.  B.  der  Jutefaser, 
Gefässe  der  gelben  Rübe)  eine  höchst  charai^teristische  gelbe 
Färbung  gibt.  Bei  Behandlung  mit  diesem  Reagens  fand  er  auch 
in  den  Membranen  gewisser,  nicht  näher  bezeichneter  Flechten 
eine  schwache  gelbe  Färbung,  welche  von  einer  geringen  Ver- 
holzuDg  der  Membranen  herrühren  sollte.* 

Alsdann  hat  Burger  stein,  der  einen  ausführlichen  Bericht 
über  das  Vorkommen  der  Verholzung  im  Pflanzenreich  lieferte,  ^ 


1  Poliiporus  (p.  35),  ein  nicht  näher  bestimmter  Parasitenpilz  („wahr- 
scheinlich verholzt"  p.  162),  Polyporus  igniarivs  („eine  dem  Holzstoif 
verwandte  Substanz"  p.  168),  Tnber  cibariuiu  (p.  169),  HelveUa  esculeiita 
(„Holzstoff  oder  eine  dem  letzteren  nahe  verwandte  Verbindung"  p.  172). 
Schacht,  Anatomie  und  Physiologie  der  Gewächse.  Berlin  1856. 

2  L.  c.  p.  256. 

3  Anatomisches  und  Histochemisches  über  das  Zucicerrohr,  p.  120 
(Karsten,  Botanische  Untersuchungen.  Bd.  I.  Berlin  1867).  —  Wiesner, 
Technische  Mikroskopie,  p.  64,  219.  Wien  1867. 

4  Die  Eohstoife  des  Pflanzenreiches,  p.  30.  Leipzig  1872. 

s  Untersuchungen  über  das  Vorkommen  und  die  Entstehung  des 
Holzstoflfos  in  den  Geweben  der  Pflanzen,  p.  4,  5  (Sitzungsber.  der  kais. 
Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  70.  Wien  1874). 


Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechten.  221 

eine  ziemlich  grosse  Anzahl  von  Pilzen  und  Flechten  mit  Anilin - 
siilphat  untersucht.  Bei  allen  untersuchten  Pilzen  und  bei  den 
meisten  Flechten  blieben  die  Hyphen  ungefärbt,  während  die 
Membranen  einiger  Flechten  in  geringem  Grade  gelb  gefärbt  und 
daher  als  schwach  verholzt  angesehen  Avurden. 

Bald  fand  man  eine  Menge  neuer  Keagentien  auf  „Lignin": 
Phloroglucin ,  Indol,  Eesorcin,  Phenol-Salzsäure,  Paratoluidin, 
Pyrogallin,  Orcin  und  andere,  von  welchen  jedoch  ausser  der 
Phenol-Salzsäure  nur  das  von  "Wiesner*  in  die  Mikrochemie 
eingeführte  Pbloroglucin  und  das  von  Niggl  ^  empfohlene  Indol 
in  Gebrauch  gekommen  zu  sein  scheinen. 

Niggl,  welcher  mit  Indol  und  HgSO^  die  Verbreitung  der 
Verholzung  im  Pflanzenreiche  studirte,  hat  in  dieser  Hinsicht 
auch  Pilze  und  Flechten  untersucht  und  fand  bei  mehreren 
Arten  sowohl  jener  als  dieser  mehr  oder  weniger  roth  gefärbte 
Membranen,  woraus  er  das  Vorkommen  von  Verholzung  in  den 
Membranen  der  betreffenden  Arten  erschliesst. 

Jüngst  hat  Harz,  ^  offenbar  ohne  Niggl' s  vorerwähnte 
Abhandlung  zu  kennen,  mit  Anilinsulphat  und  Phloroglucin  in 
Verbindung  mit  HCl  eine  grössere  Anzahl  Pilze  auf  Verholzung 
untersucht,  aber  in  allen  Fällen  ein  negatives  Resultat  erhalten, 
ausgenommen  hei  Elaphoinyces  cervmus  H.  K.,  bei  welchem  er 
das  Vorkommen  von  „Lignin''  in  den  Membranen  gewisser  Zellen 
für  unzweifelhaft  hält. 

Burgerstein,  Niggl  und  Harz  haben  zum  Theile  diesel- 
ben Arten  untersucht,  und  stimmen  die  gewonnenen  Resultate 
allerdings  im  Allgemeinen  überein,  weisen  jedoch  in  gewissen 
Fällen  keine  gehörige  Übereinstimmung  auf,  wie  aus  folgender 
Zusammenstellung  hervorgeht. 


1  Das  Verhalten  des  Phloroglucins  und  einiger  verwandter  Körper 
auf  verholzte  Zellmembranen  (Sitzungsber.  der  kais.  Akad.  d.  Wissenseh. 
Bd.  77.  Wien  1878). 

-  Das  Indol  als  Eeagens  auf  verholzte  Membranen  (Flora.  Regens- 
burg 1881).  Auch  separat  als  Inauguraldissertation  erschienen. 

3  Über  das  Vorkommen  von  Lignin  in  Pilzen  (Botanisches  Central- 
blatt  von  ühlworm  und  Behrens.  VI.  Jahrg.,  Bd.  23.  Kassel  1885, 
p.  371j. 


2'2'2                                         F 

0  r  s  s  e  1 1 , 

Burg-erat 

ein    Niggl 

A.  Pilze. 

Ligninreaction 

Mucor Mucedo  Mich 

keine 

keine 

Daedalea  querchia  Pers,  .  . 

n 

57 

Polyporus  sulphureus 

„         fomentarius  Fr... 

„  officinaUs  Fr.  .  .  . 
Aspergillus  glaucus  Liuk  .  . 
Penicillium  glaucum  Link. 

deutliche 
keine 

B.  Flechten. 

Harz 


keine 


Cladonia  furcata  (Huds.)  . 

„        graciUs  (L.) „ 

„        deformis  (L.) keine 

„        rangiferina  (^L.)    ...  „ 

Parmelia  physodes  ( L.) „ 

Physcia  ciliaris  (L.) „ 


schwache 
keine 

deutliche 
keine 


Bei  Vergleich  der  von  Bürger  stein,  Niggl  und  Harz 
erzielten  Resultate  findet  man:  In  mehreren  Fällen,  in  welchen 
durch  Indol  und  Hg  SO^  deutliche  Färbung  erzielt  wurde,  färbten 
sich  die  Hyphen  mit  Anilinsulphat  nur  schwach;  in  einem  Falle 
gab  Indol  und  HgSO^  schwache,  aber  Anilinsulphat  gar  keine 
Reaction,  und  in  einem  dritten  gab  Indol  in  Verbindung  mit 
HgSO^  deutliche  Reaction,  aber  weder  Anilinsulphat  noch  Phloro- 
glucin  und  HCl  irgend  eine  solche. 

Auch  mag  hervorgehoben  werden,  dass  sowohl  Cetraria 
islandica  (L.)  als  Cladonia  rangiferina  (L.),  bei  welchen  bei- 
den Arten  der  Thallus  durchwegs  aus  Hyphen  besteht,  welche 
mit  Jod  blau  gefärbt  werden,  nach  Burger  stein  und  Niggl 
schwach  verholzte  Hyphen  besitzen.  Bei  diesen  beiden  Arten 
würden  demnach  die  Hyphen  gleichzeitig  aus  jodblauendem  Liche- 
nin^  (Dextrolichenin  Flückiger)  und  „Lignin"  bestehen. 


1  Unter  den  Botanikern  scheinen  die  Untersuchung'en  von  Th.  Berg 
(Zur  Keuntniss  des  in  der  Cetraria  islandica  vorkommenden  Lichenins 
und  jodblauenden  Stoffes.  Inauguraldissert.  Dorpat  1872)  unberücksich- 
tigt geblieben  zu  sein,  wonach  zwei  Arten  vonLichenin:  „jodblauender 


Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechteu.  223 

Unter  solchen  Verhältnissen  scheint  eine  erneuerte  Unter- 
suchung der  angegebenen  Verholzung  bei  Flechten-  und  Pilz- 
hyphen  erwünscht  zu  sein,  besonders  da  die  Verholzung  bei  den 
Flechten  nicht  unter  Anwendung  der  für  diesen  Zweck  jedenfalls 
besten  Reagens:  Phloroglucin  in  Verbindung  mit  HCl  studirt 
wurde.  Zuerst  mögen  jedoch  einige  allgemeine  Bemerkungen 
über  das  „Lignin"  und  dessen  Keagentien  vorausgeschickt 
Averden. 

Vor  Langem  schon  waren  die  verholzten  Zellenmembranen 
Gegenstand  der  Untersuchungen  sowohl  der  Botaniker  als  der 
Chemiker,  ohne  dass  jedoch  die  Natur  der  „Verholzung"  ermit- 
telt wurde.  Man  war  der  Ansicht,  dass  die  verholzten  Zellen- 
membranen einen  durch  chemische  Umwandlung  gebildeten 
hypothetischen  Körper  „Lignin'-  enthielten.  Bis  jetzt  ist  es  noch 
Niemand  mit  Sicherheit  gelungen,   diesen  Körper  darzustellen, 


Stoff"  (Dextrolichenin,  Flechteustärke ,  Lichenin-Cellulose ,  Stärke-Cellu- 
lose)  und  nicht  jodblauendes  Licheuin  bei  gewissen  Flechten  vorkommen. 
Das  Vorhandensein  des  Dextrolichenins  bei  den  Flechten  sowohl  im  Hyme- 
nium, als  in  den  sterilen  Theilen  des  Thallus  ist  freilich  verhältuissmässig 
sehr  wohl  studirt,  aber  von  der  Verbreitung  des  nicht  jodblauenden 
Lichenins  scheint  sehr  wenig  bekannt  zu  sein.  Ebensowenig  hat  man 
untersucht,  in  welchem  Verhältnisse  der  bei  vielen  Flechten  und  Pilzen  im 
Hymenium  vorkommende  Körper,  welcher  mit  Jod  weinroth  gefärbt  wird, 
zum  Dextrolichenin  steht.  Nach  Th.  Berg's  Methode  habe  ich  von  Cetraria 
islandica  {L.)  sowohl  das  Dextrolichenin  als  das  nicht  jödblauende  Liche- 
nin  dargestellt.  —  Im  Zusammenhang  mit  der  Frage  von  den  chemischen 
Bestandtheilen  der  Flechteuhyphen  mag  erwähnt  werden,  dass  ich  nach 
C.  Rieht  er 's  Methode  (Beiträge  zur  genaueren  Kenntniss  der  chemischen 
Beschaffenheit  der  Zellmembranen  bei  den  Pilzen.  Sitzuugsber.  der  kais. 
Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  83.  Wien  1881)  die  Hyphen  mehrerer  Flechten 
uud  zweier  Pilze  von  „incrustirenden  Substanzen'  mit  KOH  zu  reinigen 
versuchte,  um  nachher  Cellulose-Reaction  zu  erhalten.  Folgende  Flechten 
uud  Pilze  wurden  untersucht:  Cetraria  islandica  (L.),  Evernia  vulpina  (L.), 
Parmelia  saxatilis  (L.),  Peltidea  aphthosa  (L.),  Peltigera  canina  (L.),  Raina- 
lina  pollinaria  Ach.,  Usrwa  longissima  Ach.,  Xanthoria  parietina  (L.),  Aga- 
rrus  i  e oh]  < f^tris  P  r.  und  ein  l'v/iporvs.  ^iii  bei  Fciti(/<ra  cai/ina  (L.)  und  Ag 
ricus  eampestris  Fr.  färbten  sich  die  Hyphen  freihch  schon  nach  vier 
Wochen,  aber  weder  bei  jener  noch  bei  dieser  Art  wurden  sie  in  Kupfer^: 
oxydamoniak  gelöst.  Die  beim  Versuche  angewandte  KOH  war  die  ersten 
Wochen  etwa  7— So^o  stark,  nachher  20— .30%. 


224  Forssell, 

welcher,  wie  es  scheint,  aus  mehr  Kohlenstoff  imcl  Wasserstoff 
als  Cellulose  besteht,  über  dessen  chemische  Zusammensetzung 
im  Übrigen  aber  die  Ansichten  getheilt  sind. 

Indessen  wurde  in  der  letzten  Zeit  die  Kenntniss  der  Natur 
der  Verholzung  und  der  ., in crustir enden  Substanzen"  wesentlich 
erweitert,  speciell  durch  Untersuchungen,  welche  unter  Wies- 
ner's  Anleitung  von  Singer  ^  im  pflanzenphysiologischen  Insti- 
tute in  Wien  ausgeführt  wurden.  Aus  den  Untersuchungen 
Höhnel's^  und  Singer 's  geht  hervor,  dass  in  verholzten  Mem- 
branen ein  Glycosid  Coniferin,  so  weit  bis  jetzt  bekannt  ist, 
constant  vorkommt.  Zudem  Singer  (1.  c.)  fand,  dass  auch 
das  aus  Coniferin  abspaltbare  Aldehyd  Vanillin  nebst  einem 
von  HCl  gelb  gefärbten,  mit  HgO  extrahirbaren  Körper  von 
unbekannter  chemischer  Zusammensetzung  ein  in  Holzsubstanz 
constant  vorkommender  Bestandtheil  ist.  Schliesslich  hat 
Thomson^  bei  verschiedenen  Holzarten  eine  „incrustirende 
Substanz"  Holzgummi  gefunden,  welcher  nach  Singer  dem 
Arabin  nahe  steht,  und  dessen  Verbreitung  sich  anscheinend 
auf  alle  verholzten  Membranen  erstreckt.  „In  welcher  Bezie- 
hung diese  Körper  zu  dem  hypothetischen  Lignin  stehen,  kann 
auf  Grund  der  gemachten  Untersuchungen  nicht  entschieden 
werden.  Allein  die  Art  und  Weise,  wie  sich  dieselben  einer  nach 
dem  anderen  aus  dem  Holze  durch  Wasser  entfernen  liessen, 
macht  es  wahrscheinlich,  dass  das,  was  man  Lignin  nennt,  ein 
Gemenge  von  mehreren  chemischen  Individuen  darstellt.  Ob 
diese  Annahme  richtig,  und  ob  die  „incrustirende  Substanz"  mit 
den  hier  aufgezählten  Körpern  und  demHolzgummi  erschöpft  ist, 
bleibt  weiteren  Untersuchungen  vorbehalten."* 

Unter  denjenigen  Substanzen,  welche  zur  Entdeckung  von 
„Lignin"    angewendet   werden,   reagiren,    wie    Singer   nach- 


1 


Beiträge  zur  näheren  Kenntniss  der  Holzsubstanz  und  der  verholz- 
ten Gewebe.  (Sitzungsber.d.  kais.Akad.  d.Wissensch.  Bd.  85.  Wien  1882.) 

2  Histochemische  Untersuchungen  über  das  Xylophllin  und  das  Coni- 
ferin. (Sitzuugsber.  der  kais.  Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  76.  Wien  1877.) 

3  Chemische  Untersuchungen  über  die  Zusammensetzung  des  Holzes, 
p.  148.  (Kolbe  u.  Meyer,  Jouru.  für  praktische  Chemie.  Bd.  19.  Leipzig 
1879.) 

■*  Singer  1.  c.  p.  1)60. 


Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechten.  225 

gewiesen  hat,  Aiiilinsulpbat,  Phlorogiucin  in  Verbindung  mit 
HCl  oder  H^SO^  nnd  ludol  in  Verbindung  mit  H^SO^  auf  Vanil- 
lin ^,  wogegen  Phenolsalzsäure  auf  Coniferin  ^  reagirt.  Singer 
Aveist  mit  Recht  darauf  hin,  dass  die  Farbenveränderungen, 
welche  durch  die  Behandlung  reinen  Vanillins  mit  „Ligniu"- 
Reagentien  entstehen,  nicht  immer  vollständig  übereinstimmen 
mit  jenen,  welche  diesen  Stoff  in  verholzten  Membranen  oder  in 
wässerigen  Holzextracten  hervorrufen,  indem  nämlich  Vanillin 
mit  Phlorogiucin  mit  HgSO^  eine  ziegelrothe,  mit  Resorcin  und 
derselben  Säure  eine  zinnoberrothe  Farbe  gibt,  während  verholzte 
Gewebe  durch  das  erstgenannte  Reagens  roth  bis  violett  und 
durch  das  letztere  je  nach  der  Menge  der  assistirenden  Säure 
violett  oder  violettroth  gefärbt  werden.  Diese  abweichende  Fär- 
bung kann  jedoch  durch  das  Vorkommen  anderer  Substanzen  in 
verholzten  Glewebeu,  welche  bis  zu  einem  gewissen  Grad  auf  die 
Färbung  modificirend  wirken,  erklärt  werden. 

Nach  Singer  sind  indessen  die  durch  Phlorogiucin  und 
HCl,  Anilin,  Pyrol  und  Indol  in  Verbindung  mit  der  zugehörigen 
Säure  mit  Vanillin  oder  in  verholzten  Geweben  hervorgerufenen 
Reactionen  vollständig  gleich.  Das  ist  auch  richtig  (mit  Pyrol 
habe  ich  keine  Untersuchungen  vorgenommen),  aber  es  scheint 
doch,  als  müsse  die  Färbung  bei  Anwendung  reinen  Vanillins 
bedeutend  intensiver  sein,  als  wenn  es  verholzte  Gewebe 
betrifft,  in  welchen  Vanillin  in  äusserst  geringer  Menge  vor- 
kommt; eher  wird  Holz  intensiver  als  reines  Vanillin  mit  den 
genannten  Reagentien  gefärbt.  Dieses  unerwartete  Verhältniss 
tritt  noch  deutlicher  hervor,  wenn  Vanillin  in  einer  Flüssigkeit 
gelöst  wird.  Eine  wässerige,  stark  nach  Vanillin  riechende 
Lösung  gab  nach  Zusatz  von  Anilinsulphat  keine  gelbe  Färbung; 
auch  nach  Zusatz  von  Phlorogiucin  oder  Indol  in  Verbindung  mit 


1  C.  Etti  hat  diejenige  Verbindung,  welche  bei  Einwirkung  von 
Phlorogiucin  auf  Vanillin  erzeugt  wird,  und  welche  er  Phloroghiciu- 
vanillein  nennt,  näher  untersucht.  Siehe  hierüber  Etti,  Über  Verbin- 
dungen des  Vanillins  mit  Pyrogallol  und  Phlorogiucin  (Sitzungsber.  d.  kais. 
Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  86.  Wien  1882j. 

'•i  Tb.  H artig,  Jahrb.  für  Förster.  Bd.  I,  p.  2(33.  1861.  —  (Nach 
Singer  citirt.j  Kugel  im  Journal  für  Chemie  von  Beilstein,  Fittig 
und  Hübner.  1866,  p.  399. 


226  Forsse  11, 

assistirender  Säure  konnte  zuerst  keine  oder  nur  eine  undeut- 
liche Färbung  wahrgenommen  werden,  welche  aber  (bei  Anwen- 
dung des  Indols)  nach  einigen  Stunden  ersichtlicher  wurde.  Die 
durch  Anilinsulphat  bei  verholzten  Membranen  verursachte  gelbe 
Färbung  und  die  durch  Phloroglucin  oder  Indol  in  Verbindung 
mit  gehöriger  Säure  hervorgerufene  rothviolette  Färbung  dürfte 
demnach  kaum  allein  dem  Vanillin  zuzuschreiben  sein,  sondern 
die  Färbungen  dürften  auch  von  anderen  in  den  verholzten  Mem- 
branen vorkommenden,  noch  nicht  näher  studirten  „incrustiren- 
den  Substanzen"  erzeugt  werden.  Da  indessen  Vanillin  und 
Coniferin,  so  weit  bis  jetzt  bekannt  ist,  constant  in  den  ver- 
holzten Membranen  vorkommen,  können  die  oben  genannten  auf 
Vanillin  und  Coniferin  reagirenden  Körper  für  den  Nachweis  der 
Verholzung  angewendet  werden. 

Eine  grosse  Anzahl  von  Flechten,  unter  diesen  alle  oben 
aufgezählten,  sowie  mehrere  Pilze  (z.  B.  Elaphomyus  grannlatus 
H.  K.,  Trametes  snaveolens  und  mehrere  Polyporns- Arten)  wur- 
den theils  mit  Anilinsulphat,  theils  mit  Phloroglucin  und  HCl 
behandelt. 

Was  zuerst  die  Anwendung  von  Anilinsulphat  betrifft,  so 
würde  in  keinem  Falle  „Lignin^-Keaction  erhalten.  Indessen 
kann  man  bisweilen,  z.  B.  hex  Alectoria  ochrolenca  (Ehrh.)  a  ri- 
gida  (Vi  11.)  eine  gelbe  Färbung  wahrnehmen,  aber  es  ist  leicht 
nachzuweisen,  dass  diese  nicht  auf  Verholzung  beruht.  Überdies 
scheinen  bisweilen  die  Hyphen  und  Schnitte  durch  den  Thallus 
der  Archilichenen  schon  an  und  für  sich  etwas  gelb  gefärbt,  und 
Täuschungen  sind  bei  Anwendung  des  Anilinsulphats  in  solchen 
Fällen  erklärlich. 

Grössere  Vortheile  bietet  das  weit  empfindlichere  Phloro- 
glucin und  HCl,  aber  auch  damit  konnte  bei  den  geprüften 
Flechten  und  Pilzen  keine  Verholzung  wahrgenommen  werden. 
Nicht  einmal  bei  Elaphomijces  gra/ni/aiiis  H.  K.,  welcher  beson- 
ders erwähnt  werden  mag,  da,  wie  bemerkt,  Harz  jüngst  bei 
diesem  das  Vorkommen  von  Verholzung  behauptet  hat.  Das  Peri- 
dium  besteht  bei  dieser  Art  aus  zwei,  deutlich  verschiedenen 
Schichten:  die  äussere  ist  aussen  braun,  innen  gelb,  die  in- 
nere ungefärbt,  weicher  und  dicker.  Nach  Harz  kommt  in  der 
äusseren  und  mit  ihr  parallel  verlaufend,  in  einiger  Entfernung 


Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechten.  227 

von  der  Oberfläche  eine  harte,  gelbe  Zone  vor,  welche  durch 
Aniliusulphat  stark  gelb  gefärbt,  durch  Phloroglucin  und  HCl 
lebhaft  geröthet  wird,  and  es  liegt  demnach  nach  dem  erwähnten 
Verfasser  hier  unzweifelhaft  ein  Fall  von  echter  Verholzung  bei 
einem  Pilz  vor.  Bei  dem  von  mir  mit  Anilinsulphat  untersuchten 
Exemplar  trat  die  Färbung  dieser  gelben  Schichte  nicht  deutlicher 
hervor,  auch  nahm  dieselbe  weder  mit  Phloroglucin  uud  HCl, 
noch  mit  Indol  und  HgSO^  rothe  Färbung  an. 

Allerdings  fand  Singer,  dass  Indol,  auf  0-0007 7o  ver- 
dünnt, noch  das  Fichtenholz  färbte,  während  für  das  Phloro- 
glucin nach  Wiesner  die  Empfindlichkeitsgrenze  bei  0-001% 
liegt,  '  aber  hieraus  folgt  nicht  mit  Nothwendigkeit,  dass  um- 
gekehrt ein  geringerer  Grad  von  Verholzung  sicherer  durch  Indol 
als  durch  Phloroglucin  nachgewiesen  werden  kann.  Allerdings 
wäre  dies  möglich,  und  dann  wäre  es  erklärlich,  warum  Niggl 
mit  Indol  undHgSO^  das„Lignin"  nachweisen  konnte,  wo  es  mit 
Phloroglucin  und  HCl  nicht  zu  entdecken  war. 

Um  darüber  ins  Klare  zu  kommen,  ob  Indol  oder  Phloro- 
glucin ein  empfindlicheres  Eeagens  auf  Vanillin  sei,  verfuhr  ich 
auf  folgende  Weise.  Einige  dünne  Späne  von  Fichtenholz  wur- 
den im  Luftbad  bis  auf  220°  C.  erhitzt,  wobei  ein  deutlicher 
Vanillingeruch  wahrgenommen  wurde.  Hernach  zeigte  Phloro- 
glucin mit  HCl  deutliche,  Indol  mit  H^SO^  äusserst  undeutliche 
Reaction.  Die  Temperatur  wurde  alsdann  bis  zu  228°  C.  erhöht. 
Mit  Phloroglucin  konnte  Vanillinreaction  noch  wahrgenommen 
werden,  mit  Indol  jedoch  nicht.  Demnach  scheint  Phloroglucin 
ein  empfindlicheres  Reagens  als  Indol  zu  sein. 

Die  mit  Anilinsulphat  und  Phloroglucin  geprüften  Flechten 
wurden  auch  mit  Indol  und  HgSO^  behandelt.  Einige  —  z.  B. 
Loharia  pulmonaria  Hoffm.,  Lecanora  pallesceus  (L.)  —  färbten 


1  Singer  1.  c.  p.  358.  Schon  Runge  hat  diese  ausserordentliche 
Empfindlichkeit  der  Anilin-  und  Pyrolsalze  hervorgehoben.  Nach  ihm 
(Annalen  der  Physik  und  Chemie  von  Poggendorff.  Bd.  31,  p.  66,  67. 
Leipzig  1834)  ist  Fichtenholzfärbung  durch  Aniliusalze  so  stark,  dass  ein 
Tröpfchen,  welches  nur  V500000  Anilin  enthält,  noch  eine  bemerkbare 
Gelbfärbung  auf  dem  Holze  hervorbringt.  Noch  empfindlicher  sind  nach 
Runge  (1.  c.  Bd.  32,  p.  332)  Pyrolsalze,  indem  mittelst  des  salzsauren 
Fichtenholzes  nur  0*  000001  Pyrol  zu  entdecken  ist. 


228  Forssell, 

sich  nach  wenigen  Minuten  schwach  roth  und  nahmen  nachher 
eine  .starke  rothe  Färbung  an,  die  übrigen  färbten  sich  jedoch, 
allerdings  erst  nach  ungefähr  20  Stunden,  durchwegs  roth,  ob- 
gleich die  Farbe  bei  verschiedenen  Arten  in  Bezug  auf  Intensität 
und  Nuancirung  wechselte.  Dieselben  Flechten  wurden  mit  Indol 
und  HCl  behandelt  und  auch  hierbei  trat  früher  oder  später  in 
allen  Fällen  Rotlifärbung  ein. 

Schon  aus  Niggl's  eigenen  Untersuchungen  geht  hervor, 
dass  mit  Indol  und  H^  SO^  auch  in  anderen  Fällen,  als  da,  wo 
Verholzung  vorhanden  ist,  Färbung  eintritt.  So  wird  nach  ihm 
der  Zellinhalt  in  den  Brennliaaren  von  Urtica  mit  Indol  und 
H2SO4  durchgängig  roth  gefärbt.^  Niggl  gibt  auch  an,  dass 
die  Cuticiila  an  sehr  jungen  Sprossen  von  Aesculus  Hippocasta- 
tium  L.,  Acer  Pseudoplat<inus  L.  und  Hippuris  vulgaris  L.  roth 
gefärbt  wird,  aber  „da  in  älterem  Zustande  diese  Rothfärbung 
nicht  bemerkbar  war,  so  kann  wohl  keine  Verholzung  angenom- 
men werden,  und  die  Färbung  dürfte  sich  eher  durch  ein  Durch- 
dringen plasmatischer  oder  anderer  Stoffe  erklären  lassen".^ 

Auch  andere  Substanzen  als  „Lignin"  färben  sich  demnach 
mit  Indol  und  H2S0^  roth.  Aus  Anlass  dieser  Thatsache  wurden 
andere  Körper:  Kartoffelstärke,  Weizenstärke,  Gummi  arabicum, 
Baumwolle  und  Rohrzucker  mit  Indol  und  H^  SO^  behandelt,  wo- 
bei im  Allgemeinen  schon  nach  V4?  bisweilen  erst  nach  1  Stunde 
eine  schwache  rothe  Färbung  eintrat.  Nach  20  Stunden  waren 
die  beiden  ersten  Körper  schön  rosa  gefärbt,  Gummi  schwach 
und  spärlich  roth  gefärbt,  Baumwolle  schwach,  aber  durchaus 
gefärbt  und  der  Rohrzucker  in  eine  röthliche  Flüssigkeit  auf- 
gelöst. Ja,  eine  verdünnte  IndoUösung  färbte  sich  sogar  nach 
Zusatz  von  H^SO^  allein  schwach  roth,  aber  die  Farbe  war  in 
diesem  Falle  schwächer  als  beiAnwesenheit  der  eben  erwähnten 
Körper. 

Indol  muss  in  Folge  dessen  als  Reagens  auf  „Lignin"  mit 
grösster  Vorsicht  angewendet  werden,  da  ja  auch  andere  als 
verholzte  Steife  mehr  oder  weniger  lebhaft  roth  gefärbt  werden. 


1  Nigs'l  1-  c.  p.  560. 

2  Niggl  1.  c.  p.  549,  5()2  Note. 


Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechten.  229 

Die  rothe  Farbe,  welche  Flechten  nach  Behandlung  mit  Indol  in 
Verbindung  mit  Hg  SO^  zeigen,  braucht  nicht  auf  Verholzung  zu 
beruhen,  und  die  Behandlung  dieser  Flechten  mit  Phloroglucin 
und  HCl  zeigte  leicht,  dass  Verholzung  in  diesen  Fällen  nicht 
vorkommt. 

2.   Das  Verhalten  der  Zellwand  zu  Raspail's  und 
Millon's  Reagens. 

Dass  Lichenin  bei  Behandlung  mit  einer  Säure  sehr  leicht 
in  Zucker  umgewandelt  wird,  ist  durch  Stenberg's  Unter- 
suchungen bekannt.  *  Man  konnte  demnach  vermuthen,  dass  die 
rothe  Farbe,  welche  Flechten  bei  Behandlung  mit  Hg  SO^  (ohne 
Indol)  zeigen,  auf  Raspail's  Reaction  beruhe.  Es  glückte  mir 
nämlich  bisweilen,  die  Membranen  der  Hyphen  von  Cladonia 
gracilis  (L.)  xmiiLobnria  imlmoiiaria  Hoffm.  mit  H^SO^  schwach 
roth  zu  färben,  wesshalb  man  vielleicht  annehmen  könnte,  dass 
die  Säure  das  Lichenin  in  Zucker  verwandelt,  welcher  mit  der 
8äure  und  Eiweisskörpern  Raspail's  Reaction  gibt.  Fort- 
gesetzte Versuche  in  dieser  Richtung  gaben  indessen  nur  nega- 
tive Resultate,  vielleicht  darauf  beruhend,  dass  ein  passender 
Concentrationsgrad  der  Säure  nicht  angewendet  wurde.  Ich 
untersuchte  daher  mit  Millon's  Reagens  mehrere  Flechten, 
Pilze  und  Algen.  Von  ersteren  wurden  besonders  solche  mit 
dicken  Membranen  gewählt;  bei  den  meisten  konnte  ich  eine 
mehr  oder  weniger  deutliche  Rothfärbung  constatiren.  Besonders 
hei Lobaria pulmouaria  Hoffm.  undPeltigera  canina  (L.)  wurden 
die  Membranen  deutlich  ziegelroth  gefärbt. 

Von  den  untersuchten  Pilzen  {Polyporus-  und  Agaricus- 
Arten)  wurde  wohl  der  Zellinhalt  gefärbt,  aber  deren  Mem- 
branen waren  zu  dünn,  um  eine  Färbung  hervortreten  lassen  zu 
können.  Prof.  Wiesner  hat  mir  indessen  gütigst  mitgetheilt, 
dass  er  bei  den  Membranen  von  Polyporus  fomentarius  Fr.  die 
auf  Eiweiss  deutende  Xanthoproteinsäure-Reaction  deutlich  ge- 
sehen hat. 

Von  Algen  wurden  Gelidium  cartilagineiim ,  Ecklonia  bac- 
cata  undEuchema  spinosum  untersucht.  Hier  trat  bei  Anwendung 


1  Flora  1869,  p.  517. 


230  Forssell,  Beiträge  zur  Mikrochemie  der  Flechten. 

von  Millon's  Keagens  die  rotbe  Farbe  in  den  Membranen  sebr 
deutlicb  bervor ;  speciell  war  dies  der  Fall  in  den  äussersten  im 
Tballus  liegenden  Zellenscbicbten. 

Inwieweit  diese  Reaetionen  darauf  berubten,  dass  in  den 
Membranen  Eiweisskörper  vorbanden  waren,  mag  ein  fort- 
gesetztes Studium  dieser  Frage  darlegen.  Indessen  steben  meine 
Untersuebungen  im  Einklänge  mit  den  Resultaten,  zu  welcben 
Wiesner^  in  Betreff  der  Organisation  der  vegetabiliscben  Zell- 
wand gelangte,  denen  zufolge  die  letztere,  zum  mindesten  so 
lange  sie  wäcbst,  Protoplasma  entbält. 


1  Untersuchungen  über  die  Organisation  der  vegetabilischen  Zell- 
wand (Sitzungsber.  der  kais.  Akad.  d.  Wissensch.  Bd.  92.  Wien  1886). 


231 


Über  Einlagerung  von  Oalciumoxalat  in  die  Zellwand 
bei  Nyctagineen. 

Von  Anton  Heimerl, 

Lehrer  an  der  k.  k.  Staats-  Ober rcajschule  in  Sechskaus  fWienJ. 
(Mit  1  Tafel.) 

Bei  Gelegenheit  der  Vorarbeiten  zu  einer  monograpMsehen. 
Bearbeitung  der  Nyctagineen  war  mir  bei  der  nordamerikanischen 
Gattung  Acleisanthes  Asa  Gray  die  lichte  grauweisse  Farbe  der 
Stengel-Interuodien  dieser  Pflanzen,  sowie  die  ganz  besondere 
Sprödigkeit  des  Hautgewebes  aufgefallen^  und  die  weitere  Unter- 
suchung ergab  als  Grund  für  diese  Eigenthümlichkeit  den 
Umstand,  dass  in  den  Aussenwänden  der  Epidermiszelieu  des 
Stengels  Calciumoxalat  in  Körnchen  massenhaft  eingelagert  war, 
welches  so  die  eigenthümliche  Färbung,  sowie  die  Sprödigkeit 
der  Epidermis  von  Acleisanthes  bedingte.  Die  nächste  sich  hier 
naturgemäss  anschliessende  Aufgabe  musste  wohl  darin  liegen, 
die  übrigen  Gattungen  und  möglichst  viele  Arten  der  Nyctagineen 
in  vergleichender  Hinsieht  zu  untersuchen,  um  so  einestheils 
überhaupt  über  die  Vertheilung  der  Calciumoxalat-Einlagerung 
in  der  Familie  Thatsächliches  zu  bieten,  andererseits  etwas  über 
die  vermuthliche  Rolle,  welche  dieser  Einlagerung  zukommt, 
erschliessen  zu  können. 

Wie  Graf  Solms-Lanbach  in  seiner  bekannten  Arbeit^ 
über  Einlagerung  von  Calcinmoxalatin  Zellmembranen  nachweist, 
sind  derlei  Fälle  bei  den  Angiospermen  überhaupt  als  sehr 
seltene  zu  bezeichnen  und  werden  von  ihm  an  der  citirten  Stelle 
einige  Mesembryanthemum-Aiten  {M.  stramineum,  Lehmannif 
rhombeurn,  lacerum  etc.),  dann  das  Sempervivum  calcareum 
Jordan    aufgeführt,   in    deren    Blattepidermis,    und    zwar   zum 


1  Botanische  Zeitung  von  Mohl  und  De  Bary,  1871.  pag.  51:3  ff. 

SUzb.  fl.  matheni.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bd.  1.  Abth.  16 


232  Heimeil, 

g-rösstea  Theil  in  der  Ausseuwaud  der  Epidermis-Zellen,  das 
Calciumoxalat  iu  Form  von  ungemein  kleinen  Körneben  erscheint, 
an  welche  Art  des  Vorkommens  sich  nun  aufs  engste  unsere 
Nyctagineen  anschliessen.* 

Es  wurden  von  dieser  merkwürdigen  Familie,  in  deren 
Umgrenzung  und  Gliederung  wir  uns  an  die  treffliche  Bearbeitung 
der  Gattungen  in  Bentham-Hooker:  Genera  pkmtarum  III., 
pag.  1 — 11,  balten  wollen,  neunzehn  Gattungen  näher  untersucht, 
während  von  den  übrig  bleibenden  6  Gattungen  (Hermidmm 
Watson,  Timeroy  a  Montrousier,  Andradaea  Allemao, 
Senkenbergia  Schauer,  Seluiocurpus  Asa  Gray,  Ec/gersia 
Hook  er)  der  scliweren  Beschaffbarkeit  von  Material  halber 
(diese  sehr  seltenen  Gattungen  fehlen  beispielsweise  den  Her- 
barien des  Wiener  Hofmuseums  und  des  königlichen  Museums 
zu  Berlin;  Andradaea  ist  überhaupt  nur  aus  einer  Abbildung 
bekannt)  Abstand  genommen  werden  musste.  Von  den  nun  in 
Rede  stehenden  19  Gattungen  sind  als  für  die  weitere  Betrachtung 
gegenstandslos  folgende,  durchwegs  strauch-  oder  baumartige 
Gattungen  auszuscheiden,  bei  denen  weder  in  jungen,  der  Kork- 
bildung noch  entbehrenden  Zweigen,  noch  iu  den  Blättern 
Einlagerung  von  Calciumoxalat  constatirt  werden  konnte;  es  sind 
dies  die  Gattungen :  Leucaster  C  h  o  i  s  y  ,  Cephalotomatidra 
Karsten  et  Trian.,  iV(?t^«  Ruiz  et  Pavon,  Plsonia  Plumier, 
Collignonia  EndL,  Boldoa  Cav.,  Bougainvillea  Co  mm.,  Tricycla 
Cav. ,   Phaeoptilum  Radlk.,^    Cryptocarpus  Kunth.,  Reichen- 


1  Die  übrigen  mir  bekannt  gewordenen  Vorkommnisse  von  solcher 
Einlagerung-  bei  Angiospermen  gehören  folgenden  Familien  an:  Haemodo- 
raceae  (Blattgewebe  von  Aletris  fragrans;  H.  Molis  ch  in  Österr.  botanischer 
Zeitung  1882,  pag.  382),  Smüaceae  (Blattgewebe  von  Dracaena-Axie\i\ 
Pfitz er  in  Flora  1872,  pag.  97  ff.,  H.  Molisch  \.  c),  Sapotaceae  {^nme,Ti- 
schale  von  Achras  Sapota  und  Omplidlocarpimi  proceniur^  ßadlkofer  ex 
Just,  Botanischer  Jahresbericht  für  1882,  pag.  483),  Ni/mphaeaceae  (innere 
Haare,  Zellwände  des  Schwammparenchyms  der  Blatt-  und  Blüthenstiele 
von  Njiniphaea  alba  miA  Nuphar  luteum. ;  H.  Moli  seh  1.  c.),  Loranthaceae 
(Steinzeiten  der  primären  und  s''cun(läreu  Rinde  einiger  Loraiitfuis-ArU'Ai 
nach  Mentovich  ex  Just,  Botanischer  Jahresbericht  für  1883,  pag.  180). 

'-i  Radlkofer  in  Verhandlungen  des  naturwissenschaftlichen  Vereines 
in  Bremen,  VIII.,  pag.  435  (1881). 


über  Einlagerung-  von  Calciumoxalat  etc.  233 

bacliia  Spreng-el/  woraus  sich  sofort  der  für  den  Systematiker 
nicht  uninteressante  Schluss  ziehen  lässt,  dass  (abgesehen  von 
den  nicht  untersuchten  hiehergehörigen  drei  Gattungen)  hier 
Calciumoxalat-Einlagerung  und  systematische  Trennung  gut 
Hand  in  Hand  gehen,  indem  von  den  drei  Tribus  der  Nyctagineen 
im  Sinne  Bentham-Hooker's  die  letzteren  zwei  Tribus,  d.  i. 
jene  der  Pisonieae  und  Leiicasterae  keine  Einlagerung  zeigen, 
sowie  ebenfalls  zwei  Subtribus  des  ersten  Tribus  der  Mirabileae, 
d.  i.  die  Bougahivilleae  und  Boldoeae  einer  solchen  entbehren  und 
daher  nur  die  restirenden  Subtribus:  Boerhavieae  und  Abronieae 
für  das  "Weitere  in  Betracht  kommen . 

Kachfolgende  Tabelle  gibt  nun  Aufschluss  über  das  sehr 
wechselnde  Detail  des  Vorkommens  bei  den  Mirabileae  und 
Abronieae.  wobei  A.  W. :  Aussenwand ,  I.  W.:  Innenwand, 
endlich  S.  W.:  Seitenwand  der  Epidermis-Zellen  bedeutet. 

Die  Epidermis  des  Stengels  der  in  vorhergehender  Tabelle 
angeführten  Gattungen  und  Arten,  welche  der  Hauptsitz  des 
Calciumoxalates  ist,  zeigt  bei  den  untersuchten  Ptlanzen  einen 
ziemlich  gleichmässigen  Bau,  der  in  den  meisten  Punkten  mit 
der  Schilderung,  welche  Graf  Solms-Laubach  1.  c.  für 
Mesembryanthemum  gibt,  übereinstimmt.  Die  im  Querschnitt 
flachen  Zellen  der  Epidermis  grenzen  nach  einwärts  an  ein 
Rindenparenchym,  welches  an  den  Stengelkanten  und  Riefen 
einem  Collenchyme  Platz  macht  und  sehr  häufig  Rhaphiden- 
Schläuche  führt;  die  Aussenwand  der  Epidermis-Zellen  ist  nun  in 
mehr  minderem  Grade,  oft  (vergl.  Fig.  1  von  Acleisanthes)  ganz 
enorm  verdickt,  so  dass  dann  das  Lumen  der  Zellen  (Fig.  1)  auf 
einen  ganz  unbedeutenden  Raum  reducirt  erscheint.  Bei  Behand- 
lung zarter  Querschnitte  mit  Chlorzinkjod  nimmt  die  Cuticula  (c 
in  Fig.  1),  sowie  die  meist  ganz  schmale  darunter  liegende  Schichte 
(s)   intensiv  rothbraune  Färbung  an,  letztere  documentirt  sieb 


1  Untersucht  wurden  Ncca  lanceolata  Horti  Botauici  Vindo- 
bonensis.  N.  Caparrosa  Schmidt,  Pisonia  aculeata  L.,  cxcci a  Blume, 
Pacwrrtea  Kunth,  hirtella  H.  B.  K.,  Olfcrsiana  Lk.  &  Kitsch.,  ColUgnonia 
parviflora  Choisy,  Baldoa  lanceolata  La  gase  a,  BougaiuvilLa  spectahilis 
Willd.  und  B.  stipitata  Griseb.,  Cn/ptocarpus  pyriformis  Kunth.:  die 
übrigen  Gattungen  besitzen  nur  je  eine  Art. 


234 


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über  Einlagerung  von  Calciumoxalat  etc. 


235 


Blatt- Oberseite  frei  von  Einlage- 
rung; Unterseite  mit  sehr  dünner 
Lage  in  der  A.  W.  der  Ep. 

Zerstreute  Körnchen  in  der  A.W. 
der  Ep.  beider  Blattseiten. 

Sehr   spärliche    Einlagerung  in 
die  Ep.  A.W.  beider  Blattseiten. 

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Leg.  Hooker. 

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Ex  herbario  Porten- 
schlag. 
Cnltivirt  im  Wiener 
botanischen  Garten. 

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Obere  Blattseite  mit  spärlichen 
Körnchen;  untere  Blattseite  mit 
vielen  Körneren  in  der  A.  W. 
und  wenigen  in  der  S.  W.  und 
I.  W.  der  Ep.  Zellen. 

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Blattunterseite     sehr     sparsam 

Körnchen  führend,  Blattüberseite 

etwas  reicher  daran. 

Blattoberseite  frei  von  Körnern. 

Blattunterseite    mit    reichlicher 

Einlagerung  in  die  Ep. 

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über  Einlagerung  von  Calciumoxalat  etc. 


237 


Dünne  Lage  von  Körnern  in  der 
Ep.  A.  W.  beider  Hlatts(^iten. 

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Massig  dichte  Lage  in  den  A.  W. 
der  Ep.  beider  Blattseiten. 

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15 

Blattoberseite  fast   frei.    Unter- 
seite mit  reichlicher  Einlagerung 
in  die  A.  W.  der  Ep.  Trichomc 
frei  von  Einlagerung. 

Ep.  A.W.  fast  frei  von  Körnern. 

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§  1 

Schwache  Lage  in  der  A.  W., 

dann    spärliche    Körner   in    (hu- 

S.  W.  und   L  W.   der  Ep.   Tii- 

chome  frei  von  Kalk. 

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Wie  bei  voriger  Art,  dann  auch 

einige  Körnchen  in  der    L  W. 

der  Ep. 

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Wie   bei   voriger    Art,   Körner 

aber  auch  in  .S.  W.  und  I.  W. 

Trichome  frei. 

In  der  Ep.  A.  W.  beider  Blatt- 
seiten. 

In  der  Ep.  A.  W.  beider  Blatt- 
seiten sehr  sparsam  auf  der  Ober- 
seite, reicher  auf  der  Unterseite. 

A.  W.  der  Ep.  reichlich  beider- 
seits  mit  Körnern,   spärliL-lie  in 
der  1.  W. 

Sehr  wenige  Körner  in  der  Ober- 
seite, mehr  in  der  A.W.  der  Ep. 
der  Blattunterseite. 

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Massenhaft   in    der   A.  W.    und 

1.  W.,  sparsamer  in   der  8.   W. 

der  Ep.  Zellen. 

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über  Einlagerung-  von  Calciumoxalat  etc. 


239 


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JUatt  Ep.  beiderseits  in  der  A.W. 

und  sparsamer  in  der  L  W.  mit 

Körnern. 

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Ulattoberseite    fast   frei,   Blatt- 
unterseite   mit    massig    reicher 
Einlagerung  in  die  A.   W.  der 
Epidermis. 

Körner   massenhaft   in  A.   W., 
spärlichiu'  in  der  L  W.  der  Ep. 
Zellen  und  indeu  darunterliegen- 
den Rindenzellen. 

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Massenhafte     Einlagerung   in 

der  A.  W.,  spärlicher  in  der  L  W. 

der  Ej). 

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1^ 

Massig  dichte  Einlagerungin  die 
A.  W.  der  Ep. 

Nubien. 
Leg.  Prinz    Paul 
von  Würtemberg. 

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Maisor. 

Leg.  Thomson. 

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l>erol. 
(non.  Choisy.) 

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CC                 IC 

240  Heimerl, 

somit  als  Cuticular-Scliichte,  während,  der  übrige  Theil  der 
Membran,  zngleicli  der  weitaus  mächtigere,  (k,  i)  ein  umso  inten- 
siveres Violett  zeigt,  je  näher  er  dem  Lumen  der  Zelle  zu  liegt; 
die  unmittelbar  unter  den  oft  sehr  schwach  entwickelten  Cuticular- 
Schichten  liegenden  Membran-Partien  bleiben  mit  Chlorzinkjod 
farblos  oder  nehmen  blassgelbliche  Farbe  an,  was  wohl  auf 
einen  geringen  Grad  von  Cntinisirung  derselben  hindeutet.  Die 
Grenzlamellen  der  einzelnen  Epidermiszellen  (in  Fig.  1),  welche 
in  die  Mittellamellen  des  darunter  liegenden  Parenchymes  sich 
fortsetzen,  nehmen  unter  diesen  Umständen  blassgelbliche 
Färbung  an;  endlich  wäre  noch  anzufügen,  dass  Schwefelsäure 
bei  beginnender  Einwirkung  in  der  Aussenwand  schwache 
Schichtung  hervorruft. 

In  jener  Partie  der  Aussenwand  der  Epidermiszellen, 
Avelche  nach  aussen  von  der  Cuticula,  nach  einw^ärts  von  der 
lunenlauielle  (/)  begrenzt  wird,  liegen  nun  ( vergl.  die  Abbildungen) 
die  Körnchen  des  Calciumoxalates,  so  dass  die  Einlagerung  nach 
aussen  bis  zur  Cuticula  reicht,  während  die  körnerführende 
Schichte  gegen  das  Zelllumen  hin  von  einer  oft  sehr  breiten  und 
ungemein  deutlichen  körnerfreien  Schichte  (/,  z.  B.  Fig.  2  und  5) 
abgeschlossen  wird.  In  solchen  Fällen,  wo  die  Einlagerung  der 
Körner  in  die  Wand  eine  besonders  massenhafte  ist  (Fig.  1), 
kann  man  nur  an  den  dünnsten  Stellen  der  Präparate  diese 
körnerfrei  Schichte  erkennen,  sowie  andererseits,  wenigstens  bei 
Acleiscmthes  in  den  Trichomen  dieser  Pflanze  leicht  constatirt 
werden  kann,  dass  die  Körnchen  über  die  Cuticula  hervorragen 
und  so  lebhaft  an  die  Einlagerung  bei  Nymphaea  erinnern. 

Die  Seitenwände  der  Epidermiszellen  des  Stengels  und  der 
Blätter  führen  nicht  eben  häufig  —  das  Detail  ist  aus  der  Tabelle 
zu  ersehen,  —  in  ihren  massig  dicken  Wänden  Kalktheilchen, 
während  hingegen  bei  vielen  Arten  eine  reichliche  Einlagerung 
von  Calciumoxalat  in  die  Innenwände  der  Epidermiszellen 
(Fig.  2)  in  oft  sehr  regelmässiger  Anordnung  zu  constatiren  ist. 
(Fig.  5).  Auch  hier  bleibt  die  Innenschichte  der  Epidermiszellen 
frei  von  Körnchen  und  es  erscheinen  dieselben  an  den  verdickten 
Wandstellen,  wo  mehrere  Zellen  aneinander  grenzen,  besonders 
reichlich  vertreten  (Fig.  2).  Die  eben  gemachte  Bemerkung,  dass 
in   jenen   Fällen,  wo    sehr   reichliche  Einlagerung  erfolgt,   die 


über  Einlagenmg  von  Calciumoxalat  etc.  241 

körnclienfreie  Innenlamelle  immer  schwieriger  sichtbar  werde, 
g'ilt  auch  hier  und  in  den  Blättern  von  Boerhavla- Arten  scheinen 
die  Körner  geradezu  an  das  ZelUumeu  anzugrenzen. 

Bekanntlich  zeichnet  sich  die  Familie  der  Nyctagineae,  wie 
die  verwandte  Familie  der  Phytolaccaceae,  durch  die  Menge  von 
Raphidenschläuchen  aus,  welche  in  fast  allen  Theilen  der  Pflanzen 
(Stengeln,  Blättern,  Perigonen,  Authocarpwänden  etc.)  anzu- 
treffen sind,  sowie  besonders  bei  den  strauch-  und  bäumchen- 
artigen  Gattungen  (z.  B.  Bouf/ainvillea)  grosse  Einzelkrystalle, 
dann  auch  Drusen  von  oxalsaurem  Kalke  im  Parenchyme,  neben 
den  Rhaphiden,  nicht  selten  vorkommen.  Bei  der  Untersuchung 
der  Zellwände  der  von  der  Epidermis  umschlossenen  Gewebs- 
partien  konnte  ich  auch  bei  Anwendung  des  Polarisations- 
Mikroskopes  nirgends  mit  Bestimmtheit  eine  Einlagerung  in 
andere  Gewebstheile,  als  die  vorstehend  angeführten,  con- 
statiren.  Vollkommen  frei  erscheint  immer  der  Holzkörper  und 
nur  manchmal  (z.  B.  bei  Boerhavia  repens  L.)  treten  im  Piinden- 
und  Markparenchym  spärliche,  bei  gekreuzten  Nicols  auf- 
leuchtende Pünktchen  auf,  welche  den  Zellhäuten  anliegen,  doch 
konnte  ich  bei  den  trockenen  Exemplaren  mir  darüber  nicht 
genügende  Sicherheit  verschaffen,  ob  sie  nicht  etwa  der  Wand 
mechanisch  anhaftende  Theilchen  von  Rhaphiden  seien. 

Das  Calciumoxalat  selbst,  dessen  Nachweis  auf  die  bekannten 
Reactionen  gestützt  (starkes  Aufleuchten  bei  gekreuzten  Nicols, 
scheinbare  Unveränderlicbkeit  beim  Glühen,  Unlösliehkeit  in 
Essigsäure,  leichte  Löslichkeit  in  Salzsäure,  Bildung  von  Gyps- 
nadeln  mit  verdünnter  Schwefelsäure)  erbracht  wurde,  erscheint 
in  den  Membranen  in  oft  sehr  dicht  gedrängten  körnerähnlichen 
Partikeln,  über  deren  Begrenzung  durch  scharfe  Ecken  und 
Kanten  bei  den  meisten  untersuchten  Arten,  der  ausserordentlichen 
Kleinheit  halber  (sie  messen  kaum  1/j.)  nichts  weiter  gesagt 
werden  kann.  Xur  in  einigen  wenigen  günstigeren  Fällen,  so 
z.  B.  bei  Oxyhaphus  ovatus  H.  B.  Vind.,  wo  die  grösseren 
Körner  fast  l-5rj.  erreichen,  konnte  ich  an  denselben  deutliche 
Ecken,  sowie  auffallende  Grössenunterschiede  erkennen,  indem 
in  buntem  Wechsel  grössere,  2  bis  3  mal  längere  als  breitere 
Körner  und  kleinere  rundliche  neben  einander  vorhanden 
waren. 


242  Heimerl, 

Die  beigeg-ebene  Figur  5,  entnommen  der  stidamerikanischen 
Alliouia  Mendochia  Pliilippi,  lässt  deutlicli  erkennen,  dass  hier 
die  Calciumoxalat-Körner  längliche  Form  besitzen  und  dass  der 
längere  Durchmesser  fast  genau  parallel  zur  Oberfläche  des 
betreffenden  Pflauzentheiles  gerichtet  ist,  zugleich  tritt  bei  dieser 
Pflanze  die  schon  früher  erwähnte  Regelmässigkeit  der 
Anordnung  in  parallelen  Reihen  sehr  auffallend  hervor.  Gewisse 
Stellen,  die  Grenz-Lamellen  der  Aussenwände  der  Epidermis- 
zellen  bleiben  (bei  x)  hier  ganz  frei  von  Einlagerung,  ein 
Verhalten,  welches  auch  bei  Fig.  2.,  dem  Steng-elquerschnitte 
von  Boerhavia  repe7is  L. ,  (bei  x)  wenn  auch  viel  subtiler,  bemerkt 
werden  kann.  Von  derlei  etwas  grösseren  Körnern  bis  zu 
ungemein  kleinen,  eben  nur  als  Pünktchen  erscheinenden  (z.  B. 
bei  Ahrotna  turbinata  Torrey ),  gibt  es  nun  alle  Mittelstufen  der 
Grössenverhältnisse,  wobei  wohl  unzweifelhaft  bei  der  starken 
Wirkung,  welche  allen  diesen  Ausscheidungen  auf  das  polarisirte 
Licht  zukommt,  diese  Körner  als  Krystalle  zu  bezeichnen  sind, 
und  der  Ausdruck  „Körner"  eben  nur  der  Kürze  halber,  mit 
Bezug  auf  ihre  äussere  Erscheinung  gebraucht  werden  möge. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  erscheint  mir  der  Umstand, 
dass  —  wie  übrigens  schon  Graf  Solms- Laub  ach  1.  c. 
angibt  —  die  Schiiesszellen  der  Spaltöffnungen  (Fig.  3)  des 
Stengels  und  der  Blätter,  in  welchen  sie  zumeist  auf  beiden 
Seiten  vorkommen,  völlig  frei  sind  von  jeder  Einlagerung,  so 
dass,  wenn  die  Aussen-  und  Innenwand  der  Epidermiszellen 
Calciumoxalat  führt,  die  Körnchen  scharf  an  der  Grenze  von 
gewöhnlichen  Epidermiszellen  und  Schliesszellen  aufhören  und 
nur  die  Cuticula  sowie  die  Cuticularschichten  über  letztere 
weiter  verlaufen.  Unzweifelhaft  hängt  dies  mit  den  von  den 
Schliesszellen  bei  der  Transpiration  auszuführenden  Bewegungen, 
welche  eine  biegsame  und  nicht  durch  Calciumoxalat-Einlagerung 
spröde  Membran  voraussetzen,  zusammen.  Die  bei  allen  unter- 
suchten Arten  vorhandenen,  meist  kurzen,  aus  ein  Paar  Zellen 
bestehenden  Trichome  stimmen  meist  in  der  Art  der  Einlagerung 
des  Calciumoxalates  mit  den  unmittelbar  angrenzenden  Epidermi>!- 
zelleu  überein,  docli  sind  sie  bei  eigenen  Nyctagineen  (z.  B. 
Okenin  hypogaea  Schiede,  Ahronia  mellij'erd  Douglas  etc.) 
ganz  frei  von  Körnern. 


über  Einlagerung  von  Calciumoxalat  etc.  243 

Da  die  meisten  der  im  tabellarischen  Verzeichnisse  ange- 
gebenen, beträchtlichere  Einlagerung  zeigenden  Arten  nur  selten 
in  botanischen  Gärten  cultivirt  werden,  so  gelang  es  nur  von 
einer  einzigen,  d.  i.  von  (Nr.  18)  Oxybaphus  ocatns  H,  Vind. 
(einer  mit  Oxybaphus  violaceiis  Choisy  verwandten  Pflanze) 
nach  Spiritus- Material  die  Entwicklungsgeschichte  der  in  Rede 
stehenden  Verhältnisse  zu  untersuchen,  Querschnitte  junger 
Stengel-Internodien  von  circa  5  Mm.  Länge  und  kaum  1  Mm. 
Dicke  lassen  beim  Behandeln  mit  Chlorzinkjod  eine  sich  scharf 
abhebende,  zarte  Cuticula  (c  in  Fig.  6\  die  mit  dem  Reagens 
die  bekannte  braune  Färbung  annimmt,  sehr  dünne  Greuzlamelleu 
der  Seiten  wände  der  Epidermiszelleu  {x  in  Fig.  6),  endlich 
relativ  mächtigere  und  besonders  nach  auswärts  mehr  verdickte 
Innenschiebten  [i  in  obiger  Figur)  der  Zellen  erkennen.  Diese 
letzteren  färben  sich  unter  dem  Einfiuss  des  Chlorzinkjods  violett 
und  zeigen  hiebei  zugleich  Andeutungen  von  Schichtung. 

Da  die  Innenschichten  der  Epidermiszelleu  besonders  nach 
auswärts  stark  bogig  gewölbt  sind,  die  Cnticula  hingegen  als 
wenig  eingebogenes  Häutchen  über  die  Zellen  hinzieht,  so  bleiben 
unmittelbar  unter  der  Cuticula  zwischen  je  zwei  Epidermiszeilen 
(bei  b  in  Fig.  6)  Membranpartien  von  im  Querschnitt  ungefähr 
dreieckiger  Gestalt,  welche  sich  an  dünnen  Stellen  der  Prä- 
parate durch  mehr  schmutzig- violette  Färbung,  dann  durch  ab- 
weichende Lichtbrechung  deutlich  bemerkbar  machen.  Von 
Calciumoxalatkörnchen  ist  weder  auf  gewöhnliche  Weise,  noch 
mit  Hilfe  des  Polarisations-Mikroskopes  auch  nur  eine  Spur  zu 
bemerken. 

Werden  dann  durch  nächst  ältere,  ungefähr  15  Mm.  Länge 
und  etwas  mehr  als  1  Mm.  Dicke  zeigende  Stengel,  Querschnitte 
geführt,  so  erkennt  man  auf  den  ersten  Blick,  dass  die  Aussen  wand 
der  Epidermiszeilen  (Fig.  7)  an  Dicke  bemerklich  zugenommen 
hat,  während  die  Seitenwände  und  das  angrenzende  Collenchym 
keine  besonderen  Veränderungen  zeigen.  An  der  uns  nun 
besonders  interessirenden  Aussenwand  ist  mit  Chlorzinkjod  vor 
Allem  die  Ausbildung  einer  schmalen  Cuticularschicbte  [s  inFig  7) 
zu  constatiren,  welche  sich  sammt  der  Cuticula  [c)  durch  inten- 
sives Kothbraun  sehr  scharf  von  den  darunter  liegenden  Schichten 
abhebt,  w^elch  letztere  schwache  Violettfärbung  (in  der  Zone  6), 


244  Heimeii, 

und  in  der  innersten  Lage  (/)  —  wie  im  frUbereu  Stadium  — 
starke  Violettfiirbung  annimmt. 

In  der  eben  erwäbnten  Zone  (h)  zwiseben  Innenscbicbte  und 
Cuticularscbicbten,  welcbe  Zone  offenbar  den  in  Figur  6  des 
früberen  Stadiums  ebenfalls  mit  h  bezeichneten  Membranstellen 
entspricht,  sind  nun  punktförmige  Körnchen  zu  bemerken,  welche 
offenbar  die  erste  Ausscheidung  des  Calciumoxalates  vorstellen, 
wenn  auch  angeführt  werden  muss,  dass  bei  der  ausserordent- 
lichen Kleinheit  derselben,  eben  nur  mit  Hilfe  des  polarisirten 
Licbtes  und  der  leichten  Löslicldceit  in  Salzsäure  —  die  übrigen 
Reactionen  lassen  uns  hier  im  Stiche  —  auf  diesen  Körper 
geschlossen  wurde. 

Von  diesem  Stadium  bis  zu  dem  Bilde,  welches  dickere  Aste 
und  Zweige  dieser  Oxybnphns-kxi  zeigt,  ist  nur  ein  kleiner 
Schritt.  Wie  die  Figur  8  zeigt,  ist  auch  ohne  Reageutien  sehr 
deutlich  das  Vorhandensein  von  gegen  3/ji  messenden  Cuticular- 
schichten  (.s)  zu  constatiren,  darauf  folgt  die  nun  reichlich 
Calciumoxalat  führende  Schichte  b  (Dicke  3— 5/ji.),  endlich  kommt 
die  körnerfreie  circa  2  |l».  dicke  Innenschichte.  In  den  Seiten- 
wänden, dann  den  Grenzwänden  von  Epidermiszellen  und 
Collenchym  finden  sich  hier  nirgends  Körner  wie  sie  auch 
dem  übrigen  Gewebe  völlig  fehlen. 

Es  ergibt  sich  nun  aus  allen  diesen  Befunden,  dass 
wenigstens  bei  Oxybaphus  die  Einlagerung  des  Calciumoxalates 
relativ  spät  im  Stengel  nach  völlig  abgeschlossener  Gewebe- 
Differenzirung  erfolgt,  und  dass  innerhalb  der  des  öfteren 
erwähnten  Zwischenschichte  der  Epidermis-Aussenwand  die 
Ausscheidung  des  Salzes  vor  sich  gehen  muss.  An  eine  directe 
Ausscheidung  der  Körner  aus  dem  Protoplasma  der  Epidermis- 
zellen, welcher  Vorgang  ja  für  andere  Pflanzen  constatirt  ist 
(vergl.  Pfitzer's  Untersuchungen  über  Bildung  der  schönen 
Membrankrystalle  von  Citrus  in  Flora  1872,  pag.  114  ff.),  kann 
hier,  da  das  Calciumoxalat  im  Momente  des  Sichtbarwerdens 
in  der  Membran  selbst  auftritt  und  fernerhin  durch  eine  mehr 
oder  weniger  breite,  körnerfreie  Lamelle  vom  Plasma  geschieden 
ist,  wohl  nicht  gedacht  werden.  — 

Die  im  vorhergehenden  tabellarisch  aufgeführten  Daten  über 
Vorkommen    des    Calciumoxalates    in   der    Epidermis   einzelner 


über  Einlagerimg'  von  Ciilciumoxalat  etc.  245 

Gattungen  und  Arten  von  Nyctagiueen  stehen  nun  in  einem 
deutlichen  Zusammenhange  mit  den  klimatischen  Verhältnissen, 
unter  welchen  sich  die  betreffenden  Arten  entwickelten.  Vor 
Allem  constatirten  wir,  dass  eine  solche  Einlagerung  den 
Blättern  und  Zweigen  von  bäum-  und  strauchartigen  Nyctagiueen, 
welche  in  den  eigentlichen  tropischen,  d.  i.  feuchtwarmeu 
Gebieten  der  alten  und  ganz  besonders  der  neuen  Welt 
zu  Hause  sind  (z.  B.  Neeo,  Pisonia,  Leucaster,  Boiif/ainvillea) 
völlig  fehlt.  Die  beiden  Gattungen  Trkycla  Ca  van.  und  Phae- 
optilmn  Eadlk. ,  welche  beide  in  heisseu  und  trockenen  Gebieten 
auftreten  und  ebenfalls  einer  solchen  Einlagerung  entbehren,  sind 
durch  ihre  kleinen  in  dichten  Büscheln  beisammen  stehenden 
Blätter,  deren  Epidermis  stark  cutinisirt  ist,  ebenfalls  gut  zum 
Ertragen  von  Dürre  und  grosser  Lufttrockeuheit  befähigt. 

Gehen  wir  nun  aber  zu  den  in  der  Tabelle  vertretenen 
krautigen  Arten  über,  d.  i.  solchen,  welche  aus  unterirdischen 
Achsentheilen  krautige,  durch  keine  Korkbildung  vor  dem 
Wasserverluste  durch  Verdunstung  geschützte  Stengel  mit 
Blättern  und  Blüthen  emporsenden,  so  zeigt  sich  im  Allgemeinen 
die  Thatsache  bestätigt,  dass  die  Calciumoxalat-Einlagerung  um 
so  reichlicher  stattfindet,  je  mehr  die  Arten  aus  solchen  Gegenden 
herstammen,  in  denen  sie  zur  Entwicklungszeit  bedeutender 
Lufttrockenheit  und  Hitze,  somit  der  hiedurch  bedingten,  besonders 
energischen  Verdunstung,  ausgesetzt  sind.  Es  wäre  hiebei 
besonders  auf  die  Arten  der  Gattung  Boerhavln  aufmerksam  zu 
machen,  welche  das  Wüstengebiet  Nord-Afrika's  und  West- 
Asiens  (Nubien,  Arabien,  Persien  etc.)  bewohnen  und  sich  schon 
äusserlich  durch  grau-  bis  kreideweisse  Stengel  mit  graugrünen 
Blättern  von  den  tropischen  Arten  (z.  B.  Boerhavla  jjcuiiculata  L. 
und  Boerhavia  scmulens  L.)  auszeichnen  und  in  der  That  ganz 
bedeutende  Mengen  des  Kalksalzes  enthalten. 

Zum  Schlüsse  möchte  ich  noch  anführen^  dass  die  bekannte 
anatomische  Verwandtschaft,  welche  im  Bau  des  Stengels 
zwischen  den  Nyctagineen  und  Mesembryanthemeen  sich  kund 
gibt,  auch  in  der  Art  der  Einlagerung  des  Kalkoxalates  besteht, 
und  dass  die  Arten  von  Mescmbryantheynum,  Semperirivum  und 
Ephedra,  die  alle  Einlagerung  zeigen,  in  Bezug  auf  das  Vorkommen 


246  Heimerl,  Über  Einlagerung  von  Calciumoxalat  etc. 

an  dürren,  wasserarmen  Stellen  mit  den  erwähnten  Nyctagineen 
übereinstimmen. 

Von  den  Phytolaccaceen  hingegen,  deren  systematische 
Verwandtschaft  mit  unseren  Nyctagineen  des  öfteren  betont 
wurde  und  die  auch  in  dem  massenhaften  Vorkommen  von 
Khaphidenschläuchen  eine  anatomische  Verwandtschaft  erkennen 
lassen,  erwiesen  sich  die  untersuchten  Arten  {Phytolacca  pruinosa 
Fenzl,  Phytolacca  decandra  L.,  Giseckia  rube/la  Höchst., 
Giseckia  pharnaceo'ides  L.,  Limenm  viscosum  Fenzl,  Semoiivillea 
pterocarpa  Gay)  als  frei  von  Calciumoxalat. 


Übersicht  der  A  b  b  i  1  d  u  n  g-  e  n. 


Fig.  1.  Querschnitt  eines  circa  1-5  Mm.  dicken  Zweigchens  von  Acleisanthes 
loiigifiora  A.  Gray  (Lindheimer,  Flora  Tcxana).  570/1.  Die  sehr 
verdickte  Epidermis-Aussenwand  ist  fast  ganz  von  den  Kalk- 
körnern ik)  erfüllt;  <?.  .Cuticula,  s .. Cuticnlarschicbte,  A: .. Körner- 
schichte,  i.  .Inuenlamelle,  x.  .Oreuzlamelle. 

„  2.  Querschnitt  eines  St<ämmchens  von  circa  3  Mm.  Dicke  von  Boerhai'ia 
repens  L.  (Africa,  Sip-ta  Nitbica  leg.  Prinz  Paul  v.  Würtemberg). 
570/1.  Bei  «-Querschnitt  eines  Rhaphidenschlauches;  in  zweien 
der  sehr  ungleich  grossen  Epidermiszellen  bemerkt  man  grosse 
Klumpen  einer  spröden  rothbraunen  Masse,  welche  starke  Gerb- 
stofifreaction  gibt  und  au  die  in  den  Gerbstoifschläuchen  der 
Saxifragen  oder  in  den  Schläuchen  der  Markperipherie  von 
Sartibiiciis  vorkommenden  Inhaltskörper  erinnert  (vergl.  De  Bary 
Anatomie  pag.  155). 

,,  3.  Spaltöffnung  mit  den  Nebenzellen  von  der  oberen  Blattflächc  der- 
selben Boerhavia.  570/1-  Man  erkennt  deutlich  das  Fehlen  der  Kalk- 
einlagcrung  in  den  Schliesszellen. 

„  4.  Epidermisquerschnitt  von  der  oberen  Blattfläche  derselben  Bof^- 
havle  mit  den  Gerbstoffharz-Schläuchen.  360/1. 

„  5.  a)  Rinde  des  Stengels  von  Allion ia  mendocina  Vh-iVi^^^'i  {Mendoza, 
leg.  Philip pi)  im  Querschnitte.  570/1.  Die  reihenweise  Anordnung 
der  Körner  des  Calciumoxalates,  ihre  längliche  Form,  das  Fehlen 
der  Einlagerung  in  den  Seitenwänden  und  in  den  Grenzschichten 
(bei  x)  der  einzelnen  Epidermiszellen  ist  hier  gut  ausgesprochen. 

„  5.  b)  Partie  vona-  etwas  stärker  vergrössert;  man  bemerkt  das  unregel- 
mässige Auskeilen  und  Verschmälern  der  einzelnen  Körner-Lagen. 

„  6,  7,  8.  Quei'schnitte  junger  Steugelinternodien  von  Oxi/baphus  ovittu. 
Horti  bot.  Vindob.  570/1.  Erklärung  im  Texte;  Bezeichnung  wie  in 
den  früheren  Figuren. 


A  Heimerl  •-  Über  Einlagerung  von  Calciumozakt  in  die  Zellwand  bei  I^yctagmeen. 


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ö  annv.-aith  t^i^r. 


Sitzunester.d  -kaiserl.  Akad.d.Mlss.matli.natunr.  Cl.XCIlI.Bd.LAbtk.l886. 


247 


X.  SITZUNG  VOM  8.  APRIL  1886. 


Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Prof.  L.  Boltzmann  in 
Graz  übersendet  eine  vorläufige  Notiz  über  allgemeine  Gleichun- 
gen für  die  Elektricitätsbewegung. 

Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Prof.  A.  Rollett  über- 
sendet eine  Abhandlung  der  Herren  Ernst  Smreker  und  Oscar 
Zoth,  Assistenten  am  physiologischen  Institute  der  Universität  in 
Graz:  „Über  die  Darstellung  der  Hämoglobinkrystalle 
mittelst  Balsamen  und  einige  verwandte  Gewinnungs- 
weisen". 

Herr  Professor  Dr.  Ph.  Knoll  in  Prag  übersendet  eine  Ab- 
handlung: „Über  die  Druckschwankungen  in  der  Cere- 
brospinalflüssigkeit  und  den  Wechsel  in  der  Blutfülle 
des  centralen  Nervensystems". 

Der  Secretär  legt  eine  eingesendete  Abhandlung  von 
Herrn  Moriz  Feil,  Gewerbeschullehrer  in  Brunn:  „Über  Euler'- 
sche  Polyeder  etc."  vor. 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Th.  Ritter  v.  Oppolzer  macht 
eine  Mittheilung  über  Beobachtungen  an  einem  von  ihm 
construirten  Apparate  zur  absoluten  Bestimmung  der 
Hchwingungszahl   einer  Stimmgabel. 

Ferner  überreicht  Herr  Hofrath  v.  Oppolzer  den  von 
Prof.  E.  Pasquier  in  Löwen  ins  Französische  übersetzten 
I.Band  seines  Werkes :  „Lehrbuch  zur  Bahnbestimmung^ 
der  Kometen  und  Planeten". 

Herr  Prof.  Dr.  Zd.  H.  Skraup,  Professor  an  der  Handels- 
akademie in  Wien,  überreichte  eine  von  ihm  in  Gemeinschaft  mit 
Herrn  Dr.  Ph,  B runner  ausgeführte  Untersuchung,  betitelt: 
„Constitution  einiger  Chinolinderi vate". 

Sitzt),  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  17 


248 

Selbständige  Werke  oder  neue,  der  Akademie  bisher  nicht  zuge- 
kommene Periodioa  sind  eingelangt: 

E.  Pasquier:  Traite  de  la  determination  des  orbites  des  Come- 
tes  et  des  Planetes  par  le  Chevalier  Theodore  d'Oppolzer. 
(Edition  fran^aise  publiee  d'apres  la  deuxieme  editiou  alle- 
maüde).  Vol.  I,  Paris,  1886;  gr.  8^ 

J.  W.  Mouehketow:  Turkestau.  Bd.  I,  St.  Petersburg  1886; 
gr.  8°. 


249 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  und 
in  den  angrenzenden  Gebieten. 


Beiträge  zur  Geologie  des  nördlichen  Balkanvorlandes 
zwischen  den  Flüssen  Isker  und  Jantra. 

(Mit  3  Tafeln  und  1  Holzschnitte.) 

Von  Georg  N.  Zlatarski  in  Sofia. 
(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  1.  April  1886.) 


Einleitung. 

Als  Herr  Professor  Fr.  Toula  im  Jahre  1880  Vorbereitimgeu 
traf  für  seine  zweite  Reise  in  den  westlichen  Balkan,  erwirkte 
Herr  Professor  Dr.  Constantin  Jirecek,  damals  Generalsecretär 
im  fürstlich  biilg-arischen  T'nterrichtsministerium,  von  Seite  des 
fürstlich  bulgarischen  Finanzministeriums  für  mich  den  Auftrag, 
Herrn  Pofessor  Toula  auf  seinen  Reisen  zu  begleiten,  wodurch 
ich  in  den  Stand  gesetzt  wurde,  die  zu  geologischen  Aufnahmen 
nöthigen  Erfahrungen  zu  sammeln. 

Für  die  Sommer-  und  Herbstmonate  des  Jahres  1884  hatte 
ich  mir  die  Aufgabe  gestellt,  mich  mit  der  geologischen  Be- 
schaffenheit Mittel-Bulgariens  bekannt  zu  machen.  Als  ich  die 
Erlaubniss  meiner  Behörde  erhalten  hatte,  den  zwischen  den 
Flüssen  Isker  und  Jantra  gelegenen  Theil  des  Fürstenthums 
Bulgarien  zu  durchforschen,  traf  von  Seite  des  Herrn  Professors 
Toula  die  Mittheilung  ein,  dass  er  die  Absicht  habe,  seine 
geologischen  Forschungen  auf  den  centralen  Balkan  auszudehnen. 
Auf  seine  Frage,  ob  ich  ihn  wieder  begleiten  wolle,  sprach  ich 
ihm  meine  volle  Bereitwilligkeit  aus,  worauf  er  mich  aufforderte, 
die  Zeit  vor  seinem  Eintreffen  zur  Bereisung  des  Balkan-Vor- 
landes zu  benützen,  damit  er  seine  ganze  Reisezeit  dem  Gebirge 
widmen  könne.  ^ 


1  Ein  vorläufiger  Bericht  über  die  von  Professor  Toula  ausgeführten 
Reisen  im  centralen  Balkan,  auf  welchen  ich  sein  Begleiter  war,  findet 
sich  in  den  Sitzungsberichten  der  kaiserl.  Akademie,  1884,  XC.  Bd., 
pag.  274 — 317. 

17* 


250  Zlatarski, 

Ich  überschritt  das  Gebirge  zwischen  Jelesnica  und  Orhanie 
und  führte  eine  grössere  Anzahl  von  Touren  im  Balkanvorlande 
aus,  die  sich  auf  der,  dem  angeführten  Berichte  beigegebenen 
Karte  eingezeichnet  finden.  Über  die  Ergebnisse  meiner  Reise 
verfasste  ich  eine  ausführliche  Darstellung  in  bulgarisclier 
Sprache,  liess  dieselbe  ins  Deutsche  übersetzen  und  sandte  die 
Übersetzung  an  Herrn  Professor  Toula  mit  dem  Ersuchen,  eine 
Durchsicht  und  die  etwa  nöthigen  Änderungen  vornehmen  zu 
wollen.  Herr  Professor  Toula  unterzog  sich  thatsächlich  der 
mühevollen  und  zeitraubenden  Arbeit,  wofür  ich  ihm  meinen  ver- 
bindlichsten Dank  sage. 


In  dem  von  mir  bereisten  Gebiete  kann  man  folgende 
Formationen  unterscheiden: 

Alluvium  in  Form  von  Lehm,  der  die  Becken  und  Thal- 
ztige  an  fast  allen  Flussläufen  ausfülllt,  so  am  Isker,  Vid,  Osam, 
an  der  Jantra  u.  s.  w. 

Diluvium.  Hierher  gehört  der  Lüss,  der  den  grössten 
Theil  der  Donauebene  bedeckt,  sowie  gewisse  Schottermassen, 
welche  man  in  einigen  Thalbecken  vorfindet,  in  welchen  auch 
pliocäne  Bildungen  vertreten  sein  mögen. 

Die  sarmatische  Stufe.  Sehr  schön  ausgebildet  sieht 
man  die  Ablagerungen  derselben  am  Unterlaufe  des  Isker,  von 
Devenci  bis  Gigeu-Mahala  gegenüber  von  Moselievo,  nicht  weit 
vom  Flusse  Osam,  südwestlich  von  Nikopol. 

Marinen  Tegel  der  zweiten  Mediterran  stufe,  ausgebildet 
wie  bei  Baden  im  Wiener  Becken,  findet  man  nur  am  rechten 
Ufer  des  Vid,  westlieh  von  Pleven.  (Vergl.  die  betreffenden  Ab- 
handlungen von  Foetterle  und  v.  Fritsch.) 

Eocän  mit  Nummuliten  findet  sich  nur  in  einer  kleinen 
Zone  südlich  von  Trnovo.  (Übersicht  d. Reiserouten  etc.  I.e.  S.277.) 

Kreide -Ablagerungen  bedecken  den  grössten  Theil  des 
von  mir  durchforschten  Gebietes.  Obere  Kreide:  Senon  und 
Turon  besteht  in  Bulgarien,  sowie  im  nördlichen  Europa  aus 
reiner  Kreide  und  aus  Kalkfelsen.  Senon  zeigt  sich  ausgezeichnet 
bei  Nikopol,  Turon  dagegen  in  der  Gegend  von  Pleven.  Dem 
Cenoman  und  Gault  entsprechen  vielleicht  gewisse  Kalke  und 


fteolooische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  2ol 

Sandsteine;  in  der  unteren  Kreideformation  finden  wir  dagegen 
nicht  nur  Aptien-Urgonien-Kalk,  sondern  auch  Sandsteine 
und  sandigen  Mergel,  dazu  noch  Kalkmergel,  der  sehr  reich  ist 
an  Fossilien,  (Besonders  Ammoniten  des  unteren  Neocom.) 

Westlich  von  Trojan  in  der  Gegend  von  Sipkovo  bemerkte 
ich  ausserdem  Ablagerungen  der  Jura-Formation  (Lias?), 
welche  bei  Teteven  ihr  Maximum  erreichen. 

In  Hinsicht  auf  Eruptiv-Gesteine  ist  der  von  mir  durchforschte 
Theil  sehr  arm,  da  ich  hier  nur  Andesit  porphy  rit  mit  Horu- 
blenfle  (Porphyrite  (mdesitique  ä  Amphibole)  und  Basalt 
gefunden  habe.  Die  erstgenannten  Gesteine  sind  im  Thale  der 
Lakavica  zwischen  Pravee  und  Kalngerovo  zu  finden  und  die 
basaltischen  zwischen  Osma  und  Jautra  nördlich  von  Suhindol 
bis  Svistov. 

Im  Curjak-Balkan,  auf  meinem  Wege  von  Sofia  nach  Orhanie, 
fand  ich  Kreide-Sandsteine  und  mergelige  Kalke,  ähnlich  wie 
bei  Lozen  (SO  von  Sofia),  die  auf  den  rothen  Sandsteinen  und 
Conglomeraten  unmittelbar  aufliegen.  In  diesem  Profil  des 
Balkans  fehlen  ganz  die  dioritischen  Gänge,  die  Toula  östlich 
im  Orhanie-Balkan,  nördlich  von  Araba-Konak  nachgewiesen  hat. 


I.  Ton  Sofia  über  Curjakund  längs  des  Isker  nach  der  Donau. 

1.  Das  Becken  von  Sofia.  Dieses  Becken  liegt  südlich 
vom  Balkan  und  dehnt  sich  (in  der  Richtung  von  NNW — SSO") 
etwa  55 — 60  Km,  in  der  Länge  und  20 — 30  Km.  in  der  Breite 
aus.  Umgeben  ist  es  im  Norden  vom  Sofia-  und  Murgas-Balkan,  im 
Süden  von  Lilin,  Vitosa  und  dem  Ichtimangebirge.  Die  östlichen 
und  die  westlichen  Gebirge  sind  unbedeutend. 

Dieses  breite  Becken,  welches  eine  mittlere  Höhe  von 
566  Meter  über  dem  Meeresspiegel  erreicht,  ist  von  Pliocänen, 
Süsswasserablagerungen,  Sand,  Lehm  und  sandigem  Mergel  er- 
füllt und  nur  oberflächlich  mit  diluvialem  Geröll  und  mit  alluvialen 
Lehmmassen  bedeckt. 

Die  diluviale  Ablagerung  breitet  sich  terrassenförmig  um 
die  Gebirge  aus  und  waltet  im  W  und  S  vor;  das  Alluvium  ist 
mehr  an  den  Isker  gebunden.  Das  Material  der  quaternären 
Formation  bleibt  sich  in  diesem  Becken  nicht  an   allen  Orten 


I 


252  Zlatarski, 

gleich;  es  hängt  von  der  Beschaffenheit  der  Gebirgsstöcke  ab, 
um  deren  Fiiss  es  sich  ausbreitet.  So  z.  B.  besteht  die  Ablagerung 
im  SW  und  S  aus  krystallinischen  eruptiven  Gesteinsmassen, 
dagegen  im  K  und  0  aus  Quarzit,  rothem  Sandstein  und 
Phylliten;  gegen  NW  ist  dieselbe  mehr  sandig.  Genaue  Grenzen 
zwischen  diesen  einzelneu  Gebieten  lassen  sich  jedoch  nicht 
ziehen,  weil  diese  letzteren  ihren  Charakter  oftmals  verändern 
und  sehr  gern  in  einander  übergehen. 

Ein  anschaulicheres  und  geuaueres  Bild  von  der  Beschaffen- 
heit des  Beckens  gewährt  ein  Aufschluss,  der  beim  Abteufen  eines 
Brunnens  für  das  Truppenlager  im  Jahre  1883  gewonnen  wurde. 
Der  betreffende  Punkt  liegt  rechts  von  der  Strasse,  welche  nach 
Knjazevo  (Bali  effendi)  führt,  drei  Kilometer  südwestlich  von  der 
Kesidenz.  Die  Tiefe  des  Brunnenschachtes  beträgt  21  Meter. 

Von  oben  nach  unten  fand  man: 

1.  Ungefähr  einen  Meter  Ackerkrume; 

2.  gegen  drei  Meter  Gerolle:  die  Grösse  der  einzelnen 
Trümmer  erreicht  Faustgrösse.  Die  Rollstücke  rühren  meist  von 
Eruptivfelsen  her,  doch  treffen  wir  auch  Quarzite  und  rothen 
Sandstein.  Eine  Art  gelblich-schwarzer  Lehm  verkittet  die  ein- 
zelneu GeröUe.  In  den  unteren  Lagen  dieser  Schichte  und  in  den 
oberen  der  folgenden  findet  man  Stücke  von  Feldspath; 

3.  bläulichen,  fetten,  feuchten  Thoumergel  von  ungefähr 
2-7  Meter  Dicke;  in  demselben  kommen  nur  kleinere  Stückchen 
der  obgenannten  Gesteine  vor; 

4.  gegen  3  Meter  Flugsand,  reich  an  weissem  Glimmer,  vor- 
waltend aus  feinen,  weissen  Quarzkörnchen  zusammengesetzt; 

5.  2  Meter  festen  Mergel  mit  unscheinlichen  Sandlagen,  in 
denen  Fischknochen  gefunden  wurden.  ^  In  dem  Mergel  selbst 
sah  ich  kleine  Gastropodenschalen  (^Helix  [?]); 

6.  1  Meter  feinen  Flugsand ; 

7.  1'5  Meter  Sand  mit  Lehm  vermischt; 

8.  1  Meter  grauweisse  Thonerde; 

9.  0-15  Meter  feinkörnigen  weissen  Sand  mit  Glimmer;  in 
dieser  dünnen  Schichte  findet  man  auch  gelben  Ocker ; 


1  Prot.  Toula  konnte  dieselben  mit  voller  Sicherheit  auf  Sihirus 
znrückt'ühren. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc. 


253 


10.  gegen  1-5  Meter  sandig-en  Thon- 
mergel  mit  tveissem  G-limmer,  in  dem  sieh 
Abdrücke  von  plioeänen  Pflanzen  finden 
[Quercus  u.  and.);  tiefer  unten  geht  diese 
Schichte  in  blauen  Tlionmergel  über; 

11.  0-3  Meter  weissen,  feinkörnigen 
Quarzsand; 

12.  2-2  Meter  desgleichen^  doch  grob- 
körnig; in  dieser  Schichte  kommen  abgerun- 
dete und  eckige  Quarzit-,  Andesit-  und  Quarz- 
stücke vor  ; 

13.  sandigen  Thon,  in  dem  man  auf 
Wasser  stiess.  (Yergl.  Fig.  1. ) 

Vergleichen  wir  dieses  Profil  mit  irgend 
einem  beliebigen  anderen  desselben  Beckens, 
so  werden  wir  die  nämliche  Vertheilung 
finden.  Der  Unterschied  besteht  nur  in  der 
Mächtigkeit  der  Schichten.  An  der  Strasse 
nach  Constantinopel  stösst  man  auf  grünlichen 
Mer gelthon  schon  in  einer  Tiefe  von  einem 
Meter,  beim  Truppenlager  in  vier  Meter 
Tiefe,  dagegen  bei  Gornja-Bauja  (Jokari 
Banja)  erst  in  einer  Tiefe  von  circa  12  Meter. 

Bei  Dobroshivci  (Iskrezer  Kreis),  Ger- 
man  (Kreis  von  Sofia),  wie  auch  an  anderen 
Orten  unseres  Beckens  findet  man  in  diesem 
Schichten- Complexe  ausser  Geröll,  Thon  und 
Sand  auch  Lignit,  doch  ist  dieser  von  gerin- 
ger Qualität  und  dünnschichtig,  desshalb 
kann  auch  an  seine  Ausbeutung  nicht  gedacht 
werden.  ^ 

Weitere  Details  über  das  Becken  von 
Sofia    enthalten  meine   in    dem  Organ    der 


Fi-.  1. 


Mater 


iZlatarski,  Geologisches  Profil  von  Sofia 
über  Saranci  (Taskeseu),  Orhanie  und  Etropole  bis 
zu  den  Höhen  des  Zlatica-Balkan.  Periodicesko 
Spisanije  etc.  Nr.  IV,  1883,  pag.  2.  (Balg.) 


254  Zlatarski, 

bulgarischen  literarischen  Gesellschaften  veröffentlichten  Abhand- 
lungen. ^ 

2.  Von  Sofia  über  Curjak  nach  Orhanie.  Die  dilu- 
vialen Terrassen,  die  sich  von  den  nördlichen  Abhängen  der 
Yitosa  in  das  Thal  senken,  reichen  bis  zur  ersten  Brücke  der 
Strasse  nach  Orhanie.  Die  Ebene,  die  hier  beginnt  und  sich 
gegen  Osten  ausdehnt,  ist  auf  beiden  Seiten  des  Isker  mit  allu- 
vialen Ablagerungen  bedeckt;  sie  wechseln  in  ihrer  Beschaffen- 
heit —  bald  sind  sie  sandig,  bald  lehmig  —  und  erstrecken  sich 
ununterbrochen  bis  Novo-selo.  (Viele  Tumuli.) 

Im  allernächsten  Grebiet  des  Isker  ist  das  Alluvium  sandig 
nnd  wenig  fruchtbar,  daher  auch  weniger  cultivirt,  als  zwischen 
Podujene  und  Vrazdebua.  Dasselbe  ist  auch  jenseits  des  Isker 
der  Fall,  wo  die  Ebene  mit  fein-  und  grobkörnigem  Sand  bedeckt 
ist  und  worauf  ausser  einigen  ärmlichen  Riedgräsern  fast  nichts 
anderes  gedeiht. 

In  einer  Entfernung  von  IGYg  Kilometern  (von  Sofia  aus 
gerechnet)  verliess  ich  die  Hauptstrasse  und  lenkte  nach  links 
gegen  Jelesnica  ein,  um  einem  Wunsche  Professor  Toula's  zu 
entsprechen,  über  die  problematische  Verbreitung  der  dioritischen 
Gesteine  nach  W  Gewissheit  zu  erhalten.  Der  Weg  führte  mich  an 
dem  Südabhange  einer  Diluvialterrasse  hin.  Die  Diluvialab- 
lagerungen bestehen  vorzüglich  aus  glatten,  doch  nicht  voll- 
kommen abgerundeten  Phyllitstücken;  bei  einigen  sind  die  Ecken 
noch  ganz  unversehrt;  Quarzit  und  Sand  sind  weniger  vertreten. 
Der  Boden  ist  ausserordentlich  arm  an  jeglicher  Vegetation.  Die 
Bevölkerung  sieht  sich  gezwungen,  die  Acker  reichlich  zu  düngen, 
um  kümmerliche  Ernten  zu  erzielen. 

Die  vom  Balkan  herabstürzenden  Wildbäche  haben  tiefe 
Furchen  eingerissen  und  diese  geben  die  beste  Gelegenheit,  sich 
mit  der  Beschaffenheit  der  alluvialen  Ablagerung  genauer  bekannt 
zu  machen.  Zu  oberst  sieht  man  eine  Art  grauweisser,  lockerer 
Erde;  dieselbe  ist  glimmerig,  reich  an  Thon  und  arm  an  Kalk  und 
Sand.  Unter  dieser  Erdschichte  kommt  wieder  das  oberwähnte 
Phyllitgeröll,  stark  mit  Thon  vermischt,  zum  Vorschein;  tiefer 

1  a)  Periodicesko  Spisauije  etc.  etc.  Nr.  IV,  pag-.  1—32.  h)  Petro- 
graphische  Untersucliimgen  über  die  eruptiven  und  luetamorphischeu  Felsen 
Bulgariens.  Period.  Sp.  Nr.  IX,  188  i,  pag.  52—82.  (^Bulg.) 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  2o5 

unten  aschg-rauer  Thon  und  zu  Unterst  vrieder  das  dunkelfarbige 
Phyllitgerölle. 

Der  Weg  führt  zuerst  im  Thale  des  Baches  in  der  Richtung 
nach  X  hin,  lenkt  aber  bald  nach  NO  ein,  indem  er  eine  neue, 
ziemlich  hohe  Terrasse  erklimmt,  die  sich  sehr  schnell  gegen  das 
Flüsscheu  von  Zeljava  erhebt.  Auf  dieser  Terrasse  verschwinden 
die  Phyllite  zu  allererst  unter  dem  prächtigen  Humus,  doch 
zeigen  sie  sich  bald  wieder  in  südlicher  Richtung  von  Zeljava. 
In  dem  tiefen  Thale  des  gleichnamigen  Baches  finden  wir  von 
oben  nach  unten: 

1.  0-5  Meter  lockeren,  röthlichen  Ackerboden. 

2.  Zwei  Schichten  (0- 1—0-3  Meter)  feines  Phyllitgeröll. 

3.  Eine  Schichte  desselben  Gerölls,  die  einzelnen  Stücke 
sind  jedoch  hier  grösser;  ausserdem  bemerkt  man  unter  den- 
selben auch  abgerundete  Stücke  von  rothem  und  weissem  Sand- 
stein, wie  auch  von  Quarzit  und  Dioritgranit. 

4.  Wieder  ungefähr  ein  Meter  Geröll,  die  weissrothen 
Quarzite  und  der  Sandstein  walten  vor  gegenüber  den  Phylliten. 
In  dieser  letzten  Schichte  findet  sich  auch  ein  Einschluss  von 
röthlichgelbem  Thon. 

5.  Zu  allerimterst  waltet  der  Lehm  vor;  in  diesem  gewahren 
wir  graugrünliches  Phyllitgeröll.  ähnlich  jenem  von  Araba- 
Konak,  weissen  und  rothen  Sandstein  und  Quarzit. 

Aus  dem  dargestellten  Profil  können  wir  sehr  leicht  eine 
Andeutung  erhalten  von  der  geologischen  Beschaffenheit  jenes 
Theiles  des  Balkangebirges,  der  sich  nördlich  von  Zeljava  er- 
streckt. Weisser  und  rother  Sandstein  dürfte  grauschwarze 
Phyllitgesteine  bedecken  oder  bedeckt  haben,  granitiscb-diori- 
tische  Gesteine  müssen  im  Bereiche  der  Wasserläufe  angenommen 
werden.  Das  heutige  Flüsschen  freilich  führt  zumeist  dunkle 
Phyllite  und  nur  hie  und  da  auch  Sandsteinstücke. 

Einen  Kilometer  südlicher  von  Jelesnica  gewahrt  man  plötz- 
lich einen  Gebirgsstock,  der  sich  von  SO  nach  NW  erstreckt. 
In  seiner  ganzen  Ausdehnung  sichtbar  wird  er  erst  am  linken 
Ufer  des  Jelesnica-Baches,  wenn  man  auf  die  Terrasse  steigt. 
Das  Material  dieses  Gebirgsgliedes  besteht  aus  feinkörnigem 
Quarzit,  die  Körnchen  sind  grauweiss  oder  röthlich,  doch 
erscheinen   sie  in  Folge   der  Impräguirung  mit  wasserhaltigen 


256  Zlatarski, 

EiseDverbiuduiigeu  öfters  auch  dunkelroth  gefärbt.  Der  grössere 
Theil  dieser  Gesteinsmassen  lässt  sich  leicht  blättern,  doch  finden 
sich  darunter  auch  ganz  massige  Partien  wie  echte  Quarzite. 
Diese    letzteren    enthalten  auch  zum  Theil  wohl    ausgebildete 

Pyritkrystalle   ooOoo,  .  Zumeist  wurden  diese  jedoch  durch 

äussere  Einwirkungen  umgewandelt  und  haben  ihre  ursprüngliche 
Form  und  Farbe  ganz  eingebüsst.  Manche  erscheinen  geschwärzt, 
andere  in  rothe  Farbe  verwandelt.  Der  Pyrit  hat  sicher  eine 
Hauptrolle  bei  der  Zerbröckelung  dieser  Gesteinsmassen  gespielt. 

So  viel  es  ersichtlich  ist,  haben  die  Sandsteine  und  Quar- 
zite keine  beträchtliche  Mächtigkeit  (30 — 40  Meter)  und  reichen 
dieselben  hier  nicht  sehr  weit  nach  W.  Bei  Zeljava  verschwinden 
sie  und  zeigen  sich  nur  in  den  niedrigen  Hügeln.  So  unklar  die 
Stratification  dieses  Gesteines  auch  sein  mag,  so  massig  es  auch 
erscheint,  man  kann  dennoch  sehen,  dass  seine  Schichten  nicht 
dicker  sind  als  0-3 — 0-4  Meter.  Sie  verflachen  mit  30°  gegen  NW. 

Südwärts  vonJelesnica  treffen  wir  dieselben  Felsarten  an.  Das 
genannte  Dorf  liegt  am  Bächlein,  eingeklemmt  zwischen  den  felsi- 
gen Wänden  eines  Defiles,  welches  den  ganzen  Gebirgsstock  in  der 
Richtung  von  N  nach  S  durchbricht.  Die  Dächer  der  Häuser  sind 
mit  Ziegeln  oder  Ph3'llitplatten  bedeckt,  als  Baumaterial  werden  ' 
meist  thoniger  Kalkstein  und  mergeliger  Sandstein  verwendet. 

Mitten  im  Dorfe  brechen  die  letzteren  aus  den  anderen 
Gesteinen  unvermittelt  hervor.  Sie  enthalten  sehr  viele  Glimm er- 
blättchen.  Mit  der  Lupe  kann  man  auch  bläuliche  Calcitadern 
bemerken;  schon  mit  freiem  Auge  aber  wird  man  der  bekannten 
Hieroglyphen  gewahr,  wie  sie  dem  Karpathensandsteine  eigen 
sind.  Diese  Saudsteine  wechseln  mit  thonigem  Kalk  und  dünnen 
Mergelschichten  ab  und  zeichnen  sich  durch  ihre  dunkelrothe, 
aschgraue  oder  grünliche  Färbung  aus.  Die  rothen  Kalkmergel 
haben  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  jenen,  die  in  dem  Hügel  ober- 
halb Lozen  vorkommen,  und  die  v.  Höchst  et  ter  für  Gault  hielt.  * 
Die  hier  erwähnten  Felsen  spalten  sich  sehr  leicht  in  dünne 
Platten  und  fallen  nach  S  (h.  14)  unter  einem  Winkel  von  74°. 

iDie  geologischen  Verhältnisse  des  östlichen  Theiles  der  europäischen 
Türkei;  I.  Theil,  1870.  Jahrbuch  der  geologischen  Eeichsanstalt,  20  Bd . 
p.  439. 


Geologische  Untersuchungeu  im  ceutralen  Balkan  etc.  257 

Die  Kreideschichten,  die  bei  Jelesnica  beginnen,  breiten  sieh 
auch  ausserhalb  des  Dorfes  in  nördlicher  Eichtung  aus.  Der 
Bach  durchbricht  sie  der  Quere  nach;  die  zwei  felsigen  Ufer,  die 
dadurch  gebildet  werden,  weisen  die  grösste  Übereinstimmung 
auf.  In  den  obersten  Schichten  bemerkt  man  Gllimmersandsteine 
mit  den  oberwähnten  Hieroglyphen,  darunter  auch  sandigen  Thon; 
beide  Gesteine  gehen  zuletzt  in  Glimmerkalkstein  und  Kalk- 
mergel über.  Gegen  die  Mitte  des  geschichteten  Complexes  zeigt 
sich  ein  nicht  besonders  mächtiges  Conglomerat,  welches  ausser 
den  gewöhnlichen  Bestandtheilen  auch  Thon  und  Sand  enthält; 
dasselbe  hat  eine  grünliche  Färbung.  Trotz  der  Armut  dieser 
Formation  an  Versteinerungen  konnte  ich  in  den  untersten 
Schichten  eine  reichliche  Anzahl  von  grossen  Ostreen  entdecken, 
die  sich  leider  aus  dem  Gesteine  nicht  unversehrt  herausschlagen 
Hessen. 

Diese  Kreideschichten  breiten  sich  östlich  und  westlich  von 
Jelesnica  aus.  Als  südliche  Grenze  müssen  wir  das  Dorf  selbst 
annehmen,  als  Scheide  gegen  N  aber  den  Bach  von  Curjak,  der 
hier  in  der  Richtung  von  0  nach  W  fliesst.  Bis  wohin  dieses 
Kreidesystem  nach  0  und  W  reicht,  kann  ich  jetzt  nicht  be- 
stimmen. Ebenso  bleibt  es  mir  unbekannt,  ob  dasselbe  einstens 
nicht  einen  grösseren  Raum  im  südlichen  Theile  der  Baikaukette 
eingenommen  hat.  * 

Bevor  sich  der  Weg  nach  0  gegen  Potop  wendet^  und  die 
Längsrichtung  des  Bächleins  einschlägt,  kommen  unter  den 
thonig-kalkigen  Kreideschichten  schwarze  Thonschiefer  zum  Vor- 
schein, die  sich  blattförmig  spalten  lassen,  aber  sich  sehr  unregel- 
mässig zerstückeln.  Ihre  Mächtigkeit  übersteigt  kaum  zehn 
Meter:  ihre  Lage  ist  ganz  der  Lage  der  kalkthonigen  Schichten 
concordant.  Sie  haben  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  jenen 
schwarzen  Schiefern,  die  man  südlich  vom  Kloster  Trojan  längs 


1  In  Betracht  zu  ziehen  wären  „die  problematischen  Thoumergel  bei 
Eonca"  (am  nördlichen  Ende  der  Enge  von  Kurilo,  nördlich  von  Sofia,  am 
Isker).  M.  vergl.  Toula's  Angaben  darüber,  Sitz.  B.  LXXVII.  Bd.  1878 
Am  Schlüsse  der  Abhandlung. 

2  Die  Karte  des  österreichischen  Generalstabes  erweist  sich  hier  als 
ganz  und  gar  unrichtig. 


258  Zlatarski, 

des  schwarzen  Vid  antrifft  und  die  Dr.  Fritsch'  als  Neoeomien 
bezeielinete,  womit  ich  übereinstimme.  ^ 

Unter  den  Thonschiefern  kommen  wieder  jene  sandigen 
Quarzite  zum  Vorschein,  die  wir  bei  Jelesnica  zu  sehen  Gelegen- 
heit hatten;  dieselben  weisen  jedoch  auch  diesmal  keine  beträcht- 
liche Mächtigkeit  auf.  Weiter  bemerkt  man  rothes  Conglomerat 
und  rothen,  festen  quarzitähnlichen  Sandstein.  Alle  diese  Fels- 
massen stehen  in  grosser  Concordanz  mit  den  obersten  Gesteinen. 

Der  Weg  wendet  sich  nun  gegen  0  und  geht  auf  die  rechte 
Seite  des  Baches  Curjak  über,  dessen  Thal  mit  Diluvium  erfüllt  ist. 
Dieser  Bach  kann  als  Grenze  zwischen  der  Dyas-  und  der  Kreide- 
formation angenommen  werden;  nördlich  von  demselben  erstreckt 
sich  die  Dyas-,  südlich  die  Kreideformation.  Nur  bei  Potop  geht 
die  thonige  Kreide  auch  auf  die  rechte  Seite  des  Bächleins  über, 
jedoch  nur  in  einer  ganz  unbedeutenden  Ausdehnung. 

Um  Potop  herum  sehen  wir  nur  weisse  Sandsteine  und 
Quarzite;  darunter  sind  manche  Partien  durch  die  Einwirkung 
des  in  denselben  eingesprengt  sich  vorfindenden  Pyrites  zersetzt, 
bröcklig  und  röthlich  gefärbt.  Diese  Felsmassen  ragen  an  den 
kahlen  Abhängen  des  rechten  Bachufers,  wo  die  Einwirkung  der 
Atmosphäriliensich  am  stärksten  bethätigen  konnten,  ruinenähnlich 
steil  empor.  In  den  Tiefen  der  von  den  Sturzbächen  ausgewühlten 
Gräben  bemerkt  man  hie  und  da  unter  dem  rothen  Conglomerat 
auch  paläozoische  Phyllite.  Zwischen  Potop  und  Curjak  herrschen 
diese  letzteren  vor,  doch  zeigen  sich  auf  dem  Wege  nach  Curjak 
vereinzelt  auchQuarzitblöckc;  so  aufhalbemWege  zwischen  jenen 
Dörfern.  Die  Phyllite  sind  meistentheils  schwarz,  doch  weisen  sie 
in  manchen  Partien  auch  eine  grünlichgraue  oder  aschgraue,  ja 
sogar  weissliche  Färbung  auf.  Die  Hausdächer  in  Curjak,  Potop  und 
zum  grossen  Theile  jene  in  Jelesni  ca  sind  mit  Phyllitplatten  bedeckt. 

Curjak  ist  das  höchst  gelegene  Dorf  in  diesem  Theile  des 
Balkangebirges.  Es  zeichnet  sich  durch  seine  pittoreske  Lage 
aus.  Wäre  seine  reizende  Tlialmulde  von  höheren  Gebirgsketten 
umgeben,  so  könnte  Curjak  in  Bezug  auf  die  Naturschönheit  mit 


1  Beitrag  zur  Geognosie  des  Balkan,  pag.  3. 

-  Geologische  und  paläontologische  Notizen,  aufgezeichnet  zwischen 
Pleven  und  Trojanski  Balkan.  —  Periodicesko  Spisanije,  Nr.  X,  Jahrg.  1884, 
pag.  72.  (Bulg.) 


Geologische  Uutersuchimgen  im  centralen  Balkan  etc.  259 

dem  wegen  seiner  malerisclien  Lage  berühmten  Eilokloster  wett- 
eifern. 

Mitten  durch  das  Dorf  fliesst  der  gleichnamige,  krystallhelle 
Bach,  in  welchen  sich  die  Metlikovica  ergiesst,  welche  ihre  Quellen 
auf  der  Zla-poljana  hat. 

Drei  Saumwege  führen  von  Curjak  nach  Orhanie :  der  erste 
an  Baba  und  Svadbaruik  vorüber,  über  den  Hügel  von  Curjak, 
längs  des  Flüsschens  Orla  bis  zur  Chaussee  von  Klissura;  der 
zweite  über  den  Kamik,  an  Radin-Kladenec,  Oseuov-preslop  vor- 
bei, längs  der  Osenica  nach  Vraces  und  der  dritte  über  Eayovo, 
Ljubena,  Jocova  livada,  Murgas,  Zla-poljana,  Novo-sel  grb,  längs 
der  Osenica  über  Vraces  nach  Orhanie. 

Ich  wählte  den  dritten  Weg.  Dieser  führt  erst  im  Thale  der 
Metlikovica,  biegt  aber  bald  uach  rechts  und  schlägt  über  den 
Pobit-kamik  die  Richtung  gegen  Murgas  ein.  Dieser  Weg  ist 
felsig,  steil  und  ausserordentlich  beschwerlich,  besonders  zu 
Regenzeiten,  doch  wird  man  für  die  Mühseligkeiten  andererseits 
vielfach  durch  die  Schönheit  der  Gegend  entschädigt. 

Die  paläozoischen  Schiefer  fallen  bei  Curjak  mit  65 — 75° 
nach  S  undSW;  sie  haben  also  fast  den  nämlichen  Neigungs- 
winkel und  dieselbe  Richtung  wie  die  rothen  Sandsteine  und  die 
sandigen  Glimmerschiefer  des  Malinabaches,  oder  wie  die  Schiefer 
von  Araba-  und  Baba-Konak.  ^ 

Jenseits  Curjak  haben  die  Phyllite  eine  mehr  dunkelgraue 
oder  schwärzliche  Färbung  und  unterscheiden  sich  fast  in  keiner 
Beziehung  von  dem  Carbouschiefer  bei  Ljutidol,  im  Iskerthale.^ 
Die  grauschwarzen  Platten,  die  wir  hier  sehen,  sind  Thonschiefer 
(Phyllite);  sie  haben  eine  ziemlich  feste  Structur,  lassen  sich 
leicht  in  dünne  Blätter  spalten,  in  denen  reichlicher  Glimmer  in 
Form  von  winzigen  Blättchen  enthalten  ist,  sind  ziemlich  schwer 
und  hart  und  geben  beim  Anschlagen  einen  hellen  Klang;  Wasser 
saugen  sie  nicht  auf,  Säuren  wirken  auf  sie  fast  gar  nicht  ein,  in 
grosser  Hitze  werden  sie  fester  und  härter,  weisse  Quarzadern 
sind  spärlich  vorhanden. 


1  Fr.  T  Olli  a,  Grundlinien  etc.,  S.  15.— Period.spis.Nr.  IV,pag.llu.l5. 
'^Fr.  Toula,  Grundlinien  der  Geologie  des  westlichen  Balkan.  Denk- 
schriften. 44.  Bd.  1881,  pag.  16. 


260  Zlatarski. 

Gegen  die  Höhen  des  Balkan  gehen  die  Phyllite  in  Thou- 
schiefer  über;  diese  letzteren  zeichnen  sich  durch  ihre  grünlich- 
aschgraue Farbe  aus  und  dadurch,  dass  sie  nach  N  unter  einem 
Winkel  von  nur  45°  fallen.  Manche  Partien  dieses  Thonschiefers 
ragen  steil  empor  und  weisse  zerklüftete^  zerbröckelte  Quarzite 
und  Sandsteinmassen  füllen  den  Weg  so  aus,  dass  man  nur  mit 
grosser  Mühe  fortkommen  kann. 

Im  Cnrjakbalkan,  wie  auch  in  der  Nähe  von  Potop  stiess  ich 
auf  ansehnliche  Haufen  von  Eisenschlacken,  von  denen  mir  die 
umwohnende  Bevölkerung  jedoch  nichts  zu  berichten  wusste.  Die 
Frage,  ob  hier  Eisenerze  vorkommen,  oder  ob  Eisenerze  zur  Ver- 
hüttung hierhergebracht,  dem  Brennmaterial  zugeführt  wurde, 
ist  eine  offene.* 

Nordwestlich  von  Curjak  liegt  im  Murgasgebirge  der  Ort 
Ljuben.  Der  hier  vorkommende  Thonschiefer  ist  aschgrau,  spaltet 
sich  leicht  in  dünne  Platten  und  scheint  glimmerreieher  zu  sein, 
als  die  schwarzen  Phyllite.  Ahnliche  Schiefer  sahen  wir  auch 
früher. 

Eine  wunderschöne  Aussicht  geniesst  man  von  Ljuben  aus: 
vor  allem  in  weiter  Ferne  das  imposante  Rilogebirge  mit  seinen 
gigantischen  (obwohl  schon  Ende  Mai)  noch  immer  schnee- 
bedeckten Höhen. 

Gegen  Jocova-livada  werden  die  Thonschiefer  intensiver 
blau,  ebenso  wie  auch  die  von  Zla-poljana.  An  dem  letzten 
Orte  kommen  über  den  paläozoischen  Schiefern  auch  mächtige 
Quarzsandsteine  in  Form  von  ruinenartigen  Felsen  zum  Vor- 
schein. Die  Schieferschichten  streichen  von  SO  nach  NW  und 
fallen  mit  17°  nach  SW  (h.  16).  Sie  enthalten  graue,  festere 
Schiefer  und  echte  glimmerige  Kieselschiefer,  welche  wider- 
standsfähiger riffartig  aufragen,^ 

Von  Zla-poljaiia  führt  der  Weg  in  nordöstlicher  Richtung 
weiter;   er  senkt  sich  über  einen  ziemlich  steilen  Abhang  in  das 


1  Mau  vergl.  über  das  Vorkommen  von  Manganerzspuren  etwas  östl. 
von  dieser  Stelle:  Denksclir.,  Grundlinien  etc.,  S.  15. 

-  Man  verg-l.  Fr.  Toula,  Grimdlluien  etc.  1881,  p;ig.  19  ff.  über  die 
überaus  ähnlichen  Verhältnisse  auf  der  westlich  gelegenen  Profilstrecke 
Osenovlak-Ogoja,  sowie  Sitzungsb.  1878  über  die  paläozoischen  Thon- 
schiefer mit  Qiuirziteiulageruugen  im  Isker-Defilö  nördlich  von  Ronca. 


Geologische  Untersuchimgen  im  centralen  Balkan  etc.  261 

Thal  der  Ceskovica  niid  verfolgt  die  bezeichnete  Richtung" 
zwischen  diesem  Bache  nnd  seinem  Nebenflüsschen  Ossenica, 
welches  sehr  bald  erreicht  wird.  Wir  befinden  uns  hier  schon  auf 
dem  Nordabhange  des  Balkan,  immer  noch  im  Gebiete  derselben 
Schieferformation  mit  den  bläulichen  Kieselschiefern.  Von  anste- 
henden Eruptivgesteinen  fand  sich  auf  dieser  Strecke  nicht  die 
geringste  Spur,  auch  bei  Vraces  nicht.  Es  herrsehen  demnach  auf 
derEoute  Jelesnica-Vraces  ganz  ähnliche  Verhältnisse  wie  sie  Prof. 
Toula  in  seinen  unten  citirten  Profilen  constatiren  konnte.  Die 
Eruptivgesteine  („Grünsteine"),  die  auf  der  Route  Baba-Konak- 
Orhanie  von  Prof.  Toula  angetroffen  wurden  (Grundlinien  etc., 
pag.  15),  reichen  jedoch  nicht  so  weit  nach  W,  wie  auf  der 
Karte  hypothetisch  angenommen  wurde.  Dies  wird  uns  am 
klarsten  durch  den  Umstand  bewiesen,  dass  die  Eruptivfelsen 
im  Defile  von  Etropoie  die  Phyllite  in  Form  von  Gängen  durch- 
brechen, und  dass  sie  sich  keineswegs  ununterbrochen  in  östlicher 
und  westlicher  Richtung  vom  genannten  Defile  erstrecken. 

Somit  herrscht  auf  der  Nordseite  des  Balkans  eine  grössere 
Monotonie  als  auf  der  südlichen,  wo  wir  auch  Überreste  von 
Ablagerungen  der  Dyas  und  Kreide  fanden.  Im  N  walten  aus- 
schliesslich die  Thonschiefer  vor;  dieselben  fallen  unter 
wechselnden  Neigungen  nach  S  und  SW.  Erst  gegen  Ossenica 
hin  verflachen  sie  nach  N,  um  jedoch  bei  Vraces  wieder  südwärts 
einzufallen  (mit  20—30°). 

Der  Bach  Ossenica  durchbricht  die  Thonschiefer ;  sie  sind 
hier  von  dunkelgrauer  Färbung,  blättern  sich  unregelmässig  und 
zeigen  die  dem  Karpathensandsteine  eigenthUmlichen  Hiero- 
glyphen; der  weisse  Glimmer  ist  nicht  gleichmässig  vertheilt, 
bald  erscheint  er  gehäuft,  bald  fehlt  er  ganz  und  gar. 

3.  Von  Orhanie  über  Hubavene  und  Karlukovo 
nach  Lukovit.  Orhanie  liegt  in  der  Mitte  der  südlichen 
Hälfte  des  gleichnamigen  Beckens,  welches  in  vielen  Beziehungen 
dem  Becken  von  Sofia  ähnlich  ist.  Es  ist  wie  dieses  letztere 
von  hohen  Gebirgsketten  eingeschlossen,  die  sich  nach  0  immer 
mehr  und  mehr  nähern,  bis  sie  sich  bei  Pravec  vereinigen. 
Auch  dieses  kleine  Süsswasserbecken  weist  einen  ausser- 
ordentlich fruchtbaren  Ackerboden  auf.  Die  Feuchtigkeit,  die 
demselben  niemals  ermangelt,  wie    auch   die  sorgfältige  Pflege, 


262  Zlatarski, 

die  ihm  seitens  der  fleissigen  Bevölkenmg  zu  Theil  wird,  bringen 
es  mit  sich,  dass  seine  Fluren  selbst  während  der  heissesten 
Sommer  in  saftigem  Grün  prangen. 

Das  Becken  von  Orhanie  weist  in  seinen  obersten  Schichten 
einen  schönen,  grauweissen  Lehm  auf,  der  hier  zur  Fabrikation 
von  vortrefflichem  Geschirr  verwendet  wird.  Der  Diluvialschotter 
beschränkt  sich  meist  auf  die  Terrassen,  die  sich  von  dem  um- 
gebenden Gebirgsgürtel  aus  von  verschiedenen  Seiten  allmählich 
in  das  Thal  senken. 

Bei  den  Pravecer  Herbergen  erblicken  wir  zu  allererst 
Thonglimmerschiefer,  die  ihrer  Schichtung  und  ihrer  Beschaff'en- 
heit  nach  dem  Glimmerschiefer  sehr  ähnlich  sind.  Der  Fels  ist 
grünlich  und  reich  an  Glimmer,  Felds}Dath  und  Quarz;  ausserdem 
gewahren  wir  in  diesen  Schiefern  rein  weissen,  feinkörnigen 
Kalkstein  (Kieselkalk'?)  in  Form  von  gTösseren  und  kleineren 
Adern. 

Diese  Thonglimmerschiefer  halten  jedoch  nicht  lange  an  und 
schon  bei  Lakavica  kommt  ein  halbkrystallinisches  Gestein  zum 
Vorschein,  in  dem  fast  gar  keine  Schichtung  oder  plattige  Ab- 
sonderung bemerkt  werden  kann.  In  Dünnschliffen  und  unter 
dem  Mikroskope  betrachtet,  weist  es  ausser  Quarz-  und  Feld- 
spathkörnchen  noch  Eisenoxydhydrat  in  kleinen  Bröckchen 
und  unregelmässigen  Einlagerungen  auf.  Der  Quarz  ist  rein  und 
durchsichtig,  der  Feldspath  unrein  und  trüb. 

Höchstwahrscheinlich  sind  auch  die  Felsen  von  Lakavica, 
die  bald  weisslich  und  grobkörnig,  bald  grünlich  und  talkähnlich 
sind,  nichts  anderes  als  durch  die  Einwirkung  der  benachbarten 
Eruptivgesteine  umgewandelte  Schiefer.  Ahnliche  Felsarten  trifft 
man  sehr  oft  in  Südwest-Bulgarien  an,  besonders  in  den  Grenz- 
gebieten gegen  Macedonien  (um  Kjustendil  herum). 

Der  Weg  nach  dem  Dorfe  Lakavica  trennt  sich  von  dem 
Ablanica-Weg  bei  der  Drvniker  Brücke.  Bis  hieher  ersti-ecken 
sich  die  Schiefer  und  die  halbkrystallischeu  Gesteine.  Im  weiteren 
Verlaufe  weichen  sie  einem  ziemlich  harten  Quarzsandsteine 
mit  kalkigthonigem  Bindemittel.  Die  Saudsteinschichten  wech- 
seln mit  Mergel  und  Thonlagen,  sowie  auch  mit  blaufärbigen 
Kalksandsteinen  ab.  Dieser  ganze  Complex  fällt  nach  SO  (mit 
45°)  ein. 


Geologische  Unter suchungeu  im  centralen  Balkan  etc.  263 

Die  stratigraphisch-tektonischen  Verhältnisse  dieser  Ge- 
steine habe  ich  an  anderer  Stelle    ausführlich  beschrieben. 

Bevor  wir  noch  den  ersten  Hauptzufluss  der  Lakavica,  der 
aus  der  Gegend  der  Weiler  von  Ossikovica  herabstürzt,  erreichen, 
gewahren  wir  den  ersten  Andesitgang,  welcher  hier  eine  Dicke 
von  7  —  10  Metern  aufweist,  und  die  Sandstein-  und  Mergel- 
kreidefelsen durchbricht  und  bis  an  die  Oberfläche  gelangt. 
Die  diesem  vulkanischen  Durchbruch  benachbarten  Gesteine 
haben  bedeutende  Veränderungen  erlitten;  sie  sind  schwarz, 
schieferig  und  haben  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  schwarzen 
Thonschiefern.  Die  Schichtung  ist  nicht  au  allen  Stellen  gleich 
klar  ersichtlich.  Wo  sie  wirklich  beobachtet  werden  kann,  sind 
die  Schichten  fast  vertical  aufgerichtet  und  blättern  sich  in  der 
Richtung  von  SO  nach  NW.  Ein  zweiter  Andesitgang,  ungefähr 
ebenso  stark  als  der  erste,  zeigt  sich  in  einer  Entfernung  von 
drei  bis  vier  Metern  an  dem  Bache  selbst,  doch  durchbricht  der- 
selbe nicht  alle  Schichten  und  kommt  nicht  bis  an  die  Oberfläche  ; 
mau  kann  ihn  nur  im  verticalen  Durchschnitt  am  rechten  Lakavica- 
ufer  sehen.  Auf  dem  Wege  nach  Lakavica  passiren  wir  noch 
drei  ziemlich  mächtige  und  zwei  weniger  mächtige  Eruptivgänge. 
Bevor  man  das  Dorf  selbst  erreicht,  findet  man  am  Bache  körnigen 
Feldspathfels  mit  Markasiteinschlüssen.  Durch  die  Verwitterung 
dieses  Minerals  wird  das  Gestein  aufgelockert,  es  bilden  sich 
Ocker  und  Vitriole,  welche  jedwede  Vegetation  verhindern.  Ahn- 
liche Markasit  enthaltende  Felsarten  finden  sich  auch  in  der 
Gegend  von  Celopec,  in  dem  Kreise  von  Zlatica.  ^ 

Die  eruptiven  Ganggesteine  können  nach  mikroskopischer  Unter- 
suchung folgendermassen  unterschieden  werden: 

a)  Gesteine  mit  weissgrauer  Grundmasse,  iu  der  kleine,  dunkelgrüne  bis 
schwarze  Amphibolkrystalle  und  etwas  grössere,  weisse  Feldspath- 
krystalle  eingesprengt  erscheinen. 

h)  Gesteine  mit  dunkelgraugrüner  Grandmasse,  mit  kleineren  Feldspath- 
und grösseren  Amphibolkrystallen.  Hiebei  gibt  es  noch  einige 
Übergänge. 


1  Geologisches  Profil  von  Orhanie  über  Ablanica,  um  Dragovika,. 
Panega,  Goljama,  Bresnica,  Dermanci  bis  Pleven.  Per,  Spis.  VII.  1883.  (Bulg). 

2Man  vergl.  F.  Toula,  Grundlinien  etc.,  pag.  22.  Prof.  Toula  be- 
spricht dieses  Eruptivgebiet  auf  der  Route  Pravec-Osikovo  in  den  Grund- 
linien etc.,  pag.  26. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  18 


264  Zlatarski, 

Ihrem  Äusseren  nach  tragen  diese  Gesteine  die  Hauptmerkmale  der 
Porphyre;  auf  dem  grauen  oder  grünen  Grunde  sieht  man  zierliche,  weisse 
Feldspathkrystalle  und  grüne  oder  schwarze  Amphibolprismen.  Die  anderen 
Elemente  kann  man  nicht  mit  freiem  Auge  unterscheiden.  Unter  dem 
Mikroskop  erscheint  als  vorwaltendes  Mineral  der  Feldspath;  derselbe 
kommt  meist  in  Krystallformen,  aber  auch  in  Körnern  vor,  diese  letzteren 
machen  hauptsächlich  die  Grundmasse  aus.  Der  Feldspath  ist  trüb,  unrein 
und  oft  so  weit  kaolinisirt,  dass  man  kaum  den  Plagioklas  vom  Orthoklas 
unterscheiden  kann.  Die  grösseren  Krystalle  sind  häufiger  vertreten  als  die 
Mikrolithe.  Polygonale  Durchschnitte  sind  häufiger  als  rechteckige.  Den 
zonalen  Aufbau  mancher  Krystalle  kann  man  auch  mit  freiem  Auge  unter- 
scheiden. Der  Plagioklas  waltet  über  dem  Orthoklas  vor;  das  letztere 
Mineral  erscheint  in  einzelnen  Krystallen  oder  in  Zwillingen  nach  dem 
Karlsbader  Gesetz;  sehr  klar  ist  die  polysynthetische  Structiir  der  Plagio- 
klase.  Einschlüsse  von  Magnetitkörnchen,  Trümmer  von  Amphibol  und 
kleinen  Apatitnadeln  etc.  sind  häufig.  Das  zweite  Hauptmineral  ist  die 
Hornblende.  Sie  kommt  meistens  in  säulenförmigen  Krystallen  vor,  in 
welchen  jedoch  die  Zersetzung  sehr  weit  vorgeschritten  ist.  Von  den 
grösseren  Krystallen  gewahrt  man  sehr  oft  nur  noch  die  Umrisse  und  einige 
grüne,  netzartige  Flecken,  um  die  sich  Magnetitkörnchen  gruppiren.  Ihrer 
Farbe  nach  ist  die  Hornblende  grasgrün  oder  braun;  ihr  Dichroismus  ist 
sehr  matt;  man  gewahrt  sie  auch  in  der  Grundmasse  eingesprengt  in  Form 
von  unregelmässigen  Bruchstücken.  Ausser  diesen  beiden  Mineralien  finden 
wir  noch  Magnetit,  selten  krystallisirt  oder  in  grösseren  Körnern.  Ausser 
in  Mikrolithen  erscheint  der  Apatit  auch  in  prismatischen  Krystallen. 
Ausserdemfinden  wir  noch:  Quarz,  Calcit,  Chlorit  und  Limonit.  Der  Quarz 
kommt  vor  in  Körnern  und  in  Krystallen,  deren  Kanten  entweder  schwach 
abgerundet  oder  scharf  sind.  Dieses  Mineral  findet  sich  gewöhnlich  neben 
Calcit,  von  dem  es  jedoch  sehr  leicht  unterschieden  werden  kann:  die 
Quarzkörnchen  zeichnen  sich  nämlich  auch  hier  durch  ihre  Durchsichtigkeit 
und  Reinheit  aus.  Der  gi-össte  Theil  der  Hornblende  ist  in  Chlorit  umge- 
wandelt, der  Magnetit  hingegen  geht  in  Limonit  über.  In  der  mikrofel- 
sitischen  Basis,  die  in  dünnen  Schliffen  ganz  farblos  erscheint,  erblickt 
mau  meistens  Magnetitkörnchen  und  Bruchstückchen  von  Hornblende, 
Chlorit  oder  Limonit,  die  der  Basis  ein  ganz  eigenthümliches  Aussehen 
verleihen. 

In  Anbetracht  der  inneren  Beschaffenheit  dieser  Gesteine 
und  der  Minerale,  die  in  denselben  enthalten  sind,  können  wir 
nur  zu  der  Überzeugung  kommen,  dass  man  dieselben  entweder 
zu  den  Andesiten  oder  zu  den  Porphyriten  zählen  muss.  Die 
Eruption  kann  unmöglich  in  einer  Zeit  vor  der  Kreideformation 
geschehen  sein,  weil  die  Neocommergel  und  die  Kalksandsteine 
durchbrochen  werden;  um  wie  viel  sie  aber  jünger  sind  als  das 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  265 

Neocom,  dies  lässt  sich  nicht  einmal  annähernd  bestimmen.  Ich 
bin  zu  der  Annahme  geneigt,  dass  die  Eruption  in  der  Kreide- 
periode vor  sich  gegangen  ist  und  desshalb  nenne  ich  diese  Fels- 
art nach  der  Classification  von  Fouque  und  Levj  Audesit- 
porphyrit  mit  Hornblende  (Porphyrite  andesitique  ä 
Amphibole).  ^ 

Diese  Plagioklasamphibolgesteine  kommen  sowohl  bei  Ossi- 
kovica^  als  zwischen  Ossikovica  und  Vidrari^  vor,  doch  sind  die 
Oesteinsbestandtheile  an  diesen  Stellen  sehr  verwittert,  so  dass 
eine  genauere  Bestimmung  derselben  unmöglich  ist.  Professor 
Toula  hat  sie  als  „Trachyte  mit  Porphyrstructur"  bezeichnet. 

Von  der  Drwniker  Brücke  bis  zum  Dorfe  Lakavica  und 
weiter  nördlich  haben  die  Sedimente,  soweit  die  Eruptivgesteine 
reichen,  bedeutende  Veränderungen  erlitten.  Sie  erscheinen 
schwarz,  schieferig-sandig,  thonig  oder  sandig-kalkig  und  unter- 
scheiden sich  in  keiner  Beziehung  von  jenen  Gesteinen,  die  wir 
bei  der  Brücke  von  Ossikovica  sehen  können.  Aufschlüsse  finden 
sich  nur  auf  dem  rechten  Ufer,  die  linke  Seite  ist  mit  dichtem 
Gebüsch  und  mit  jungem  Walde  bedeckt. 

Unweit  Lakavica,  in  dem  Thale,  welches  sich  rechts  vom 
Dorfe  hinzieht,  finden  wir  Trümmer  von  Conglomeraten  und 
rothen  Sandsteinen,  die  wahrscheinlich  aus  den  Gebirgshöhen 
hergeschwemmt  sind;  mit  diesen  zusammen  kommt  noch  eine 
Art  grauschwarzen  Mergelkalksteins  vor,  der  eigentlich  nichts 
Anderes  ist  als  umgew^andelter  kalkiger  Kreidesandsteiu.  Mitten 
im  Dorfe  bemerkt  man  wieder  einen  Eruptivgang  von  derselben 
Felsart;  dieselbe  erstreckt  sieb  auch  über  den  Fluss. 

Mit  dem  Verschwinden  der  vulkanischen  Gesteine  geht  auch 
die  Spur  der  schwarzen,  leicht  veränderlichen  Gesteine  verloren, 
die  neben  denselben  vorkommen.  Beim  nördlichen  Ausgang  des 
Dorfes  Lakavica  gewahrt  man  schon  aschgraue  Mergelschiefer, 
welche  weiter  nach  N  in  bläulichen,   für  unser  Neocom  ausser- 


1  Mineralogie  micrographique,  Roches  eruptives  ti-an^aises.  Paris  1879, 
p.  156,  166. 

■^  Fr.  Toula,  Grundlinien  etc.  etc.  p.  26.  —  Zlatarski,  Periocl.  Spis, 
IX,  p.  59. 

3  Period.  Spis.  IX,  p.  60. 

18* 


266  Zlatarski, 

ordentlich  charakteristischen  Mergel  übergehen.  Sowohl  die  einen, 
als  die  anderen  schliessen  einen  Winkel  von  30°  ein  und  fallen 
nach  S. 

Unweit  Lakavica,  auf  dem  Wege  nach  Kalugerovo,  an  der 
Stelle  wo  der  Bach  eine  genau  nördliche  Kichtung  einschlägt, 
beginnen  über  den  blauen  Mergeln  die  Kalksandsteine,  Sandkalk- 
steine und  Schieferthone.  Dieselben  unterliegen  einer  fort- 
währenden Veränderung  und  enthalten  eine  Menge  von  Fossilien. 
Diese  Gesteine  verflachen  ungefähr  in  der  Richtung  von  0  nach  W 
und  fallen,  anfangs  ziemlich  steil,  nach  N  (li.  23)  unter  einem 
Winkel  von  72—78°. 

Schichtenfolge  von  unten  nach  oben: 

Über  dem  bläulichen  Mergel  liegen: 

1.  Eine  meterdicke  Schichte  von  sandigem  Kalkstein,  der  in 
frischem  Zustande  blau  gefärbt  erscheint  und  neben  anderen 
eine  grosse  Menge  von  genauer  nicht  bestimmbaren  Ostreen 
enthält. 

2.  Eine  2-5  Meter  dicke  Schichte  von  Thon  und  sandigem 
Mergel. 

3.  Kalkstein  mit  dünnen  Lagen  von  Mergelsandstein. 

4.  Grau  röthlicher,  dichter,  sandiger  Kalkstein,  der  ausser- 
ordentlich hart  und  reich  an  Fossilien  ist.  Leicht  kenntlich  sind 
die  Ostreen  und  eine  Lima.  Dieser  Kalkstein  hat  eine  grosse 
Ähnlichkeit  mit  dem  unter  1  beschriebenen. 

5.  Aschgrauer,  fester  Kalkmergel  und  mergeliger  Sandstein. 

6.  Eöthlicher  Kalkstein,  reich  an  Ostreen,  ähnlich  dem 
unter  Punkt  4  erwähnten,  jedoch  olme  Sandsteineinlagerungen. 

7.  Röthlich-blaue  Kalksteine. 

8.  Aschgrauer  sandig-thoniger  Kalkstein  mit  Fossilien, 
darunter  auch  Ostrea.  In  dieser  Schichte  finden  wir  noch  eine 
Eufjyrü,  die  eine  sehr  grosse  Ähnlichkeit  hat  mit  Eiigyra 
interrupta  E.  de  From.  (Palöontol.  frangaise,  Terrain  crötace, 
T.  VIII,  p.  444,  pl.  115,  Fig.  3.)  Diese  Korallenart  fand  S.  Gras 
bei  Sault  (Vaucluse)  in  Frankreich  vor.  *  Ausser  Eugyra  kommen 
noch  Cidariten-Stachel  vor. 


1  Das  kleine  Koralleustöckchen,  ein  schlecht  erhaltenes  Bruchstück, 
Btimmt  nach  Prüf.  Toiila  recht  gut  überein  mit  den  schönen  Stöcken  einer 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  26  < 

9.  Gvauröthlicher,  fester  Kalkstein  mit  dünnen  Calcitadern, 
reich  an  schlecht  erhaltenen  Versteinerungen.  Es  kommen 
Korallen,  Bivalven  etc.  A'or. 

10.  Eine  Schichte  grauen  Mergelthons,  reich  an  Gastropoden 
und  Bivalven  {Cyprina,  möglicherweise  Cyprina  rostrata  Fitton, 
Nation  [Ampullina?]  etc.). 

11.  Blauer,  fester  Mergelkalk;  derselbe  enthält  grössere 
Mengen  von  Ostreen  und  anderen  Bivalven;  hier  fand  ich  ein 
schönes  Exemplar  von  Cidaria  cfr.  Lardyi  Desor  und  von  Rhyn- 
chonella  lata  d'Orb. 

12.  Feinkörniger,  thoniger  Sandstein  mit  nicht  genaubestimm- 
baren Bivalven. 

13.  Aschgrauer  Kalksandstein;  in  demselben  finden  sich 
Cidaritenstacheln. 

14.  Dichter,  grauer  Mergelkalk. 

15.  Dichter  Kalk,  mit  Fossilien,  Bryozoen,  Gastropoden  und 
Bivalven  überfüllt;  derselbe  sieht  dem  unter  6  beschriebenen  sehr 
ähnlich.  ^ 

In  derselben  Reihenfolge  erstrecken  sich  die  Schichten  auch 
gegen  N.  Zum  Zwecke  der  Altersbestimmung  wird  es  geboten 
sein,  das  Profil  des  Gebirgssattels,  der  zwischen  Orese  und  Bjelinci 
unweit  dieses  letzteren  Ortes  in  nordöstlicher  Richtung  liegt,  zu 
einem  Vergleiche  herbeizuziehen.^ 

Gegen  Kalugerovo  hin  kommen  unter  den  obgenannten 
Felsen  auch  noch  Mergel,  Thon  und  verschiedenartige  Sand- 
steine zum  Vorscbeiu.  Diese  Schichten  fallen  nach  N  unter  einem 
Winkel  von  nur  15°. 


confluenten  Koralle,  welche  er  im  Jahre  1875  bei  Pirot  sammelte,  und  als 
Maeandrina  Pirotensis  n.  sp.  beschrieb  und  abbildete  (Sitz.  Ber.  88.  Bd., 
pag.  1317,  Taf.  VI.  Fig.  1—3),  ein  Vorkommen,  das  auch  in  Bezug  auf  die 
Facies  sonst  in  Übereinstimmung  stehen  dürfte  imd  durch  das  Zusammen- 
vorkommen mit  Orbitolina  lenticularis  nach  Prof.  Toula's  Meinung  auf 
oberes  Neocom  hinweist. 

1  Das  mir  vorliegende  Stück  erinnert  mich  lebhaft  an  die  Kalke  mit 
Exogura  columba  am  Kosmaticarücken  bei  Kremeua  (Grundlinien  etc.,  S.  35 
nd  3  0).  Eines  der  Fossilieu  von  Lakavica  dürfte  als  Exogip-a  columba  zu 
bestimmen  sein  und  auch  die  grösseren  Cidaritenkeulen  sind  vorhanden. 
(Toula.) 

2  Fr.  Toula.  Grundlinien  etc.,  p.  28  und  folg. 


268  Zlatarski, 

Die  Gegend  zwischen  Lakaviea  und  Kalugerovo  gewährt 
einen  imposanten  Anblick;  das  Thal  verengt  sich  zwischen  den 
hohen,  mit  saftigem  Grün  bedeckten  Gebirgen. 

Unweit  Kalugerovo  bemerken  wir  blauen  Mergelkalk,  der 
ziemlich  reich  an  Fossilien  ist.  Ausser  kleinen  hochgewundeuen 
Gastropoden  und  Bryozoenstöckchen  finden  sich  viele  Bivalven. 
Unter  diesen  sind  am  besten  erhalten  kleine  Astarten  und  eine 
Nerinea,  die  einer  neuen  Art  angehört.  Mit  diesen  gemeinsam 
finden  wir  noch  Neaera  sehr  ähnlich  der  Ä'.sabandicma'Pict.  et 
Camp.  (Pal.Suisse,IV.s.p.40,pl.  100,Fig.5 — 7).  Im  Gestein  einge- 
sprengt findet  sich  auch  Markasit  in  Form  von  kleiuenKörnchen. 

Auf  den  oberen  Kalkstein  folgt  eine  ungefähr  vier  Meter 
dicke  ThoE-  und  Mergelschichte,  in  welcher  auch  einige  bis  zu 
zwei  Centimeter  dicke  Braunkohlenschmitzchen  bemerkt  werden. 
Über  dieser  Schiebte  nun  liegt  ein  sandiger  fester,  bläulich-  oder 
grünlichfarbiger  Kalk  (Kalksaudstein).  In  der  Nähe  des  Dorfes 
gewahren  wir  nur  Sandsteine,  welche  die  bekannten  Hieroglyphen 
und  viele  weisse  Glimmerblättchen  führen.  In  dem  blauen  Mergel 
glaube  ich  auch  Orbitoline  n  gesehen  zu  haben. 

Das  Dorf  Kalugerovo  liegt  an  der  Mündung  der  Lakaviea  in 
den  kleinen  Isker,  der  seine  Quellen  auf  den  Höhen  des  Etropol- 
und  des  Zlaticabalkan  hat;  es  ist  auf  der  Nordseite  des  letzteren 
Flusses,  mit  der  Aussicht  auf  das  Gebirge  erbaut. 

Von  Kalugerovo  bis  Svode  sind  nur  etwa  drei  Viertelstunden. 
Das  Thal  des  kleinen  Isker  wird  allmälig  breiter,  als  das  Thal 
der  Lakaviea;  längs  des  rechten  Ufers  zieht  sich  ein  bequemer 
Fusspfad  hin.  Die  Gehänge  sind  hier  mit  Ackerboden  bedeckt, 
und  nur  an  manchen  Orten  kommen  die  anstehenden  Gesteine 
zum  Vorschein,  vorzüglich  auf  dem  rechten  Ufer  des  Isker,  mit 
einem  Neigungswinkel  von  kaum  5 — 10°.  An  einigen  Stellen 
liegen  die  Schichten  vollkommen  horizontal,  manche  erscheinen 
auf  den  Oberflächen  wellenförmig  gerunzelt.  Ausser  Flyschsand- 
steinen  und  dünnen  Lettenschichten  ist  nichts  zu  sehen. 

Die  bläulichen  und  die  grauen  Sandsteine  breiten  sich  auch 
im  N  von  Svode  aus.  Bis  zu  einer  Entfernung  von  vier  Kilometern 
fallen  die  Schichten  unter  6°  nach  SW,  doch  variiren  sie  ausser- 
ordentlich stark;  bald  sind  sie  dick,  bald  dünn,  bestehen  bald 
aus  Mergel,  bald  aus  echten  Sandsteinen  —  an  manchen  Stellen 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  269 

kommen  auch  Lettenschichten  vor,  an  anderen  ausschliesslich 
Sandsteine.  Die  Richtung  der  Schicliten  ist  übrigens  nicht 
constant;  bald  fallen  sie  gegen  N,  bald  nach  S. 

Im  ersten  rechtsseitigen  Querthal  des  kleinen  Isker  (drei 
Viertelstunden  von  Svode)  finden  v^ir  feinkörnigen,  grauen  Sand- 
stein mit  kalkig-thonigem  Bindemittel.  Die  Bruchflächen  desselben 
sind  reich  an  Glimmer  und  schwarzen,  kohligen  Theilchen.  Doch 
findet  man  in  dem  nämlichen  Thale  auch  Trümmer  von  bläu- 
lichem Sandmergel,  der  gewiss  aus  den  nahen  Gebirgshöheu 
stammt.  Derselbe  ist  mit  Orbitolinen,  Korallen,  Nerineen, 
Ostreen  und  anderen  Bivalven  überfüllt.  Die  aus  den  östlichen 
Höhen  stammenden  blauen  Mergel  haben  die  grösste  Ähnlichkeit 
mit  jenen  von  Kalugerovo  (unweit  der  Braunkohlenschmitzchen), 
nur  dass  in  den  letzteren  der  Kalkstein,  in  den  ersteren  aber 
der  Mergel  vorwaltet. 

Von  den  Petrefacten  konnte  ich  folgende  bestimmen: 

Orbitolina  bulfjaricaDesh.-^  diese  hochgewölbte  Form  findet  sich  an 
vielen  Orten  Bulgaiiens;  am  häufigsten  kommt  sie  jedoch  vor  in  dem  Thale 
der  Lukavica  —  unweit  Caribrod  —  bei  Lovec,  dann  bei  Hubavene  u.  s.  w. 

Daneben  findet  sich  auch  ebenso  häufig  die  flache  Orbitolina  lenti- 
cularis Blum. 

Trochosmilia  sp. 

Trigonia  lonija  Agass.  (Mater,  p.  1.  pal.  8uisse  I.  p.  102,  pl.  XIV, 
Fig.  3).  Von  dieser  Muschel  fand  sich  nur  die  rechte  Schale,  die  ziemlich 
wohl  erhalten  ist;  sie  unterscheidet  sieh  in  keiner  Beziehung  von  jenen 
Arten,  die  man  im  gelben  und  bläulichen  Mergel  aus  dem  Aptien  iuferieur 
bei  Perte  du  Ehöne  findet. 

Turbo  sp. 

Nerinea  n.  sp.  stimmt  mit  der  oben  erwähnten  Form  vollkommen 
überein.  i 

Die  Sandsteine  breiten  sich  auch  weiter  gegen  die  Karaski-kolibi  aus, 
hier  haben  dieselben  eine  mehr  südUche  Richtung  h.  17  (Neigungswinkel 
=  8°).  Unter  ihnen  liegen  ganz  concordant  bläuliche  imd  aschgraue,  sandige 
Mergel,  in  welchen  eingewachsen  folgende  Fossilien  bemerkt  werden : 

Orbitolina  lenticularis  Blum. 

Verschiedene  Korallen. 

Pecten,  vielleicht  P.  Cottaldinus  d'Orb. 


1  Die  Übereinstimmung  auch  des  Nerineen- Gesteines  ist  nach  Prof. 
Toula  eine  vollkommene.  Es  ist  nach  seiner  Meinung  nicht  zu  bezweifeln, 
dass  die  betreffenden  Schichten  mit  den  Orbitolinenschichten  bei  Vraca 
(Sitz.  Ber,  77.  Bd.  pag.  30,  Schichte  9)  und  bei  Kalnia  Karaula  (Sitz.  Ber. 
75.  Bd.,  pag.  70)  übereinstimmen. 


270  Zlatarski, 

Panopaea  cf.  plicata  S  o  w.  (Pal.  Suisse  I,  Fossiles  du  terrain  aptien, 
p.  57,  pl.  VI,  Fig.  4,  5).  Nur  bei  einem  von  den  drei  vorliegenden  Exemplaren 
kann  man  die  Form  und  die  concentrische  Streifung  genau  sehen,  i 

TurritcUa  cf.  helvetica  Fi  ct.  et  Camp.  (Pal.  Suisse  I,  Fosa.  d.  terr. 
aptien,  p.  28,  pl.  III,  Fig.  2  a,  b,  c)  zwei  Exemplare, 

Einige  Nerineen  stimmen  mit  der  obigen  Form  tiberein. 
Nach  Prof.  Toula  etwas  an  N.  palmata  P.  ii.C,  8t.  Croix,  Taf.  69, 
Fig.  2,  erinnernd,  ist  die  Form  der  Schale  jedoch  weitaus  stumpfer 
und  an  der  Spindel  finden  sich  nur  zwei  Falten,  so  dass  die 
Figur  des  Röhrenschnittes  mehr  an  N.  esserteiisis  erinnert.  Wir 
haben  es  auf  jeden  Fall  mit  einer  neuen  Art  zu  thun. 

Der  sandige  Mergel  enthält  auch  dünne  Schichten  von  bläu- 
lichem Sandstein,  der  reich  an  weissem  Glimmer  ist.  Unweit 
Karas  bemerken  wir  im  letzteren  Gestein  auch  einige  von  den 
oberwähnten  Fossilien.  Die  Schichten  fallen  von  neuem  nach  NW, 
doch  unter  verschiedenen  Winkeln. 

Ich  verliess  nun  das  Thal  des  Isker  und  indem  ich  einen 
hohen  und  steilen  Berg  überstieg,  sah  ich  mich  schon  vor  Karas. 

Auf  einer  der  Höhen  liegen  die  Ruinen  einer  Veste:  „Kriv- 
grad".  Von  Kriv-grad  aus  überblickt  mau  alle  Krümmungen  und 
Windungen  des  kleinen  Isker. 

Dieselben  mergeligen  und  glimmerigen  Sandsteine  mit 
denselben  Fossilien  treffen  wir  auch  hei  Karas  an,  wo  die 
Schichten  einen  Neigungswinkel  von  12°  (Richtung  NO)  haben. 

Eine  viertel  Stunde  von  Karas  bei  Hubavene,  an  der  Strasse 
die  zum  nahegelegenen  Meierhofe  führt,  fanden  sich  Orbitolina 
bulgarica  Desh.,  Orbitolina  lenticularis  d'Orb.,  Orbitolina 
concava  var.  und  Östren  sp. 

In  dem  Thale  unterhalb  des  Meierhofes  enthalten  die 
Mergel-  und  Sandsteinschichten  gleichfalls  Orbitolinen.  Die 
Schichten  fallen  auch  hier  nach  N  (h.  1 — 2)  und  sind  steil  auf- 
gerichtet (<$  50°).  Unter  ihnen  liegen  concordant  gegen  0 
bläuliche  Mergel. 

Der  Landstrich  zwischen  dem  Meierhofe  und  Karlukovo  ist 
mit  Humus  und  schönem,  jungen  Wald  bedeckt.  Die  Beschaffen- 
heit der  Felsen  kann  desshalb  nur  in  den  Thalrissen  beobachtet 


1  Nach  Prof.  Toula  scheint  das  vorliegende  Stück  kaum  von  Panopaea 
iieocomicnsis  d'Orb.  abzuweichen. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  271 

werden.  Im  zweiten  Querthale  finden  sich  Cong-lomeratsandsteine, 
und  unter  denselben  sehr  bald  die  nämlichen  blauen,  sandigen 
Mergel;  Orbitolinen  und  andere  Fossilien  konnten  hier  jedoch 
nicht  aufgefunden  werden. 

Von  den  Höhen  aus  erblickt  man  die  gelblich  weissen, 
zerklüfteten  Kalksteinufer  des  Isker  oberhalb  Kunino. 

Einen  Kilometer  südlich  von  Karlukovo  verschwinden  die 
Sandsteine;  nun  kommen  unter  denselben  thonige  Kalkfelsen  zum 
Vorschein,  die  einen  grossen  Keichthum  an  dunkelgrauen  oder 
aschgrauen  Feuersteinen  aufweisen,  und  sich  durch  ihre  weisse 
oder  gebliche  Farbe,  ihre  Härte  und  ihren  muscheligen  Bruch 
auszeichnen;  sie  sind  echte  obere  Kreide.  Die  gesammte  Kalk- 
zone erstreckt  sich  von  0  nach  W.  Man  gräbt  hier  an  einigen 
Orten  auch  weisse,  schöne,  lockere  Kreide  aus,  die  in  grösseren 
Tiefen  eine  bläuliche  oder  röthliche  Färbung  annimmt.  Die  Ge- 
steine liaben  eine  undeutliche  Schichtung,  hie  und  da  erkennt 
man  nördliches  Einfallen  (h.  23 — 24). 

Die  Grenze  zwischen  den  sandigen  Mergeln  und  den  Kalk- 
steinen ist  scharf  bestimmt.  Das  Land  bis  wohin  sich  die  ersteren 
erstrecken,  ist  fruchtbar  und  mit  Grün  bedeckt,  so  wie  man  aber 
in  die  Kalkregion  eintritt,  wird  das  Terrain  plötzlich  steril.  An  dem 
ziemlich  hohen  Hügel,  der  sich  in  SW  von  Karlukovo  erhebt, 
finden  wir  auf  dem  SW-Abhange  schöne  Weingärten,  Frucht- 
bäume und  üppigen  jungen  Wald,  im  NO  dagegen  kahles  Kalk- 
gestein, echte  Karstscenerie. 

Unweit  Karlukovo  findet  man  auch  halbkystallinische,  nicht 
vollkommen  reinweisse  Kalksteine,  welchen  0 — W  streichen 
und  mit  10°  nach  N  fallen.  Gegen  Osten  (1  Km.)  von  Karlukovo 
aus  gerechnet,  kommt  man  auf  weissgrau  oder  gelblich  gefärbten 
halbkrystallinischen,  fossilienreichen  Kalk.  Die  Fossilien  sind 
mit  dem  Gesteine  so  fest  verwachsen,  dass  man  sie  kaum  heraus- 
schlagen kann.  Wir  haben  es  dabei  offenbar  mit  demselben 
Formationsgliede  zu  thun,  welches  wir,  Professor  Toula  und  ich, 
im  Jahre  1880  zuerst  im  Westen  von  Kunino  (1.  c.  pag.  35)  und 
später  nördlich  von  Vraca  bei  Marmoreni  (1.  c,  pag.  37)  antrafen. 

Das  bezeichnendste  Fossil  ist  &iü.eE.vof/yra^  welche  Professor 
Toula  als  Östren  (Exogyra)  spec.  aus  der  Foriuenreihe  der 
Exogyra   columba   Gldf.   (am   ähnlichsten   der  Exogyra  conica 


272  Z  1  a  t  a  r  s  k  i, 

d'Orb.)  bestimmte  und  zur  Abbildung-  brachte  (1.  c.  Taf.  IV, 
Fig.  20).  Als  ich  im  Jahre  1882  das  Vidthal  zu  geologischen 
Zwecken  bereiste,  constatirte  ich  das  Vorkommen  ganz  und  gar 
übereinstimmender  Gesteine  auch  bei  Aglen  und  bei  Mirovec, 
unweit  Swinar.  Der  Kalk  dieser  letzteren  Ortschaft  enthält  eine 
glaukonitähnliche  Chloritmasse;  an  Fossilien  ist  er  ebenso  reich 
wie  die  Kreide  von  Karlukovo.  * 

Was  die  Altersfrage  dieser  Kalke  anbelangt,  so  ist  festzu- 
halten, dass  im  Liegenden  die  Sandsteine  and  Mergel  mit  Orbi- 
tolinen  auftreten,  während  über  denselben,  wie  wir  später  sehen 
werden,  tlionige  Kalksteine  sicher  turonen  Alters  folgen.  Professor 
Toula^  stellt  die  betreffenden  Kalke  mit  dein  Caprotinen- 
Horizont  in  gleiches  Alter. 

Um  Lukovit  herum  walten  die  nämlichen  Gesteine  vor;  die 
Gegend  ist  felsig  und  fast  vollständig  kahl,  und  zeigt  vollkommenen 
Karstcharakter.  An  vielen  Orten  kommen  trichterförmige  Boden- 
einsenkungen vor;  einige  sind  mit  Erde,  andere  mit  Wasser 
angefüllt;  manche  wieder  sind  leer  und  erreichen  beträchtliche 
Tiefen.  Nur  hie  und  da  erblickt  man  unansehnliche  junge  Wald- 
complexe.  Die  felsigen  Ufer  des  Isk er  sind  fast  vertical  und  erheben 
sich  hoch  über  das  Flussniveau.  Die  Gesteinsschichten  sind  nach 
Norden  geneigt  und  versehwinden  zuletzt  unter  dem  fruchtbaren 
Boden. 

In  dieser  Kalkzone  kommen  vielfach  Höhlen  vor;  manche 
darunter  sind  leer,  andere  wieder  mit  Knochen  und  Zähnen  an- 
gefüllt. Eine  solche  geräumige  Höhle  findet  sich  unweit  des 
Klosters  St.  Gregorius,  drei  Kilometer  nördlich  von  Karlukovski 
Monastir,  am  linken  Ufer  des  Isker.  Die  Knochen,  welche  in 
dieser  Höhle  vorkommen,  sind  sehr  porös  und  zerbrechlieh, 
liegen  in  einem  braunrothen  Lehm  und  durch  Kalk  fest  ver- 
bunden, so  dass  sie  sich  nur  schwierig  unzerbrochen  freimachen 
lassen.  Die  meisten  Knochen  und  Zähne  rühren  von  fossilen 
Pferdearten  her,  und  zwar  entweder  von  Equns  Stenonis  ajfinis 


1  Period.  Spisanije  VII,  pag.  88. 

Auf  das  Vorkommen  von  Kalken  mit  Exogyren,  Eudisten  etc.  im 
Vidgebiete  hat  schon  Foetterle  im  Jahre  1869  hingewiesen.  Verh.  d.  k.  k. 
geol.  R.  Anst.  1869,  S.  374. 

-  F.  Toula,  Grundlinien  etc.,  pag.  42. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  273 

Woldr.  oder  vonE.  cabalhtsf'ossilis'RütimejQT.  Am  besten  sind 
die  Zähne  erhalten.  Ich  besitze  einige  Mahlzähne  ans  dem 
Ober-  und  Unterkiefer  und  ein  Bruchstück  von  dem  Vordertheile 
eines  Unterkiefers  mit  etlichen  Zähnen.  Von  anderen  Knochen 
sammelte  ich  nur:  Femur,  Humerus,  Tibia,  Radius  und 
Cubitus, 

Jenseits  des  Waldes  (zwischen  Karlukovo  und  Lukovit) 
erscheinen  dieselben  Kalke,  die  wir  auch  bei  Karlukovo 
gewahrten;  sie  sind  fast  schneeweiss  und  halbkrystallinisch 
(zuckerkörnig).  In  denselben  fanden  sich,  wenn  auch  sehr  selten, 
unbestimmbare  xlbdrücke ,  bei  welchen  man  an  Inoceramns 
denken  möchte.  Ich  verglich  diese  Gesteine  mit  jenen  aus  der 
Umgebung  von  Marmoreni  (nördlich  von  Yraca')  und  konnte 
petrographisch  kaum  einen  Unterschied  herausfinden.  ^ 

Vor  Lukovit  sind  die  weissen  Kreidefelsen  nur  ganz  leicht 
geneigt.  In  denselben  kommen  viele,  leider  schlecht  erhaltene 
Fossilien  (zumeist  Bivalven)  vor,  darunter  auch  kleinere  und 
grössere  Exemplare  von  Exogyra  spec. 

4.  Von  Lukovit  nach  Glava  Panega  (Quellen  der 
Panega).  Sowie  man  Lukovit  verlässt,  gewahrt  man  sogleich, 
dass  hier  die  weissen  fossilienreichen  Kalkfelsen  etwas  dichter 
sind  als  jene,  die  man  vor  dem  Doile  erblickt. 

Nach  2  Yg Kilometern  (von Lukovit  ausgerechnet)  erreicht  man 
die  Strassenhöhe ;  der  Weg  senkt  sich  sodann  sehr  rasch  gegen  das 
Flussbett  der  Panega.  Hier  lässt  sich  der  Kalk  ziemlich  leicht  in 
Platten  spalten,  der  Farbe  nach  ist  er  weiss  ,•  seine  Festigkeit  ist 
nicht  besonders  gross.  Das  Terrain  ist  nicht  so  kahl  und  vegetations- 
los, wie  dies  östlich  vor  Karlukovo  der  Fall  ist.  Die  Kalkfelsen 
erschliessen  sich  am  schönsten  und  deutlichsten  an  den  Ufern  der 
Panega,  und  zwar  westlich  von  der  Strasse.  Sie  erheben  sich 
hier   an   beiden   Seiten   des  Flusses   schroff  und  steil    bis    zu 


1  Unter  den  Kalken  bei  Marmoreni  finden  sich  auch  echte  Caprotinen- 
kalke  mit  C.  ammonia  G 1  d f.  und  grösseren  Orbitolinen  (Orbitolina  concava  D  i.) 
m.  vergl.  F.  Toula  Grundlinien  etc.,  pag.  37.  Auch  oolitische  Kalke,  ganz 
ähnlich  jenen,  welche  Professor  Toula  seinerzeit  im  Iskerdefile  bei 
Ljutibrod  beschrieb.  Sitzb.  (1877,  Bd.  77,  pag.  42  und  43).  Die  Inoceramen- 
schichten  von  Celopec  (Vraca  SO.)  und  Kvmina  sind  nach  Professor  Toula 
dichte  merffelisre  Kalke. 


2~4  Zlatarski, 

zehn  Meter  hoch  und  liegen  fast  horizontal  (fallen  unter  3°  nach 
SO,  h.  9). 

Einen  Kilometer  vor  Petrovene  verschwinden  die  Kalk- 
felsen und  unter  denselben  kommen  nun  Mergel  zum  Vorschein. 

Weiter  südlich  sieht  mau  mergeligsandige  Schichten,  Vielehe 
nach  oben  kalkreicher  v^erden.  In  diesen  Hangendlagen  finden 
sich  viele  Hieroglyphen  auf  den  Schichtflächen,  sowie  verkohlte 
unscheinbare  Pflanzenreste  vor.  Unweit  Petrovene  bemerkte  ich 
einen  verzweigten  gerunzelten  Wulst,  bei  dem  man  etwa  an 
Caulinites  denken  könnte.  Die  Kalksandsteine  werden 
gebrochen  und  nach  Lukovit  und  Umgegend  zu  Brücken- 
bauten trausportirt.  Die  Schichten  fallen  concordant  unter  den 
Kalkstein  nach  SO,  h.  9,  in  derselben  ganz  geringen  Neigung 
(3°!)ein. 

Bei  Blasnicevo  fallen  die  Mergelschi chteu  nach  N  (h.  1 
unter  11°).  An  dem  südlichen  Ende  des  Dorfes  kommt  wieder 
der  Kalkstein  von  Lukovit  zum  Vorschein,  doch  führt  er  hier 
keine  Fossilien;  seine  Schichten  werden  gegen  S  steiler. 

Zwei  Kilometer  südlich  von  Blasnicevo  gewahren  wir  unter 
den  nach  N  steilabfallenden  Kalkfelsen  die  obenerwähnten 
Mergel  in  Gemeinschaft  mit  Kalksandstein;  doch  fallen  hier  die 
Schichten  wieder  nach  SO  (h.  10),  zuerst  steil  (40°),  im  weiteren 
Verlaufe  werden  sie  aber  immer  flacher.  Zwischen  den  Sandsteinen 
und  den  Mergeln  treffen  wir  hier  auch  ein  oolithisches  Gestein. 

Bei  der  Mühle  des  alten  Marko  finden  wir  in  den  Mergel- 
und  Sandsteinfelsen  reichliche  Mengen  von  Fossilien.  Vor  allen: 
Orhitolina  lenticularis  d'Orb.,  C/^ar<.s  -  Stacheln  und  Ostren. 
Die  Schichten  sind  steil  aufgerichtet  und  fallen  (mit  79°) 
nach  N  (h.  2).  * 

Der  Kalkstein,  den  wir  auf  den  Höhen  gegen  die  Bresnica 
gewahren,  ist  höchstwahrscheinlich  Caprotiiienkalk.  Über  dem- 
selben sehen  wir  Orbitolinenschichten,  unter  demselben  aber  nur 
Sandsteine  und  Mergel,  bei  denen  die  Fossilien  ganz  fehlen,  und 
die  sehr  schnell  in  neocome  Kalkmergel  übergehen.^    Hier  fallen 


1  Es  sind  dies  nach  Professor  Toni a  offenbar  dieselben  Schichten, 
wie  sie  nahebei  in  dem  von  ihm  beschriebenen  Profile  zwischen  Orese  und 
Belince  auftreten.  Grundlinien  etc.,  pag-.  27. 

2  Grundlinien  etc.  1.  c. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  275 

sie  wieder  nach  N  h.  272,  ^*^^^  schliessen  sie  einen  kleineren 
Winkel  ein  (18—20°). 

Die  kleine  Thalmulde  bei  den  Quellen  der  Panega  ist  mit 
fruchtbarem  Alluvium  ausgefüllt;  erst  gegen  das  südliche  Ende 
derselben,  bei  den  Quellen  selbst,  erblicken  wir  wieder  die 
ueocomen  Gesteine.  Diese  bestehen  hier  aus  bläulichen  Kalk- 
mergeln, die  sich  in  dünne  Platten  spalten  lassen,  und  deren 
Schichten  nach  NO  fallen  (h.  3  mit  10°).  Die  wenigen  Fossilien, 
die  ich  hier  sammelte,  genügen  wohl  zur  Feststellung  des  Alters 
dieser  Felsart.  Es  sind:  Ammonites,  Aptychus,  Belemnites  und 
Scaphites. 

In  den  Abhängen  selbst,  bei  den  Quellen  der  Panega, 
kommen  unter  den  Mergelschiefern  dichte,  kalkig- thonige  eben- 
falls neocome  Gesteine  zum  Vorschein.  Dieselben  sind  von  feinen 
Calcitäderchen  netzartig  durchzogen.  Gegen  Ablanica  hin  findet 
sich  in  diesen  Felsen  sehr  häufig  Spirophyton;  ^  andere  Ver- 
steinerungen sind  selten.  Der  dichte  Kalkstein  ist  reich  an 
Höhleu;  eine  derselben,  die  nur  einige  Meter  von  den  Quellen 
der  Panega  entfernt  liegt,  dehnt  sich  nach  Osten  aus  und  ist  beim 
Eingang  1-5  Meter  breit  und  2*5  Meter  hoch.  Es  besteht  unter 
der  Bevölkerung  die  Ansicht,  dass  sie  sich  sehr  weit  erstrecke. 

Über  die  Quellen  der  Panega,  wie  auch  über  die  geologische 
Beschaffenheit  ihrer  Umgebung  habe  ich  seinerzeit  ausführlich 
berichtet.  ^ 

5.  Von  Lukovit  über  Cerveni-breg  Oumakovci, 
längs  des  Isker  zur  Donau.  In  und  um  Lukovit  sieht  man 
noch  den  weissen  Kalkstein;  gegen  Radomirci  jedoch  ver- 
schwindet jede  Spur  eines  festen  Gesteines;  fruchtbarer  Boden, 
mit  Kalkscliotter  gemengt,  bedeckt  das  Land  und  bildet  ausge- 
zeichnetes Ackerland.  Auf  den  steilen  Abhängen  aber  und  auf 
den  nächsten  Höhen  erblicken  wir  zahlreiche  junge  Wald- 
complexe. 

In  einer  Entfernung  von  drei  Kilometern  nördlich  von  Luko- 
vit gewahren  wir  in  einem  sterilen  Thale  einen  4 — 5  Meter  tiefen 
Aufschluss.     Unter    dem    cultivirten    Boden    folgt     sandiggelb- 


1  Grundlinien  etc.,  pag.  26. 

-  Period.  Spiaanije,  VII,  pag.  84,  85. 


276  Z  1  a  t  a  r  s  k  i, 

lieber  Lehm  (ungefähr  1  Meter),  sodann  eine  dünne  Schichte 
(0*20  Meter)  kalkreicher  Thon  mit  Sand  gemengt.  Weiter  unten 
mürber  Mergelsandstein  (0-35— 0-40  Meter),  Thon  (0-10— 0-15 
Meter),  glimmeriger  Mergel  und  mürber,  mergeliger  Sandstein 
(0-80  Meter)  und  so  fort  bis  zur  Tiefe.  In  den  dünnen  Mergel- 
schichten, welche  zwischen  den  Sandsteinen  auftreten,  finden 
sich  unscheinbare  Lagen  von  weisser  mehliger  Kreide;  im  Sand- 
steine selbst  aber  finden  wir  ockerige  Einschlüsse.  Alle  diese 
Schichten  fallen  unter  einem  Winkel  von  6°  nach  N  (h.  27^). 

Ein  flüchtiger  Blick  in  die  Runde  überzeugt  uns,  dass 
das  Gebiet  des  Panegabeckens  von  Radomirci  westwärts  nur 
von  Mergel  und  Sandstein  eingenommen  wird. 

Das  Thal  der  Panega  ist  mit  Alluvium  erfüllt;  an  den 
Gehängen  finden  sich  die  Mergel  und  Sandsteine.  Links  und 
rechts  liegen  an  unserem  Flusse  die  hübschen  Dörfer  Rubci  und 
Cerveui-breg.  Die  steilen  Abhänge  ziehen  sich  nach  Norden 
und  Süden  hin;  auf  ihren  Höhen  erheben  sich  weisse  und  bläu- 
lichweisse  Kalkfelsen,  die  vollkommen  concordant  über  den 
mergeligen  Sandsteinen  liegen,  ^  wie  zum  Beispiel  nördlich  im 
Markova-  und  Devenska-Mogila,  und  südlich  über  jene  Grenze 
hinaus,  die  wir  von  Lukovit  als  Ausgangspunkt,  nach  NW  über 
den  Isker  zwischen  Rosselec  und  Gornik  und  von  da  über  Gabri 
Tlacene,  Bukovec  etc.  ziehen  könnten. 

Der  Kalkstein  ist  thonig,  erinnert  theilweise  an  Kreidetuff 
und  enthält  gelbliche  Kieselsteine.  Hier  kann  man  auch  eine  Art 
halbkrystallisirter,  körniger  Gesteine  erblicken;  doch  weder  in 
diesen  noch  in  den  vorerwähnten  konnte  ich  eine  Spur  von  Ver- 
steinerungen finden. 

Werfen  wir  von  Markova-Mogila  aus  einen  Blick  nach  dem 
Iskerthale,  so  werden  wir  gewahr,  dass  sich  auf  beiden  Seiten 
des  Flusses  breite  Alluvialflächeu  ausdehnen,  die  im  0  und  W 
von  hohen  und  steilen  Kalkgehäugen  begrenzt  erscheinen. 


1  Verg'l.  F.  Toula's  Darstellung  in  den  Grundlinien  etc.,  pag.  36 
und  37,  Fig.  20  und  22. 

Es  ist  nach  Professor  To  ul  a's  Meinung  nun  ziemlich  klar,  dass  die  von 
ihm  in  der  Karte  aufgenommene  Kalkzone  des  Kosmatica-Rückens  über 
Konina  sich  in  das  Pauegagebiet  hinüber  erstreckt. 


Geologische  üntersuchuug-eu  im  centralen  Balkan  etc.  277 

Die  Kalkzone  erstreckt  sieh  auch  jenseits  des  Isker  nach  W 
hin.  Nördlich  von  Marko va-Mogila  verschwindet  hier  die  Kreide 
und  es  finden  sich  nur  mehr  tertiäre  und  quateruäre  Ab- 
lagerimgen. 

Am  Markova-Mogila  kommen  sowohl  am  Kord-  als  auch  am 
Südgehäug-e  unter  den  Kalken  die  Mergelsandsteine  zum  Vor- 
schein. Diese  fallen  hier  unter  14°  nach  K  (h.  2 — 3). 

Cumakovei  liegt  ungefähr  80  Meter  über  dem  Meeresspiegel 
und  ist  erbaut  über  den  erwähnten  Kalken,  die  sich  so  tief  senken, 
dass  man  sie  am  Isker  kaum  mehr  gewahrt. 

Genau  östlich  von  Cumakovei  liegt  Devenci,  und  diesem 
Dorfe  gegenüber ,  am  linken  Iskerufer ,  erhebt  sich  Kojnare. 
Devenci  liegt  am  Fusse  der  Miova-Mogila  in  einer  Entfernung 
von  3 — 3^/2  Kilometer  vom  Hauptarme  des  Isker.  Hiertheilt  sich 
nämlich  der  Fluss  in  zwei  Arme,  von  denen  der  kleinere  au 
Devenci  vorbeifliesst,  der  mächtigere  aber  Kojnare  berührt; 
zwischen  denselben  breitet  sich  eine  ziemlich  grosse  vegetations- 
lose Insel  aus. 

Ausserhalb  der  AUuvialflächeu  kommt  man  auf  Lehmabla- 
gerungen. Der  Lehm  ist  mürbe,  seiner  Farbe  nach  aschgrau,  und 
enthält  Bruchstücke  von  Granit,  Diorit  und  Andesit,  so  wie  auch 
von  Sandstein  und  Quarzit,  die  sämmtlich  aus  dem  Balkan 
stammen.  In  diesem  Lehm,  der  in  Löss  übergeht,  hat  sich  die 
Bevölkerung  von  Devenci  wohnlich  eingerichtet.  Also  auch  hier 
wie  in  den  Kreisen  von  Lom,  Rahova,  Nikopoli  und  überhaupt 
im  nächsten  Gebiete  des  Douauthales  finden  wir  Trogloditeu. 
Seit  dem  letzten  Kriege  hat  man  auch  einige  den  menschlichen 
Verhältnissen  angemessenere  Häuser  gebaut. 

Fast  alle  unsere  Flüsse,  die  ihren  Ursprung  im  Balkan  haben 
und  sich  in  die  Donau  ergiessen,  unterwühlen  ihr  rechtes  Ufer 
und  verlanden  das  linke;  dies  ist  auch  im  unteren  Laufe  des 
Isker  der  Fall,  wo  das  östliche  Ufer  unausgesetzt  eingerissen 
und  weggeschwemmt  wird,  während  das  westliche  durch  die 
fortwährenden  Ablagerungen  anwächst.  Der  Isker  bewegt  sich 
somit  langsam  nach  Osten,   ohne  Anzeichen  von  Oscillationen. 

Wir  sahen  oben,  dass  bei  Devenska-  und  Markova-Mogila 
(Hügel)  die  Kreidefelsen  verschwinden,  indem  sie  sich  nur  nach 
0  und  W  von  diesen  Hügeln  ausdehnen,   Miova-Mogila,  welcher 


278  Z  1  a  t  a  r  s  k  i, 

mit  der  Devenska  zusammenhängt,  besteht  nicht  mehr  aus  Kreide, 
sondern  aus  einem  weichen,  mergelig- lehmigen  und  sandigen 
Materiale,  welches  ausschliesslich  der  tertiären  Periode,  respective 
den  Miocänformation  angehört. 

Zwei  Kilometer  nördlich  von  diesem  letzteren  Dorfe  erheben 
sich  am  linken  Iskerufer  einige  ziemlich  hohe  gelbliche  Berge, 
die  von  den  Sturzbächen  sehr  unregelmässig  und  wild  zerrissen 
erscheinen.  Dieselben  Gewässer,  welche  die  Zerbröckelung  der 
Felsen  bewirkten,  haben  auch  unzählige  SchalenstUcke  von  Bucci- 
num,  Cerithium,  Cardium,  Mactra  etc.  vom  sarmatischen  Gesteine 
abgelöst,  fortgetragen  und  anderswo  zur  Ablagerung  gebracht. 

Die  Lagerungsverhältiiisse  sind  die  folgenden: 

1.  Cultivirter  Ackergrund. 

2.  Gelblicher  Thon.  Derselbe  enthält  in  seinem  unteren 
Theile  Cerithien. 

3.  Bläulicher  Mergel  mit  vielen  Fossilien  in  seinen  tieferen 
Lagen. 

4.  Sandig-oolithische  Schichten,  an  Versteinerungen  ausser- 
ordentlich reich.  Der  Sandstein  ist  grobkörnig  und  besteht  aus 
weissen  und  schwarzen  Quarzkörnchen,  die  mit  Kalkcement 
verbunden  sind.  Manche  von  diesen  Sandkörnern  sind  mit  dünnen 
Kalkhäutchen  überzogen,  so  dass  man  das  Gestein  mit  Recht 
Oolithsaudstein  nennen  kann.  Hierin  finden  sich:  MoiUola  Vol- 
hynica  Eichw.,  Mactra  Podolia  Eichw.,  Cardhnn  ohsoletum 
Eichw.,  Bnccinum,  Cerithium  etc.  Die  Fossilien  sind  in  diesem 
oolithischen  Sandstein  nicht  gleichmässig  vertheilt;  am  häufigsten 
treten  sie  in  den  dünneren  Schichten  auf  (5 — lOCtm.),  wo  sie  eine 
Art  Conglomerat  mit  den  Sandkörnern  bilden.  Die  Mächtigkeit 
dieser  Schichten  erreicht  nahezu  30  Meter. 

5.  Zu  Unterst  erblicken  wir  eine  Art  bläulichen,  fettig  anzu- 
fühlenden Mergel  (sehr  arm  an  Fossilien).  Morphologisch  unter- 
scheidet er  sich  nicht  im  geringsten  von  jenem  Mergel,  der  sich 
am  Vid,  unweit  der  Brücke  von  Pleven  findet.  Es  scheint  mir 
erlaubt,  die  Vermuthung  auszusprechen,  dass  dieser  Mergel  am 
Isker  eine  Fortsetzung  der  Mergel  des  Vidthales  ist,  der  durch 
das  Vorkummen  mediterraner  Fossilien  ausgezeichnet  ist  (Foet- 
terle  und  v.  Fritsch),  und  dass  sonach  diese  marinen  Bildungen 
weit  über  das  Plevnaer  Becken  hinaus  reichen. 


Geologische  üntersuchmigen  im  centralen  Balkan  etc.  279 

"Weiter  nördlich  (3  Km.  von  Devencr)  erblickt  man  das 
nämliche  sarmatische,  sandig-oolithische  Gestein.  Dasselbe  ist 
hier  porös,  weist  aber  reichlichere  Mengen  von  Kalkcemeut  anf, 
als  der  vorherbeschriebene  Sandstein  und  erreicht  demnach  eine 
ziemlich  bedeutende  Festigkeit.  Am  häufigsten  finden  sich  hier 
Mactra,  Cardium  und  Ceritliium.  Unter  den  Sandsteinen  sind  hier 
nirgends  Spuren  des  Mergels  zu  sehen. 

An  den  obgenannten  zwei  Orten  sammelte  ich: 

]ietepora pusiUa'Eiichw.  (Eichwald,  LethaeaRossicalll,  p.  33,  pl.  II, 
Fig.  21,  iJ2  a.  b.  c).  Nur  einen  kleinen  Zweig,  der  etwa  4-5  Mm.  lang  ist; 
derselbe  verzweigt  sich  nur  an  einer  Stelle,  besitzt  eine  ziemlich  glatte 
Obei-fläche  und  ist  mit  sehr  kleinen  Poren  bedeckt.  Clm  Sandsteine  zwei 
Kilometer  von  Devenci.) 

Modiola  VolhynicaY.ich'w.  (Eichwald,  op.  cit.  III,  p.  67,  pl.  IV, 
Fig.  16  a,  b.) 

Cardium  obsolctum  Eichw.  (Eichwald,  op.  cit.  III,  p.  37,  pl.  IV, 
Fig.  10.)  Reichlich  in  dem  Sandstein  bei  Devenci,  nach  N  seltener  werdend. 

Mactra  Podolica  Eichw.  (Hörnes.  Die  fossilen  Mollusken  des 
Tertiärbeekens  von  Wien.  II,  p.  62,  Taf.  7,  Fig.  1 — 8.)  Die  meisten  Exem- 
plare klein  und  dünnschalig.  An  beiden  Orten  häufig. 

Bulla  Lajonkaireana  Bast.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  624,  Taf.  50,  Fig.  9 
a,  b,  c.  d.)  Nur  drei  kleine  Exemplare  vom  zweiten  Fundorte. 

Helix  sp.  Ziemlich  grosse  und  schöne  Exemplare,  leider  sämmtlich 
unvollständig  und  nicht  näher  bestimmbar. 

Rissoa  iiiflata  Andrz.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  576,  Taf.  48,  Fig.  22.) 
Diese  Art  kommt,  nach  Hörnes,  in  den  untersten  Schichten  des  brakisehen 
Tegels,  im  brakischen  Sande  bei  Gaya  gemeinsam  mit  den  Cerithien  vor. 
Im  Iskerthale  wird  sie  an  dem  zweiten  Orte  und  beim  dritten  Kilometer 
(nördliche  Richtung  von  Devenci)  gefunden. 

Nerita  picta  Fer.  (Eichw.  sp.)  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  535,  Taf.  47^ 
Fig.  14.)  Entfernt  erinnert  sie  an  Hörnes' iV(?/-jVa  von  Ebersdorf,  vollkommen 
aber  an  das  in  der  Lethaea  Rossica  aus  Kremionne  in  Podolien  (Eichwald, 
op.  cit.  III,  Tab.  10,  Fig.  40.)   Nur  ein  Exemplar  vom  zweiten  Fundorte. 

*Natica  helieina  Br  o cc.  (H  örnes,  op.  cit.  I,  p.  525,  Taf.  47,  Fig.  6—7) 
hat  vollständige  Ähnlichkeit  mit  der  Nadca  von  Baden  und  dem  Vidthale 
(Brücke  von  Pleven;;  kommt  gemeinsam  mit  der  Rissoa  inflata  vor;  nur  ein 
Exemplar. 

Trochus  sp. 

Monodonta  angulata  Eichw.  (Hörnes,  1.  c.  I,  p.  439,  Taf.  44.  Fig.  9, 
10.)  Beide  Varietäten  dieser  Art,  wie  sie  bei  Steiuabrunn  vorkommen, 
werden  auch  im  Iskerthale  gefunden. 

Monodonfa  mammillata  An dvz.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  488,  Taf.  44, 
Fig.  8.)  lu  Gemeinschaft  mit  M.  angulata  beim  dritten  Kilometer  von  Devenci 
ausserordentlich  häufig. 

Sitzb.  d.  raathem.-naturw.  Cl.  XCIIl.  Bd.  I.  Abth.  19 


280  Z  1  ii  t  a  r  s  k  i, 

Cerithuim  nodoso-plicatum  Hüru.  fHörnes,  op.  cit.  I,  p.  397,  Taf.  41, 
Fig.  19,  20.)  Sehr  charakteristisch,  wie  auch 

Cerilhium pictum  Bast.  (Höraes,  op.  cit.  I,  p.  394,  Taf.  41,  Fig.  15  bis 
17.)  Reichlich  am  zweiten  Fundorte  vertreten. 

Mnrex  sitblavatns  Bast.  (Hörn es,  op.  cit.  I,  p.  23G,  Taf.  24,  Fig.  14 
"bis  16.)  Dies  ist  der  erste  Ort,  wo  in  Bulgarien  Min-ex  sublavatus  gefunden 
worden.  In  der  Gegend  von  Vidin  kommt  er  nicht  vor. 

Bnccinum  sp.  in  festem  Sandstein. 

Die  Oolithsandsteine  dehnen  sich  abwechselnd  mit  Thon- 
lagen,  bis  nach  Pisavovska  -  Mahala  aus;  nur  sind  sie  nicht 
überall  sichtbar,  weil  sie  meistentheils  von  Bäumen  überwachsen 
sind.  Wo  manche  Partien  kahl  vorliegen,  bemerkt  man  zu  oberst 
eine  Art  weisslichgelben  Thon.  An  der  rechten  Seite  des  Isker 
«rheben  sich  die  steilen  Ufer  bis  zu  60  Meter  über  das  Fluss- 
niveau.  Dieses  Höhenausmass  ist  jedoch  nicht  für  die  ganze 
Strecke  giltig;  manche  Uferpartien  sind  terrassen-  und  hügel- 
förmig  und  gehen  allmälig  und  unmerklich  in  die  Alluvial- 
^bene  über.  In  dem  fruchtbaren,  aschgrauen  Boden,  der  das 
Iskerthal  erfüllt,  kommen  Überreste  von  allen  den  oben  genannten 
Fossilien  vor;  dieselben  stammen  selbstverständlich  von  den 
benachbarten  Höhen  her. 

Das  linke  Ufer  des  Isker  ist  ganz  eben  und  breit  ausge- 
dehnt. Die  Terrassen  heben  erst  in  der  Entfernung  von  einigen 
Kilometern  an;  in  den  höheren  derselben,  wie  in  der  Gegend  von 
Branica,  Strupen,  Jenica,  Kneza,  Dolnij  Lukovit  etc.  kommt  das 
sarmatische  Gestein  zum  Vorschein. 

Nördlich  vonPisarovska-Mahala  beginnen  die  cerithienführen- 

den  Kalkfelsen,  die  folgeudermassen  eingetheilt  werden  können: 

a)  weisslichgraue,    dichte   Gesteine   mit   spärlichen   Fossilien 

(Cardium  und  Cerithium) ; 
h)  gelblichaschgraue  Gesteine,  sehr  dicht  erfüllt  von  Cerithien 

und  anderen  Formen;  und 
c)  röthlichgelbliche     Gesteine    mit     grossem    Reichthum    an 

Cerithien. 

Die  sarmatischen  Bildungen  beschränken  sich  nicht  allein 
auf  das  rechte  Iskerufer,  sie  dehnen  sich  auch  nach  0  und  W  aus, 
liegen  aber  nicht  an  allen  Orten  offen  vor,  weil  sie  grösstentheils 
Ton  aschgrauem  Löss  bedeckt  sind.  Nur  an  jenen  Stellen  ragen 
<lie  Cerithienschichten  aus  dem  Boden  hervor,  wo  der  Löss  von 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  281 

den  Fltisseu  oder  dem  atmosphärischen  Wasser  weggeschwemmt 
worden,  wie  zum  Beispiel  bei  den  obgenannten  Ortschaften 
Stnipen,  Branica,  Jenica  etc.  oder  au  den  Ufern  der  Flüsse  Gosti- 
liea,  Skit,  Ogost,  Lom  uudTimok,  sämmtliche  westlich  vom  Isker.^ 

Von  dem  Pisarovska-Mahala  ans,  in  der  unmittelbarsten 
Nähe  des  Flusses,  sieht  man  bei  der  Grotte,  die  gegenüber  der 
kleineu  Insel  {V/],  Km.  nördlich  vom  Dorfe)  liegt,  ein  sehr 
hübsches  Profil,  das  etwa  7 — 8  Meter  in  der  Breite  einnimmt. 
Der  Isker  fliesst  unmittelbar  au  demselben  vorbei  und  führt 
der  Saumweg  über  den  steilen  Abbang;  obwohl  die  Felsen  hier 
mehrfach  gelöst  sind,  ist  doch  die  normale  Reihenfolge  der 
Schichten  an  vielen  Stellen  noch  recht  deutlich  sichtbar. 

Unmittelbar  an  dem  Flusse,  das  heisst  in  der  untersten 
Partie  des  Ufers,  bemerken  wir  einen  mürben,  fettigen  Mergel, 
der  aus  kalkigem  Lehm,  sehr  feinen,  durch  blosses  Befühlen 
nicht  wahrnehmbaren  Sandkörnehen  und  kleinen  Glimmer- 
schüppchen  besteht.  Dieser  Mergel  ist  bläulich,  so  lange  er  feucht 
ist;  in  trockenem  Zustande  hat  er  eine  grauweisse  Farbe.  In  dem- 
selben finden  wir  dünne  Schichten  von  grauweissem  Lehm  und 
fettigem,  dunkelrothem  Ocker.  Auch  Krystalle  undKrystallgruppen 
von  Gyps  kommen  vor.  Li  den  tieferen  Lagen  ist  der  Mergel 
intensiver  blau;   lehmiger  und  lichter  gefttrbt  ist  er  nach  oben  zu. 

Gegen  das  nördliche  Ende  der  kleinen  Insel  kommt  wieder 
derselbe  Mergel  zum  Vorschein  und  über  demselben  eine  andere 
Art  gelblichen  Kalkmergels,  der  ausserordenthch  reich  an  Fossilien 
ist;  diese  letzteren  meistentheils  in  Form  YOnSte'mkQi'nen  (Cardium 
ohsoletum.  Cardhtm  plicatum,  Tapes  gregaria,  Trochus,  Cerithien). 

Aus  dem  Gebiete  des  erstgenannten  Mergels  sammelte  ich  in  einer 
kurzen  Zeit: 

Modiola  VoUu/nica  Eichw. 

Cardhim  obsoletinn  Eichw.,  stark  verbreitet  und  charakteristisch; 
manche  Exemplare  erinnern  an  Cardium  TYwioÄ-/ Toula.  (Die  sarmatischeu 
Ablagerungen  zwischen  Donau  und  Timok,  p.  15.) 


1  Toula,  Grundlinien  etc.  etc.  pag.  3. 

Toula,  Die  sarmatischeu  Ablagerungen  zwischen  Donau  und  Timok. 

Zlatarski,  Geologisches  Profil  von  Vidin,  über  Bojnica,  Vrska- 
6uka,  Makres,  Belogradcik  nach  Goraij-Lom  und  von  Dolnij-Lom.  über 
Prevala.  Ciparovci,  Jelovica  nach  Berkovica,  pag.  13 — 14.  (Period. 
spis.  VI,  1883.) 

19* 


282  Z  1  a  t  a  1-  s  k  i, 

Cardium  cfr.  pUcatum  Eichw.  (Hörn es,  op.  cit.  II,  p.  202,  Taf.  30, 
Fig.  1.)  Nur  einige  Bruchstücke  von  Schalen  und  ein  Steinkern. 

Topes  gregaria  Partsch.  (Hörnes,  op.  cit.  II,  p.  115,  Taf.  11, 
Fig.  2.)  Gleich  stark  vertreten  wie  Cardium  obsoletum,  gesammelt  habe 
ich  sowohl  alte,  als  auch  junge,  dünne,  als  auch  dickschalige  Exemplare. 

Donax  lucida  Eichw.  (Hörnes,  op.  cit.  II,  p.  103,  Taf.  10,  Fig.  2.) 

Bulla  LaJonkaireanaB ast.,  erreicht  hier  die  grösste  Länge;  reichlich 
vertreten. 

Helix  sp.  Ich  zog  die  von  Hörnes  angeführten  Arten  zum  Vergleiche 
herbei,  konnte  jedoch  bei  ihm  eine  übereinstimmende  Form  nicht  finden  ; 
die  gesammelten  Exemplare  sind  nur  unvollständig  erhalten. 

Trochus  qiiadristrialus  Dub.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  456,  Taf.  45, 
Fig.  11.)  Nur  ein  Exemplar. 

MoHodoHta  angulata  Eichw.  Nur  sechs  Exemplare. 

Phasianella  cfr.  Bai/emi  R.  Hörnes  (Jahrbuch  der  k.  k.  geologischen 
Eeichsaustalt  1874,  p.  37,  Taf.  II.  Fig.  8).  Nur  ein  unvollständiges  Exemplar. 

Cerithinm  disjunctum  Sow.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  406,  Taf.  42, 
Fig.  10,  11.)  Weniger  häufig. 

Cerithinm  plicatum  Brug.  (^Hörues,  op.  cit.  I,  p.  4U0,  Taf.  42,  Fig.  6.) 
Nur  ein  unvollständiges  Exemplar. 

Cerithinm  nodoso-plicutum  Hörnes.  Einige  junge  Exemplare. 

Cerithium  rubiginosum  Eichw.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  396,  Taf.  41, 
Fig.  16,  18.)  Häufiger  als  im  Timok-Gebiete. 

Murex  subluvntiis  Bast.  Drei  dickschalige  Exemplare. 

Bucciimm  Verneuilii  d'Orb.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  158,  Taf.  13, 
Fig.  10.)  Erinnert  am  meisten  an  die  Arten  von  Gaudenzdorf  bei  Wien. 

Biiccimtm  duplieatum  Sow.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  156,  Taf.  13, 
Fig.  6—9.)  Häufig. 

Der  Mergel,  iu  dem  die  aufgezählten  Versteiuerungen  vor- 
kommen, erinnert  theilweise  an  jenen  von  Bojnica; '  er  ist  mehr 
oder  weniger  saudig,  lehmig  und  mergellehmig,  weisslieh,  gelb- 
lich, aschgrau  etc.  und  arm  an  Fossilien.  Er  ist  wohl  geschich- 
tet und  fällt  mit  15°  nach  N.  Weiter  nördlich  fand  ich  in 
einem  sandigen  Mergel  eine  bedeutende  Menge  von  Bulla,  grosse 
und  dickschalige  Exemplare  von  Tapes,  Bncchittm,  Cardium 
und  HeUx. 

Auf  dem  höchsten  Hügel,  der  sich  hier  bis  zu  100  Meter 
erhebt,  erblickt  man  in  dem  weissen  oder  grauweissen,  mürben, 
kalkigen  und  ein  wenig  sandigen  Mergel  dünne  Schichten  mit 
Cerithium,  Buccinum,  Bulla,  Tapes  und  Cardium.  Sodann  gewahrt 


1  Fr.  Toula,  Sarm.  Abi.  zw.  Donau  und  Timok.  Sitzb.  1877,  Bd.  75, 
pag.  17  ff.  Period.  Spisanije  VI,  pag.  G3. 


Geologische  Untersiichuugen  im  centralen  Balkan  etc.  2(83 

man  Schichten  von  härterem,  bläulichem  Thon,  in  dem  Abdrücke 
von  Modiola  Volhynica  Eichw.,  Cardium  obsoletum  Eichw., 
Bulla  Lajonkaireana  Bast.  Trochus  etc.  vorkommen.  Tiefer  unten 
sehen  wir  einige  röthliche,  dünne  Schichten,  darunter  und 
dazwischen  liegen  drei  Gypslag-en. 

Gegen  Brest-Cesma  erscheinen  über  den  Mergelschichten 
sarmatische  Kalkbänke.  Die  letzteren  sind  gelblich,  schwach 
nach  N  geneigt  und  von  den  Sturzbächen  scharf  eingerissen. 
Dasselbe  bemerken  wir  auch  bei  Pukalnica  —  eine  Ebene 
gegenüber  von  Dolni-Lukovit  —  wo  die  schönsten  tertiären 
Kalksteine  zu  Bauzwecken  gebrochen  werden.  Hier  sind  die 
sarmatischen  Felsen  terrassenförmig  gelagert  und  ihre  Schichten 
fallen  unter  (5 — 8°)  nach  N.  In  ihren  obersten  Partien  sind  die- 
selben porös  und  niclit  besonders  fest;  unter  denselben  liegen 
dünne  und  weiter  unten  dickere  Bänke;  unter  den  oberen 
erblickt  man  stellenweise  sandige  Mergel. 

Gegen  Staroselci  verschwindet  der  Kalkstein  unter  dem 
Ackerboden,  und  ist  nur  noch  an  den  Höhen  längs  des  Flusses 
zu  erblicken.  Wie  bei  Brest-Cesma  erscheint  der  hiesige  Kalk- 
stein gelblich  gefärbt,  doch  unterscheidet  er  sich  von  jenem 
dadurch,  dass  er  Cerithmm  rubif/inosum  ^iehw.  und  andere  Ver- 
steinerungen enthält.  Weiter  nördlich  wechseln  die  Schichten  mit 
oolithähnlicheu ,  porösen  Kalksteinen,  in  welchen  Cardium, 
Modiola  und  Trochus  vorkommen.  Dieser Pseudo-Oolith,  wenn  ich 
ihn  so  nennen  darf,  ist  zum  grössten  Theile  aus  Gehäusen  von 
gewundenen  und  länglichen  Foraminiferen  zusammengesetzt  und 
weist  eine  besondere,  für  Ungarn,  die  Krim,  Volhynien  und 
Podolien  aber  sehr  gewöhnliche  Structur  auf.  ^ 

Kalkterrassen  bemerken  wir  auch  am  linken  Ufer  des  Isker, 
bei  Dolni  Lukovit,  nur  sind  sie  viel  niedriger  als  jene,  welche 
sich  am  rechten  Ufer  ausbreiten.  Die  sarmatischen  Kalkfelsen 
nehmen  auch  im  W  vom  Isker  ein  ziemlich  bedeutendes  Gebiet  ein. 

Um  Staroselci  herum  liegen  die  sarmatischen  Bildungen 
fast  horizontal.  Der  Kalkstein  ist  porös  und  ziemlich  weich;  die 
Felsen  sind  hier  nicht  au  allen  Orten  sichtbar,  sondern  nur  hie 


1  Verhandlungen  d.  k.  k.  geol.  Reichsanstalt,  1867,  pag.  3. 
E.  Favre,  Etüde  stratigraphique  de  la  partie  sud-ouest  de  la  Crimee, 
1877,  pag.  39. 


284  Z  1  :i  t  a  1-  s  k  i, 

und  da,  wo  die  Gehäuge  steiler  sind.  Gegen  0  entfernen  sie  sich 
auf  3 — 4  Kilometer  vom  Isker,  und  verschwinden  sodann  unter 
dem  aschgrauen  Löss,  ähnlich  so  wie  bei  Devenci.  In  Staroselci 
sind  die  meisten  Häuser  in  den  Löss  eingehauen  —  echte  Trog- 
loditenwohnstätten.  Rings  herum  erheben  sich  pseudo-oolithische 
Felsen,  die  aus  Myriaden  von  Thiergehäusen  zusammengesetzt 
sind.  Mit  der  Lupe  erkennen  wir :  Nodosnria,  Rosaüjia,  Polysto- 
mella;  von  Mollusken  finden  sich  Cei  itliium  ruhiginosum  Eichw., 
Cardium  obsolet nm  Eichw.,  Trochus  etc. 

Südwestlich  vom  Dorfe,  an  der  Strasse  nach  Pleven, 
gewahren  wir  einen  kleinen  See,  rais  dem  das  Wasser,  wie  aus 
einem  unversieglichen  Quell,  herausrieselt.  Man  erzählte  mir, 
dass  sich  dieser  See  vor  etwa  15  Jahren  plötzlich  von  selbst 
gebildet  und  hiebei  eine  grosse  Überschwemmung  im  Dorfe  ver- 
ursacht habe. 

Von  Staroselci  aus  verfolgte  ich  den  Lauf  des  Isker  bis 
Svirca,  von  wo  ich  über  ein  Querthal  zu  einer  Quelle  gelangte, 
und  nach  kurzer  Rast  den  Weg  über  die  Höhen  einschlagend, 
Cengene-Seraj  (jetzt  in  Trümmern)  passirte,  um  nach  Oreovica 
zu  gelangen.  Bei  jener  Quelle  sind  die  sarmatischen  Felsen  stärker 
oolithisch,  als  die  früheren;  die  Schichten  sind  fast  horizontal. 

Bei  Svirca  finden  wir  eine  Art  gelblichrothen  Sandstein 
von  ziemlicher  Festigkeit,  der  fast  ausschliesslich  aus  Fora- 
miniferen  zusammengesetzt  ist;  diese  sind  so  dicht  aneinander- 
gedrängt,  dass  man  sie  kaum  mit  der  Lupe  unterscheiden  kann. 
Dieser  Sandstein  bildet  die  obere  Partie  der  oolithischen  Felsen, 
und  wird  in  schönen  Platten  gebrochen. 

Der  Landstrich  zwischen  Svirca  und  Oreovica  erscheint 
infolge  der  vier  Hügel,  die  ihn  durchziehen,  wellenförmig.  Die 
festen  Gesteine  verlieren  sich  unter  der  fruchtbaren  mit  mürbem, 
Löss  vermengten  Ackererde.  Von  dem  letzten  und  höchsten 
Hügel  aus  erblickt  man  die  Mündung  des  Isker  in  die  Donau  und 
die  gegenüberliegenden  Flächen  rumänischer  Ufer.  Auch  hier 
treffen  wir  auf  dieselben  Kalkfelsen  wie  bei  Svirca,  und  auch 
hier  sind  Cardium,  Tapes  (in  geringerem  Masse  Cerithien)  die 
gewöhnlichsten  und  am  reichlichsten  vertretenen  Versteinerungen. 

Grössere  Platten  von  sarmatischem  Gestein  bricht  man  in 
der  Umgebung  von  Oreovica. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  28& 

Vor  Slavovica,  gegenüber  von  Kruseven,  konnte  ich  das 
folgende  Profil  aufnehmen: 

1.  Zu  Oberst  Löss. 

2.  Fettiger,  lehmiger  Mergel  (7 — 8  Meter),  verschieden 
gefärbt:  bläulich,  grünlich,  röthlich  oder  gelblich.  Gegen  die 
Mitte  erblickt  man  eine  dünne  Schichte  (etwa  10  Ctm.)  mit 
Fossilien  und  darüber  Gyps  bis  zu  einem  Meter;  derselbe  wird 
Ton  der  Bevölkerung  fleissig  abgebaut.  Unter  der  dünnen  Fos- 
silienschichte liegt  eine  andere  noch  dünnere  (2 — 3  Ctm.)  von 
braunem  Tegel  und   unmittelbar  darauf  folgt  lehmiger  Mergel. 

3.  0-40  Meter  dicke  Sandschichte. 

4.  4  — 5  Meter  Tegel  und  lehmiger  Mergel  mit  Gyps;  in  den 
unteren  Partien  reichliche  Mengen  von  Versteinerungen. 

5.  1 — 2  Meter  oolithischer  Kalkstein.  Derselbe  ist  hier  in 
zwei  Formen  vertreten;  die  eine  besteht,  wie  der  weiter  oben 
beschriebene  Kalkstein,  aus  den  Gehäusen  verschiedener  Fora- 
miniferen,  die  andere  aber  ist  ein  pisolithischer  Oolith,  dessen 
einzelne  Kerne  gleich  gross  sind,  und  die  Stärke  eines  Hirse- 
kornes erreichen.  Sowohl  in  der  ersten,  als  auch  in  der  zweiten 
pseudo-oolithischen  Felsart  findet  man  grosse  Mengen  von  Fos- 
silien, und  zwar:  Modiola  Volhynica  Eichw.,  häufig;  Card'mm 
nbsoletum  Eichw.,  sehr  häufig;  Bulla  Lajonkaireana  Bast.^ 
Trochus  quadristriatus  Dub. 

6.  Zu  allerunterst  liegt  eine  dicke  Schichte  von  bläulichem, 
fettigem  ]\rergel,  der  sich  im  Flussbette  des  Isker  verliert. 

Ausser  den  genannten  Fossilien  finden  sich: 

Cardium  plicatmn  Eichw.  (Nur  ein  unvollständiges  Exemplar.) 

Tapes  gregaria  Part  seh.  Alle  mögliche  Formen,  dickschalige  Exem- 
plare. (Häufig.) 

Mactra  Podolica  Eichw.  (Kommt  auch  bei  Slavovica  vor.)  Sehr 
häufig. 

Solen  sitbfragilis  Eichw.  i  Hörn  es,  op.  cit.  II,  p.  14,  Tat'.  1,  Fig.  12, 
13.)  (Nur  zwei  unvollkommene  Exemplare.) 

Trochus  quadristriatus  Dub. 

Trochus  pictus  Eichw.  Sehr  häufig. 

TrucliHS  Poppelacki  Part  SC  h.  (Wohl  kaum  von  Tv.  quadristriatus  vai 
unterscheiden.)  Haben  ihre  rothbräunlichen  Farbenzeichnungen  bewahrt. 

Trochus  Podolicus  Dub.  (Hörnes,  op.  cit.  I,  p.  447,  Taf.  45,  Fig.  2.) 
Bei  Slavovica,  im  Iskerthale,  finden  wir  verschiedene  Varietäten  von  dieser 


286  Z  1  ii  t  a  r  s  k  i, 

Schnecke.  Manche  sind  länglich,  andere  zusammengedrückt.  Die  Knotung 
ist  überaus  variabel.  Unsere  Formen  nähern  sich  in  Gestalt  und  Grösse 
jenen  von  Bessarabien. 

Cerithium  disjunctiim  Sow.  Ausserordentlich  häufig. 

Cerithiuin  plicatuin  Brug.  Einige  schöne  Exemplare. 

Cerithiim  Üitboisi  Hörn  es.  Nur  eine  kleine  Anzahl,  doch  sind  die 
Individuen  prächtig  erhalten. 

Cerithium  uodoso-plicatiim  Hörne s.  (Kommt  häufiger  vor  als  die  vor- 
hergehende Art.) 

Cerithium  ruhiginnsum  Eichw.  (Ein  einziges  Exemplar.) 

Cerithium  jiictum  Bast.  In  geringer  Anzahl. 

Buccinum  duplicatum  Sovr.  var.  Schwer  von  dem  Y'\A\nav  Buccinum 
zu  unterscheiden. 

An  diesem  Orte  findet  sich  demnach  am  häufigsten  Cerithium  dis- 
junctum  vor,  und  am  seltensten  Cardium  piicatum,  Solen  subfragilis  und 
Cerithium  ruhiginosum. 

Südwestlicli  A'on  Gigeu-Mahala  erstreckt  sich  ein  Hügel  bis 
zum  Isker.  Derselbe  besteht  in  seinen  obersten  Partien  aus  Löss, 
der  ungefähr  5 — 7  Meter  stark  ist  und  unregelmässige  Kalkcon- 
cretionen  aufweist;  allmälich  gebt  derselbe  in  Sandstein  über, 
und  zwar  zu  allererst  in  Schotter  und  sodann  in  grobkörnigen 
schwacbzusammenhängenden Sandstein,  der  auch  Eruptivgesteine 
enthält.  Anfangs  hat  dieser  Sandstein  das  Gefüge  eines  Conglo- 
merates,  später  wird  er  psammitisch  und  zu  allerunterst  ist  er  bläu- 
lich und  mergelig.  An  dem  Flusse  kommen  unter  dem  Sandsteine 
oolithische  Kalkfelsen  zum  Vorschein.  Dieselbe  Reihenfolge 
constatiren  wir  auch  am  linken  Iskerufcr. 

Ein  wenig  nördlicher  erblickt  man  vor  Gigen-Mahala  den- 
selben Löss  mit  den  Concretionen  und  darunter  eine  Schichte 
(5 — 10  Ctm.  dick)  von  Kreidekalkschotter;  sodann  folgt  grün- 
licher, sandiger  Mergel  (etwa  25 — 30  Ctm.  stark),  in  dem  eben- 
falls Kreidebruchstücke  vorkommen.  Zu  unterst  breitet  sich  auch 
hier  oolithischer  Kalkstein  aus,  und  zwar  u)  dichter  Oolith, 
dessen  einzelne  Körner  kaum  mit  der  Lupe  erkannt  werden 
können;  erinnert  stark  an  jenen  von  Svirca;  b)  Oolith,  der  seiner 
Structur  nach  mehr  einem  Muschelconglomerate  ähnlich  sieht; 
zusammengesetzt  ist  derselbe  aus  den  Gehäusen  unzähliger 
kleiner  Thierchen  und  geringen  Mengen  von  Lehm.  In  dem- 
selben kommen  am  häufigsten  vor:  Trochus  pictua,  Tr.  quadri- 
strialus,  Tapes greguria,Cardium  obsoletum  VLndßlodiola  Volhynica. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  287 

Fassen  wir  das  Gesagte  in  Kürze  zusammen: 
Die  sarmatischen  Ablagerungen  beginnen  im  Süden  unweit 
Devenci  mit  einem  bläulichen  Mergel,  den  man  von  jener  bei 
der  Vidbrücke  vorkommenden  Art  gar  nicht  unterscheiden  kann. 
Über  dem  Mergel  liegen  Sandschichten,  Sandmergel  und  zu  oberst 
Kalkschichten.  Alles  concordant  zu  der  oberen  Kreideformation 
und  leicht  nach  N  geneigt.  Einer  ähnlichen  petrographischen 
Vertheilungbegegnen  wir  in  Westbulgarien  im  Gebiete  des  Timok  ^ 
und  östlich  von  diesem  Flusse  gegen  St.  Peter,  Bojnica  etc. 
Die  sarmatische  Stufe  ist  im  Iskerthale  durch  ihre  untersten 
Schichten  vertreten ;  sie  ist  hier,  wie  im  Wiener  Becken,  durch 
Mure.v  suhlavafus,  Cerithium  pictum,  Cerithium  rubiginosum  und 
Cerithium  nodoso-pUcaturn  charakterisirt.  Formen,  welche  im 
östlichen  Theile  Bulgariens  und  in  der  Dobrudza,  Krim,  in  Süd- 
russland ^  fehlen,  dagegen  aber  westwärts  davon  häufig  vor- 
kommen. Die  sarmatische  Stufe  kommt  wohl  auch  an  einzelnen 
Orten  im  östlichen  Bulgarien  zum  Vorschein,  so  zum  Beispiel  bei 
Tropcilar  und  Bajram-Bunar,  zwischen  Sojakli  und  Srnebe-köj 
(sämmtlich  im  Kreise  von  Silistra),  sowie  an  den  Ufern  des 
Schwarzen  Meeres  bei  Balcik  und  Varna;  doch  gehören  diese 
Schichten  zu  der  oberen  Abtheilung  derselben.  Bei  Balcik 
zeigen  sich  unter  den  Kalkbänken  mit  Mactra  Podolica  und 
Ervilia  Podolica  keine  cerithiumf  Uhren  den  Ablagerungen, 
sondern  ein  weisser,  kreidiger  Mergel,  der  einen  ausserordent- 
lichen Eeichthum  an  dickschaligen  Exemplaren  von  Mactra  und 
von  einer  Helis^  aufweist,  und  meines  Wissens  im  westlichen 
Europa,  noch  nirgends  gefunden  worden  ist.  Man  könnte  den- 
selben für  gleichwerthig  mit  den  unteren  Partien  der  sarmatischen 
Ablagerungen  ansehen.*  E.  Favre  erwähnt  ähnliche  Vorkomm- 
nisse aus  der  Dobrudza  und  Krim.  '^ 


1  Fr.  Toula,  Die  sarmat.  Ablag,  zw.  Donau  und  Timok  etc.  pag.  3. 
M.  vgl.  auch  Period.  Spisanije  VI,  pag.  63. 

-  E.  Favre,  Op.  cit.  pag.  40. 

3  Es  ist  Helix  cincta  Müll.,  die  bis  auf  den  heutigen  Tag  auf  der 
Balkauhalbinsel  lebt. 

■i  G.  Zlat  arski.  Geologisches  Profil  von  Vidin  über  Bojnica  etc. 
pag.  14. 

ö  E.  Favre,  Op.  cit.  pag.  40. 


288 


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Geolos'ische  Untersiichimg-en  im  centralen  Balkan  etc. 


289 


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290  Z  1  a  t  a  r  s  k  i, 

Von  Grigen-Mahala  aus  erweitert  sich  das  Iskertlial  in  eine 
umfangreiche  mit  dickem  Löss  bedeckte  Ebene.  Dieselbe  erstreckt 
sich  nach  N  bis  zu  den  Ufern  der  Donau,  nach  W  bis  zu  den 
sarmatischen  Felsen,  die  sich  zwischen  Kriiseven  und  Beslij 
erheben,  und  nach  0  bis  zum  rechten  Vidufer,  Der  Fluss  Isker, 
der  hier  besonders  ruhig-  und  gelassen  dem  Donauthale  zufliesst, 
macht  noch  vor  seiner  Mündung  einige  bedeutende  Windungen. 
Das  mangelnde  Gefälle  bedingt  die  Entstehung  von,  zum  Theile 
ziemlich  umfangreichen  Lachen,  deren  einige  während  des 
Sommers  austrocknen,  andere  aber  selbst  der  grössten  Hitze 
trotzen,  und  sich  in  wahre  Pestherde  verwandeln.  Im  östlichen 
Theile  dieses  Thaies  erblicken  wir  auch  einige  ansehnliche 
Fischteiche.  Nur  in  der  unmittelbarsten  Nähe  des  Isker  und 
nördlich  von  Gigen  sind  einige  kleinere  Complexe  von  jungen 
Weidenbüschen  zu  sehen,  der  übrige  Theil  des  weiten  Thaies  ist 
nur  mit  Riedgräsern  und  Schilf  bedeckt.  Das  Donauufer  ist  in 
dieser  Gegend  niedrig,  im  Gegensatze  zum  walachischen,  wo  es 
ziemlich  hoch  und  mit  einigen  hübschen  Städtchen  besetzt  ist: 
Cilej,  Korabia  etc.  Westlich  von  Beslij  erhebt  sich  wieder  das 
rechte  Donauufer.  Unter  dem  mächtigen  Löss  erblicken  wir  hier 
an  vielen  Orten  Bänke  sarmatischer  Bildungen. 

In  Gigen  werden  viele  römische  Alterthümer  ausgegraben; 
fast  in  einem  jeden  Hause  kann  man  archäologische  Gegenstände 
gewahren :  Steinplatten  mit  Inschriften,  Sarkophage,  Reliefpfeiler 
aus  Marmor  etc.  Die  alte  römische  Stadt,  deren  Trümmer  zu 
Tage  gefördert  werden,  hiess  Ulpia  Oescus  und  lag  nördlich  von 
Gigen.  Man  deckt  noch  immer  hie  und  da  kolossale  Gebäude  auf. 
Eine  grossartige  Wasserleitung  aus  dem  Iskerthale  zieht  an  der 
Mahlenska-Mogila,  später  auch  an  Gigen  selbst  vorbei;  dieselbe, 
schon  an  einigen  Stellen  durchbrochen  —  bei  Mahala  und  bei 
dem  Dorfe  —  weist  hier  eine  bedeutende  Breite  aui';  in  Gigen 
beträgt  sie  2  Meter,  bei  einer  Höhe  von  nur  1-5  Meter;  aufgebaut 
ist  die  betreffende  Wasserleitung  aus  tertiären  Gesteinen  aus  dem 
Iskerthale.  Zu  den  Bauten  der  alten  Stadt  wurden  ausser  sarma- 
tischen Steinen  noch  Kreidefels  und  schöner  Marmor  vei*wendet; 
der  erstere  stammt  aus  dem  Vidthale,  der  zweite  aber  ist  gewiss 
aus  sehr  weitentfernten  Orten  hergebracht  worden.  (M.  vergl. 
Taf.  III.) 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  291 

II.  Ton  (xigeu  längs  des  Flusses  Yid  nach  Pleven. 

1.  Von  Gigen  über  Brest,  Zlakuciiio,  Kacamunica 
nach  Pleven.  Der  Landstrich  zwischen  Gigen  und  Brest  ist  von 
ermüdender  Monotonie;  links  von  der  Strasse  erheben  sich  unweit 
der  Lachen  sieben  Tumuli,  rechts  aber  sieht  man  einige  Terrassen 
im  Löss.  Bei  Brest  hebt  ein  ziemlich  bedeutendes  Plateau  an, 
das  manche  Hügel  und  Thäler  aufweist,  und  in  allen  Aufschlüssen 
und  Wasserrissen  nichts  als  Löss  ei'kenuen  lässt.  Über  dasselbe 
stieg  ich  in  das  Vidthal  hinab. 

Von  den  Höhen,  die  Brest  von  Zlakucino  trennen,  sieht  man 
sehr  deutlich  die  Windungen  des  Vidflusses,  sowie  auch  die  Donau 
und  die  oben  beschriebenen  Lachen,  die  sich  im  W  bis  zum  erst- 
genannten Fluss  erstrecken.  Östlich  vom  Vid  gewahrt  man  in  der 
Ferne  weisse  Kalkfelsen,  die  sich  bei  Somovit  ziemlich  hoch  und 
steil  über  das  Niveau  der  Donau  erheben.  Die  Schichten  dieser 
Felsen  liegen  fast  horizontal  und  können  sogar  von  Weitem  genau 
unterschieden  werden.  Wie  wir  uns  später  überzeugen  konnten, 
gehören  diese  Felsen  der  Kreideformation  an. 

An  den  Abhängen  gegen  Zlakuceni  findet  man  hie  und  da 
Kreidekalke  mit  Hemipneustes  stinato-radiatus  d'Orb.,  Ostrea 
vesicularis  Lam.,  Janira  cfr.  quadricostata  Sow.  u.  a,,  wie  sie 
auch  in  der  Umgebung  von  Pleven  (Kajalyk)  und  im  Vidthale 
gefunden  werden.  So  viel  ich  ersehen  konnte,  ist  dies  jedoch  kein 
anstehendes  Vorkommen,  sondern  höchst  wahrscheinlich  beim 
Bau  der  nahen  Strasse  aus  dem  östlichen  Gebiete  des  Vidflusses 
hieher  transportirt  worden.  Diese  Strasse  datirt  gewiss  aus  den 
Zeiten,  da  Llpia  Oescus  noch  florirte,  rührt  also  von  den  Eömern 
her  und  nicht  von  den  Türken,  wie  die  Tradition  wissen  will. 

Gegenüber  von  Komarevo  sind  die  weissen  Kreideschichten 
fast  horizontal  gelagert:  das  Gestein  ist  nicht  besonders  fest.  Aus 
den  vom  anderen  Ufer  herübergebrachten  Gesteinen  sammelte  ich 
folgende  Fossilien: 

Ostrea  vesicularis  Lam.  in  grossen  Exemplaren,  i 

Pecten  cfr.  virgattis  Nils.  (Zittel,  Die  Bivalven  der  Gosaugebikle, 
p.  109,  Taf.  17,  Fig.  8.)  Das  einzige  kleine  Exemplar  in  meinem  Besitze 
erinnert  sehr  an  die  von  Zittel  beschriebene  Art. 


1  Eines  der  an  Prof.  Toula   eingesandten  Exemplare  scheint  nach 
seiner  Angabe  mehr  an  Ostr.  Hippopodium  Nils,  auzuschliessen. 


292  Z  1  a  t  a  r  s  k  i , 

Lima  sp.  Nur  einige  Bruchstücke  einer  grobrippigen  Art. 

Auf  eine  kurze  Strecke  hin  treten  bei  Komarevo,  am  Süd- 
ende des  Dorfes,  einige  horizontale  Schichten  von  aschgrauem, 
dichtem  und  sehr  festem  Kalkstein  hervor,  aus  welchem  ich 
folgende  Fossilien  herausschlagen  konnte: 

Neitliea  (Janira)  cfr.  qimdricostata  Sow. 

Inoceramus  cfr.  mi/tüoides  Maut.  Erinnert  an  den  Inoceramiis  aus  dem 
Plänersaudstein  bei  Trziblitz. 

Panopaea  sp.  nähert  sich  der  Form  nach  am  meisten  der  Panopaea 
frequens  Zitt.,  doch  unterscheidet  sie  sich  andererseits  von  derselben  durch 
ihre  bedeutendere  Grösse.  Erstere  wird  50 — 60  Mm.,  unsere  Form  dagegen 
90—100  Mm.  hing. 

Steinkerne  von  Circe  (?)  hat  grosse  Ähnlichkeit  mit  C.  disciis  Math, 
sp.  (Zittel,  op.  cit.  p.  24,  Taf.  III,  Fig.  7.) 

Pecten  vielleicht  P.  Nilsoni  Goldf. i 

t^ber  den  fossilienreichen  Kalkbänken  liegt  ungefähr  ein 
Meter  conglomeratförmiges  Greröll  (wachsgelblicher  Kiesel,  Sand- 
und  Kalkstein  etc.),  mit  kalkigem  Cement  verkittet.  Über  dem 
Conglomerat  breitet  sich  gelblichgrauer  Löss  aus. 

Dieselben  Kreidekalkgesteine  wie  bei  Komarevo  stehen 
auch  in  Kajalyk  bei  Pleven  an  und  erstrecken  sich  von  hier 
sicher  nach  0  hin,  sind  jedoch  unter  dem  weichen  und  weissen 
Gestein  verborgen.  Bei  Komarevo  wurden  sie  infolge  einer  Schatz- 
gräberei  aufgeschlossen. 

In  der  Gegend  von  Ribiua  beginnt  der  gelblichgraue,  lehmige 
Kalk;  derselbe  enthält  grosse  Stücke  von  schwarzem  Kiesel,  und 
gehört  wohl  zum  echten  Plänerkalk.  Dasselbe  Gestein  gewahren 
wir  auch  bei  Kacamunica,  wo  viele  Cidaritenstacheln,  die  die 
grösste  Ähnlichkeit  mit  Cidaris  Fanjas'i  Desor.  haben,  und  ver- 
schiedene Bryozoen,  Sei-pula  (?),  Lima  etc.  vorkommen.^ 


1  Das  Gestein  dieser  letzteren  Vorkommen  unterscheidet  sieh  etwas 
von  dem  der  anderen  Formen,  es  ist  grau  gefärbt  und  dicht. 

2  Die  lichten,  mehr  weniger  erdig-kreidigen  und  mürben  Kalke,  wie 
sie  hier  und  bei  Komarevo  auftreten,  stimmen  nach  Toula's  Meinung 
ohne  Zweifel  mit  den  von  Foetterle  zwischen  Ütchündol  und  Beklesch 
angeti'oifenen  überein.  Sogar  das  Vorkommen  von  „schwarzem  Hornstein" 
findet  sich  erwähnt.  (Verhandl.  1869,  p.  192,  wo  sie  für  Eocän  u.  1.  c.  p.  373, 
wo  die  Altersbestimmung  richtig  gestellt  und  die  betreffenden  Abi.  für 
obercretacisch  erklärt  werden.  M.  vgl.  auch  Hochstettcr,  Jahrb.  d.  k.  k. 
g.  R.  1870,  p.  402. 


Geologische  ÜDtersuchimgen  im  centralen  Balkan  etc.  293 

Bei  Bivolari  ging-  ich  auf  die  rechte  Seite  des  Vid.  Noch 
bevor  wir  dieses  Dorf  erreichen,  erblicken  wir  auf  den  umliegen- 
den Höhen  Leithakalk,  der  anzeigt,  dass  wir  nunmehr  in  das 
Gebiet  der  Mittelmeerstufe  eintreten. 

Es  finden  sich  hier  besonders  wohl  erhalten  Korallen,  ein 
wahres  Korallriff  bildend,^  worauf  übrigens  gleichfalls  schon 
Foetterle  aufmerksam  gemacht  hat  (1.  c.  p.  374).  Zwischen 
Bivolari  und  der  Mühle  Zlatan's  kommt  unter  dem  Leithakalk 
bläulicher  Mergel  zum  Vorschein,  der  mit  jenem  bei  der  Vidbrücke 
übereinstimmt  (man  vergleiche  weiter  unten). 

Das  Becken  von  Pleven  öffnet  sich  in  der  Richtung  von  0 
nach  W  zwischen  den  Hügeln  von  Opanec  und  den  nahegelegenen 
Weinbergen.  Inmitten  dieses  Beckens  fliesst  der  Bach  Tucenica, 
der  unweit  Opanec  sich  in  den  Vid  ergiesst.  Dieses  kleine  Becken 
ist  mit  Alluvium  bedeckt  und  von  bläulichem  Mergel,  den  ich  für 
miocän  halte,  erfüllt.  Dort,  wo  die  kleinen  Querthäler  sich  durch- 
kreuzen, sieht  man  diesen  letzteren  ganz  deutlich.  Er  erschliesst 
sich  noch  an  einigen  Stellen  der  Ränder  des  Beckens,  doch  ist  er 
im  südlichen  Gebiete  nirgends  zu  gewahren,  weil  er  hier  unter 
dem  Tegel  liegt,  der  sich  in  den  Weinbergen  bis  an  die  Vidbrücke 
ausdehnt.  Dies  alles  zeigt,  dass  die  miocäne  Mediterranstufe  sich 
im  N  gegen  Opanec  und  Bivolari  hin  ausbreitet,  im  S  aber  bis 
Trnina  reicht.  Die  Stadt  Pleven  erhebt  sich  im  südöstlichen 
Theile  des  Beckens. 

2.  Von  Pleven  bis  zur  Vidbrücke,  längs  des  Flusses 
nachTrnica;sodannüberKartazabeni,ücindol,Bogot, 
Tucenica,  Radisevo  nach  Pleven  zurück.  In  der 
unmittelbaren  Nähe   der  Vidbrücke    erschliessen    sich    auf  der 


1  Herr  Prof.  Toula  theilt  mir  über  einen  grösseren,  ihm  zur  Ansicht 
zugesendeten  Korallen-Stock  mit,  dass  er  mit  der  im  österreichischen  Miocän 
verbreiteten /Te/ias^raeö  Äewsseöwa  M.  Edw.  et  H.  vollkommen  überein- 
stimmt und  im  Erhaltungszustande  von  den  Stücken  von  Lapugy  in  Sieben- 
bürgen nicht  unterschieden  werden  könne.  (Reuss,  Denkschr.  d.  k.  Ak.  in 
Wien XXXI.  Bd.  240,  Taf.  IX,  Fig.  2.)  Liegt  auch  als  Steinkem  vor.  Ein  Stock- 
Bruchstück  einer  Form  mit  grösserem  Zellendurchmesser  lässt  sich  nach 
'J'oula  mit  ziemlicher  Sicherheit  als  Heliastraea  Defrancei  M.  Edw.  et  H.) 
fl.  c.  Taf.  IX,  Fig.  3  u.  X,  Fig.  1,  pag.  239)  bestimmen.  In  einem  serpula- 
reichen  Kalke  liegt  auch  ein  Steinkern  von  Cypraea  sp.  vor. 


294  Z  1  a  t  a  r  s  k  i , 

rechten  Flussseite  Mergel-  und  Lehmschiclitenj  über  welchen  man 
eine  zerbrochene  Bank  von  Leithakalk  gewahrt.  In  den  untersten 
bläulichfarbigen  Mergelschichten,  die  an  dem  Flusse  zum  Vor- 
schein kommen,  finden  wir  keinerlei  Versteinerungen;  sie  unter- 
scheiden sich  in  keiner  Beziehung  von  den  Mergeln  aus  dem 
Becken  von  Pleven,  Opanec  oder  Bivolari.  In  dem  fettigen  grau- 
weissen  Tegel  kommen  hingegen  sehr  viele  Fossilien  vor,  die, 
wie  schon  Foetterle  zeigte,  ganz  und  gar  jenen  von  Baden  bei 
Wien  ähnlich  sehen.  In  den  oberen  Partien  des  Tegels  finden  wir 
Bruchstücke  von  „Nulliporen-  oder  Leithakalk"  und  krystallisirten 
Gyps.  In  Faserform  erfüllt  dieser  Gyps  die  Sprünge  und  Risse 
des  Tegels,  der  wieder  infolge  seiner  starken  Imprägnirung  mit 
schwefelsauren  Salzen  unablässig  weitere  Gypsmassen  pro- 
ducirt.  1 

Den  bläulichen  Mergel  sieht  man  auch  südlich  von  der 
Brücke,  an  dem  rechten  Vidufer,  den  Tegel  jedoch  nur  zuweilen. 
Unweit  Plasigas  kommt  dieser  letztere  wieder  zum  Vorschein; 
über  ihm  liegt  Leithakalk,  der  jedoch  auch  hier  keine  compacte 
Masse  bildet.  In  zusammenhängenderen  Massen  finden  wir  den  Kalk 
nur  an  den  höher  gelegenen  Orten;  in  den  Niederungen  kommt 
er  nur  in  Form  von  grösseren  oder  kleineren  Bruch-  und  Roll- 
stücken vor.  Gegenüber  von  Plasigas^  stossen  wir  nochmals  auf 
Tegel  mit  Gyps  und  Fossilien  und  weiter  unten  auf  bläulichen 
Mergel.  Ein  prächtiges  Profil  erschliesst  sich  den  Augen  des 
Beschauers  an  den  Stellen,  wo  der  Vid  das  rechte  Ufer  immer 
mehr  und  mehr  unterwühlt  und  auswäscht.  (Man  vergleiche  auch 
V.  Fritsch.) 

Auf  den  Hügelhöhen  um  Desivica  und  Trnina  herum  finden 
wir  den  nämlichen  Leithakalk,  den  wir  auch  bei  Bivolari  zu 
betrachten  Gelegenheit  hatten. 

Bei  der  Vidbrücke  und  gegenüber  von  Plasigas  wurden 
gesammelt: 


1  Näheres  im  VII.  Bd.  des  Period.  Si)isaiiije,  pag.  93 — 94,  Jahrg.  1884. 

2  Dieses  Dorf  hig  noch  vor  dein  letztem  russisch-türkischen  Kriege 
am  rechten  Ufer  des  Vid;  erst  später  übersiedelten  dessen  Einwohner  auf 
das  linke  Ufer.  Unter  den  Euinen  des  frühereu  Plasigas  finden  wir  nur 
fossilienreichen  Tegel. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc. 


295 


Nr. 


Name 


Bei  der 

Vid- 
b  rücke 


Gegen- 
über von 
Plasiffas 


1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

U 

15 

16 

17 

18 

19 

20 

21 

2-2 

23 

24 

25 

26 

27 

28 


Conus  Diijar (Ulli  De sh 

Ancillaria  civ.  obsoletaD  Qsh. 

Riiigicula  biiccinea  Desh 

Colutnbella  sithulatn  Bell 

Ter  ehr  a  bistriala  Grat 

Buccinum  Badi'iiseVsiVisch. 

Buccinum  semistriatiiin  B  r  o  c  c 

Buccmum  costulatum  Brocc 

Cassis  Sabitronham 

Chenopus  pes  pelicaiii  Vhi\ 

Pleitrotoma  hirricola  BroGC 

Pleurotoina  spinescens  Pa.vtsc\i 

Ceritliium  spiita  Bartsch 

Turräella  siibangulaia  Bvonu 

JS'atica  helicma  Jirocc 

Chemnitzia  Reiissi  Harnes 

Dentalium  Badense  Bartsch 

Corbida  gibba  0\\Y\ 

Venus  multilamella  Lam 

Venus  plicata  Gmel 

O/therea  Pedemontana  A  g 

Curdita  Partschi  Goldf. 

Cardita  trapezia  Bvng 

Leda  fragilis  Chemmn 

Limopsis  anomalalhiG\i\y 

Area  diluviiljaiii 

.flrfa^/s;/m  Bartsch 

Pecten  cir.  Kokeni  Fncha 

Im  Ganzen 


+ 


+ 


24 


11 


Foetterle  erwähnt  noch  folgende  Fossilien,  die  ich  hier 
nicht  finden  konnte:  Conus  Noe  Brocc,  Pleurotoma  asperulata 
Lam.,  Anciliar ia  glandiformis  Lam.,  Cypraea  pyriim  Gmel., 
Turbinolia  duodecimcostata  und  Flabellum  cimeatum  Mich.^ 

An  der  rechten  ^Seite  des  Bächleins  Cernelka  erschliessen 
sich  neue  Kalklager,  deren  eigenartige  Fossilien  den  Beweis 
dafür  liefern,  dass  unweit  Cernelka  das  tertiäre  Gestein  aufhört 
und  nun  die  Eegion  der  oberen  Kreide  und  des  Turou  beginnt. 
Au  diesem  Orte  unterscheiden  wir  zweierlei  Felsarten:  aj  f^andi- 
gen  grauweissen  Kreidekalk  mit  spärlichen  glaukonitischen  Körn- 
chen und  ziemlich  häufigen  Bryozoen;    bj  weissen,   feinkörnig- 


1  L.  c.  pag.  374. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Gl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth. 


20 


296  Z  1  a  t  a  r  s  k  i , 

dichten  Kreidekalk,  reich  an  Discoporen  (Discopora  simplex 
Reu  SS  [Reuss:  Die  Versteinerungen  d.  böhm.  Kreideform. 
II.  Abth.,  p.  69,  t.  15,  Fig.  8).  Gleichen  vollkommen  der  Discopora 
aus  dem  Plänerkalke  bei  Biliu,  Hunsdorf  und  Kutschling  in 
Böhmen.  Ausserdem  findet  sich  auch  ein  Pecten  (vielleicht  der 
cenomane  Pecten  cretosus  Defr.,  Brongiart:  Geolog,  des 
environs  de  Paris,  p.  383,  pl.  III,  fig.  7),  eine  flache,  breite  und 
radialgestreifte  Form  und  andere  unbestimmbare  Bivalven.  Der- 
selbe enthält  auch  den  Eisenkies,  der  zum  grössten  Theile  in 
Eisenoxyd  und  Melanterit  umgewandelt  ist.  Mit  der  Lupe  erkennt 
man  auch  hier  die  Glaukonitkörnchen.  Bei  dem  Steinbruche  auf 
dem  rechten  Ufer  der  Cernelka  ist  von  einer  Schichtung  nichts 
ersichtlich. 

Bei  Kartazabene  erheben  sich  an  den  beiden  Seiten  der 
Cernelka  bis  zu  einer  Höhe  von  10 — 15  Meter  einige  dünn- 
geschichtete und  fast  horizontal  liegende  Kalke.  Bemerkenswerth 
ist  es,  dass  dieselben  nicht  eine  gleichmässige  Höhe  bewahren, 
sondern  dass  sie  in  sehr  verschiedenen  Niveaus  auftreten.  Zu 
oberst  liegen  die  erst  erwähnten;  dann  folgt  bläulicher,  mürber, 
thoniger  Kalk.  In  den  unteren  Partien  finden  wir  auch  Concretio- 
nen  von  härterem  Material;  zu  allerunterst  ist  der  Fels  bläulich 
und  viel  härter  als  in  den  oberen  Schichten. 

In  Kartazabene  entbehrt  die  Cernelka  eines  eigentlichen 
Flussbettes;  sie  fliesst  über  kahles  Gestein  und  zwischen  steilen 
Felsen.  Aus  dieser  Partie  sammelte  ich  in  kurzer  Zeit  folgende 
Fossilien: 

Pholadonuja  sp. 
Venus  sp. 

Isocardia  cfr.  Cnrantonensü  d'Orb.  (D'Orbigny,  Pal.  fr.  terr.  cröt.III, 
p.  48,  pl.  252,  Fig.  1 — 4.)  Nur  in  Steinkerneu,  entspricht  fast  vollkommen 
der  d'Orbigny 'sehen  Fig.  1.  Kommt  vor  im  Turouien  und  in  der  Etage  de 
V Ammonites  Rhotomagensis. 

Pecten  cfr.  cretosus  Defr.  in  einigen  flachen  Abdrücken. 

Pecten  membrunaceus  Nils.  (Goldfuss,  Petrefacta  Germaniae  II, 
p.  71,  Taf.  99,  Fig.  7.)  Diese  flache  und  glatte  Form  in  mehreren  zumeist 
zerbrochenen  grossen  Exemplaren,  die  sich  an  die  grossen  ungefiilteten 
Formen,  wie  sie  z.  B.  Geinitz  (Eibthalgebirge  I,  Taf.  34,  Fig.  8)  als  Tcrc' 
hratula  hiplicata  Sow.  od.  1.  c.  Fig.  6  als  Ter.  dcpressa  Lam.  aus  dem  Unter- 
pläner  von  Plauen  abbildet.  (Im  Plänerkalke.) 

Terebralula  sp. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  297 

In  der  Nähe  von  Karaguj  macht  die  Cernelka  einige  sehr 
starke  Windungen  und  fliesst  in  einem  ungemein  engen  Bette, 
das  von  den  oberwähnten^  vertical  in  die  Höhe  ragenden  Felsen 
begrenzt  ist.  An  vielen  Orten  kommen  hier  Höhlen  und  Klüfte 
vor,  in  welchen  unzählige  Eaubvögel  horsten. 

Auf  dem  flachen  Hochplateau  von  Brestovec  verschwindet 
der  Fels  unter  dem  fruchtbaren  Ackerboden.  Die  Ebene  ist 
wellenförmig  und  hat  nur  wenige  Thaleinsenkungen.  Bei  Ucindol 
verliess  ich  die  Hauptstrasse  und  gelangte  über  ein  kleines 
unbeuanntes  Thal  zu  den  Weinbergen  von  Bogot,  wo  in  einem 
kleinen  Steinbruche  der  nämliche  Kalk  wie  bei  Kartazabene 
gebrochen  wird.  Auch  die  Fossilien  sind  dieselben:  Discopora 
simplex  Reuss,  Pecten  und  andere. 

Nur  ein  Hügel  trennt  Bogot  von  Tncenica.  Dieses  letztere 
Dorf  liegt  in  einer  Thaleinsenkung  an  dem  gleichnamigen  Bache, 
an  dem  sich  Aufschlüsse  finden. 

Die  Ackererde  ist  hierorts  sehr  fruchtbar,  röthlich  oder  braun, 
mürbe  und  bröcklich,  und  erreicht  eine  Tiefe  von  1  Meter.  Unter 
dieser  sieht  man  eine  Art  aschgrauer  Erde  mit  weissen  hasel- 
nussgrossen  Kalkconcretionen;  dieselbe  wird  nach  der  Tiefe  zu 
kalkreicher,  bis  sich  zuletzt  Kalkfels  einstellt. 

Das  Dorf  Tucenica  liegt  am  linken  Ufer,  steilen  Felsen 
gegenüber,  die  sich  auch  nach  0  erstrecken,  aber  nicht  mehr 
dieselbe  Höhe  erreichen  wie  westlich  unweit  Pleven  in  dem  wild- 
romantischen Thale  der  Tucenica,  dem  sogenannten  „Kajalyk", 
auf  bulgarisch  „Kamenec". 

Gegenüber  der  Tucenica  kann  man  das  folgende  Profil 
beobachten: 

1.  Weissen,  halbkrystallisirten,  mittelkörnigen  Kalkstein, 
unvollkommen  spaltbar;  enthält  Pecten  sp.  Ungefähr  5  Meter 
mächtig, 

2.  Denselben  Kalkstein,  nur  ein  wenig  thonhältig;  beiläufig 
4  Meter. 

3.  Bis  zu  20  Meter  thonigen  Kalkstein;  derselbe  wird  je 
tiefer  um  so  thonreicher.  In  demselben  Verhältnisse  wächst  auch 
sein  Fossilienreichthum.  Die  untersten  Partien  dieses  Gesteines 
sind  thouig-mergelig,  der  Farbe  nach  bläulich  und  enthalten 
bedeutende  Mengen  von  schwarzen  Kieselstücken, 

20* 


298  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

4.  7 — 8  Meter  weissen,  dichten  Kalkstein  mit  weissen  Spatb- 
adern, in  dem  wir,  wie  auch  bei  Svinar  und  Kajalyk,  eine  grün- 
liche glaukonitische  Materie  gewahren.  Aus  den  tieferen  Tlieilen 
dieser  Kalksteiuschichte  entspringen  vier  mächtige  Quellen. 

Die  oberen  Schichten,  welche  ziemlich  viele  Petrefacten 
enthalten,  erscheinen  horizontal,  fallen  jedoch  wenig  geneigt  nach 
K.  In  den  mergeligen  Kalkschichten,  die  am  meisten  dem  Pläner 
ähnlich  sehen,  fand  ich  folgende  Fossilien: 

Cerilhium  sp.  viell.  Cer.  stibfasciatum  d'Orb.  (Fric.  Belohorske  a  mal- 
nicka  vrstvy,  p.  Iil6,  Fig.  59.)  Besitze  nur  ein  Bruchstück  von  einem 
Steinkerne. 

Natica  lamellosa  Rom.  (Reuss,  Verst.  d.  bölim.  Kreideform.  I,  p.  50, 
tab.  10,  Fig.  22.)  Dieselbe  Art,  die  Reuss  als  Natica  vulgaris  beschreibt, 
kommt  in  grossen,  doch  unvollkommenen  Exemplaren  vor. 

Dentalimn  und  Teilina  (nicht  näher  bestimmbar). 

Cytherea  sp.  ähnlich  der  Cißherea  Ilörnesi  Zitt.  (1.  c.  pag.  72,  Taf.  III, 
Fig.  5.)  Nur  im  Abdruck. 

Inoceramus  Crlpsi  Maut.  (Reuss,  op.  cit.  II,  p.  25,  Taf.  37,  Fig.  12.) 

Inoceramus  latus  Mant.  (D'Orbigny,  Pal.  fr.  terr.  cret.  III,  p.  513, 
pl.  408,  Fig.  1 — 2.)  Kommt  in  der  Tucenica  in  grossen  Mengen  vor. 

Inoceramus  problematicus  d'Orb.  (D'Orbigny,  op.  cit.  III,  p.  510, 
pl.  406.)  Nur  ein  Exemplar,  dem  der  Wirbel  fehlt,  mittlerer  Grösse.  Ausser 
den  aufgezählten  kommen  noch  andere  Inoceramen  vor,  doch  können  die- 
selben nicht  genauer  bestimmt  werden.^ 

Pecten  cir.  misoiii  Goläf.  (Goldfuss,  op.cit.II,  p.  71,  Taf  99,  Fig. 8.) 
Diese  Muschel  ist  platt  zusammengedrückt,  dünnwandig  und  fast  ganz  glatt. 
Die  Ohren  haben  mittlere  Grösse. 

Pecten  cfr.  cretosus  Defr.  Sehr  charakteristisch  und  jenen  von  Karta- 
zabeni  ausserordentlich  ähnlich. 

Pecten  cfr.  Rhotomagensis  d'O  rb.  Platt  zusammengedrückte,  jedoch  mit 
schönen  nicht  gleich  weit  von  einander  abstehenden  Radialstrahlen  ver- 
zierte Art;  auch  einige  concentrische  Furchen  sind  ersichtlich,  die  Ohren 
sind  ziemlich  gross  und  unsymmetrisch. 

Verschiedene  andere  Pecten-¥ ovmew. 

Lima  (?).  Em  Abdruck  ist  ebenso  breit  als  lang,  hat  eine  fast  qua- 
dratisch rundliche  Form,  ist  schwach  gewölbt  und  eben. 

Plicatiila  cfr.  aspera  Sow.  (Zittel,  op.  cit.  p.  120,  Taf.  19,  Fig.  1.) 
Nur  in  unvollkommenen  Exemplaren  vorliegend. 

Ausserdem  finden  sich  noch  einige  Austern  in  kleinen,  am 
Eande  leicht  gefalteten  Formen. 


1  Nach  Tonla  lassen  die  ihm  vorliegenden   Inoceramen  kaum  eine 
Gattungsbestimmung  zu. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  299 

Der  Weg  von  Tucenica  nach  Radisevo  fvilirt  über  zwei  Hügel ; 
in  der  dritten  Thaleinsenkimg  liegt  das  zweitgenannte  Dorf. 
Alles  umher  ist  mit  aschgrauer  Erde  bedeckt,  die  auch  Kalk- 
concretionen  enthält;  von  festem  Gestein  ist  weit  und  breit  keine 
Spur.  Beim  Abstieg  zur  Tucenica  in  der  Nähe  des  Monumentes 
„Bratska  mogila"  (Bruderhügel)  gewahren  wir  zunächst  die 
nämlichen  mergeligen  Kalksteine,  die  wir  bei  dem  Dorfe  Tucenica 
zu  sehen  Gelegenheit  hatten.  Hier  wie  dort  zeichnen  sich  die 
Schichten  durch  ihren  aussergewöhnlichen  Reichthum  an  Fossi- 
lien aus: 

Pecten,  Lima,  Exogyra  finden  sich  in  Steinkernform  und 
Ostrea  hippopodium  Kils.  (Reuss,  op.  cit.  II,  p.  39,  Taf.  21, 
Fig.  1,  2,  3)  in  jungen  Exemplaren.  Auch  Terebrateln  kommen  vor. 

Unter  diesen  Kalkmergeln  gewahren  wir,  wie  auch  bei 
Tucenica,  ein  weisses  halbkrystallinisches  Gestein  ohne  deutliche 
Schichtung.  Die  Mergel  sind  fast  vertical  durchbrochen  und  erheben 
sich  mauerartig,  verschieden  hoch  über  das  Niveau  der  Tucenica. 
Sie  sind  vielfach  zerklüftet  und  höhlenveich.^ 

Hier  können  drei  Etagen  unterschieden  werden: 

a)  Die  oberste,  welche  thonmergelig  ist,  und  in  welcher  sich 
Feuerstein  eingesprengt  vorfindet; 

b)  die  mittlere,  ein  weisser  zuckerartiger  Kalk,  in  welchem 
man  hie  und  da  glaukonitische  Körner  findet,  enthält  viele 
Fossilien:  Hemlpneustes,  Ostrea,  Pecten,  Janira,  Cardlum, 
Pholadomya  etc.,  die  wir  weiter  unten  betrachten  werden; 

c)  die  unterste,  die  bläulich  ist,  in  welcher  man  Fliuttheilchen 
bemerkt.  Sie  ist  arm  an  Versteinerungen. 

In  der  Nähe  der  grossen  Höhle,  die  sich  links  vom  Bache 
erstreckt,  sieht  man  sehr  gut  die  mittlere  Stufe,  reich  an  Ver- 
steinerungen. (Zumeist  als  Steinkerne  erhalten).  Dieser  Stufe  folgt 
mergeliger  Kalk.  In  der  Nähe  der  Mühle,  nicht  weit  von  der 
Strasse  nach  Lovec,  ragen  die  an  Fossilien  reichen,  weissen,  hier 
zuckerkörnigen  Kalke  hervor,  gehen  aber  in  einen  harten  und 
dichten  Kalkstein  über,  der  gleichfalls  reich  an  Versteinerungen 
ist.  Vor  Pleven  verschwinden  auch  sie  unter  den  thonmergeligen 


1  Zlatarski,   Geologische   und   palaeontologische   Untersuchungen 
zwischen  Pleven  und  Trojan-Balkan.  Period.  .Spisauije,  X,  188i,  p.  59,  60. 


300  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

Schichten,  die  wie  ein  Mantel  die  unteren  Theile,  die  wir  oben 
betrachteten,  bedecken.  Die  Schichten  fallen  hier  mit  5—6° 
nach  N. 

3.  Fossilien  ans  den  mittleren  Schichten  des 
Tucenicathales: 

Pletirotoma  sp.  (cfr.  perspectiva  Mant.  sp.)  (D'Orbigny,  op.  cit.  II, 
p.  525,  Taf.  196.)  Kommt  mir  in  Form  von  Steiukeruen  vor. 

Phasianclla  cir.  pusilla  Sow.  (Sowerby,  Observations  on  some  of  the 
strata  etc.  p.  343,  pl.  18,  fig.  13.) 

Dentalium  mediitm  Sow.  (Sowerby,  Mineral  Conchology  of  Great 
Britain,  pl.  79,  fig.  5,  6.) 

Pholadomya  aequivalvis  Gold  f.  sp.  (D'Orbigny,  Prodrome  de  Pale- 
outologie  stratigr.  iiuivers.  II,  b.  234)  hat  eine  Länge  von  22  Mm.  und  eine 
Breite  von  21  Mm.  Von  dieser  Art  besitze  ich  zwei  Exemplare  in  Stein- 
kernen. 

Teilina  seniicostata  Eeuss  (Reuss,  op.eit.II,  p.  19, Taf. 36, Fig.  11,12.) 
Unsere  Art  ist  niedriger,  doch  auch  länger  als  die  böhmische.  Liegt  nur  in 
einem  Abdrucke  vor. 

Cytherea  civ.polijmorpha  Zittel  (neue Form).  Unter  allen  am  häufigsten, 
jedoch  nur  in  Sternkernen  vorkommend;  hat  eine  rundliche,  ungleichseitige 
und  schwachgewölbte  Form;  der  Vordertheil  ist  abgerundet  und  um  die 
Hälfte  kürzer  als  der  Hintertheil.  Die  äussere  Oberfläche  ist  glatt.  Die  linke 
Schale  trägt  drei  divergirende  Schlosszähne,  von  denen  nur  die  zwei 
vorderen  stark  und  gut  entwickelt  sind;  der  hintere  steht  ihnen  an  Stärke 
weit  nach.  An  derselben  Schale  bemerken  wir  auch  einen  ziemlich  starken 
Lunularzahn,  der  eine  fast  horizontale  Lage  hat;  ihm  entspricht  auf  der 
rechten  Schale  eine  längliche  Vertiefung. 

Cardium  alternatinn  d'Orb.  (D'Orbigny,  op.  cit.  III,   p.  30,   pl.  246.) 

Cardimn  productum  Sow.  (D'Orbigny,  op.  cit.  III,  p.  31,  pl.  247.) 
Bei  unseren  Steinkernen  kann  man  die  dem  kegelartigen  Zahn  auf  der 
linken  Hälfte  entsprechende  Vertiefung  ganz  genau  unterscheiden.  Die 
Länge  des  Kernes  beträgt  beiläufig  48  Mm.,  die  Höhe  aber  62  Mm. 

Sphaeridites  sp.  viell.  Sph.  Stjiriacus  Zitt.  (Zittel,  op.  cit.  p.  75, 
Taf.  26,  Fig.  5,  6,  7.)  Der  Abdruck,  den  ich  in  meiner  Sammlung  habe,  ist 
sehr  unvollkommen.  Kommt  mit  Janiru  (Ne.'uhea)  quadricostata  im  Chlorit- 
kalk  des  Tucenica  Thaies  vor. 

Eriphijla  lenticularis  Goldf.  sp.  (Palaeontographica,  XX,  2,  p.  62, 
Taf.  17,  Fig.  12;  Taf.  18,  Fig.  1,  2)  ist  viel  länger  als  breit;  die  Schale  ist 
gleichseitig,  fast  oval  und  endet  in  einen  Wirbel,  der  nur  ein  wenig  nach 
vorne  gewunden  ist  und  fast  in  der  Mitte  steht.  Länge  36  Mm.,  Höhe  33  Mm. 

Pectimculina  sp.  viell.  P.  Giicrangeri  d'Orb.  (D'Orbigny,  op.  cit.  III, 
p.  183.  pl.  305,  Fig.  1 — 4.)  Diese  kleine  j\Iuschel,  deren  Höhe  nur  um  ein 
Geringes  das  Ausmass  der  Länge  übertrifft,  ist  fast  kreisrund,  wenig 
gewölbt  und  fast  vollkommen  glatt.   Nur  in  Abdrücken  vorliegend,   bei 


Geologische  Untersuchimgeu  im  centralen  Baikau  etc.  oOl 

welchen  man  nach  Toula's  ^Meinung'  auch  an  Limopsis  calvus  Sow.  sp. 
denken  könnte.  Von  den  zwei  Abdi'ücken,  die  ich  besitze,  ist  der  eine 
IJMm.,  der  andere  mir  8  Mm.  lang.  Limopsis  sp.  Ein  vorliegender  Steinkem 
lässt  nach  Toula's  Angabe  die  Bandgrube  und  die  grosse  Zahl  (15 — 18) 
schräg  gestellter  Zähne  deutlich  erkennen. 

Pecfunculus  sp.  viell.  P.  obsoletus  (Goldfuss,  op.cit.II,  p.löO,Taf.  126, 
Fig.  4)  oder  P.  Marrotianus  d'Orb.  eine  oval-rundhehe  Form;  nur  in  einem 
Steinkerne  vorliegend.  Der  Wirbel  ist  spitzig  imd  hakenfönuig  gebogen : 
die  Bandüächen  unter  demselben  sind  sehr  gut  erkennbar,  sie  sind  ziemlich 
stark  und  acht  an  der  Zahl.  Länge  30  Mm.,  Breite  fast  ebensogross. 

Pinna  cfr.  cretacea  Schloth.  (D'Orbigny,  op.  cit.  III,  p.  256,  pl.  333, 
Fig.  4,  5.) 

Gervillia  sp.  Von  dieser  Art  besitze  ich  nur  ein  Bruchstück,  dessen 
Breite  23—25  Mm.  beträgt.  Die  Oberfläche  der  Schalen  ist  glatt  und  mit 
concentrischen  Linien  bedeckt.  Hat  grosse  Ähnlichkeit  mit  G.  solenoides 
Defr. 

Neithea  (Janira)  aequicostata  Lam.  sp.  (Palaeontographica  XX,  1, 
p.  200,  Taf.  45,  Fig.  5—7.)  In  beiden  Schalen  vorliegend.  Die  oberen  sind 
gewöhnlich  gut  erhalten,  nur  die  Ohren  fehlen  ihnen.  Nach  d'Orbigny  ist 
die  Neithea  aequicostata  charakteristisch  für  die  unteren  Schichten  des  Turon 
sowohl  des  Pariser-  als  auch  des  mediterranen  Beckens. 

Neithea  quinqiiecostata  Sow.  sp.  (Palaeontogr.  XX,  p.  201,  Taf  45, 
Fig.  8—9.) 

Neithea   quadricostata    Sow.    sp.    (Zittel,    op.    cit.  p.    39,    Taf.    18, 
Fig.  4  a — h).  Unterscheidet  sich  von  der  N.  quinqiiecostata  durch  ihre  sechs 
weniger  stark  convexen  Hauptrippen. 
Spondiliis  sp.  (nur  ein  Bruchstück). 

Änomia  truncata  Geinitz  (Reuss,  op.  cit.  II,  p.  45,  Taf.  31,  Fig.  13) . 
Grösser  als  die  Exemplare  aus  dem  böhmischen  Plänerkalke. 
Exogyra  sp.  ind. 

Ostrea  cfr.  ungulata  H.  Coquand  (Monographie  du  geure  Ostrea, 
p.  58,  pl.  31,  Fig.  4 — 15).  Diese  längliche,  zusammengedrückt  rundliche 
und  gebogene  Ostrea  kommt  sehr  häufig  in  dem  Thale  der  Tucenica  bei 
Pleven  voi*. 

Serpula  gordialis  Schloth.  (Palaeontogr.  XX,  1,  p.  283,  Taf.  63 
Fig.  2-9.) 

Serpula  conjuncta  Gein.  (Geinitz,  Nachtr.  zur  Charakt.  IV,  p.  7, 
Taf.  4,  Fig.  6 — 9),  glatt,  cylindrisch,  beiläufig  1-5  Ctm.  im  Durchmesser.  (Im 
unteren  Plänerkalk.) 

Serpula  Ootatoorensis  Stol.  iPal.  Ind.  Cret.  F.iuna,  IV.  p.  65,  pl.  29, 
Fig.  9,  lOj  hat  ein  längliches,  rundlich-elliptisches,  glattes,  ebenes  und  sehr 
oft  gewundenes  Gehäuse.  Der  grösste  Durchmesser  misst  bis  zu  7  Mm. 

Hemipneustes  striato-r  ad  latus  d'Orb.  (D'Orbigny,  op.  cit.  VI,  p.  113, 
pl.  802,  803.)  Eine  der  verbreitetsten  Fossilien  aus  der  Umgebung  von 
Pleven;  unterscheidet  sich  von  der  d'Orbigny 'sehen  Art  nur  durch  die 


302  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

beträchtlichere  Grösse.  Unsere  Stücke  erreichen  eine  Länge  von  95  Mm., 
eine  Breite  von  80  und  eine  Höhe  von  60  Mm.;  folglich  übertreffen  sie  die 
französischen  in  der  Länge  nm  17  Mm. 

III.  Von  Pleyen  nach  Nikopol. 

Gegen  das  uördliclie  Ende  von  Pleven,  sowie  auf  dem  Wege 
nach  Bukovlek  wirdLelim  7a\  Ziegeln  verarbeitet. Er  verschwindet 
€rst  am  Fusse  des  Gebirgsabhanges,  wo  er  einem  bläulichen, 
undeutlich  geschichteten,  bröckeligen  Mergel,  ähnlich  jenem,  den 
wir  früher  bei  Opanec,  Plasigas  und  Dessivica  sahen,  Platz  macht. 
Dieser  Mergel  ist  die  Fortsetzung  des  obgenannten  Beckens. 

Auf  der  Höhe  des  Abhanges,  zwischen  Pleven  und  Bukovlek, 
von  wo  aus  man  das  ganze  Becken  und  einen  Theil  vom  Balkan 
übersehen  kann,  finden  wir  denselben  Mergel. 

In  dem  Bache,  der  auf  den  Grivicahöhen  entspringt  und 
durch  Bukovlek  fiiesst,  kann  man  nichts  gewahren,  was  den  Bau 
des  Hügels  verrathen  könnte.  Erst  gegen  die  Abhänge  des  zweiten 
Hügels  sieht  man  au  zwei  bis  drei  Stellen  weissen,  theilweise 
gelblichen  oder  gelblichblauen  Mergel,  von  derselben  Art,  wie  der 
früher  erwähnte,  nur  dass  er  einen  grösseren  Gehalt  an  Kalk 
aufweist.  In  der  grauröthlichen  Ackererde,  die  über  dem  Mergel 
liegt,  finden  wir  viele  Kalkconcretionen. 

Der  kalkige  Mergel  oder  Mergelkalk  ist  seinem  Alter  nach 
(ob  tertiär  oder  cretacisch)  kaum  zu  bestimmen. 

Fast  genau  in  der  Mitte  des  Weges,  zwischen  Pleven  und 
Brsljanica,  in  dem  Grundstücke,  das  „Pravitelsten  suvat"  genannt 
wird,  wurde  unlängst  ein  Steinbruch  eröffnet,  in  dem  wir  die 
obere  Kreide  aufgeschlossen  finden.  Die  Gesteine  sind  weiss, 
stellenweise  grau  oder  gelblich  und  kreidig- erdig.  In  frischem 
Zustande  ist  der  Fels  der  Farbe  nach  gelblich  und  besitzt  nur 
eine  mittelmässige  Härte;  wird  er  aber  einige  Zeit  der  Luft  aus- 
gesetzt, so  erhält  er  eine  schneeweisse  Farbe  und  vdrd  in  hohem 
Masse  bröckelig.  In  demselben  finden  wir  grauen,  gelblichen  und 
schwarzen  Feuerstein,  der  jedoch  selten  grosse  Concretionen 
bildet;  verkieselte  Spongien,  Belemniten  etc.  kommen  häufig  vor. 
Diese  Kreidescbichteu  beginnen,  ohne  eine  deutliche  Stratification 
aufzuweisen,  unter  dem  Ackerboden,  der  hier  kaum  15  Ctm. 
erreicht.  Von  Thierresten  finden  Avir  am  häufigsten:  Eschara  und 


Geologische  Untersiichungeü  im  centralen  Bnlkau  etc.  303 

andere  Bryozoen,  und  zwar  in  grosser  Menge  und  Mannigfaltigkeit. 
In  der  lockeren  weissen  Kreide  sind  noch  folgende  Fossilien 
reichlich  vertreten : 

Te7'ebrati/la,  meist  zerdrückt  und  entstellt.  Einige  darunter  sind  sehr 
gross  und  erreichen  eine  Länge  bis  zu  80 — 90  Mm.  Bei  einer  aufmerk- 
sameren Betrachtung  werden  wir  gewahr,  dass  manche  Exemplare  an 
T.  senilglohosa  Sow.  erinnern,  andere  wieder  an  T.  Carnea  Sow.,  mit  einem 
Schlosskantenwinkel  von  90 — 100°.  Schafliäutl  beschreibt  eine  grosse 
Terebraüila  aus  Teisenberg,  die  sehr  au  unsere  Art  erinnert,  unter  dem 
Namen  T.  ohesa  Sow.i  Die  in  der  Paläontologie  frangaise  abgebildete 
T.  obesa  unterscheidet  sich  aber  wesentlich  von  der  bayerischen;-  ich 
glaube,  dass  SchafhäutTs  T.  obesa  eigentlich  eine  T.  semiglobosa  oder 
T.  carnea  ist. 

Pecten  sp.  viell.  P.  cnlosus  Defr.  radialrippig,  mit  vielen  feinen  con- 
centrischen  Linien.  Sein  Vorkommen  ist  an  jene  Partien  der  Kreide 
gebunden,  wo  der  Feuerstein  unregelmässig  vertheilt  ist  und  gleichsam  als 
Bindemittel  des  Grundgesteines  fungirt.  Dieses  letztere  ist  aschgrau  oder 
gelblich  und  ist  überaus  reich  an  Bryozoen  und  Spongien  etc.  deren 
Bestimmung  ich  mir  für  später  vorbehalte.  Auch  Belemnüclla  cfr.  mucronota 
d'Orb.  findet  sich  mit  der  Kreide  verwachsen  und  so  stark  von  Kiesel 
durchdrungen,  dass  man  sie  nicht  unversehrt  herausschlagen  kann.  Nach 
dem  Querschnitte  zu  urtbeilen,  hätten  wir  es  eher  mit  B.  mucronata  als  mit 
B.  quadrata  zu  thuu. 

Zwischen  Pleven  und  Brsljanica  dehnt  sich  eine  Plateau- 
fläche aus,  welche  die  Beschaifenheit  des  Kreideuntergrundes 
nirgends  verräth.  Der  kleine  Bach,  der  durch  Brsljanica  fliesst, 
entsteht  aus  mehreren  (4 — 5)  Quellen,  unweit  des  Dorfes  selbst, 
und  nicht,  wie  es  in  der  Karte  des  russischen  Generalstabes 
gezeichnet  ist,  in  der  Gegend  von  Vrbica;  der  hier  gemeinte  Bach 
erreicht  nämlich  Brsljanica  gar  nicht. 

Der  Fels  in  dem  letztgenannten  Dorfe  ist  mit  einer  mächtigen 
Lösslage  bedeckt;  wie  überall  ist  diese  letztere  auch  hier  grau, 
locker  und  reich  an  Kalkconcretionen.  Der  weitaus  grössere  Theil 
der  Einwohner  hat  sich  im  Löss  wohnlich  eingerichtet.  Da  in 
Brsljanica  selbst  keinerlei  festes  Gestein  zu  Tage  tritt,  ist  man 
gezwungen,  Bausteine  aus  weiten  Fernen,  aus  Kreta  und  Kaca- 
munica,  zu  bringen.  Die  ersteren  haben  einige  Ähnlichkeit  mit 
jenen  von  Kajalyk,  doch  sind  sie  durch  ihre  geringere  Festigkeit 
davon  unterschieden.   Die  Kalke  von  Kreta  sind   so  reich   an 


3  Süd-Bayerns  Lethaea  geoguostica,  p.  132,  Taf.  26,  Fig.  1,  a—c. 
2  Terrain  cretace  IV,  p.  101,  pl.  513,  Fig.  1—4. 


304  Z  1  n  t  a  r  s  k  i , 

Bry  0  zo  eil,  dass  sie  als  Bryozoenkalk  bezeichnet  werden  können. 
Hier  sieht  man  noch:  Pecten,Neithea  qumquecostata,Hem{pneustes 
striato  rudiatus,  sowie  ausserordentlich  schöne  Exemplare  von 
Exogyra  Matheroniana  d'Orb.  Ausser  schwarzem  Feuerstein 
gewahrt  man  in  den  Felsen  von  Kreta  auch  etwas  Glaukonit. 
Der  Fels  von  Kacamunica,  der  zu  derselben  Kreideetage  gehört, 
lässt  sich  sehr  leicht  schneiden  und  färbt  ab.  In  demselben  sieht 
man  unregelmässige  Adern,  erfüllt  mit  bläulichem  Thon  (auch 
Quarz  findet  sich  ausgeschieden);  Bryozoen,  Pecten  u.  a.  m. 
kommen  vor. 

In  der  Nähe  von  Kopriva,  nordwestlich  von  Brsljanica, 
gräbt  man  auf  der  rechten  Thalseite  einen  etwas  glimmerhältigen 
Quarzsand  aus.  Am  Ufer  lesen  wir  von  oben  nach  unten  Folgendes 
ab:  30 — 40  Ctm.  graue,  lockere  Ackererde,  darunter  Gllimmer- 
sand;  je  tiefer,  desto  freier  von  Thon  ist  der  Sand;  in  einer 
Tiefe  von  4 — 5  Metern  kommt  ein  sehr  reiner  Quarzsand  zum 
Vorschein.  Die  Ablagerungen  sind  infolge  der  verschiedenen 
Farbennuancen  der  einzelnen  Schichten  sehr  deutlich  gegliedert; 
sie  sind  röthlich,  bläulich,  gelblich,  blutroth,  weisslich  und  zu 
Unterst  wieder  gelblich.  Es  ist  kein  Zweifel  vorhanden,  dass 
dieselben  Sandschichten  sich  auch  gegen  Kopriva  erstrecken. 

Von  Brsljanica  aus  erklomm  ich  in  einer  kurzen  Zeit  ein 
Plateau  (198-5  Meter)  und  stieg  sodann  in  das  Thal  des  Osam 
(Osma)  hinab.  Der  felsige  Abhang  und  das  terrassenförmige 
rechte  Ufer  gewähren  einen  hübschen  Anblick.  Erst  in  jenen 
Hügeln,  die  sich  auf  der  linken  Seite  des  Flusses,  gegenüber  von 
Moselievo,  erheben,  konnte  ich  einen  porösen,  aber  festen  ter- 
tiären Kalk  erblicken;  derselbe  ist  von  Cerithien  und  Cardien 
erfüllt;  doch  lassen  sich  weder  die  einen  noch  die  anderen  näher 
unterscheiden,  weil  sie  nur  in  Steinkernen  vorkommen.  Der  Fels 
hat  eine  gelbliche  oder  gelblichgraue  Färbung,  seiner  Structur 
nach  ist  er  körnig,  halbkrystallinisch  oder  dicht.  Mit  Hilfe  der 
Lupe  erblickt  man  hie  und  da  auch  Glimmerschüppchen  und 
weisse,  mikroskopisch  kleine  Thiergehäuse.  Die  tertiären,  sar- 
matischen  Bänke  (Felsen),  um  die  es  sich  handelt,  sind  an  einigen 
Stellen  auf  der  linken  Seite  des  Osam  sichtbar;  sie  überschreiten 
jedoch  diesen  Fluss  nicht  und  verschwinden  in  der  Richtung  nach 
der  Donau  zu  unter  dem  Löss. 


Geologische  Untersuchungeu  im  ceutralen  Balkan  etc.  öOo 

Der  Fluss  Osam  fliesst  sehr  ruhig-  in  einem  wenig*  breiten 
Thale,  macht  viele  Windungen,  unterwühlt,  wie  schon  erwähnt, 
das  rechte  Ufer  und  setzt  das  Material  auf  dem  linken  ab,  wo 
sich  eine  fruchtbare  Alluvialebene  gebildet  hat. 

Von  Moselievo  aus  erstieg  ich  den  letzten  Hügel  vor  dem 
Donau-Ufer;  derselbe  erhebt  sich  auf  der  rechten  Seite  des  Osam 
zu  einer  Höhe  von  45  Meter,  er  besteht  ausschliesslich  aus 
weisser  Kreide,  in  welcher  sich  unregelmässige  Stücke  von 
Feuerstein  finden.  Die  obersten  Felsen  sind  härter  und  w'ie  eine 
Decke  schützen  sie  die  unteren  weichen  Schichten  vor  dem  Zer- 
fall. Das  linke  Osamufer  ist  niedrig,  anstehendes  Gestein  ist 
nicht  zu  finden. 

An  der  Osammündung  ist  der  Fluss  nicht  breiter  als  6  bis 
8  Meter. 

Östlich  vom  Osam  erhebt  sich  das  Donau-Ufer  bis  zu  der 
beträchtlichen  Höhe  von  20  —  30  Metern  über  das  Flussniveau 
und  besteht  ausschliesslich  aus  flinthaltiger  Kreide.  Der  Feuer- 
stein erscheint  meist  in  runden,  unregelmässigen,  ja  bizarren 
Stücken,  und  zwar  gewöhnlich  in  Schichten  g-elagert,  wobei  die 
einzelnen  Knollen  lose  neben  einander  liegen  oder,  was  seltener 
vorkommt,  zu  zweien  oder  mehreren  verbunden  sind.  Ich  konnte 
an  dieser  Stelle  jedoch  von  Feuersteinplatten,  wie  sie  im  Pariser 
Becken  und  auch  in  den  Steinbrüchen  von  Menden  vorkommen, 
nichts  gewahren.  Der  Flintgehalt  nimmt  mit  der  Tiefe  ab. 

In  der  Richtung  nach  Nikopol  sehen  wir  zu  unterst  weisse 
und  sodann  bläuliche  Kreide,  die  des  Flintes  ganz  ermangelt; 
diese  Kreidebänke  lassen  sich  leicht  schneiden  oder  regelmässig 
spalten;  manche  Schichten  davon  sind  weich,  andere  wieder  hart 
und  hellklingend.  In  dieser  Kreide  sind  die  Fossilien  sehr  reich 
vertreten,  gehören  jedoch  nur  wenigen  Gattungen  und  Arten  an. 
Es  fanden  sich  hier: 

Echinoconjs  vulgaris  Breyn  (D'Orbiguy,  op.  eit.  YI,  p.  82,  pl.  804 
bis  806,  808,  Fig.  1 — 3)  vielmehr  imter  dem  Jsamen  Ananchißes  ovata  Leske 
sp.  bekannt,  wird  am  Donau-Ufer  häufig  und  in  schönen  Exemplaren 
augetrofien,  doch  kommen  auch  plattgedrückte,  und  sogar  ganz  formlose, 
zerquetschte  Einzelstücke  vor.  Viele  sind  mit  Kreide,  andere  mit  Flint  aus- 
gefüllt, sie  sind  mehr  oder  weniger  stark  gewölbt,  haben  eine  flache  Unter- 
seite oder  sind  wohl  auch  wenig  gewölbt,  so  dass  sie  gewissermassen  das 
Aussehen  von  Echinoconjs  semi-globus  d'Orb.  gewinnen.  Diese  Art  charak- 


306  Z 1 a  t  a  r  8  k  i , 

terisirt  in  Böhmen  den  oberen  Plänerkalk   und  in  Frankreich  die  22.  Etage 
des  Senon. 

Ostrea  vcsicidaris  Lam.  (D'Orbigny,  op.  cit.  III,  p.  742,  pl.  487) 
ist  das  häufigste  Fossil.  Erscheint  zuerst  bei  Dzoruovo  (am  Flussufer)  und 
erreicht  das  Minimum  der  Verbreitung  in  der  Nähe  der  Donau.  Am  rechten 
Ufer  des  Osam  fand  ich  nur  diese  Muschel  vor.  Der  Form  nach  ist  Ostrea 
vesicularis  auch  hier  überaus  variabel. 

Belemnitclla  mucronata  Schloth.  sp.  (D'Orbigny,  op.  cit.  I,  p.  63, 
pl.  7.)  Diese  für  die  obere  Kreide  so  charakteristische  Belemnitella  ist  auch 
in  der  Kreide  des  unmittelbaren  Donaugebietes  reichlich  vertreten.  Ganze 
vollständige  Exemplare  findet  man  nur  selten.  Die  meisten  Individuen  sind 
kegelförmig  und  schwach  zusammengedrückt ,  die  jungen  Exemplare 
herrschen  vor.  Ein  typisches  cylinderförmiges,  in  einen  Stachel  endigendes 
Exemplar  fand  ich  südlich  von  Nikopol,  unweit  Dzornovo. 

Ausserdem  finden  wir  noch  Spongien,  Bryozoen,  Foraminiferen  etc. 
Manche  von  diesen  mikroskopischen  Thierresten  kommen  auch  im  Flint 
vor;  man  kann  sie  hier  mit  der  Lupe  ganz  gut  unterscheiden. 

An  der  Donau  in  der  Nähe  des  Hafens  von  Nikopol  zeigen 
diese  Bildungen  deutliche  Schichtung  und  fallen  unter  einem 
Winkel  von  12°  nach  N  (h.  2 — 3).  Die  Kreide  ist  hier  gelblich, 
mürbe  und  enthält  wenig  Flint.  Die  grünliche  Färbung  mancher 
Schichten  rührt  von  feinen  Glaukonitkornchen  her.  Etwas  weiter 
östlich  kann  man  folgende  Übereinanderfolge  wahrnehmen:  Zu 
oberst  weisse,  weiche  oder  härtere,  klingende  und  flinthaltige 
Kreide,  darunter  weichere  Kreide  ohne  Feuerstein  und  zu  unterst 
compacte,  härtere  Kreide  als  oben. 

Die  atmosphärischen  Gewässer  und  die  Winterfröste  machen 
das  Gestein  mürbe  und  verursachen  auch  öftere  Erdabrutschungen 
und  Felsstürze.  So  zum  Beispiel  hat  sich  erst  zu  Anfang  des 
Jahres  1884  ein  grosser  Felsblock  abgelöst,  glücklicherweise 
ohne  Jemanden  zu  treffen.^ 


1  Prof.  Toula  theilt  mir  diesbezüglich  mit,  dass  „die Übereinstimmung 
dieses  obercretacischen  Schichtencomplexes  mit  jenem  im  Osten  am  See 
voll  Kanara  und  am  Karasu  gross  sei.  Peters  (Dobrudscha  II,  48,  Denk- 
schriften, Bd.  XXVII,  p.  192)  erwähnt  daselbst  gleichfalls  Kreide  mit  Feuer- 
stein, reich  an  Ostrea  vesicularis  und  er  führt  daselbst  auch  das  Vorkommen 
von  Belemnitclla  viucronata  an.  Die  Foraminii'eren  und  Ostracoden  hat 
bekanntlich  Reuss,  Sitzber.  LH,  p.  445  beschrieben,  v.  Fritsch  erwähnt  in 
seinem  Vortrage  ('Beitrag  zur  Geognosie  des  Balkan,  Halle  1874)  nur  bei- 
läufig das  Vorkommen  von  Senonbildungen  bei  Nikopol". 


Geologische  Untersuchimgeu  im  centralen  Balkan  etc.  307 

IT.  Von  Nikopol  längs  des  Osam  nach  Lovec. 

1,  Die  Stadt  Nikopol  ist  auf  beiden  Seiten  eines  Thaies 
gelegen,  das  sich  von  S  nach  N  erstreckt  und  von  festem  Gestein 
keine  Spur  aufweist.  Der  Boden  besteht  zumeist  aus  Löss. 

An  dem  Abhänge,  über  welchen  der  Weg  nach  Vabel  und 
Dzornovo  führt,  bemerkt  man  hie  und  da  unter  dem  Löss  auch 
weisse  Kreidefelsen.  Die  Stärke  der  Lössschichten  variirt  zwischen 
1  und  10  Meter.  Auf  dem  Plateau  verschwindet  wieder  jegliches 
feste  Gestein  und  erst  dort,  wo  sich  der  Weg  nach  dem  Osmathal 
senkt,  kommen  die  Felsen  von  Nikopol  mit  ihren  charakteristi- 
schen Versteinerungen  (Ostrea  vesicularis  Lam.  und  Belemnitella 
mucronata  Schloth.  sp.)  nochmals  zum  Vorschein  und  erstrecken 
sich  bis  oberhalb  Moselievo.  Die  Ebene  zwischen  diesem  letzteren 
Orte  und  Dzornovo  ist  mit  Alluvium  bedeckt. 

Die  rechte  Seite  des  Osam  ist  felsig  und  besteht  aus  Kreide 
mit  Flint.  Die  obersten  Schichten  sind  härter,  die  unteren  wie 
auch  die  an  der  Donau  dagegen  bestehen  aus  weicher  Kreide; 
desshalb  sind  auch  nur  die  obersten  Partien  der  Ufer  von  der 
Zerbröckelung  bewahrt,  dagegen  erscheinen  die  unteren  Theile 
vielfach  ausge wühlt.  Die  Bäche  Mrsevska  und  Lohvicka  sind  es, 
die  das  Kreidematerial  an  die  Oberfläche  tördern. 

Vor  Novaceni  sieht  man  unter  den  hier  zu  Ende  gehenden 
weissen  Kreidefelsen  sandigen,  grünlichen,  unter  dem  senonischen 
Kalk  concordant  liegenden  Mergel.  Die  Schichten  dieses  Gesteins 
sind  verschieden  an  Härte,  doch  durchwegs  von  dem  nämlichen 
Material;  sie  lassen  sich  in  ziemlich  dünne  Platten  spalten  und 
enthalten  fein  krystallisirten  Markasit,  der  infolge  seiner  Auf- 
lösung und  Umwandlung  seiner  Umgebung  eine  röthliche  oder 
gelbliche  Farbe  verleiht. 

Der  Weg  von  Novo-Novacene  nach  Boceva  Mahala  führt  über 
eine  mit  Löss  bedeckte  Ebene.  Hier  ist  das  linke  Ufer  des  Osam 
felsig  und  reicht  dicht  an  den  Fluss.  Bei  Boceva  Mahala  führt 
der  Weg  nach  Trncevica  quer  über  den  Osam.  Hier  trifft  man  am 
rechten  Ufer  nur  blaue  Mergel;  dasselbe  ist  kaum  1  Meter  höher 
als  das  Niveau  des  Flusses. 

Im  Paulikianer-Dorf  Trncevica  sind  die  meisten  Hausdächer 
mit  Sandsteinplatten    bedeckt,    die    aus    einer  Entfernung  von 


308  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

3 — 4  Kilometer  aus  NO  hergebvaclit  werden.  An  demselben  Orte 
bricht  man  dort:  a)  gelblich-röthlicben,  dichten  Kalkstein^  der 
Quarzkörner  in  grösseren  oder  in  kleineren  Mengen  enthält  und 
demnach  bald  mehr  und  bald  minder  sandig  erscheint.  In  diesem 
Gestein  finden  sich  Versteinerungen  in  Form  von  Steinkernen, 
so  unter  anderen  Trigonien,  Pecten,  kleine  Inoceramen 
u.a.;  b)  buntgraueu,  grobkörnigen  Sandstein  mit  weissen  Glimmer- 
blättcheu  und  ausserordentlichem  Reichthum  an  Petrefacten.  Vor 
allen  häufig  ist  Orbitolinn  cojicava  Lam.;  diese  Felsart  ist  hart 
und  kann  zu  Mühlsteinen  verwerthet  werden;  c)  grauen,  auch 
Sand  enthaltenden  Kalkstein  oder  Kalksandstein.  Von  den  in  ihm 
vorkommenden  Fossilien  sind  Trigonien  und  unbestimmbare 
Bivalven  zu  erwähnen,  auch  verkohlte  Pflanzenreste  kann  man 
hie  und  da  ganz  deutlich  gewahren. 

Über  das  stratigraphische  Verhältniss  dieser  Felsarten  ist 
mir  nichts  Näheres  bekannt. 

Dieselben  Orbitolinenscbichten  finden  wir  auch  bei  Peti- 
Kladenci,  Tatari  und  Ores;  auf  der  kleinen  Halbinsel  aber,  welche 
der  Osam  westlich  von  Trncevica  bildet,  erblicken  wir  nur  gelb- 
lichen, thonigen,  sandhaltigen  Kalk,  ähnlich  jenem  aus  der  Gegend 
von  Pleven,  Kacamunica  und  Suvatlyk. 

Auch  in  Dervisko-selo  bedient  mau  sich  wie  in  Trncevica 
anstatt  der  Dachziegel  oder  sonstigen  Deckmaterials  der  aus 
weiter  Ferne  transportirten  Kalksaudsteinplatten  mit  Orbito- 
linen.* 

Auf  der  Strasse,  die  von  Pleven  nach  Ruscuk  führt,  fand 
ich  zum  ersten  Male  in  Bulgarien  Basaltstücke,  die  aus  Ovca- 
Mogila,  Cervena  und  der  Umgebung  von  Slomer  stammen.  (Man 
vergleiche  weiter  unten.) 

Das  rechte  Osma-Ufer  ist  auf  der  Strecke  Balgareni-Kozar- 
beleni  vielfach  zerrissen.  Wir  erblicken  in  demselben  bläuliche 
Mergel  mit  dünnen  Ockerlagen.  Ein  hübsches  Profil  bietet  sich 
uns  dar  bei  der  Brücke,  wo  wir  auf  den  Abhängen  des  hoben 
Ufers  auch  abgeschliffene  und  abgerundete  Stücke  von  wachs- 


1  Wir  liätten  es  dabei,  wie  Toula  meint,  offenbar  mit  Äquivalenten 
fler  Orbitolinensandsteine  und  Orbitoliuenkalke  zu  tliun,  welche  er  in  den 
Grundlinien  zur  Geologie  des  westlichen  Balkan  (p.  47)  als  oberurgonen 
Alters  oder  als  unteres  Apt  annahm. 


Geologische  Uutersuchuugeu  im  ceutraleu  Baikau  etc.  309 

gelbem  Fliut  finden,  wie  auch  eckige  Brocken  von  hartem  Sand- 
stein. 

Die  linke  Seite  des  Osam  ist  ganz  eben  und  nur  mit  Löss 
bedeckt.  Das  Flussbett  hat  sich  bis  zu  einer  Tiefe  von  2  Metern 
in  das  weiche  Material  eingegraben.  Der  Lössuntergrund  ist 
nirgends  sichtbar.  Unmerklich  hebt  sich  die  Ebene  in  der  Richtung 
nach  W  gegen  Pleven  hin.  Erst  unweit  Pelisat  zeigen  sich  im 
Thal  unter  dem  Löss  mergelige  Kalkt'elsen,  deren  Beschaffenheit 
mit  jenen  von  Tucenica  ziemlich  genau  übereinstimmt. 

Lazene,  Orta-kjöj,  Kara-ac,  Kalugerovo  und  Letnica  liegen 
in  der  fruchtbaren  Ebene  des  Osam,  auf  der  linken  Flussseite. 
Gegenüber  von  Letnica  unweit  Krusin  erblicken  wir  zum  ersten 
Male  weisse  Kalkfelsen,  die  folgendermassen  eingetheilt  werden 
können:  a)  Vollkommen  weisser,  dichter  Kalk,  der  spä^hige 
Calcitkörnchen  enthält.  Im  felsen  Felsen  gewahrt  man  schöne 
Orbitolinen,  wahrscheinlich  Orh.  concava;  h)  körniger,  bunter 
Kalkstein,  meist  von  gelblich-grau-weisser  Färbung,  weist  eben- 
falls grosse  Mengen  von  Orbifolina  cfr.  concava  und  anderen 
Fossilien  auf;  die  hiesigen  Orbitolinen  sind  stärker  gewölbt  und 
dickwandiger  als  jene,  die  wir  gelegentlich  bei  Trncevica 
betrachtet  haben.  Denselben  Orbitolinenkalksteinen  werden  wir 
später  auch  östlich  von  Suhindol  begegnen. 

Die  Felsen  von  Krusiu  sind  nur  in  der  Nähe  des  Dorfes 
selbst  sichtbar,  im  weiteren  Verlaufe  nach  S  verschwinden  sie 
unter  den  Waldcomplexen  und  erscheinen  erst  wieder,  wenig 
aufgeschlossen,  bei  Lazene  und  bei  Karahasan.  In  dem  Juruci, 
zwischen  Karahasan  und  Kojovci,  werden  graue,  thonig-sandige 
Steine  gebrochen,  die  ziemlich  reich  an  Orbitolinen  sind. 

Einige  Kilometer  südwestlich  von  Karahasan  gewinnen  die 
Kalkfelsen  eine  grössere  Entwickelung.  Sie  erstrecken  sich  auch 
auf  das  linke  Osraa-Ufer  und  ragen  hier  an  vielen  Stellen  mitten 
aus  dem  Wald  hervor;  auch  hier  enthalten  sie  Orbitolinen,  doch 
erreichen  sie  in  Bezug  auf  die  Menge  bei  weitem  nicht  die  unter 
ihnen  liegenden  Schichten.  Diese  letzteren  treten  am  deutlichsten 
hervor,  wenn  man  den  Hügel  von  Karahasan  übersteigt  und  nun 
nuch  der  Ebene  zulenkt.  In  den  harten  und  bunten  Kalksteinen 
kommen  ausser  Orbitolinen  auch  Korallen  und  andere  Fossi- 
lien vor,  wie  sie  in  den  Orbitolinenschichten  oder  im  Aptien  nicht 


310  Z  1  a  t  a  r  s  k  i , 

selten  sind.  Die  einzelnen  Schichten  liegen  concordant  und  fallen 
unter  einem  Winkel  von  8 — 10°  nach  NW. 

Vor  Iglav  sieht  man  noch  die  Orbitolinenschichten;  bei 
Setovo  und  Zalkovo  werden  dieselben  sandig  und  nehmen  au 
Orbitolinenreichtlium  zu,  gerade  wie  vor  Lovec. 

Der  Fluss  Osam  bespült  bis  Omarelo  das  rechte  Ufer,  doch 
wendet  er  sich  in  seinem  weiteren  Laufe  nach  S  von  diesem  ab 
und  streicht  nun  näher  an  das  felsige  linke  Ufer,  während  sich 
auf  der  rechten  Seite  eine  Alluvialebene  auszubreiten  beginnt. 
Das  Gestein  ist  hier  kalkig  und  röthlichgrau,  manche  Partien 
sind  körnig,  andere  wieder  ganz  dicht,  die  letzteren  sind  ausser- 
dem von  feinen,  bläulichen  Calcitadern  durchzogen,  doch  enthalten 
weder  die  einen,  noch  die  anderen  Spuren  von  Fossilien. 

Auf  dem  linken  Osma^Ufer  kommt  ein  Conglomerat  mit 
kalkig- thonigem  Bindemittel  zum  Vorschein.  Die  abgeschlitfenen 
Einzelstücke  erreichen  Faustgrösse  und  bestehen  meist  aus  Ober- 
kreide, aschgrauem  und  rothem  Sandstein,  sowie  auch  aus  Eruptiv- 
gesteinen. Ähnliche  Conglomerate  finden  wir  auch  in  der  Jantra 
unweit  Tirnovo. 

Bei  der  Mühle  sind  beide  Ufer  felsig  und  weisen  echten 
Requienienkalk  auf;  dieser  letztere  zieht  sich  nach  Lovec  hin, 
ist  in  seineu  obersten  Partien  bläulich,  buntgrau,  halbkrystalli- 
nisch  und  geht  allmälig  in  thonigen  und  mergeligen  Kalk  über; 
zu  allerunterst  erblicken  wir  bläuliche,  sandig-mergelige  Schichten, 
reich  an  OrbitoUna  lenticularis,  Orb.  bulgarica,  Orb.  concava  und. 
verschiedenen  Korallen,  die  man  am  deutlichsten  auf  der 
rechten  Seite  der  Landstrasse,  noch  vor  dem  Erreichen  der  Stadt 
Lovec  (Loftscha)  (wo  die  Schichten  unter  einem  Winkel  von 
4—6°  nach  N  fallen)  sehen  kann.  Der  nämlichen  Felsart  be- 
gegnen wir  auch  im  S  von  Lovec,  hier  fallen  sie  mit  10°  nach  S; 
in  der  Mitte  der  Stadt  sind  sie  fast  horizontal  gelagert.  So  hätten 
wir  denn  hier  eigentlich  einen  Sattel  vor  uns,  dessen  mittlere 
Partie  von  den  Wässern  abgetragen  und  zu  einer  Mulde  um- 
geschaffen worden  ist.  Inmitten  dieser  Mulde  erhebt  sich  nun 
Lovec. 

Um  die  Vertheilung  der  Schichten  besser  zu  charakterisiren, 
erlaube  ich  mir  an  dieser  Stelle  ein  Profil  anzuführen,  das  ich  der 
Ortschaft  Stratis  (auf  der  rechten  Seite  des  Flusses)  entnehme: 


Geologische  Untersiicliimgen  im  centraleu  Balkan  etc.  311 

a)  Zu  Unterst  erscheint  bläulicher  mergeliger  Kalk  mit  Rhyn- 
chonella]  derselbe  geht  allmälig  in  harten  und  dichten, 
bläulich -rothen,  orbitoliuenhältigen  Kalk  über.  Hierauf 
folgen  in  der  Eichtung  nach  oben 

())  bläulicher  Mergel  (1 — 1  -5  Meter)  mit  dünnen  Schichten  von 
bläulichem  Kalk  und  Orbit oliuen; 

c)  eine  dicke  Schichte  von  aschgrauem,  ziemlich  hartem,  tho- 
nigem  Kalk  mit  Requienia  oder  Caprotina; 

d)  harter,  röthlich-blauer,  fein  krystallinischer  Kalk,  weniger 
reich  an  Orbitolinen; 

e)  Knollenkalk  mit  weissen  Calcitadern  und  grossen  Nerineen, 
geht  nach  oben  in  röthlichen  compacten  Kalk  über,  enthält 
aber  nicht  viel  Orbitolinen.  Auf  dieser  Schichte  ist  das  erste 
Kriegerdenkmal  errichtet.  Weiter  verzeichnen  wir: 

f)  Eine  Schichte  von  bläulichem  Mergel,  reich  an  allen  jenen 
Petrefacten,  die  wir  in  unmittelbarster  Nähe  der  Stadt 
fanden; 

<l)  thonig-mergeliger  und  kalkiger  Sandstein;  enthält  verkohlte 

Pflanzenüberreste ; 
h)  eine  Schichte  von  röthlichem  Gestein,  worin  die  Orbitolinen, 
Latimaeandra  und  andere  vorwalten.Oben  sind  die  Kequienien 
die  vorherrschende  Art.^ 

In  der  Nähe  des  Hügels  „Krali  Markov  Kaipak"  finden  wir 
in  den  obersten  Schichten,  sowie  in  dem  röthlichen  thonigen 
Kalk  reichliche  Mengen  von  Nerineen,  Eequienien,  doch  sehr 
wenige  Orbitolinen. 

2.  Fossilien  aus  der  Gegend  von  Lovec. 

Turbo  /n?/mV«s  Forbes(Fossües  du  terr,  aptien,  p.38,  pl.IV,  Fig.  1—2). 
^ur  ein  kleines,  junges  und  schön  erhaltenes  Exemplar ;  dasselbe  fand  ich 
in  der  Nähe  von  Lovec  in  den  ilergelschichten,  und  zwar  mit  verschiedenen 
Korallen  und  Orbitolinen.  Diese  Schnecke,  obwohl  nicht  vollkommen  ent- 
wickelt, zeigt  alle  die  charakteristischen  Zeichen  der  Arten  von  Perte  du 
Rhone  und  St.  Croix. 


1  Dieses  Profil  steht,  wie  Prof.  Toula  meint,  „in  bester  Übereinstim- 
mimg  mit  jenem,  welches  wir  v.  Fritsch  (1.  c.  p.  3)  verdanken,  wobei  die 
Glieder  c,  d  und  e  dem  als  ,, drittes  Glied"  bezeichneten  Complex  bei 
Fritsch,  /"  und  ^  aber  dem  „vierten  Gliede"  entsprechen  würden.  Für  das 
oberste  Glied  (hl)  hielt  es  v.  Fritsch  für  nicht  unmöglich,  dass  wir  es 
dabei  mit  einem  verworfenen  älteren  Gliede  zu  thun  haben  könnten". 

Sitzb.  d.  mathem.-natunv.  Gl.  XCllI.  Bd.  I,  Ablh.  21 


312  Zlatarski, 

Nerinea  cfr.  Renauxiana  d'Orb.  (D'Orbiguy,  op. cit.II,  p.76,  pl.l57.) 
Kommt  in  kleineu  Exemplaren  mit  Requienien  zusammen  in  dem  zuletzt 
erwähnten  Hügel  vor.  N.  Renauxiana  gehört  zu  den  Arten  mit  einer  breiten, 
konische  Räume  besitzenden  Spindel,  sie  nähert  sich  dagegen  den  ebenfalls 
lU'gonen  Arten :  N.  Coquandiana  d'Orb.  und  N.travernensis  VictQt  et  Camp. 
Die  grösste  Ähnlichkeit  zeigen  N.  Renauxiana  und  N.  Coquandiana  \  nicht 
selten  werden  deswegen  beide  miteinander  verwechselt-,  nur  bei  einer 
grösseren  Aufmerksamkeit  gewahrt  man  folgende  Unterschiede:  a)  N.  Co- 
(juandiana  besitzt  stärker  gewölbte,  weniger  zahlreiche  Knoten;  b)  der  Nabel 
der  N.  Renauxiana  ist  breiter  als  bei  der  N.  Coquandiana  und  c)  ist  die  Höhe 
der  Umgänge  im  Verhältniss  zum  Durchmesser  beider  ersteren  geringer.i 

Requienia  Loveensis  n.  sp.  (Taf.  II),  Durchmesser  12*5  Ctm.,  Höhe 
11-3  Ctm.  Diese  grosse,  dickschalige  Bivalve  hat  eine  dreieckige,  herz- 
förmige Gestalt.  Die  linke  oder  untere  Klappe  ist  fast  ebenso  lang  als  die 
obere,  an  einer  Seite  zusammengedrückt  und  endigt  mit  einer  kurzen,  runden 
Spirale.  Die  obere  oder  rechte  Schale  ist  sehr  stark  gewölbt,  ihr  höchster 
Punkt  liegt  in  dem  vorderen  Drittel.  Der  Wirbel  der  kleineren  Schale  ist 
schwach  gewunden,  der  grössere  etwas  stärker.  Die  vereinigten  Mund- 
ränder der  beiden  Klappen  sind  aufgeworfen.  Die  rechte  Schale  ist  glatt, 
mit  unmerklichen  concentrischen,  ungleichweit  von  einander  abstehenden 
Linien;  die  linke  dagegen  hat  sehr  grobe  und  tiefe  Furchen  und  zeigt  einen 
lamellareu  Bau  der  äusseren  Schichte  der  Schale.  Die  anderen  zwei  Schichten 
sind  glatt  und  ganz  dünn. 

Die  allgemeine  Form,  die  fast  gleich  grossen  Schalen  und  deren 
Sculptur  deuten  auf  eine  neue  Art  hin  und  reichen  wohl  aus,  um  sie  von 
den  ähnlichen  Arten,  etwa  //.  Archiaciana  d'Orb.  und  R.  subaequalis  d'Orb. 
zu  unterscheiden.  Diese  besitzen  wohl  ähnliche  Klappen,  doch  sind  die 
Schalen  der  ersteren  höher  als  breit  und  gleich  stark  gewölbt.  R.  subaequalis 
hat  ganz  glatte,  symmetrisch  gewundene  Klappen,  ausserdem  ist  ihre  Form 
fast  kugelförmig  und  nicht  kantig,  wie  bei  unserer  Form.  R.  subaequalis 
bleibt  überdies  viel  kleiner  (7  Ctm.). 

Requienia  Drinovi  nov.  form.  Tat".  III,  Durchmesser  13 — 16  Ctm., 
Höhe  10 — 11  Ctm.  Form  länglich.  Diese  Bivalve  besteht  aus  zwei  ungleichen 
Schalen;  die  obere  ist  kleiner  imd  kürzer  als  die  untere  und  endigt  mit 
einer  kurzen  Spirale;  beide  sind  glatt,  mit  feinen  concentrischen  Linien. 
Der  vordere  Theil  der  Schale  ist  zusammengedrückt,  der  hintere  aufgebläht. 
Die  obere  Klappe  ist  stumpf,  kegelförmig  gewölbt  imd  ihr  Wirbel  nur 
schwach  seitwärts  gebogen.  Das  Schloss  hat  einen  gut  entwickelten,  schief 
nach  aussen  gekehrten  Zahn.  Die  Dicke  der  Schalen  ist  beträchtlich.  Die 
untere  Hälfte  der  R.  Drinovi  ist  nur  gegen  den  Wirbel  zu  scharf  gekielt.  Die 
eine  Hälfte  dieser  Schale  ist  nur  schwach  gewölbt,  die  andere  stark  convex.2 


1  Prof.  Toula  erklärt  das  ihm  zugesendete   Stück  für  eine  etwas 
stumpfere  Form  der  typischen  N.  Renauxiana  d'Orb. 

2  Die    vorliegende    neue    Form    von   Requienia   schliesst  sich  nach 
Toula  ziemlich  innig  an  die  Requienia  Lousdalii{iiOV7.)  d'Orb.  an,  doch  ist 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  313 

Beide  Requienien  stammen  aus  Urgon-Schichten  bei  „Krali  Markov 
Kaipak^,  zwei  Kilometer  südöstlich  von  Lovec,  sie  kommen  auch  in  der 
Umgebung  von  Tirnovo  vor  (in  Kamenec),  auf  dem  Wege  nach  Orehovica.  i 

Ich  benenne  sie  zu  Ehren  des  bulgarischen  Historikers  Professor 
Martin  St.  Drinov. 

Die  Orbitolinen-Schichten  bei  Lovec  enthalten  auch  viele  Korall en.2 

Von  Ci/clolites  liegen  zwei  schöne  Exemplare  vor;  dieselben  haben 
eine  entfernte  Ähnlichkeit  mit  Fimgia  discoidea  Goldf.  (Petrefacta  Ger- 
maniae  I,  p.  47,  Taf.  14,  Fig.  9)  und  kommen  mit  den  obenerwähnten  Re- 
quienien zusammen  vor. 

Orbitulina  biilgarica,  Orh.  lenticularis  und  Orb.  concava  var.  sind 
unmittelbar  vor  der  Stadt  Lovec  neben  den  Korallen  am  reichlichsten 
vertreteu.3 

T.    Ton    Lovec     über     Novoselo^    Trojan,    Sipkovo    nach 

Sevlievo. 

1.  Von  Lovec  über  Biiil,  Debnevo  längs  der  Vidima 
nach  Novoselo.  — Wir  wollen  zuerst  der  Hauptstrasse,  die 
nach  Sevlievo  führt,  folgen,  und  sodann  bei  Gorni-Pavlikeni 
(Ober-Pavlikeni)  nach  S  einlenken. 

Sobald  man  den  Kamm  des  im  0  von  Lovec  gelegenen 
Gebirges  (man  vergl.  oben)  ersteigt,  gewahrt  man  auf  der 
rechten  Seite   der  Landstrasse  röthlichen  urgonen  Kalk,   dessen 


sie  viel  grösser,  weniger  scharf  gekielt  und  sind  die  Furchen  der  Bandgrube 
weniger  scharf  ausgeprägt,  so  dass  diese  gegen  den  Schalem-and  hin  fast 
Acrschwindet.  Ganz  ähnliche  grosse  Requienien  fand  Toula  seinerzeit  (187.5) 
auch  an  der  Botunja  bei  Vraca  und  hatte  die  betreifende  Form  (Sitzber. 
LXXVII.  Bd.  1878,  p.  26)  als  wahrscheinlich  zu  Bequienia  Lonsdalii  d'Orb. 
gehörig  bezeichnet. 

1  Diese  beiden  sind  in  der  X.  Lieferung  der  Zeitschrift  der  bulg.- 
liter.  Gesellschaft  beschrieben  worden. 

2  Darunter  finden  sich  nach  Toula  sowohl  Einzelkorallen,  wie: 
Lophosmilia,  Axosmilia  als  auch,  und  zwar  noch  häufiger, Stockkoralleu,  wie: 
BhabdophjiUia,  Porites  (Actinacis) ,  Latomaeandra  und  Hi/dnophora,  je  in  einem 
grossen  Stücke.  Von  Hydnophora  (?)  liegen  auch  kleinere  Stücke  vor, 
Astraeideen  in  mehreren  Stücken.  Der  Reichthum  an  Korallen  in  diesen 
Schichten  ist  sehr  gross  und  würde  seiner  Zeit  gewiss  reiches  Material  für 
eine   Bearbeitung  liefern  können.  Auch  Bryozoen  fehlen  nicht. 

3  Es  unterliegt  nach  Prof.  Toula  wohl  keinem  Zweifel,  dass  diese 
orbitolinenreiche  Korallen etage  übereinstimmt  mit  den  betrefi'enden  Schich- 
ten von  Kalnia-Karaula,  Pirot,  an  der  Luberasda,  und  vor  allen  mit  jenen 
bei  Orese.(M.  vergl.  Toula,  Sitz.  Ber.  1877,  Bd.  LXXV,  1880;  Bd.  LXXXL 
1884;  Bd.  LXXXVII ;  Denkschriften  1881,  Bd.  XLIV.) 

21* 


314  Z  1  a  t  a  r  s  k  i , 

Schichten  nach  SW  fallen  und  eine  grössere  Menge  von  Ver- 
steinerungen enthalten,  die  sich  leider  nicht  unversehrt  heraus- 
schlagen lassen.  Weiter  östlich  sieht  der  nämliche  Fels  grauweiss 
aus  und  ist  von  w^eissen  Calcitadern  durchzogen;  auch  ist  er  an 
Fossilien  ziemlich  reich  {Rynchonella,  Cidariten-Stacheln  etc.), 
doch  bald  weicht  dieser  Kalk  einem  dichteren,  festeren,  bläu- 
lichen und  versteineruugslosen  Kalke.  Derselbe  nimmt  auch 
die  Höhen  ein,  die  sich  rechts  und  links  von  der  Strasse 
erheben. 

Oberhalb  Pavlikeni,  oder  genauer  dort,  wo  sich  der  Feld- 
weg nach  diesem  Orte  von  der  Hauptstrasse  abzweigt,  finden 
wir  einen  röthlichen  oder  bläulichen,  dichten,  mergeligen  Kalk 
ohne  Fossilien,  der  allmälig  in  Dolomit  übergeht.  Die  Schichten 
dieses  Kalkes  fallen  wenig  geneigt  nach  N  und  erheben  sich 
wandartig  über  das  Dorf,  von  wo  aus  sie  ganz  gut  gesehen 
werden  können,  während  man  sie  von  der  Chaussee  aus  nur 
undeutlich  unterscheiden  kann.  Es  ist  wohl  kein  Zweifel,  dass 
diese  Schichten  als  Fortsetzung  der  Felsen  von  Loveß  ebenfalls 
zum  Urgon  gehören. 

Unter  diesem  Kalksteine  kommt  an  der  Strasse  nach  Biul 
ein  bunter,  kalkiger  Sandstein  zum  Vorschein,  der  sehr  häufig  mit 
dünnen  thonig-sandigen  Lagen  abwechselt.  Die  Schichten  fallen 
zuerst  nach  NO,  unweit  Gorni-Biul  aber  nach  SW,  und  zwar 
unter  verschiedenen  Winkeln  gerade  wie  oben.  Der  zweite 
Sattel  ist  bei  Vraca,  wo  die  Sandschichten  wieder  ihre  ursprüng- 
liche Fallrichtung  einnehmen  (nämlich  NO).  Diese  kalkigen 
Sandsteine  sind,  meist  mit  Thon  gemengt,  nirgends  ganz  rein ; 
Fossilien  enthalten  sie  nur  stellenweise  (meist  Ostred).  Sie 
wechseln  sehr  oft  mit  Thonlagen  ab  und  zeigen  mannigfache 
Farbentöne. 

Von  den  Höhen  um  Vraca  herum  kann  man  die  höchsten 
Partien  des  Balkangebirges  ganz  genau  unterscheiden  — 
Jumrukcal,  Ostra-Mogila  etc.,  die  sich  steil,  wnndartig  über  das 
vorbalkanische  Gebiet  erheben.  Die  höchsten  Gipfel  sind,  wie 
z.  B.  die  Vitosa,  während  der  Dauer  des  ganzen  Sommers  mit 
Schnee  bedeckt. 

In  dem  Thal  unterhalb  Vraca  zeigen  sich  auch  mergelige, 
feinkörnige  Sandsteine,   reich  an  Glimmer  und  kohligen  Spuren, 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  315 

sowie  auch  echte  Mergel.  Weiter  südlich  erblickt  man  nur 
sandige  Mergelschicbten,  die  unter  einem  Winkel  von  14  °  nach 
N  fallen,  und  darunter  bläuliche  Mergel  mit  Korallen, 
Pecten,  Rynchoyiella  lata,  Trigonia  cfr.  ornata  und  anderen, 
so  wie  auch  mit  unscheinbaren  Kohlen  spuren.  In  den  mergelig- 
sandigen  Schichten  zeigen  sich  auch  die  Hieroglyphen 
des  Flysches.  Die  nämlichen  Felsen  erstrecken  sich  bis  zum 
Flussbett  des  Vidimo,  wo  die  kleinen  Querthäler  so  stark  von 
den  Sturzbächeu  zerrissen  sind,  dass  man  einen  sehr  guten  Ein- 
blick in  die  Stratification  des  bläulichen  Mergels,  wie  auch  der 
Sandsteine  gewinnt.  So  sehen  wir  zum  Beispiel,  dass  bei  dem 
DorfeDebnevo  dieSchichten  fast  vertical  stehen  (unter  75° — 85°), 
von  NO  nach  SW  streichen  und  nach  NW  fallen ;  au  den  Ufern 
der  Vidinia  kommen  nur  bläuliebe  Mergel  und  Sandsteine  vor. 
Das  Dorf  Debnevo  ist  zweifach  getheilt,  erstens  von  der  Vidima 
in  der  Richtung  von  W  nach  0,  zweitens  von  dem  Thal 
Cervestica  von  N  nach  S. 

Bei  der  Fürth  sind  die  Mergelschichten  der  Farbe  nach 
schwärzlich,  lassen  sich  spalten  und  fallen  unter  einem  Winkel 
von  36°  (h.  14°)  nach  Süd.  Zwischen  denselben  sehen  wir  dünne 
Lagen  eines  bläulichen,  harten  und  feinkörnigen  Kalkes.  Am 
linken  Ufer  der  Vidima  zeigen  sich  ausser  schwärzlichen  Mer- 
geln auch  röthlich  und  gelblich  gefärbte. 

Wendet  man  sich  nach  Süd,  so  kommt  man  in  ein  Wald- 
gebirge. Aufschlüsse  finden  sich  nur  in  den  Thalgründen,  Saud- 
steine mit  Hieroglyphen,  Mergeln  in  viele  Falten  gelegt,  stellen- 
weise wie  gekräuselt,  halten  an. 

Vor  Skandale,  nämlich  dort,  wo  sich  die  Vidima  von  0 
nach  N  wendet,  stehen  die  Schichten  fast  vertical.  In  den  hier 
kalkigen  Sandsteinen  finden  wir  Algenabdrücke  u.  dergl.  In 
einem  feinkörnigen  Sandsteine,  zwischen  Skandale  und  dem 
landschaftlich  herrlich  gelegenen  Novoselo  auch  verkohlte 
Pflanzenüberreste.  ^ 


1  Es  ist  dies  nach  Prof.  Toula  die  im  nördlichen  Balkauvorlande 
so  weit  verbreitete  Sandsteiuformation  mit  Mergeleinlagerungen,  welche 
sich  sowohl  südlich  von  Tirnova  als  auch  weiter  westlich  in  der  Gegend 
von  Yraca  im  Iskergebiete  findet.  Auch  südlich  vom  Balkan-Kamme,  etwa 


316  Zlatai-ski, 

Von  Novoselo  aus  geiiiesst  man  nach  Süden  bin  einen 
schönen  Anblick  der  Hochregion  des  centralen  Balkan  auf 
die  kahlen  felsigen  Höben,  Krivjanite,  Jumrukcal  (2379  M.), 
Mara-gidik,  Kademlijtc,Zelenika  etc.,  deren  Abhänge  mit  schönem, 
grünem  Walde  bedeckt  sind.  Viele  wasserreiche  Flüsse  haben 
ihren  Ursprung  auf  diesen  Höhen  und  ergi essen  sich  entweder 
in  die  Donau  oder  in  die  Marica.  Die  Vidima  entsteht  aus  zwei 
Quellbächen,  deren  einer  auf  dem  Prskalo  entspringt,  zwischen 
Mara-gidik   und  Jumruk-cal,    der  andere  aber  auf  den  Krivjani. 

2.  Von  Novoselo  über  Trojan  nach  Sipkovo.  — Um 
Novoselo  findet  man  in  dem  bläulichen,  sandigen  Mergel,  sowie 
auch  in  den  mergeligen  Sandsteinen  Kohlenschmitzen,  auch  Pyrit 
und  Markasit  kommen  vor,  worauf  wohl  die  Schwefelwasser- 
stoff-Entwicklungen, die  man  hie  und  da  an  den  Gewässern  wahr- 
nimmt, zurückzuführen  sein  werden. 

Längs  der  Vidima  bis  zum  Schlosse  des  Gerdzik  (auf  der 
russischen  Karte  ist  es  als  Ciflik  bezeichnet)  oder  genauer  nach 
dem  Tbal  des  Baches  Kopen,  der  auf  dem  Zdravcec  entspringt, 
sodann  an  dem  Branevski-dol  vorbei  bis  zum  Kloster  von  Trojan 
treffen  wir  die  nämliclien  Gesteine  wie  bei  Novoselo,  nur  die 
Lagerungsverhältnisse  derselben  sind  andere;  beim  Schlosse 
erheben  sie  sich  fast  vertical  und  fallen  bei  dem  Kloster 
Sv.  Bogorodica  unter  einem  Winkel  von  30—40°  nach  SW. 

Das  Trojan-Kloster  ist  über  den  flyschartigen  Sandsteinen 
im  Hintergrunde  einer  Ebene,  im  Thale  des  schwarzen  Osam 
erbaut. 

Unter  den  Rollsteiuen  des  reissenden  Flusses  finden  wir 
ausser  den  Sandsteinen,  die  sich  auch  im  unteren  Laufe  des 
schwarzen  Osam  vorfinden,  auch  Conglomerate,  Granit  und 
rothen  Quarzporphyr.  (Auch  Plagioklas  hältig.) 

Die  Conglomerate  stammen  höchst  wahrscheinlich  vom 
Zornov-Rt,  sie  bestehen  aus  weissen,  bläulichen  oder  schwarzen 
ziemlich  groben  Körnern,  die  mit  kalkig-thonigem  und  sandigem, 
weisse   Glimmerschüppchen    enthaltendem    Cemcnt    verbunden 


bis  Isvor.  Im  Sveti-Nikola-Balkan,  hier  aber  sicher  über  dem  Orbitolinen- 
horizonte,  treten  petrographisch  davon  nicht  zu  unterscheidende  Gesteine 
auf.  M.  vergl.  Toula,  Grundlinien  etc.,  \r.\g.  41. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Bcalkau  etc.  317 

sind.  Dieses  Conglomerat  bescliränkt  sich  auf  einige  Fundorte 
im  Thal  des  schwarzen  Osam;  es  erscheint,  wie  ich  erwähnt  habe^ 
in  der  mittleren  Region  des  Zornov-Et  und  verschwindet  dort 
wo  sich  der  Bach  Krajeva  in  den  Osmafluss  ergiesst,  und  wo  das 
Ufer  der  Gluska  anhebt;  ^  es  ist  neocomen  Alters. 

Neben  diesem  Conglomerat  hat  der  schwarze  Osam  noch 
verschiedene  Breccienconglomerate  abgelagert,  die  röthlich, 
grau,  kalkig,  dolomitisch  und  thonig  und  oft  mit  quarzigen  Sand- 
körnern verkittet  sind. 

Die  betreifenden  Gesteine  finden  sich  westlich  von  Sipkovo, 
wo  sie  unter  jenen  neocomen  Schichten  liegen  (Lias?).  Vor  zwei 
Jahren,  als  ich  das  Thal  des  schwarzen  Osam  in  der  Richtung 
nach  dem  Balkan  durchforschte,  bemerkte  ich,  dass  die  merge- 
ligen Sandsteine  am  Fnsse  des  Zidov-Rt  abbrechen  und  dass  unter 
denselben  zuerst  Kalk  und  sodann  grobkrystallinischer  Dolomit 
mit  grossem  Eisenoxydulgehalte  zum  Vorschein  kommt.  Die 
letztere  Gesteinsart  ist  bunt,  weiss,  roth  und  sehr  reich  an 
Belemnites,  Terebratida,  Rhyuchonella,  worunter  Mhynchonella 
cfr.  polyniorpha  Suess  am  deutlichsten  zu  erkennen  ist.  Mit  der 
Tiefe  und  der  Ausbreitung  nach  Süden  nimmt  der  Eisenge- 
halt zu.^ 

In  einem  Artikel  „Geologische  und  paläontologische  Auf- 
zeichnungen auf  dem  Wege  von  Pleven  nach  dem  Trojan 
Balkan"  ^  habe  ich  die  Verhältnisse  beschrieben,  hier  sei  nur  die 
Thatsache  hervorgehoben,  dass  die  erwähnten  Brecciencon- 
glomerate ihrem  Alter  nach  derselben  Epoche  angehören,  wie  die 
eisenerzführenden  Dolomite. 

Auf  dem  Wege  vom  Kloster  nach  Trojan  fand  ich  nichts 
Bemerkenswerthes.  Überall  dieselben  bläulichen  Mergel  und 
mergeligen  Sandsteine,  die  fast  genau  von  0  nach  W  streichen 
und  sehr  steil,  beinahe  vertical  aufragen.  Die  Vertheilung  der 
Schichten  ist  besonders  deutlich  an  den  Ufern  des  weissen  Osam, 
sowie  um  Trojan  herum.  Dieses  Städtchen  liegt  auf  der  linken 
Seite  des  soeben  genannten  Flusses,  und  breitet  sich  von  N  nach 


1  Period.  Spisaulje  X,  pag.  73. 

2  G.  Zlatarski.  Die  Mineralien  von  Bulgarien,   p.  26.  (Bulgarisch.) 

3  Period.  Spisanije  X,  p.  75—77. 


318  Zlatarski, 

S  aus.  Am  reclilcu  Ufer,  ihm  gegenüber,  erhebt  sich  ein  nicht 
sonderlich  hoher,  aber  ziemlich  steiler  Hügel,  namens  Kapince, 
im  N  —  Bukovec,  und  im  S  —  der  hohe  Abov-Et  (in  der  russi- 
schen Karte  als  Bergalov  Yok  bezeichnet).  Vor  Trojan  selbst  ist 
das  Bett  des  weissen  Osam  breit,  aber  seicht,  die  Strömung  des 
Wassers  ist  hier  nirgends  so  gross,  wie  beim  schwarzen  Osam,  ja 
selbst  der  felsige  Grund  fehlt  ganz  und  gar,  so  dass  sich  der 
Unterschied  zwischen  den  beiden  Flüssen  als  beträchtlich 
erweist. 

Sobald  man  Trojan  verlässt,  gewahrt  man  in  dem  soge- 
nannten Trni  (Dorngebüsch')  eine  Art  bläulicher  und  grauer, 
kalkiger  und  thoniger  Schichten;  dieselben  streichen  von 
0  (h.  19  Yg)  nach"W(li.  7  Y3),  erheben  sich  fast  senkrecht  und  neigen 
sich  nur  an  wenigen  Stelleu  nach  N;  sie  lassen  sich  auch  in 
dünne  Schiefer  spalten,  haben  in  morphologischer  Beziehung  eine 
Ähnlichkeit  mit  den  Criocerasschichten,  doch  sind  sie  anderer- 
seits jeder  Versteinerung  bar;  zwischen  denselben  bemerken  wir 
weiter  Kalkschichteu  von  feinkörniger  halbkrystallinischer  Structur 
und  röthlich-grauer  Färbuug,  Diese  letzteren  erreichen  selten  eine 
Stärke  von  1  Dm.  Das  vorwaltende  Gestein  sind  die  kalkig- 
mergeligen Schiefer,  die  allmälig  in  feinkrystallisirteu  bläulichen 
Kalk  übergehen. 

Sowie  mau  das  nächste  Gebiet  des  weissen  Osam  betritt 
nimmt  man  wahr,  dass  der  bläuliche  Kalk  sich  hier  in  com- 
pacterer  Form  vorfindet,  seine  Schichten  sind  stärker  und  durch 
dünne  Lagen  mergeligen  Kalksteines  von  einander  getrennt.  An 
dieser  Stelle  fallen  die  Schichten  in  entgegengesetzter  Rich- 
tung nach  W  und  zwar  anfangs  unter  einem  schwachen  und 
sodann  unter  einem  ziemlich  starken  Winkel  (40—60°).  Etwas 
weiter  nach  Süden  erscheinen  die  Schichten  wieder  in  ihrer 
gewöhnlichen  Richtung  (NO). 

An  dem  südlichsten  Punkt  des  Flusses,  dort  nämlich  wo 
der  Osam  ein  V-förmiges  Knie  bildet,  finden  wir  hie  und  da  in 
Gestein  eingeschlossene  Rollstücke  von  Quarzit.  Die  einzelnen 
Quarzkörner  sind  vorherrschend  klein  und  erreichen  selten  die 
Grösse  einer  Wallnuss. 

Nach  W  gehend,  erreichte  ich  bald  den  Fluss  Kneza,  der 
auf  der  Porta  Trojana   entspringt  und  ziemlich  wasserreich  ist; 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  319 

"Über  eine  hohe,  von  einem  einzigen  Pfeiler  unterstützte  Stein- 
brticke  ging  ich  auf  das  rechte  Ufer  des  Flusses  über,  um  mich 
bald  nachher  bei  Babina-Läka,  an  der  Mündung  der  Razdavica 
von  Neuem  aufs  linke  Ufer  zu  begeben.  Hier  fallen  die  Schichten 
nach  SW  (20 — 30°)  und  enthalten  unbedeutende  Linsen  von 
Braunkohle. 

Nach  Norden  hin  treffen  wir  dieselben  Schichtfolgen,  wie 
längs  des  weissen  Osam,  südlich  von  Trojan.  Die  Kalke  gehen 
in  mergelige  Gesteine  und  bei  Grncezite  in  mergeligen  bläulichen 
Kalk  ohne  Fossilien  über.  Beim  letztgenannten  Orte  erblicken  wir 
dieselben  thonigen  Schiefer,  wie  in  dem  Trni  beim  Ausgange 
von  Trojan.  Unweit  Grncerite  fallen  die  Schichten  nach  N. 

Bis  nach  Gorne-Sipkovo  herrschen  um'  graue,  mergelig- 
kalkige Gesteine. 

3.  V  0  n  S  i  p  k  0  V  0  n  a  c  h  V  a  s  i  1  j  0  V.  —  In  einer  Entfernun g  von 
einem  Kilometer  von  Sipkovo  erreichen  die  sandigen  und  merge- 
ligen Neocomfelsen  ihr  Ende  und  es  zeigen  sich  nun  in  der  Tiefe 
jurassische  oder  liassische  grauschwarze,  dichte,  nach  S  unter 
einem  Winkel  von  25  °  fallende  Kalkfelsen,  die  von  weissen 
Oalcitadern  durchzogen  sind  und  ausserdem  mit  Calcitkrystallen 
ausgefüllte  Hohlräume  aufweisen.  Dieses  Gestein  geht  bald  in 
dunkeln,  grauen,  mikrokrystallisirten,  gleichfalls  von  Oalcit- 
adern durchzogenen  Kalk  über,  um  sodann  einem  blaugrauen, 
feinkörnigen,  theilweise  porösen  unregelmässig  sich  spaltenden 
dolomitischen  Kalke  Platz  zu  machen.  Weiter  sieht  man  grauen 
halbkrystallinischen  Kalkstein  mit  undeutlichen  Fossilien. 

In  westlicher  Richtung  kommen  thonig-kalkige,  buntfarbige 
Gesteine,  zumeist  rothgefärbt,  zum  Vorschein.  ^  Die  äussersten 
Ausläufe  derselben  bestehen  aus  halbkrystallinischem,  grau- 
röthlichem  Kalk,  in  dem  eine  grosse  Menge  von  Belemniten 
enthalten  sind.  Hier  finden  wir  auch  kalkige  conglomeratähn- 
liche  Breccien;  dieselben  bestehen  aus  kalkigen,  grauen  oder 
blauen  und  auch  dolomitischen  mit  Thoncement  verbundenen 
Bruchstücken. 


1  Nach  Prof.  Toula  ist  es  ganz  dasselbe  Gestein,  ^yie  er  es  ander 
Hauptstrasse  über  den  Berkowica  Balkan  (öitzb.  G.  LXXVII.  Bd.  1878)  und 
auch  bei  Teteven,  westlich  von  der  berührten  Stelle  (Toula,  Sitzber.  XC. 
Bd.  1884,  pag.  303)  angetroffen  hat. 


320  Z  1  a  t  a  1-  s  k  i , 

Unweit  Krusev-Dol  zeigen  sich  rotlie  eisenhaltige  Thon- 
gesteine,  die  mit  unzähligen  grauen  und  gelblichen  mergelig- 
kalkigen Schichten  wechseln;  auch  lichtgraue,  dichte,  quarzit- 
ähnliche  Sandsteine  kommen  vor.  Die  Schichten  fallen  hier  nach 
S  (h.  10). 

Ähnliche  Felsarten  treffen  wir  auch  südlich  vom  Trojan- 
Kloster  und  westlich  von  Sipkovo,  gegen  Teteven  (cfr.  Toula 
Sitzb.  XC.  1884.  pag.  304). 

Bei  Krusov-Dol  findet  man  im  Thale  auch  weisse  sandige, 
rothe  Quarzite  und  rothe  Kalkgesteine. 

Das  kleine  Flüsschen,  in  dessen  Thale  sich  unser  Weg  hin- 
zieht, kann  als  Grenze  zwischen  dem  dunkelgrauen  und  dem 
röthlichen,  mergeligen  Kalk  angesehen  werden;  diesen  letzteren 
sieht  man  nur  nördlich  vom  Flusse,  jenen  nur  südlich.  Das 
nördliche  Ufer  erscheint  infolge  der  Zersetzung  der  Felsen  roth 
gefärbt;  aus  derselben  Ursache  erscheint  auch  der  Fiuss  nach 
heftigem  Regenwetter  blutroth  und  führt  dann  ganz  gewaltige 
Wassermassen.  Der  Name  Razdovica  (von  razda  =z  roth) 
dürfte  auf  diese  Färbung  des  Wassers  zurückzuführen  sein. 

4.  Von  Sipkovo  über  Koman,  Dlbok-Dol,  Vrabiu 
nach  Sevlicvo.  —  Sobald  man  Sipkovo  verlässt,  gewahrt  man 
gegen  die  Mitte  des  ersten  Hügels,  sowie  im  nächsten  Thale  kohl- 
schwarze, sandig-thonige  und  glimmerige  Schichten,  deren  Bruch- 
flächen rostroth    oder  gelb  gefärbt  sind;  Neigung  16°   nach  S. 

Die  nämlichen,  mit  Wülsten  bedeckten  Gesteine,  worin 
man  auch  dünne  aschgraue  Kieselschiefer  bemerkt,  findet  mau 
auch  um  Teteven,  sodann  nördlich  von  Tekija,  gegen  den  Pass 
von  Trojan.  Obwohl  dieselben  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  den 
Carbonschieferu  des  Iskerthales  aufweisen,  so  dürfte  man  es 
dabei  doch  mit  Ablagerungen   des  unteren  Jura  zu  thun  haben. 

In  demselben  Thale,  das  den  Namen  Mljavor  führt,  gewahrt 
man  über  dem  schwarzen  Gestein  thonige,  feinkörnige  Saudsteine 
aber  von  aschgrauer  Färbung;  weiter  oben,  gegen  die  Spitze  des 
Hügels,  stossenwir  auf  die  uns  wohlbekannten  neocomen,  sandigen 
Mergel  und  auf  die  bläulichen  kalkigen  Mergel,  die  sämmtlich 
nach  Norden  fallen;  über  diesen  breitet  sich  dichter,  merge- 
liger Kalk  mit  muscheligem  Bruch  und  von  graugelblicher 
Färbung  aus;    auf  diesen  folgt  ein  gleichfalls  dichter,    thoniger, 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  321 

aber  der  Farbe  nach  bläulicher  und  röthlicher  Kalk,  dessen 
Ähnlichkeit  mit  dem  Kalk  aus  dem  Urgonien  von  Lovec  und 
Pavlikeni  bemerkenswerth  ist,  dessen  Ausbreitung  hierorts  aber 
nur  gering  ist.  Fast  will  es  uns  seheinen,  dass  man  es  hier  nur 
mit  kümmerlichen  Überresten  eines  mächtigen  Felsgürtels  zu 
thun  habe.  Lagenweise  sind  die  thonigen  Schichten  des  Mljavor- 
hügels  sehr  eisenschüssig. 

Zu  Oberst  liegt  Thon  vermischt  mit  Glimmer  und  Sand. 
(Fallen  nach  NO  mit  28°.)  Auf  der  Strecke  Koman-ßorimo 
gewahren  wir  dieselben  Gesteine,  nur  die  Fallrichtung  ändert 
sich  infolge  der  vielfachen  Schichtfaltungen.  Beim  letzteren 
Dorfe  sieht  man  am  deutlichsten  die  bläulichen  Mergel,  die 
mehrere  Male  mit  bläulichen  Kalksteinen  abwechseln.  In  Dlbok- 
Dol  kommen  ausser  diesen  auch  saudige  Mergel  zum  Vorschein; 
sie  fallen  unter  einem  Winkel  von  45°  nach  SW.  Die  Sandsteine 
enthalten  keine  Fossilien,  ihre  Schichtflächen  sind  mit  Hiero- 
glyphen bedeckt. 

Gute  Aufschlüsse  in  den  untercretacischen  Mergeln  und 
Sandsteinen  finden  sich  am  Petrov-Dol.  Der  Bach  Petrov-Dol  ent- 
springt auf  dem  Hügel  Kurubasina  und  nimmt  unweit  seiner 
Quellen  links  den  Bach  Ledov-Dol  auf.  Die  Umgebung  der 
Quellen  besteht  aus  mergelig  und  kalkig-sandigen  dickbankigen 
Felsen,  die  unter  einem  Winkel  von  41  °  nach  N  (hora  23) 
fallen.  Infolge  der  in  ihnen  enthaltenen  w^eissen  und  schwarzen 
Quarzkörner  erscheinen  die  Gesteine  zum  Theil  bunt 
gefärbt. 

Da  die  hiesigen  Sandsteine  sehr  hart  sind  und  sich  in 
schöne  Platten  spalten  lassen,  verwendet  man  sie  als  Dachdeck- 
material. Gewöhnlich  ist  ihre  Färbung  graugelblich  und  nur  in 
frischem  Zustande  sind  sie  bläulich.  Manche  thonartige  Schichten 
sind  ganz  mürbe,  andere  wieder  sind  conglomeratartig,  sandig 
und  unter  den  Conglomeratsandsteinen,  in  w^elchen  ich  eine 
Bivalve  (Punopuea?)  fand,  zeigen  sich  bläuliche  Mergel  und 
mergelige  Sandsteine.  Zwischen  den  letzteren  finden  wir  an 
einigen  Orten  auch  etwas  Steinkohle  in  Linsenform.  Die  Mergel 
und  die  Sandsteine  erstrecken  sich  bis  zur  Vidima. 

In  den  Mergeln,  im  Piazdoli-Dol  bei  Vrabiu,  kommen 
folgende  Fossilien  vor: 


322  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

Fanopaeu  plicata  (Sow.)  Forbes.  (Mat.  p.  1.  pal.  Suisse  I,  Fossiles  du 
terrain  aptien,  p.  57,  pl,  VI,  Fig.  4,  5)  nähert  sich  mit  ihrer  länglichen  Form 
und  ihren  tiefen  concentrischen  Furchen  vollkommen  der  Panopaea  aus 
Perte  du  Rhone. 

Trigonia  carinata  Agassiz.  (D'Orbigny,  Terr.  cretac6  III,  p.  132,  pl. 
286.)  Diese  Trigonia  fand  ich  in  Bulgarien  zum  ersten  Mal  bei  Caribrod  in 
den  Apt-Schichten  mit  der  OstreaCouloni  und  anderem. i 

Unser  Exemplar  ist  nicht  vollständig  erhalten,  doch  lässt  es  sich 
noch  ganz  gut  bestimmen  ;  diese  Trigonia- Art  ist  besonders  für  das  obere 
Neocom  charakteristisch. 

Trigonia  ornata  d'Orb.  (Orbigny,  op,  cit.  III,  p.  136,  pl.  288,  Fig, 
5 — 9.)  Stärker  vertreten  als  die  soeben  beschriebene.  In  Perte  du  Rone 
und  St.  Croix  ist  sie  ganz  gewöhnlich. 

Ostrea  Couloni  (De fr.)  D'Orb.  (D'Orbigny,  op.  cit.  III,  p.  698.  p.  466 
und  467,  Fig.  1 — 3)  Nur  ein  einziges  besser  erhaltenes  Exemplar,  das  sich 
von  jenen  aus  Caribrod  und  aus  der  Dragomanschlucht  in  keiner  Beziehung 
unterscheidet.^ 

Es  kommen  hier  auch  Korallen  vor,  die  an  Menge  sogar  alle 
anderen  Fossilien  übertreffen.  3 

Von  Vrabiu  bis  Sevlievo  führt  der  Weg  am  Fusse  eines 
Berg-abhauges  bin,  längs  der  nördlichen  Seite  des  Kessels,  und 
übersetzt  einige  wasserarme  Thäler.  Von  Gesteinen  finden  sich 
nur  Mergel  und  Sandsteine. 

Auf  der  Strecke  Damjanovo-Irevo  trifft  man  nur  Sandsteine 
und  bläulichen  Mergel;  gegen  0  und  SO  erheben  sich  über 
flieser  Formation  v^eisse  Kalkfelsmassen,  die  auch  gegen  SW 
ein  imposantes  Aussehen  gewinnen;  sie  fallen  leicht  geneigt 
gegen  NO  ein.  Die  erste  Partie  dieser  Gesteinsmassen  erhebt  sich 
über  Serbegli,  unweit  Kajobas,  Vlajcovci,  parallel  mit  der  Strasse 
von    Gabrovo;    die    andere    —   über   Kamenec,    Muzega,   und 


IM.  vergl.  Fr.  Toula,  Sitzber.  Bd.  LXXXVII  1883,  p.  2  flf.  — 
G.  Zlatarski,  Geologische  Excursionen  im  südwestlicheu  Bulgarien.  1885, 
p.  7.  —  Period.  Spisanije  XVI. 

2  Frauz  Toula,  Sitzber.  1883,  p.  7,  Taf.  IV,  Fig.  5. 

3  Es  sind  vorwaltend  Einzelkorallen :  Montlivaultien,  Trochosmilien 
und  dergl.  von  Stockkorallen  liegt  ein  hübscher  halbkugeliger  Stock  einer 
Lalimaeandra  vor.  Prof.  Toula  glaubt  annehmen  zu  dürfen,  dass  die  Schich- 
ten von  Vrabiu  mit  jenen  von  Dragomau-Caribrod  thatsächlich  in  Überein- 
stimmung stehen,  (Toula.  Sitzber.  18ö3,LXXXVIII;.  Die  Korallen  erinnern 
übrigens  lebhaft  an  jene  der  Korallen-Facies  von  Orese-Belince  (Toula 
Griindl.  1881,  pag.  28,  Taf.  II),  welchen  freilich  seiner  Meinung  nach  ein 
etwas  höheres  Alter  zukommen  würde. 


Geologische  Untersucliimgeu  im  centralen  Balkan  etc.  323 

Debeldjal  und  zieht  sich  nach  der  Südseite  Gabrovos  hiu.  Dieser 
zweite  Felsgilrtel  erreicht  nicht  die  Ausdehnung  des  ersteren, 
der  sich  in  nördlicher  Richtung  bis  nach  Duandzo,  Adamovo, 
Kajadzik  und  in  östlicher  bis  DrjanoYO,  wo  er  mit  dem  Namen 
Straza  bezeichnet  wird.  Beide  Kalkzonen  sind  urgonisch  (Re- 
quienienkalke). 

Von  den  Höhen  oberhalb  Cadirli  kann  man  nur  einen 
Theil  des  Beckens  von  Sevlievo  überblicken.  Sevlievo  (200  Meter 
über  dem  Meeresspiegel)  ist  von  einem  hohen  Hügel  (380  Meter) 
geschützt,  der  sich  von  0  nach  W  erstreckt,  so  dass  die  Aussicht 
auf  das  hübsche  Städtchen,  welches  sich  im  östlichen  Winkel  des 
länglichen  Thalkessels  erhebt,  ganz  verdeckt  wird. 

VI.  Von  Sevlievo  nach  Svistov. 

Im  Nordosten  von  Sevlievo  erheben  sich  an  der  Rossica  steil- 
abstürzende bläulich-graue  Mergelfelsen,  deren  Schichten  unter 
einem  Winkel  von  20°  nach  N  fallen  und  öfters  mit  ganz 
dünnen  Lagen  von  Eisenocker  abwechseln. 

Auf  dem  Wege  nach  Krusovo  breiten  sich  über  den  echten 
Mergeln  grau-bläuliche  Kalkmergel  aus,  die  auch  von  thonigen 
und  mergelig-sandigen  Schichten  unterbrochen  sind,  gegen  die 
Höhen  aber  stellt  sich  ein  bunter  (meist  röthlicher)  körnig- 
sandiger Kalk  ein,  der  reich  ist  an  Korallen.  Bryozoen,  Echi- 
niden  etc.  Auf  diesen  letzteren  folgt  nach  oben  licht  röthlichweisser, 
oder,  aschgrauer,  feinkörnig-sandiger  Kalk,  der  gleichfalls  eine 
ziemlich  grosse  Menge  von  Korallen,  Echiniden,  Rynchonellen 
und  Ostreen  enthält.  Die  obersten  Felsschichten,  dem  urgonischen 
Kalk  vollkommen  entsprechend,  breiten  sich  wie  eine  Decke 
über  dem  höchsten  Theile  des  Bergkegels  aus  und  erreichen  hier 
eine  Höhe  von  546  Meter  über  dem  Meeresspiegel. 

Aus  den  soeben  beschriebenen  Schichten  konnte  ich  nur 
folgende  Fossilien  herausbringen: 

Pseudocidaris  cfr.  clunifera  Ag.  (P.  de  Loriol),  Ripichonella  irregidaris 
Pictet  und  eine  Terebratida. 

Tembratula  (nov.  sp.?)  hat  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  Ter.  Collinaria 
d'Orb.  (D'Orbigny.op.  cit.VI,  p.  81,  pl.  507,  Fig.  (3.  — P.  de  Loriol,  Terr. 
cretaee  de  St.  Croix  p.  107,  pl.  20.5,  Fig  15  und  IG)  aus  dem  Valang.  (Länge 
18-8  Mm.  Breite  17*8  Mm.  der  Höhe  10  Mm.)  Die  grösste  Breite  erreicht 
diese  Form  etwas  weiter  unten  als  es  bei  T.  Collinaria  der  Fall  ist. 


324  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

Das  Dorf  Krusevo  liegt  unmittelbar  unter  dem  Hü  gelrücken. 
Der  Abhang  ist  steil,  doch  keineswegs  felsig,  im  Gegensatz  zu 
dem  gegenüberliegenden  Ufer  der  Rossica,  wo  die  Requienia- 
(Urgon)  Gesteine  einen  ausgedebnten  Platz  einnehmen.  Steigt 
man  in  das  Thal  hinab,  welches  in  jenes  der  Rossica  aus- 
mündet, so  gewahrt  man  einen  dichten,  massiven  Requienien- 
kalkstein  von  graii-röthlicher  Färbung  und  vielen  weissen 
Calcitadern,  Die  Bänke  fallen  hier  ganz  flach  (5 — 8°)  nach  NO. 

Unter  diesem  massiven  Kalkstein  liegen  am  Flusse  bläu- 
liche Kalke  und  darunter  bläuliche  Mergel.  Die  Ufer  der  Rossica 
und  die  anliegenden  Höhen  weisen  ausschliesslich  Requienien- 
kalk  auf,  in  dem  sich  die  Rossica  in  einer  engen  Schlucht  mit 
grossem  Gefälle  hindurch  wälzt. 

Die  Scenerie  hält  an  bis  zu  der  Ebene  von  Bara.  Erst 
hier  treten  die  Caprotineu  oder  Requienienfelsen  zurück  und 
sind  nur  auf  den  Höhen  zu  erblicken^  während  in  der 
fruchtbaren  Thalebene  der  Rossica,  bläulicher,  sandiger  Mergel 

auftritt. 

Nachdem  ich  die  Thalenge  passirt  hatte,  stieg  ich  über 
Kramolinski-dol  auf  eine  Anhöhe,  die  Kramolin  von  Kojovci 
trennt.  Links  von  der  Strasse  erscheinen  die  Caprotinenf eisen 
vertical  durchschnitten  und  fallen  nach  den  Weinbergen  von 
Suhindol  ab,  wo  sie  unter  anderen  Kalkfelsen  von  zum  Theile  an- 
scheinend oolithischer  Structur  verschwinden;  diese  letzteren 
lassen  sich  in  dünne  Schichten  spalten. 

Das  ziemlich  grosse  und  hübsche  Dorf  Suhindol  (239  M.), 
in  N  und  W  von  hohen  Bergen  umgeben,  liegt  im  Hintergrunde 
eines  fruchtbaren  Thaies,  an  der  Grenze  zwischen  der  oberen 
und  der  unteren  Kreide.  Hier  ist  das  nördlichste  Vorkommen 
auch  der  Caprotinenkalke  in  diesem  Theile  des  Balkanvor- 
landes und  es  folgen  nun  auf  grauem  thonigem  Kalk,  der  durch 
seinen  Reich thum  au  OrbitoUna  letiticularis,  Korallen,  ver- 
schiedenen Cidarisstacheln  (Pseudocidaris  clnnifera  Ag.^,  Brj'o- 
zoen,  Requienien  sp.,  von  Fimbria  corrufiata  (Sow.,)  Forhes, 
Nerinen  sp.  ausgezeichnet  ist,  dünne  feinkörnige  Conchylienkalke, 
oolithische  Gesteine,  und  über  diesen  breitet  sich  dichter  Kalk 
mit  OrbitoUna    concava    Lam.    (?)    aus;  den    Schluss    bilden 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  325 

oolitliiscli-pisolithisclie  Gesteine,  die  ebenfalls  Orb.  concava  zu 
enthalten  scheinen.  ^ 

Bei  Suhindol  beginnt  das  Basaltterrain.  Der  erste  und 
südlichst  gelegene  Basaltkegel  liegt  im  Südwesten  von  Suhindol 
und  führt  hier  den  Namen  Vrha.  Er  hat  480  M.  absolute  Höhe 
und  erhebt  sich  241  M.  über  das  Dorf.  Seine  höchsten 
Partien  sind  bewaldet,  während  die  Abhänge  ganz  kahl  sind; 
diese  Erscheinung  verräth  am  deutlichsten,  wo  die  Grenze 
zwischen  den  eruptiven  und  den  sedimentären  Gesteinen  zu 
suchen  ist.  Die  letzteren  (oolithisch  u.  Orbitolinen  führend)  liegen 
fast  horizontal  und  zeigen  keinerlei  Veränderung.  Erst  wenn  man 
das  Wäldchen  betritt,  bemerkt  man  hie  und  da  zerstreut  Bruch- 
stücke von  schwarzem  Basalt;  von  anstehendem  Gestein  ist 
nirgends  eine  Spur  zu  sehen.  Der  Bergkegel  endet  oben  mit  einer 
Einsenkung  von  8 — 10  M.  Durchmesser  und  V/^  M.  Tiefe.  Von 
der  Höhe  aus  geniesst  man  eine  herrliche  Aussicht  nach  allen 
Seiten;  östlich  überblicken  wir  den  ganzen  unteren  Lauf  der 
Rossica  bis  zu  ihrer  Mündung  in  die  Jantra,  sowie  auch  die 
kalkig-sandigen  Felsen  oberhalb  Dragonovo,  die  sich  nach  N 
allmählich,  nach  S  aber  jählings  senken.  Als  Grenze  der  festen 
Caprotinenkalke  kann  man  annähernd  die  Rossica  annehmen:  sie 
finden  sich  nur  südlich  von  ihr.  Nach  NO  und  N  erblickt 
man  eine  ganze  Reihe  von  basaltischen  Hügeln.  Unter  ihnen 
ragen  an  Höhe  besonders  hervor:  Kara-tepe  westlich  und  Catal- 
tepe  südlich  von  Vrbovka. 

Die  Basalte  von  Suhindol  haben  eine  dunkelgrauschwärzliche 
Färbung.  In  der  dichten  Basis  gewahrt  man  sehr  oft  kleinere  und 
grössere,  mit  Olivinkrystallen  ausgefüllte  Geoden.  Der  Olivin 
kommt  auch  in  der  halbkrystallisirten  Basis  vor.  Der  Fels  ist 
hart  und  widerstandsfähig. 

Von  Suhindol  senkt  sich  die  Ebene  allmählich  bis  Gruhcova- 
mahala;  an  der  Rossica  selbst  gewahren  wir  hier  nur  blauen 
Mergel;  kalkige  Urgonienfelsen  bilden  die  Höhen.  Bei  Mahala 
liegt  unmittelbar  unter  dem  Mergel  eine  Art  von  buntem 
oolithischen  Kalk,    der  auch  bei  Mihalci  (am  rechten  Ufer  der 


1  Dieses  Profil  wird  mit  jenen  von  Vraca  und  am  Iskrec  bei  Öerepis 
(Sitzber.  1878)  zu  vergleichen  sein. 


326  Z  1  ;i  t  a  r  s  k  i , 

Eossica)  vorkommt.  Der  bläuliche  Mergel  enthält  Pyrit,  der  durch 
seine  Zersetzung-  Anlass  zur  Bildung  von  Melanterit  gegeben  hat. 

Auf  der  Strecke  Mahala-Vrbovka  kommt  festes  Gestein  nicht 
zum  Vorschein,  erst  im  Thale  vor  dem  letzteren  Dorf  erblickt  man 
sehr  feinkörnig  oolithischenröthlichgelben  Kalk,  eine  Fortsetzung 
jenes  von  Suhindol. 

Der  zweite  ßasalthügel  findet  sich  WNW  von  Vrbovka  und 
heisst  Kara-Tepe,  das  heisst  .Schwarzer-Hügel  (381  M.);  er  ist 
auf  seiner  Abdachung  bewaldet  und  ganz  oben  von  einer 
Wiese  bedeckt.  Das  Gestein  stimmt  vollkommen  mit  dem  Basalt 
von  Suhindol  tiberein. 

Nordöstlich  davon  erhebt  sich  ein  dritter  Hügel,  bekannt  unter 
dem  Namen  Catal-tepe;  derselbe  hat  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit 
einem  türkischen  Pferdesattel  und  ist  nur  auf  seiner  Westseite 
felsig,  während  der  östliche  Abhang  mit  Gestrüpp  bedeckt  ist. 
Der  Basalt  dieses  Kegels  erscheint  an  der  kahlen  Lehne  bläulich- 
grauschwarz  gefärbt  und  ist  seiner  Structur  nach  körnig. 

Der  vierte  Basaltkegel,  der  „Kalvak",  liegt  südöstlich  von 
Butovo.  Der  Basalt  ist  dicht  und  enthält  kleine  Olivineinschlüsse. 
Olivin  und  Augit  erscheinen  eingesprengt  in  der  dunkelgrau- 
schwarzen  Basis. 

Der  fünfte  Basaltkegel  liegt  zwischen  Butovo  und  Nedan 
und  führt  den  Namen  Dracevec;  er  ist  der  kleinste  unter  allen. 
Das  Gestein  desselben  ist  noch  körniger  als  jenes  von  Catal-tepe. 

Von  Butovo  schlug  ich  den  Weg  längs  des  Lomeabaches  ein 
und  gelangte  über  eine  ausgedehnte,  mit  Lehm  bedeckte  Ebene, 
nach  Slomer.  Sobald  man  auf  das  rechte  Ufer  derLomea  übergeht 
und  die  Ebene  verlässt,  bemerkt  man  links  vom  Wege  drei 
Basaltkegel,  einen  unbedeutenden,  namenlosen,  und  zwei 
beträchtlichere:  Ilandzik  und  Ostra-Mogila,  dieser  188  M.,  jener 
153-5  M. ;  von  ihnen  nehmen  die  Einwohner  von  Slomer  ihr  Bau- 
material. 

Auf  der  Höhe  jenes  Bergrückens,  der  Butovo  von  Slomer 
scheidet,  kommen  horizontal  lagernde,  fossilienfreie,  bläulich- 
graue Mergel  vor.  Zwischen  den  Schichten  bemerkt  man  gelben 
Ocker.  Dieses  Gestein  hält  an  bis  über  Slomer  hinaus,  nach 
N,  wo  es  zuletzt  unter  dem  Löss  versehwindet.  Östlich  von  Lipni- 
cite,  Patres,   Daskot,  Paskalevik    bricht  man   klingende   Kalk- 


Geologische  Untersiichimgen  im  centralen  Balkan  etc.  327 

platten,  die  theilweise  tlionig  und  saudig  sind  und  sowohl  als 
Bau-  als  auch  als  Dachdeckmaterial  verwendet  werden;  sie  sind 
turonisch  oder  genauer  gesagt  senon-turonisch  und  breiten  sich 
nach  NO  aus.  Bei  der  Brücke  von  Beleni  werden  wir  die  Gele- 
genheit haben,  sie  näher  zu  besehen. 

Kleinere  Hügel  in  Form  und  Grösse  an  Tumuli  erinnernd, 
sieht  man  um  Slomer  und  Varena,  doch  kann  ich  nicht  ent- 
scheiden, ob  auch  sie  vulcanischen  Ursprungs  sind,  da  sie  noch, 
nicht  eröffnet  sind.  ' 

Bemerkenswerth  ist  der  Basaltkegel  Kara-tepe  (^217  M.) 
zwischen  Cervena  und  Slomer  von  dem  die  meisten  in  diesem 
letzteren  Dorfe  verwendeten  Steine  herrühren.  Ob  der  Hügel 
östlich  von  Cervena  auch  basaltisch  ist,  kann  ich  nicht  sagen, 
doch  constatirte  ich  Basaltfelsen  noch  vor  Ovca-Mogila  und  nörd- 
lich davon.  Man  erzählte  mir,  dass  ..abgebrannte  Steine"  (so 
nennen  bei  uns  die  Bauern  den  Basalt)  noch  zwischen  Delisjule 
und  Kozlovec,  sowie  auch  in  der  Nähe  dieses  letzteren  Ortes 
vorkommen,  ich  habe  diese  Localität  Jedoch  nicht  selbst  gesehen. 
Von  Slomer  bis  Tri-Mogili  ist  alles  mit  fruchtbarem  Ackerboden 
bedeckt.  Der  Löss  beginnt  dort,  wo  sich  die  Anhöhe  gegen  die 
Hauptstrasse  senkt.  Er  zeigt  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  jenem 
des  unmittelbaren  Donaugebietes ;  er  enthält  auch  weisse  Kalk- 
concretioneu.  Nur  an  solchen  Stellen,  wo  er  von  den  Giessbächen 
weggetragen  ist,  zeigt  sich  bläulicher  Mergel  darunter,  ebenso 
auch  im  W  unweit  der  Brücke,  die  über  den  Osam  führt.  In  der 
Richtung  nach  der  Donau  zu  herrscht  Löss  und  nur  hie  und  da 
treten  ältere  Gesteine  an  die  Oberfläche. 

Vor  Ovca-Mogila  ist  links  vom  Wege  ein  BasaHkegel  ge- 
öffnet worden.  Hier  kann  man  die  Wirkung  der  Eruptivgesteine 
auf  die  sedimentären  sehr  genau  beobachten.  Die  Kalkschichten 
zeigen  wohl  nicht  die  geringste  Veränderung,  dagegen  sind  die 
thonigen  und  sandigen  graugrünlichen  Gesteine  in  eine  dichte 
Masse  umgeschmolzen,  worin  man  dunkle  Flecken  bemerkt.  Die 
Umwandlung  ist  übrigens  nur  in  unmittelbarer  Nähe  des  Basaltes 


1  Auch  auf  der  Strecke  Svistov-Pavel  (besonders  bei  Sarijar)   findea 
sich  nach  Professor  Toula  ähnliche  Hügel  in  grosser  Zahl. 

Sitzb.  d.  mathem.-naturvv.  Gl.  XCIII.  Bd.  ].  Abth.  2  2 


328  Z  1  a  t  a  r  s  k  i , 

erfolgt.  In  diesem  Aufschlüsse  findet  man  auch  weissen  kaolin- 
artigen Thon  und  weissen  sandigen  Kalk. 

Rechts  vom  Wege  nach  Delisjule  bemerkt  man  auf  der  An- 
höhe einen  Hügel,  der,  nach  seiner  Configuration  zu  schliessen, 
ein  Basaltkegel  sein  dürfte,  ausserdem  ist  sein  Gipfel,  wie  der 
des  Catal-tepe  felsig. 

Bevor  icl)  Delisjule  erreichte,  gelangte  ich  über  einen  mit 
Löss  bedeckten  Hügel  nach  Kozlovec,  wo  in  dem  Ufer,  das  nach 
W  ausschaut,  einige  Steinbrüche  geöffnet  sind.  Die  Reihenfolge 
der  Schichten  ist  folgende:  Ganz  oben  reiner  Löss,  darunter  san- 
diger Löss  mit  Kalkconcretionen,  sodann  folgen  nach  unten: 
einige  10 — 35  Cm.  starke  Thonschichten,  ebenfalls  Kalkcon- 
cretionen enthaltend,  sandige  Quarzitschichten  mit  weissem 
Glimmer  und  Lagen  von  hartem,  bläulichem  Quarzsandstein,  der 
sich  vortrefflich  zu  Mühlsteinen  eignet.  In  diesem  Sandsteine 
kommen  ausser  Exo(iyra  und  Ostrea  keine  anderen  Fossilien 
vor.  Seinem  Aussehen  nach  erinnert  dieser  Sandstein  an  jenen 
von  Trucevica.  Sowohl  im  Osmathale  als  auch  hier,  liegt  unter 
dem  Sandstein  bläulicher  sandiger  Mergel.  Die  Schichtung  ist  un- 
deutlich. (Scheint  mit  15°  nach  S  einzufallen.) 

Bei  Carevec  verliess  ich  die  Hauptstrasse  und  schlug  den 
kürzeren  Weg  über  den  Hügel  ein.  In  der  ersten  Einsenkung 
rechts  liegt  das  Kloster  Sv.  Bogorodica  (Heilige  Maria)  und  links 
dehnen  sich  Weinberge  aus.  Nachdem  ich  nun  auch  über  den 
zweiten  vor  Svistov  situirten  Hügel  setzte,  dessen  Lössdecke 
gegen  N  von  den  Sturzbächen  sehr  tief  ausgegraben  ist,  erreichte 
ich  nun  die  Stadt  selbst.  Erst  an  der  Donau  kommen  Sandstein- 
felsen des  Aptien  mit  Trigonia,  Ostrea  und  anderen  zum  Vor- 
schein, 

TU.  über  die  bulgarischen  Basaltfelsen  im  Allgemeinen. 

Basalte  finden  sich  in  Donaubulgarien  nur  zwischen  den 
Flüssen  Osam  und  Jantra.  Sie  erstrecken  sich  von  SSW  nach 
NNO,  stehen  im  Allgemeinen  fast  auf  einer  und  derselben  zur 
Balkankette  transversalen  tektonischen  Linie,  in  einer  Länge 
von  40  Kilom.  zwischen  Suhindol  und  Delisjule;  Gruppen  bilden 
sie  nicht.  Die  Höhe  der   einzelnen  Kegel  Catal-tepe  und  Kara- 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  329 

tepe  bei  Brbovka  ausgenommen,  ist  keine  bedeutende;  nach  der- 
selben kann  man  sie  folgendermassen  anreihen:  1.  Der  Basalt- 
kegel oberhalb  Suhindol  mit  480  M.  absoluter  Höhe;  2.  Kara- 
tepe  bei  Vrbovka  mit  382  M.;  3.  Catal-tepe  mit  286  M.;  4.  Kara- 
tepe  bei  Slomer  mit  217-5  M.;  5.  Ostra-Mogila  mit  188  M.; 
6.  Ilandzik  mit  153*5  M.  Ausserdem  noch  sieben  Basaltkegel, 
darunter  Ovca-Mogila  und  Dracevec,  zwischen  Butovo  und  Nedan. 
Sie  sind  annähernd  kegelförmig  mit  entschiedener  Neigung  der 
Abhänge,  die  zum  Theile  mit  Triften  oder  Wald  bedeckt,  auch 
ganz  kahl  sind.  Die  Spitzen  sind  verschieden  gestaltet.  Manche 
ragen  steil  empor,  andere  sind  ganz  abgeflacht;  Catal-tepe  weist, 
wie  gesagt,  die  Form  eines  türkischen  Sattels  auf. 

Die  vulkanischen  Gesteine  durchbrechen  bei  Suhindol  die 
kalkigen,  an  Orbitolinen  reichen,  oolithischen  Gesteine  und  gegen 
Norden  die  blauen  Mergel. 

Bei  Ovca-Mogila  liegen  die  Schichten  fast  horizontal.  Die 
Eruption  hat  die  Lage  der  sedimentären  Gesteine  nicht  gestört. 
In  Serbien  bei  Nis  unweit  Ostrovica,  am  rechten  Ufer  der  Nisava, 
durchbricht  das  einzige  Vorkommen  von  Basalt  in  Serbien  das 
Neocom,  ^  während  in  Bulgarien  sicher  mittelcretacische  Schichten 
durchbrochen  werden. 

Der  Basalt  ist  dicht  oder  körnig,  grauschwarz  oder  bläulich- 
dunkelgrau;  in  seiner  homogenen  Grundmasse  kann  man  mit 
unbewaffnetem  Auge  die  grossen  Krystalle  undKörnerdes  Olivins 
unterscheiden.  Dieses  Mineral  ist  in  manchen  Basaltpartien  stärker 
vertreten  als  in  anderen,  in  den  körnigen  Varietäten  sieht  man  es 
auch  kleine  Hohl-  und  Zwischenräume  ausfüllen;  solche  Vor- 
kommnisse findet  man  vielfach:  Vrh,  Kara-tepe,  Catal-tepe  und 
Ovca-Mogila.  Die  schönsten,  frischesten,  dichtesten  und  härtesten 
Basalte  von  fein  mikrokrystallinischer  Basis  finden  wir  amKalvak, 
au  den  Ostra-Mogila  und  am  Ilandzik;  die  in  den  übrigen  Hügeln 
enthaltenen  Basalte  sind  mehr  oder  minder  körnig.  ^ 


1  J.  Zujovic,  Materialien  zur  Geologie  des  Königi-eichs  Serbien. 
I.  Geologie  von  Süd-Ost  Serbien.  Belgrad  1884,  p.  9. 

-  Prof.  Toula  hat  südöstlich  von  Svistov  Basalte  mit  deutlich 
säulenförmiger  Absonderung  unter  den  Findlingen  angetroffen.  (Sitzber 
XC.  Bd..  1884,  pag.  275.) 

22  * 


330  Z  1  a  t  a  r  s  k  i , 

In  Dünnschliffen  unter  dem  Mikroskop  betrachtet,  erscheint 
in  dem  Basalt  vom  Kalvak  der  Feldspath  (Plagioklas)  in  der 
Grundmasse  in  Form  von  mikrolithischen  Prismen.  Grosse  Feld- 
spathkrystalle  kommen  nicht  vor. 

Reich  vertreten  ist  der  Augit;  derselbe  findet  sich  meistens 
in  kleinen  Krystallen  von  gut  erhaltenen  Umrissen,  doch  auch  in 
Form  von  Körnern,  die  unter  den  gekreuzten  Nicols  durch  ihre 
schönen  Farben  auffallen.  Die  dem  Orthopinakoid  (cxd^^oo,  100) 
und  dem  Klinopinakoid  (oo  Poo,  010)  parallelen  Schnitte  sind  am 
häufigsten  zu  erkennen.  Die  Krystalle  sind  frisch  und  erscheinen, 
bei  gewöhnlichem  Lichte  betrachtet,  fast  farblos ;  im  polarisirten 
Lichte  dagegen  zeichnen  sie  sich  durch  ihre  lebhaften  rothen  und 
gelben  Farben  aus.  Die  kleinen  Krystalle  herrschen  vor.  Die 
gewöhnlichsten  Einschlüsse  in  diesem  Mineral  sind  Magnetit- 
körner. 

Eines  der  constanten  und  reich  vertretenen  Minerale  in  unse- 
rem Basalt  ist  der  Olivin,  welcher  sowohl  in  grossen  Krystallen 
als  auch  in  Krystallkörnern  vorkommt.  Er  unterscheidet  sich  leicht 
vom  Augit  durch  seine  rauhe  Oberfläche,  durch  seine  unregel- 
mässigen Spalten  und  durch  seine  lebhaften  Farben  zwischen  den 
gekreuzten  Nicols.  Die  Spalten  unseres  Olivins  sind  mit  einer 
grünlichen  Materie,  wahrscheinlich  Serpentin,  ausgefüllt.  Magnetit 
ist  in  demselben  weniger  häufig  als  im  Augit.  In  dünnen  Schliffen 
erscheint  er  farblos. 

In  der  Grundmasse  zerstreut  findet  sich  Magnetit,  der  in 
kleinen  Körnern  oder  octaedrischen  Krystallen  auftritt.  Grössere 
Krystalle  sind  selten.  Gewisse  hexagonale  Durchschnitte 
scheinen  auf  Titaneisenerz  zu  deuten,  ich  habe  diesbezüglich  je- 
doch keine  weiteren  Untersuchungen  angestellt. 

Mit  dem  Apatit  in  Gemeinschaft  kommt  auch  Nephelin  vor, 
das  erste  Mineral  in  Form  von  Nadeln,  das  zweite  in  kurzen  und 
ziemlich  starken  hexagonalen  Säulen ;  beide  zeigen  im  polarisirten 
Licht  dieselbe  Farbe. 

Was  die  Basis  anbetrifft,  so  ist  sie  schmutziggrau,  halbglasig 
und  sowohl  mit  Feldspath-  als  auch  mit  Augitmikrolithen  und 
Magnetitkörnern  erfüllt. 


Geologische  Untersuchimgen  im  centralen  Balkan  etc.  331 

Till.  Ton  SvistoY  nach  Trnovo. 

In  dem  ziemlich  hohen  und  steilen  Donauufer  bei  Svistov 
sind  die  Schichten,  so  weit  sie  sichtbar  sind,  folgendermassen  ver- 
tbeilt:  die  Decke  bildet  reiner  Löss,  darunter  fol^  sandiger  Löss 
und  unter  diesem  Sandstein  mit  Kalkcement.  Dieses  letztere 
harte  Gestein  wird  als  Baumaterial  verwendet  und  wechselt  oft 
mit  Schichten  von  mürbem  Saudstein  ab,  welcher  uach  den  in  ihm 
vorkommenden  Fossilien  Osfrea,  Trigonia,  Ammonites  und  anderen 
zum  Aptien  gerechnet  werden  kann.  ^ 

Gegen  Vardiu  nimmt  die  Stärke  der  obersten  Lössscbichte 
ab  und  an  vielen  Stellen,  sowobl  am  Wege,  als  auch  an  der 
Donau,  zeigen  sich  die  Sandsteine. 

Östlich  von  Vardin  breitet  sich  bis  zur  Jantra  eine  Ebene 
aus;  rechts  vom  Wege  erheben  sich  etliche  mit  Löss  bedeckte 
Anhöhen.  Die  Quarzsandsteine  haben  hier  gröberes  Korn  als  bei 
Svistov,  und  fallen  unter  einem  Winkel  von  22°  nach  NO.  Über 
einen  Morast  gelangt  man  uach  Novgrad.  Dieses  Dorf  liegt  auf 
Löss  am  linken  Ufer  der  Jantra. 

Gegen  Biljaiiov  gewahrt  man  auf  beiden  Seiten  dieses 
Flusses weissgelbliche  Kalkfelsen, die  sehr  reich  an  Orbit olinen, 
Korallen,  Bryozoen  und  anderem  sind.  Manchen  Partien 
fehlen  die  Orbitolinen.  Diese  Gesteine  sind  theils  fein,  tbeils 
grobkörnig  oolithisch;  die  ersteren  sind  weiss  und  aus  feinen 
Körncben  zusammengesetzt,  sie  enthalten  wenig  Orbitolinen  und 
sind  ziemlich  fest;  die  anderen  (pisolithisch  erscheinenden)  haben 
nicht  durchwegs  runde,  sondern  auch  längliche  Körner  und 
bestehen  fast  ausschliesslich  aus  Resten  von  Bryozoen  und  ande- 
ren niederen  Thierchen.  Wenn  sie  nicht  Orbitolinen  aufweisen 
würden,  würde  man  sie  ohneweiters  für  tertiär  halten,  denn  sie 
haben  petrographisch  eine  grosse  Ähnlichkeit  mit  dem  oolith- 
pisolithischen  Cerithienkalken  aus  dem  Isker-  und  Timokthaie. 
Die  Orbitolinen  erinnern  stark  an  jene  von  Suhiudol  und  anderer- 
seits  an   die   Orbitolinen,     die   gegenüber  von   Karahasan    am 


1  Man  vei'gl.  den  Bericht,  welchen  Professor  Toula  über  die  Reise 
im  Jahre  1884  erstattet  hat.  Sitzb.  XC.  (1884),  p.  275. 


332  Z  1  a  t  a  r  s  k  i , 

Osam  in  dem  oolithischen  Kalke  vorkommen.^  Die  nämlichen 
Kalke  finden  sich  auch  bei  Krivina  und  Batin  an  der  Donau, 
südlich  und  nördlich  von  Novgrad.  Auch  an  der  Jantra,  sowie 
an  allen  aus  dem  Balkan  in  die  Donau  mündenden  Flüssen, 
ist  nur  das  rechte  Ufer  felsig  und  steil. 

Gegen  S  sind  die  Felsen  weiss  und  theilweise  ausschliess- 
lich oolithisch,  sie  sind  ausserdem  dichter  und  härter  als  die 
vorigen  und  enthalten  hie  und  da   Orbitolinen. 

Von  Novgrad  ging  ich  nach  Dzuljunica  und  Cansevo.  Vor 
diesem  letzteren  Ort  erblickt  man  dieselben  Felsen  wie  bei 
Dzuljunica.  nur  sind  dieselben  reicher  an  Orbitolinen. 

Südlich  von  Cansevo  und  westlich  von  Dolnja-Studena  er- 
hebt sich  ein  kleiner  Hügel,  der  aus  mergeligem,  bläulichem 
oder  grauem,  sich  leicht  spaltendem  Kalkstein  besteht.  Diese 
Felsart  bildet  einen  beträchtlichen  Theil  des  Jantrasteilufers, 
und  tritt  auch  bei  Bela  auf. 

Gegen  die  Brücke  hin  treten  die  fast  horizontal  gela- 
gerten, thonigen  Kreidekalksteine  auf,  die  hier  mit  Flint  in 
Form  von  schwarzen  Knollen,  oder  in  dünneu  Lagen  (10  bis 
20  Ctm.)  erfüllt  sind.  Ausserdem  finden  wir  hier  auch  bläulichen 
Mergelkalk,  der  sich  von  ersteren  sehr  wenig  unterscheidet. 
Petrefacte  sind  in  diesen  Mergelkalken  nicht  eben  häufig. 
Folgende  Fossilien,  habe  ich  in  der  letzten  Zeit  gefunden: 

Inoceramvs  spec.  Mant.  Einige  Abdrücke  einer  kleinen  Art.  Von  den 
sonstigen  Bivalven- Abdrücken  könnten  gedeutet  werden,  das  eine  als 
Limopsis  spec.  ind.  (ähnlich  L.  calvatiis  Sow.  sp.  Zittel,  op.  cit.  p.  61, 
Taf.  IX,  Fig.  8).  Erreicht  eine  Länge  und  eine  Breite  bis  zu  10  Mm.,  ist  fast 
kreisrund  und  schwach  gewölbt.  Die  feineu  conceutrischen  Linien  an  ihrer 
Oberfläche  sind  kaum  sichtbar.  Sie  kommt  mit  anderen  undeutlichen 
Bivalven  im  bläulichen  Mergelkalk  bei  der  Brücke  vor.  Besitze  nur  einen 
Steinkern. 

Panopaea  sp.  Ein  unvollständiges  Exemplar,  das  die  grösste  Ähnlich- 
keit mit  P.  frequens  zeigt.  Diese  Muschel  ist  wie  Limopsis  calvatus  charak- 
teristisch für  Turon  oder  unteres  Senoii. 


1  OrhitoUna  concava  in  den  grossen  typischen  Formen  findet  sich  nach 
Toula  neben  einer  häutigeren  kleinereu  Form,  die  sich  au  gewisse 
Fonnen  der  0,  lenticidnris  innig  anschliesst. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  333^ 

Ammonites  sp.  In  hartem  grauem  Mergelkalk  fand  ich  nur  ein  einziges  ^ 
aber  gut  erhaltenes  Exemplar.i 

Die  Kreidefelsen  von  Bela  verschwinden  dem  Anscheine 
nach  bei  der  Brücke,  doch  zeigen  sie  sich  nochmals  in  südlicher 
Pdchtimg-  bei  Kosovo.  Sowie  oben  ist  auch  hier  der  Kalk  thonig* 
oder  mergelig-,  lässt  sich  in  dünne  Platten  spalten  und  enthält 
undeutliche  Fucoiden.  Die  Abhänge  um  Kosovo,  an  dem  Wege 
und  längs  des  rechten  Flussufers  weisen  das  nämliche  Gestein  auf. 
So  viel  man  ersehen  kann,  streichen  die  Schichten  von  W  nach 
0.  Auch  nach  S  gegen  Kocina,  in  der  Nähe  der  Rosica,  kann  mau 
ihre  Spuren  unter  dem  fruchtbaren  Boden  verfolgen. 

Aus  dem  hohen  rechten  Ufer  der  Jantra  bricht  man  gegen- 
über von  Kocina  thonigen  Kalkstein,  der  mit  jenem  von  Bela  ganz^ 
identisch  ist.  Das  linke  Ufer  ist  flach  und  alluvial.  Gegen  W 
kommen  solche  steile  Felsen,  wie  man  sie  östlich  von  der  Jantra 
sieht,  nicht  mehr  vor,  trotzdem  herrscht  auch  dort  die  Kreide- 
periode vor.  Thonige  Kalksteine  bricht  man  westlich  von  Patres, 
Lipnicite,  Dskot,  Paskalevic  und  noch  an  einigen  Orten. 

Von  den  Höhen,  die  Polekrajste  von  Samovodeni  trennen, 
erblickt  man  die  ersten  (nördlichsten)  Vorgebirge  der  Balkan- 
kette; dieselben  erstrecken  sich  bei  Trnovo  von  0  nach  W  und 
bestehen  hier  ausschliesslich  aus  Urgon. 

Im  Bett  der  Jantra  kommen  bei  Samovodeni  unter  der  allu- 
vialen Ablagerung  bläuliche  sandige  Mergel  zum  Vorschein,  die 
das  Liegende  des  Urgon  bilden.  Im  Defile  vor  Trnovo  bemerkt 
man  über  denselben  ziemlicli  feste  Kalksandsteine,  die  zu  Bau- 
material vortrefflich  geeignet  sind.  Die  tiefer  gelegenen  Schichten 
sind  nicht  nur  compacter,  sondern  auch  fester  als  die  oberen,  die 
mehr  sandig-mergelig  erscheinen.  Die  Felsen  fallen  hier  unter 
einem  Winkel  von  10°  nach  N  (h.  3).  Etwas  höher  breitet  sich 


1  Herr  Dr.  V.  Uhlig,  dem  Herr  Prof.  Toula  das  betreffende  Stück, 
das  einzige,  auf  das  sich  vielleicht  eine  sichere  Bestimmung  gründen  Hesse, 
zusandte,  theilte  ihm  mit,  dass  es  in  Bezug  auf  Berippung,  Einschnürungen, 
Einrollung  und  die  gesammten  Formverhältnisse  sehr  gut  mit  Lytoceras 
(CoscidiscusJ  recticostatiim  d'Orb.  übereinstimme,  einer  bezeichnenden 
Form  des  Barremien;  es  wäre  dies  die  erste  Barremeform  im  Balkanvor- 
lande. Das  Mitvorkommen  der  kleinen  Inoceramen  spricht  nicht  dagegen, 
auch  in  den  Wemsdorfer  Schichten  finden  sich  Inoceramen. 


334  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

über  den  oberen  Schichten  bunter  Kalkstein  mit  Orbitolinen  aus  und 
auf  diesen  folgt  reiner,  weisser  oder  röthlicher,  halbkrystallinischer 
Kalk  mit  Eequienien  oder  Caprotinen.  Dieser  letztere  bildet  die 
mau erartigen  Abhänge  in  der  Jantra Schlucht  unterhalb  Trnovo  und 
nimmt  die  Gipfel  der  Passhöhen  ein.  Er  beschützt  wie  ein  unver- 
wüstlicher Panzer  die  unter  ihm  gelegenen,  mit  jungem,  aber 
dichtem  Wald  bedeckten  Saudsteine  und  sandig  -  mergeligen 
Schichten  vor  der  Zerstörung. 

Im  Engthale  folgt  der  Weg  nach  Trnovo  dem  linken  Ufer 
der  Jantra. 

Die  Scenerie  in  dem  Engthale  der  Jantra  hat  schon  H.  Barth 
überaus  anschaulich  beschrieben. 

Vor  Trnovo  bemerken  wir  rechts  von  der  Landstrasse  zu 
Unterst  bläulichen  Mergel  mit  weissem  Glimmer  und  kohligen 
Pflanzenspnreu ;  derselbe  enthält  auch  röthliche  und  gelbliche 
Lagen  von  Ocker  und  ganz  dünne  Schichten  von  rothem  oder 
buntem  Kalksandstein.  Die  Felsen  fallen  hier  unter  einem  Winkel 
von  13°  nach  S.  Über  dem  Mergel  breitet  sich  bläulicher  Kalk- 
sandstein mit  Hieroglyphen  aus,  der  reich  ist  an  Ostreen,  Tere- 
b r  a  t  e  1  n ,  R h  y  n  c h 0  n  e  1 1  e  n ,  S  e  r p  u  1  e  n,  Pseudocidaris-Stsic\ie\n 
und  Bryozocn.  Die  Sandsteinschichten  gehen  allmälig  in  tho- 
nige  über  und  in  echten  Knollenkalk  aus.  Dieser  ist  seiner 
Farbe  nach  röthlich  oder  grauweiss,  theil weise  auch  thonig, 
besitzt  eine  ziemlich  bedeutende  Härte  und  bricht  unregelmässig. 

Das  sogenannte  Kartalufer  weist  keinen  Rcquienienkalk  auf, 
er  zieht  sich  nach  den  Höhen  zurück;  doch  trifft  man  ihn  wieder 
in  der  Nähe  des  Schlossberges  (Hissar),  zwischen  Trnovo  und 
Dolnja-Mahala,  sodann  bei  Sulnar  an  der  Jantra  und  Kamenec 
unweit  Arbanasi.  In  der  letzten  Ortschaft  hat  man  einige  Stein- 
brüche geöffnet,  wo  man  eine  grosse  Anzahl  von  Eequienien, 
meist  R.  Lonsdnlii  (Sow.)  d'Orb.  und  die  grosse  B.  Drinovi 
Zlat.  bemerkt.  In  Arbanasi  selbst  findet  man  beim  Kloster 
Sv.  Nikola  über  dem  Rcquienienkalk  Sphärulitenkalk,  der  sich 
von  dem  vorerwähnten  recht  wohl  unterscheidet.  Am  häufigsten 
kommen  hierorts  Sjjhat'rulites  Bhmienbachli  Studer  vor.^ 


J   Der  Kalk  mit  Sphaendücs   stimmt  nach  Prof.  Toula  auf  das  beste 
übereiu  mit  dcu  Kiffkalk  iu  der  südwestlichen  Kreidezoue  bei  Akpalauka 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  335 

Im  Hügel  von  Kartal,  der  sieh  gegen  Marnopolje  gelinder 
senkt  als  gegen  den  Pass  (Dervent),  fand  ich  so  viele  Fossilien, 
dass  ich  in  einer  kurzen  Zeit  folgende  reichhaltige  CoUection 
zusammenstellen  konnte :  ^ 

Pleitroloma  tnmcata  Pictet  et  Camp. 

Aporrhais  cfr.  marginata  Sow. 

Ti/lostoma  depressum  Pictet  et  Camp. 

Natica  cfr.  Suerii  Pictet  et  Camp. 

Lilhodomus  oblongus  d'Orb. 

Lithodornus  avellana  d'Orb. 

Neithea  (Janira)  atava  (Roem.)  d'Orb. 

Lima  longa  R  o  e  m  e  r. 

Ostrea  sp. 

Terebratula  cfr.  Dutempleana  d'Orb. 

Terebratiila  cfr.  praelonga  Sow. 

Terebratula  (WaldheimiaJ  tamarindus  Sow. 

Terebratula  (Waldheimia)  semistriata  Defr. 

Rht/nchonella  irregnlaris  Pictet. 

Rhynchonella  lata  d'Orb. 

Ehj/nchonella  Gillieroni  Pictet. 

Bhi/ncfionella  Gillieroni  var.  longirostris  Pictet. 

Heteraster  oblongus  (de  Luc)  d'Orb. 

Heteraster  Couloni  {Ag.)  diOrh. 

Echinobrissus  Olfersii  Ag.  sy).  ' 

Goniopiigus  peltatus  Ag  a  s. 

Cjiphosoma  cfr.  Perroni  Cott. 

Pseudodiadema  cfr.  Rhodani  (A  g.)  D  e  s  0  r. 

Pseudocidaris  chmifera  (Ag.)  F.  de  Loriol. 

Cidaris  Lardyi  D  e  s  o  r. 

Korallen  sp. 

Was  Sainte  -  Croix,  welches  uns  die  schätzens- 
werthesten  Daten  über  die  Stratigraphie  und  Palae- 
ontologie  der  Kr  ei  de  periode  liefert,  für  die  Schweizer 
Alpen  ist,  dasselbe  bedeutet  Trnovo  für  die  vorbalka- 
nischen  Felsgegenden. 


und  Nis  (Ostravica)  (Sitzb.  1879,  Märzheft,  79.  Bd.,  p.  197  ff.  Denkschriften 
1881,  Bd.  48,  p.  43  d.  Sep.  Abdr.). 

1  Au  derselben  Localität  sammelte  nach  einer  Mittheilung  Prof. 
Toula's,  dem  diebetreffenden  Stücke  zukamen,  Hen-  Ing.  A.  Pelz  schon 
vor  mehreren  Jahren  eine  Anzahl  von  Brachiopodeu  und  Cidariten. 


336  Z 1 a  t  a  r  s  k  i 


IX.  Ton  Trnovo  westwärts  an  die  Riisica. 

"Wir  wollen  noch  einen  kleinen  Ausflug  nach  dem  W  von 
Trnovo  unternehmen,  und  zwar  über  Samovodeni,  Michalei,  Bjela 
Cerkva  (Turöetata),  Dobromirka,  Malkocevo,  Balvanska-Mahala, 
Pusevo  und  Colakova-Mahala. 

Die  Urgonkalke  erreichen,  wie  wir  gesehen  haben,  hier 
nördlich  bei  Saniovodeni  ihr  Ende.  Sie  breiten  sich  jedoch  in 
östlicher  Richtung  bis  nach  Orehovica,  Leskovec  und  Dragizevo 
aus.  Nach  W  sind  sie  weithin  bekannt:  sie  übersetzen  die  Rossica, 
Osma  und  auch  den  Vid  und  erscheinen  auch  noch  jenseits  des 
Isker. 

Ich  verliess  Samovodeni  und  erreichte  in  kurzer  Zeit  das 
Dorf  Hotnica.  Die  hier  als  Baumaterial  verwendeten  Steine  rühren 
von  den  weissen  grobkörnigen  Kalkfelsen  bei  Kajabunar  her, 
einem  Orte  südwestlich  von  Hotnica  und  enthalten  Rhynchonellen, 
Korallen  und  in  den  dichteren  Partien  auch  Requienien. 

Die  Kalkzone  zieht  sich  südlich  von  Zolari  hin  nach  W. 

Zwischen  Mussina  und  der  Rossica  erhebt  sich  eine  zweite 
nördlichere  Felspartie. 

Bei  Mihalci  finden  wir  eine  deutliche  Schichtenfolge:  Ganz 
oben  bläulicher  oder  röthlieher  Kalksandstein,  der  auch  grosse 
Quarzkörner  und  dunkelrothen  Ocker  enthält.  Von  Versteinerungen 
fanden  sich  Pentacriniten,  Ostreen  und  Stacheln  von  Echiniden. 
Auch  Hieroglyphen  treten  auf  den  Schichtflächen  auf.  In  grösserer 
Tiefe  geht  er  in  oolithischen,  au  Bryozoen,  Trigonien  etc. 
ziemlich  reichen  Sandstein  über  und  noch  weiter  unten  in  dichten 
Mergel,  ähnlich  jenem  von  Samovodeni  und  Trnovo. 

Westlich  von  Mihalci  dehnt  sich  an  diesem  Flusse  eine 
Alluvialebene  aus,  auf  welcher  das  grosse  und  hübsche  Dorf 
Bela  Cerkva  (Turcetata)  liegt. 

Bei  Visovgrad  gewahrt  man  einige  Steinbrüche  in  bunten, 
sehr  feinkörnigen,  oolithischen  Kalksandsteinen.  Dieser  Oolith 
ist  hart  und  hat  deutlich  gelagerte,  nach  N  (h.  2Y3)  unter  einem 
Winkel  von  18 — 25°  fallende  Schichten,  die  einstens  in  Contact 
mit  jenen  von  Mihalci  gewesen  sein  müssen. 


Geologische  Untersuclmngen  im  centralen  Balkan  etc.  337 

Südlich  von  Plnzna  zeigen  sich  mürbe  Kalkfelsen,  die  mit 
mergeligen  Schichten,  reich  an  Korallen,  Pterinella,^  Terebra- 
tiila  {T.  tamarindus  d'Orb.  und  T.  acuta  Qiienst,),  Cidaris- 
Stacheln  etc.  abwechseln.  Die  mergeligen  Gesteine  treten  auch 
gegenDobromirka  hin  hervor  und  fallen,  wie  die  vorher  erwähnten 
Sandsteine,  aber  noch  flacher  geneigt,  nach  N.  Weiter  südlich 
erblickt  mau  röthlichen  und  grauen  grobkörnigen  Kalkstein,  im 
Thale  vor  Dobromirka  aber  bläulichen  Mergel.  Bei  der  Mühle 
fallen  die  Schichten  unter  einem  Winkel  von  45 — 55°  nach  S. 
Dobromirka  selbst  liegt  auf  einem  grauen,  dichten,  theilweise 
thonigen  und  an  Ostreen  reichen  Gesteine. 

In  Kalna-Koria  erscheint  unweit  der  Hauptstrasse  dichter 
Urgonkalk  mit  denselben  Fossilien,  die  wir  auch  bei  Trnovo 
sahen;  unter  den  zahlreichen  Rhynchonellen  ist  R.  irregularis 
Pictet  am  deutlichsten  kenntlich. 

Bei  Malkocevo  kommt  man  endlich  in  ein  Sandsteinterrain 
des  Urgon.  Das  Grundgestein  ist  feinkörnig  und  bläulichgrau. 
Die  Schichten  fallen  nach  NW  (39°).  Der  Sandstein  wechselt  im 
Thale  mit  dünnen  Lagen  von  Mergel  ab. 

Zwischen  Malkocevo  und  Gostilica  finden  sich  Sandsteine 
mit  kohligen  Spuren  und  Hieroglyphen  und  dieselben  Mergel. 
Vor  dem  letzteren  Dorfe  fallen  die  mergeligen  Gesteine  nach  S 
(50°).  In  Gostilica  selbst  findet  sich  nur  Sandstein,  der  hier  mit 
nur  19°  nach  S  geneigt  ist. 

Eine  zweite  urgonische  Kalkzone  erstreckt  sich  parallel  zu 
jener,  die  wir  soeben  verlassen  haben,  von  Serbegli  nach  Dre- 
novo  und  führt  den  Namen  Straza.  Von  der  Anhöhe  zwischen 
Malkocevo  und  Gostilica  betrachtet,  sieht  Straza  wie  eine  weisse, 
steile  Mauer  aus,  die  von  der  Jantra  in  der  Richtung  von  S  nach  N 
durchbrochen  wird. 


1  Die  Pterinellen  liegen  in  grossen  Exemplaren  vor,  welche  nach  Prof. 
Toula  vollkommen  mit  jenen  aus  den  sandigen  Neocom-Mergeln  oberhalb 
Oiese  (Grundlinien,  Tat".  III)  übereinstimmen.  Auch  der  Erhaltungszustand 
ist  derselbe.  Von  der  Form  mit  geripptem  Wirbel  (Prof.  Toula  nannte  sie 
Pt.  crassüenta  1.  c.  Taf.  III,  Fig.  3)  liegt  ein  grosses  flaches  Exemplar  vor, 
bedeckt  mit  Serpula  filiformis  Sow.  Es  sind  sicher  dieselben  Schichten  wie 
bei  Orese  nördlich  von  Jablanica  und  von  Srutina  Kanara  bei  Tniova 
(Sitzber.  XC,  1884,  p.  276  ff.). 


338  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

Beim  ersten  Thal  auf  der  Strecke  Gostilica-Balvanska 
Mahala  kommt  man  wieder  in  nordwärts  fallende  Sandsteine  und 
Mergel  (60—75°). 

Bei  Balvanska  Mahala  kommen  die  kalkigen  Urgongesteine, 
die  coneordant  unter  den  Sandsteinen  liegen,  nochmals  zum  Vor- 
schein. Dieser  Kalk  hat  dieselbe  Beschaifenheit  wie  jener  von 
Trnovo  und  der  westlichen  Umgebung  dieser  Stadt  und  ist  mehr 
dicht  als  körnig.  Von  Versteinerungen  sieht  man  hier  am  häufigsten 
Rhynchonella  ci'\:irreffularis  Bietet  und  verschiedeneKorallen. 
Bei  der  Brücke  liegt  über  diesen  Kalksteinen  ein  anderer  von  röth- 
licher, grauer  oder  blauer  Färbung, dichterem  Gefüge  und  grossem 
Reichthum  an  Requienieu,  der  mit  nur  19°  nach  N  fällt.  Hier 
verläuft  eine  Dislocation.  Über  dem  Requienienkalke  zeigen  sich 
ganz  deutlich  thonige  und  mergelige  Schichten  und  dazwischen 
Kalksandstein;  weiter  nördlich  folgen  auf  diese  die  oben  erwähn- 
ten dichten  Kalksteine,  in  welchen  der  Knollenkalk  eine  grössere 
Ausdehnung  hat.  In  den  letzteren  konnte  ich  ausser  Ostrea  und 
Korallen  nichts  finden. 

Die  Jantra  durchbricht  hier  die  Kalkzone  von  S  nach  N; 
im  W  zusammenhängend  ist  sie  im  0  mehr  gegliedert  und  zeigt 
viele  kleine  Hügel  und  Sättel.  Im  Flussbett  sieht  man  hie  und  da 
auch  blauen  Mergel. 

Bei  Pusevo  ist  das  niedrige  rechte  Ufer  mit  Alluvium 
bedeckt,  das  linke  dagegen,  welches  aus  blauem  Mergel  besteht, 
erhebt  sich  ziemlich  hoch  über  das  Niveau  der  Jantra  und  weist 
gleichfalls  auf  eine  Dislocation  hin. 

Vor  Semsevo  liegt  über  dem  kalkigen  Urgon  thoniger,  mürber 
Sandstein,  der,  wie  wir  uns  später  überzeugen  werden,  eocän  ist. 
Derselbe  hat  eine  weissliche  Farbe  und  spaltet  sich  regelmässig. 
Diese  Felsart  ist  hier  unter  dem  Namen  „Bjela  prst"  (weisse 
Erde)  bekannt  und  wird  zum  Tünchen  der  Wände  gebraucht. 
Sie  erstreckt  sich  gegen  die  Weinberge  von  Trnovo,  wo  sie  meist 
weiss,  lichtblau,  grauweiss  oder  grünlich  gefärbt  erscheint.  Die 
nämlichen  Schichten  constatirten  wir,  Prof.  Toula  und  ich,  auch 
östlich  von  Trnovo.  Nach  meinen  Untersuchungen  erstreckt  sich 
die  eocäne  Formation  von  Semsevo  bis  nach  den  Weinbergen  von 
Trnovo,  verschwindet  1  Kilometer  vor  dem  Erreichen  der  Jantra 
und  zeigt  sich  wieder  in  einer  Entfernung  von  2  Kilometern  östlich 


Geologische  Untersuchungen  im  centi-alen  Balkan  etc.  339 

von  der  Stadt.  Die  Eocänformation,  die  sich  auch  bei  Dragizevo 
und  Merdaua  zeigt,  dehut  sich  höchstwahrscheinlich  auch  noch 
weiter  nach  0  hin  aus. 

Bei  Semsevo  setzte  ich  über  die  Jautra  und  ging  zwischen 
den  Weinbergen  nach  Colakova-Mahala.  Doch  bevor  ich  noch 
dieses  Dorf  erreichte,  verschwanden  die  eocänen  Schichten,  die 
concordant  über  den  Kreideschichteu  liegen  und  es  zeigte  sich 
nun  dieselbe  Reihenfolge  des  Urgon,  wie  wir  sie  schon  einmal 
bei  Balvanska-Mahala  sahen;  auch  die  beiden  Dislocationen  in 
der  Eichtung  von  0  nach  W  wiederholen  sich  hier.  Dieselbe 
Erscheinung  kann  man  im  Durchbruche  der  Jantra  bei  Trnovo 
genauer  beobachten. 

Colakova-Mahala  liegt  am  Flusse  südlich  von  denKaikfelsen. 

Beim  Eingange  in  die  Jantraengen  bei  Belcos-Mühle  fallen 
die  Urg-onschichten  nach  N  (h.  1 — 2,  26°).  Zu  unterst  erblickt 
man  Thonmergel,  sodann  20 — 30  Ctm,  dicke  Schichten  von 
kalkigem  Sandstein  und  darüber  dünne  Sandschichten  (1  bis 
0-5  Ctm.).  Unmittelbar  darauf  folgen  grauweisser,  dichter  Kalk 
und  ebensolcher  von  röthlicher  und  bläulicher  Färbung.  Die  Reihe 
beschliesst  aschgrauer  Kalkstein  mit  Rhynchouellen  (15— 18  Meter 
mächtig;). 

Erste  Dislocation.  Es  treten  wieder  auf:  Grauer,  dünn- 
schichtiger,  etwas  sandiger  und  glimmeriger  Thonmergel,  er  wech- 
selt sehr  oft  mit  dünnenSchichten(0*3— 0*1  Ctm.)  von  kalkigem 
Sandstein,  mit  Hieroglyphen  auf  den  Schichtflächen,  ab.  Die 
Stärke  der  mergelig-sandigen  Schichten  erreicht  25 — 28  Meter. 
Darüber  breitet  sich  bläulicher  Kalksandstein  aus  [S  Meter),  in 
dem  man  ausser  Quarzkörnern  auch  kohlige  Spuren  und  Markasit 
bemerkt.  Auf  die  compacten  Sandsteine  folgen  nochmals  Thon- 
mergel und  kalkig- mergeliger  Sandstein,  der  anfangs  mürbe  ist 
und  allmälig  fest  und  hart  wird.  Zuletzt  finden  wir  wieder  den 
Requienienkalk;  derselbe  ist  zu  unterst  grau-weisslich  oder  röth- 
lich,  nimmt  aber  nach  oben  eine  bläuliche  Färbung  an,  indem 
zugleich  sein  Reichthum  an  Fossilien  wächst  (circa  50 — 70  Bieter 
mächtig);  fällt  nach  N  (19°). 

Die  zweite  Dislocation  bemerkte  ich  bei  Kosta  Ljud- 
skauov's  Fabrik,  vor  dem  sogenannten  Ustije,  wo,  gerade  wie 
oben,  Thonmergel  und  kalkiger  Sandstein  zum  Vorschein  kommen. 


340  Z 1 a  t  a  r  s  k  i , 

Bei  der  gTossen  Karagiozov'scheu  Fabrik,  bei  den  an  der 
Jantra  eröffneten  Steinbrüclien  erblicken  wir  Sandsteine  mit 
Bhynchonella,  Terebratitla^  Crassatella  u.  a.;  dieselben  erstrecken 
sich  jedoch  unter  Marno-pole,  und  erst  bei  Sulnar  kommen 
Knollenkalk  und  Eequienienkalk  zum  Vorschein.  Den  nämlichen 
Eepräsentanten  des  Urgon  begegnen  wir  auch  im  Walde,  jenseits 
der  Jantra,  sowie  auch  in  dem  Hügel,  auf  dem  Trnovo  erbaut  ist; 
da  sich  aber  dieser  letztere  sehr  hoch  über  Marno-pole  erhebt, 
sind  wir  gezwungen, hier  eine  dritte  Dislocation  anzunehmen. 


INHALT. 


Seite 

Vorwort 249 

I.  Von  Sofia  über  Ötujak,  längs  des  Isker  nach  der  Donau  ....  251 

1.  Das  Becken  von  Sofia 251 

2.  Von  Sofia  über  Curjak  nach  Orhanie 254 

3.  Von  Orhanie,  über  Hubaveue  und  Karlukovo  nach  Lukovit     .  261 

4.  Von  Lukovit  nach  Grlava-Panega  (Quellen  der  Pauega)   .    .    .  273 

5.  Von  Lukovit  über  Öerveni-breg,  Öiimakovci,  längs  des  Isker 

zur  Donau 275 

IL  Von  Gigen  längs  des  Flusses  Vid  nach  Pleven 291 

1.  Von  Gigen  über  Brest,  Zlakiicino,  Kacamunica  nach  Pleven  .  291 

2.  Von  Pleven  bis  zur  Vid-Brücke,  längs  des  Flusses  nachTrnica; 
sodann  über  Kartazabeni,Ucindol,  Bogot,  Tucenica,  ßadisevo 
nach  Pleven  zurück 293 

3.  Fossilien  aus  den  mittleren  Schichten  des  Tucenica-Thales     .  301 

IIL  Von  Pleven  nach  Nikopol 302 

IV.  1.  Von  Nikopol  längs  des  Osam  nach  Lovec 3U7 

2.  Fossilien  aus  der  Gegend  von  Lovec 311 

V.  Von  Lovec  über  Novoselo,  Trojan,  Sipkovo  nach  Sevlievo     .    .  313 

1.  VonLovec  überBiul,Debnevo  längs  der  Vidima  nachNovoselo  313 

2.  Von  Novoselo  über  Trojan  nach  Sipkovo 316 

3.  Von  Sipkovo  nach  Vasiljov 319 

4.  Von  Sipkovo  über  Koniau,  Dlbok-Dol,  Vrabiu  nach  Sevlievo  320 
VI.  Von  Sevlievo  nach  Svistov 323 

VIT.  Über  die  bulgarischen  Basaltfelsen 328 

VIII.  Von  Svistov  nach  Trnovo •  .    .  331 

IX.  In  der  Uniffebune-  von  Trnovo 336 


(i.X  Zlatarski :  BeilriioV  zui-  ( ioolooi(>  dor  nördliohpii  Ball^anA  orlande  z\\isclien  don  Flüssen  Js-kor  und  Janlra . 


Taf.l. 


(ili.'c'tü'oi.'««:ltc.>    {5*i.cFiC    \icti.  c>'cii(X  utbet    Cutialc  ,  C:'clva.ivljc  ,  .^Vcvfjcvv-'iCtX.CVcVtiX^  .cH.tvt-Ui.ric'vc   luxclv   \.i.i,r-vCoiL 


Figl. 


Fig. 


t'lL.'aSv.^a    £Ux. 


MtziuiU.'iiMl.kais.i\kad.d.n'.iiw(hiialurw.riasN(>I('lII.]M.I,Abliilö(S6. 


Zlatarski:ßalka  II  Vorland. 


Tat'.K. 


3A 


KScMnM.  Retfi/iniia  Lorrc'isisZfa/. 

Silzunssbd  k  .\kad  dW.  math  Ralui-w  Classe  XCnrBd.  I  Abfli .  1886. 


Klüicrii  Staätsdiiicliers 


Zlatai'slxi:BalkjiiVor];!ii(] 


Tafffl. 


% 


5chÖRlitii.  KMof-Ti  Staatsäracferei 

Itt^ifincinii  nri/iKvi  Z.lal. 

Silzuiigsb.d. k Akadd^r.iuafli  natm-w Oasse XCIffBd  I AbÜi .  1886. 


Geologische  Untersuchungen  im  centralen  Balkan  etc.  341 


Erklärung-  der  Tafel  I. 


Fig.  1.  1.  Alluvium.  2.  Diluvium.  3.  Weisser  Kreidekalk  mit 
Exogyren,  Inoceramen  etc.  (Cenomau?).  4.  Mergelig-sandige 
Gesteine  mit  Hieroglyphen;  thonig-sandige  und  thonig- 
kalkige  Schichten  (Gault?).  5.  Thonige  Sandsteine  und 
Mergel  mit  Orbitolinen  etc.  (Aptien).  6.  Urgonien.  Sandiger 
Kalk,  thonige  und  mergelige  Schichten  mit  Exogyra  interruipta  E.  de 
From.,  Cjipr  ina  rostrata¥  itt.,  Cidaris  Lardyi  Desor.  lihi/nchonella 
lata  d'Orb.  etc.  7.  Neocomien.  Mergelige  und  thonige  Sandsteine. 
8.  Rother  und  weisser  Sandstein  mit  Conglomeraten,  und 
quarzaderiger  Sandstein.  9.  Palaeozoische  Phyllite.  10.  An- 
desit-  und  Porphyrit- Gänge. 

Fig.  2.  1.  Diluvium-,  Löss.  —  2.  Sarmatische  Stufe:  bj  Grobkörniger 
Sandstein,  unten  mergeliger  Sandstein,  aj  Oolithische  kalkige 
Schichten  mit  Cardium  obsoletum,  Modiola  Volhynica,  Trockus  pictus, 
T.  quadristriatus,  Tapes  gregaria.  3.  e)  Fetter  Thou  mit  Gyps. 
d)  Dünne,  sandige  Schichte,  c)  Thon  mit  Gyps.  b)  Oolithischer 
Kalk,  a)  Bläulicher  fetter  Thon.  4.  Oolithischer  Kalk.  5.  Cerithien- 
kalk  (auch  oolithisch).  6.  Fetter  Mergel,  ganz  unten  weiss,  bläu- 
lich ,  sandig  und  ohne  Versteinerungen ,  weiter  oben  gelblich 
und  voll  mit  Steinkernen  von  Cardium  obsoleUim,  C.  plicatum, 
Tapes  gregaria;  noch  weiter  oben  grauer  Tegel,  ganz  oben  harter 
Thou  mit  Abdrücken  von  Bidla,  Modiola,  Trochus,Mactra,  Carditim. 
7.  Grobkörniger  Sandstein  verkittet  mit  kalkigem  Cement,  theil- 
weise  oolithisch,  reich  an  Modiola  Volhynica,  Mactra  podolica,  Car- 
dium obsoletum,  Buccinum  etc.  8.  Bläulicher  Mergel,  ähnlich  wie  bei 
der  Vid-Brücke.  —  C  e  n  o  m  a  n :  '.).  aj  Bläulicher  dichter  Kalkstein 
mit  Feuersteiutheilchen.  bj  Grobkörniger  weisser  Kalkstein, 
cj  Zuckerartiger  Kalkstein  in  dünnen  Schichten.  —  Gault: 
10,  a)  Glimmeriger,  mergeliger,  mürber  Sandstein  und  bläulicher 
Mergel.  bJ  Sandiger  Mergel,  mit  dünnen,  sandigen  Schichten. 
Aptien:  11.  Sandsteine  und  Mergel  mit  Orbitolinen.  —  Urgonien: 

12,     Sandiger    Mergel.     13.    Caprotineu    (Requienien)   -Kalk.   

Neocom:  14.  Kalkig-mergeliger  Schiefer  mit  Belemnites,  Ammo- 
nites,  Aptychus  etc. 


342 


Anatomisch-physiologische  Untersuchungen  über  die 
Keimpflanze  der  Dattelpalme. 

VoD  Georg  Firtsch  in  Graz. 
(Aus  dem  botanischen  Laboratorium  der  technischen  Hochschule  in  Graz.) 

(Mit  1  Tafel.) 

(Vorgelegt  in  der  Sitzung  am  1.  April  1886.) 

Einleitung. 

Von  den  Keimpflanzen  der  Palmen  i.st  jene  der  Dattelpalme 
bisher  am  genauesten  bekannt  geworden,  Malpighi,  Mirbel, 
Treviranus,  Mohl^  in  Martins  Palmenwerk,  und  in  neuerer 
Zeit  Sachs^  haben  derselben  ihre  Aufmerksamkeit  zugewendet. 
Eine  genauere  Darstellung  der  anatomischen  Verhältnisse  ist 
jedoch  bisher  noch  nicht  mitgetheilt  worden.  Im  Folgenden  habe 
ich  versucht  eine  solche  zu  geben,  und  zwar  vom  physiologischen 
Standpunkte  aus. 

Zur  Orientirung  schicke  ich  eine  kurze  morphologische 
Beschreibung  des  entwickelten  Keimlings  voraus.  Der  Cotyledon 
desselben  besteht  aus  zwei  Theilen;  sein  oberes  Ende  bildet  das 
im  ausgewachsenen  Zustande  sattelförmige,  den  Samen  mebr 
oder  minder  ausfüllende  Absorptionsorgan,  von  Mohl  „Caput 
cotyledoneum",  von  Sachs  „Haustorium"  genannt.  Dieses  geht 
an  der  Durchbruchstelle  der  Samenschale  in  eine  halsförmig 
verengte  Partie  über,  den  Haustoriundials.  Der  zweite,  aus  der 
Samenschale  heraustretende  Theil  des  Cotyledonarblattes,  der 
Haustoriumstiel,  Mohl's  „chorda  germinalis",  beginnt  mit  einer 
auf  den  Haustoriumhals  folgenden  verdickten  Partie,  die  Mohl 
„tumor  chordae"  nannte.  Nun  folgt  der  eigentliche  solide  Hau- 
storiumstiel, der  bei  meinen  Keimlingen,  welche  in  Sägespänen 


J  Martins,  Historia  naturalis  palmarum.  Bd.  I,  pag.  153. 
1  Sachs,  Zur  Keimung'sgeschiclite  der  Dattel.  Botan.  Zeitung  1862, 
p.g.  241. 


Anatomisch -physiologische  Untersuchungen  etc.  343 

und  in  mit  Sägespänen  vermischter  Erde  gezogen  waren,  durch- 
gehends  bedeutend  länger  wurde,  als  dies,  nach  den  Abbildungen 
zu  urtheilen,  bei  den  Keimlingen  Mohl's  und  Sachs'  der 
Fall  war. 

Der  solide  Haustorinmstiel  geht  nun  in  seinem  unteren  Theile 
in  die  seitlich  offene  oder  mehr  oder  minder  verwachsene  Keim- 
blattscheide ,, Vagina  cotyledonea"  über.  Das  erste  blos  scheiden- 
förmig  entwickelte  Blatt  durchbricht  die  Cotyledonarseheide  und 
dringt  mit  seiner  starken  Spitze  im  Boden  aufwärts;  es  erreicht 
knapp  die  Oberfläche,  ragt  oft  aber  auch  2  bis  3  Ctm.  hoch  aus 
dem  Boden  heraus.  Nunmehr  bricht  das  erste,  gefaltete  grüne 
Laubblatt,  welches  von  linealer  Gestalt  ist,  mit  seiner  starken 
Spitze  durch.  Erst  nachdem  der  Cotyledonarstiel  nahezu  aus- 
gewachsen ist,  beginnt  die  Hauptwurzel  sich  rascher  zu  strecken, 
und  erreicht  sehr  bald  eine  ziemlich  beträchtliche  Länge. ^ 

Vorliegende  Arbeit  wurde  im  botanischen  Laboratorium  der 
k.  k.  technischen  Hochschule  zu  Graz  im  Wintersemester  1884/85 
ausgeführt  und  spreche  ich  hier  meinem  hochverehrten  Lehrer^ 
Professor  Dr.  G.  Haberlandt,  für  seine  Unterstützung  meinen 
verbindlichsten  Dank  aus. 

I.  Das  Haustorium. 

Der  obere  Theil  des  Cotyledons,  welcher  im  Samen  stecken 
bleibt,  fungirt  als  Absorptionsorgan.  Dasselbe  schwillt  anfangs^ 
kugelförmig  an,  sich  imEndosperm  durch  Auflösen  der  Zell waud- 
verdickungen  und  Absorption  der  gelösten  Massen  Raum  schaffend ; 
später  bekommt  es  dann  eine  mehr  abgeflachte  Form  und,  indem 
es  allmälig  sich  ganz  der  Form  des  Endosperms  anschliesst,  eine 
sattelförmige  Gestalt  (Fig.  1).  Die  Oberfläche  ist  reichlich  mit 
Leisten  und  Höckern  versehen,  wodurch  die  absorbirende  Fläche 
wesentlich  vergrössert  wird. 

Im  ersten  Jugendzustand  des  Keimes  fungirt  die  gesammte 
jugendliche  Epidermis  desselben,  welche  aus  stark  radial 
gestreckten  Elementen  besteht,  als  Absorptionsgewebe.  Dasselbe 
bleibt  dann  nur  dem  Haustorium  erhalten,  während  es  am 
Cotyledonarstiel  in  eiue  typische  Epidermis  umgewandelt  wird. 

1  Vergleiche  .auch:  Pfitzer,  Über  Früchte,  Keimung  und  Jugend- 
zustände einiger  Palmen.  Ber.  d.  deutscheu  bot.  Gesellsch.  1885,  pag.  32  ff. 

Sitzb.  d.  raathem.-naturw.  Cl.  ilCIlI.  Bd.  I.  Abth.  g5 


344  F  i  r  t  s  c  h , 

Aber  auch  am  Haustoriiim  zeig't  es  eine  verschiedene  Aiisbildimg- ; 
während  es  in  der  Nähe  des  Cotyledouarstieles  aus  sehr  hohen, 
schmalen  Zellen  besteht,  ist  es  an  anderen  Stellen,  wie  an  der 
Seite  und  auf  der  oberen  Fläche  des  Haustoriums,  aus  relativ 
viel  kürzeren  Zellen  gebildet. 

Das  Meristem  des  g-anz  jungen  Haustoriums  besteht  aus 
vollkommen  isodiametrischen  Zellen,  später  strecken  sich  diese, 
und  schon  im  halb  erwachsenen  Haustorium  beobachtet  man  ein 
aus  ziemlieh  lauggestreckten  Zellen  bestehendes  Leitparenchym 
mit  grossen  Intercellularräumeu.  In  den  inneren  Partien  des  Hau- 
storiums convergiren  die  gestreckten  Leitparenchymzellen  gegen 
den  Haustoriiimhals,  in  den  Eandpartien  aber  bildet  das  stoff- 
ableitende Leitparenchym  ein-  bis  zweischichtige  Scheiden, 
welche  die  Gefässbündel  umschliessen.  Die  Zuleitung  der  absor- 
birten  Baustoffe  von  dem  Absorptionsgewebe  zu  den  genannten 
Scheiden  erfolgt  durch  Reihen  aus  gleichfalls  gestreckten  Zellen, 
welche  häufig  bogig  gegen  die  Leitparenchymscheiden  verlaufen 
(Fig.  2).  So  kehren  hier  in  Folge  gleichartiger  Stoffleitungs- 
yerhältnisse  dieselben  Anschlusseinrichtimgen  wieder,  welche 
sich,  wie  Haberlandt^  gezeigt  hat,  so  häufig  in  den  grünen 
Laubblättern  vorfinden  und  für  die  Richtung  der  Pallisaden  zell- 
reihen  massgebend  sind. 

An  Schnitten,  welche  die  Gefässbündel  der  Länge  nach 
treffen,  sehen  wir,  dass  diese  pallisadenförmigen  Zuleitungszellen 
unter  einem  spitzen  Winkel  gegen  das  Gefässbündel  einfallen. 
Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  diese  Schiefstellung  auf 
Wachsthumsverschiebung  beruht  (Fig.  3). 

Was  die  allgemeine  Anordnung  der  Gefässbündel  im 
Haustorium  betrifft,  so  strahlen  dieselben  an  der  Eintrittsstelle  in 
das  Haustorium  radienförmig  aus,  gabeln  sich  und  laufen  der 
Oberfläche  desselben  genähert  in  ziemlich  gerader  Richtung  bis 
an  den  Rand  des  sattelförmigen  Gebildes.  Von  da  an  beginnen 
sie  einen  geschlängelten  Verlauf  zu  nehmen  und  nähern  sich  dem 
Mittelpunkte  der  oberen  Haustoriumfläehe,  der  morphologischen 
Spitze  des  Organs,  wo  sie  sich  im  ausgebildeten  Zustande  wieder 
in  unregelmässiger  Weise  vereinigen, 

1  Hub  er  lau  dt ,  Verg-leicliende  Anatomie  des  Assimilationssystems. 
Prinyh.  Jahrl).,  Bd.  XIII,  pag.  136  u.  143. 


Anatomisch-physiologische  Untersuchungen  etc.  345 

Der  Leptomtheil  überwiegt  relativ  den  Hadromtheil  des 
Gefässbüudels,  eine  Erscheinung,  welche  indem  geringen  Wasser- 
bedarf des  eingeschlossenen  Haustoriums  ihre  Erklärung  findet. 
Mechanische  Verstärkungen  des  GefässbUndels  kommen  nicht  vor. 

Auffallend  ist  das  stark  ausgebildete  Durchlüftungs- 
system des  Haustoriums;  dasselbe  dürfte  nicht  mit  der  Trans- 
spiration,  sondern  mit  der  Athmung  zusammenhängen.  Es  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  das  functionirende  Haustorium 
sehr  sauerstoffbedürftig  ist.  Da  der  erforderliche  Sauerstoff  von 
der  Oberfläche  des  Samens  aus  durch  das  Endosperm  hindurch 
gewiss  nicht  zugeführt  werden  kann,  wenigstens  nicht  in  genü- 
gender Menge,  so  muss  die  Sauerstoffzufuhr  von  dem  Cotyledonar- 
stiel  aus  erfolgen.  Das  Durchlüftungssystem  des  Haustoriums 
muss  also  auf  diesem  Wege  mit  der  atmosphärischen  Luft,  respec- 
tive  der  Bodenluft,  communiciren.  Thatsächlich  treten,  wie  wir 
später  sehen  werden,  unterhalb  des  Haustoriumhalses  am 
Cotyledonarstiel  Spaltöffnungen  auf,  welche  die  Communication 
vermitteln. 

II.  Der  Cotyledonarstiel. 

Die  Epidermis  des  Cotyledonarstieles  besteht  am  Hals- 
theile  aus  Zellen,  welche  noch  radial  gestreckt  sind,  ähnlich  den 
Absorptionszellen  des  Haustoriums  (Fig.  4).  Nach  unten  zu 
nimmt  ihre  Höhe  ab.  Wahrscheinlich  im  Zusammenhange  mit 
der  Einwirkung  des  radialen  Druckes,  welchen  das  Endosperm 
und  die  Samenschale  auf  den  Haustoriumhals  ausüben,  steht  die 
Thatsache,  dass  die  radialen  Wände  stärker  verdickt  sind  als 
die  Aussenwände  der  Epidermiszellen.  Einzelne  dieser  letzteren 
sind  durch  Querwände  getheilt. 

Ausserhalb  des  Samens  besitzen  die  Zellen  der  Epidermis 
die  typische  Form.  Letztere  lässt  sich  beim  ausgebildeten  Keim- 
ling noch  eine  Strecke  weit  abwärts  verfolgen;  weiter  nach  unten 
zu  löst  sie  sich  jedoch  in  grösseren  oder  kleineren  Fetzen  ab 
(Fig.  5).  Eine  solche  Häutung  ist  von  Klebs^  auch  au 
den  jüngeren  Theilen  der  Hauptwurzel  des  Dattelkeimliugs 
beobachtet  worden.    So  wie  die  Epidermis  des  Cotyledonarstiels, 


1  Beiträge  zur  Morphologie  und  Biologie  der  Keimung,  Untersuchungen 
nus  dem  bot.  Institut  zu  Tübingen,  I.  B.  p.  536. 

23* 


346  F  i  r  t  s  c  h , 

welche  im  jugendlichen  Stadium  richtiger  als  Absorptionsgewebe 
zu  bezeichnen  wäre,  besitzt  nach  dem  Abstossen  derselben  auch 
die  darunter  liegende  Zellschicht  vereinzelte  kurze  Wurzel- 
haare (Fig.  6). 

Auf  der  Anschwellung  des  Cotyledonarstiels  unterhalb  des 
Haustoriumhalses  treten  Spaltöffnungen  auf,  und  zwar  in  einer 
schmalen,  höchstens  2  Mm.  breiten  Zone.  In  der  Regel  sind  die 
Spaltöffnungen  beträchtlich  über  das  Niveau  der  Epidermis 
erhoben.  Im  unteren  Theile  der  erwähnten  Zone  bleiben  die 
Spaltöffnungen  aber  zum  grössten  Theile  im  Niveau  der  Epidermis. 
Bezüglich  des  Baues  der  Spaltöffnungen  verweise  ich  auf  die 
Abbildungen  (Fig.  12).  Hin  und  wieder  begegnet  man  Zwillings- 
sj)altöffnungen  sowie  auch  abnormen  Bildungen,  welche  sich 
durch  stark  in  die  Quere  gezogene  Spalten  (Fig.  13)  oder 
iS-förmig  gekrümmte  Bauchwände  charakterisiren.  Die  Bedeu- 
tung der  Spaltöffnungen  für  die  Durchlüftung  des  Haustoriuras 
wurde  oben  hervorgehoben. 

Das  mechanische  System  des  Cotyledonarstieles  besteht 
erstens  aus  einem  schwach  gebauten  mechanischen  Hohlcylinder, 
und  zweitens  aus  den  C-förmig  verdickten  Schutzscheiden  der 
Gefässbündel  mit  ihren  innenseitigen,  aus  Bastzellen  bestehen- 
den Verstärkungen. 

Der  mechanische  Hohlcylinder  tritt  unter  den  äusser- 
sten  Rindenzellschichten  auf.  Er  beginnt  erst  ungefähr  in  der 
Höhe,  in  welcher  die  Epidermis  anfängt,  sich  abzulösen  und 
besteht  hier  in  der  Regel  blos  aus  einer  einzigen  Zellage 
(Fig.  6) ;  weiter  unten  zu  wird  er  mehrschichtig.  Seine  Zellen 
besitzen  verhältnissmässig  nur  sehwach  verdickte  Membranen, 
sind  von  der  Länge  der  angrenzenden  Parenchymzellen  *  aber 
entschieden  prosenchymatisch  zugespitzt  (Fig.  11).  Im  oberen 
Theil  dieses  Hohlcylinders  treten  häufig  Durchlasszellen 
auf,  welche  weiter  unten  fehlen-  Die  mechanische  Bedeutung 
dieses  Hohlcylinders  als  Einrichtung  gegen  den  radialen  Druck, 
welchen  der  Cotyledonarstiel  im  Boden  erfährt,  ist  wohl 
unzweifelhaft. 


1   Hieraus  ergibt  sich  auch,  dass  dieser  mechanische  Ring-  grund- 
pareuchymatischeu  Ursprunges  ist. 


Anatomisch-physiologische  Untersuchixugen  etc.  347 

Bevor  ich  die  Schutzscheiden  und  ihre  Verstärkungen 
bespreche,  muss  ich  auf  den  Bau  der  GefässbUudel  und  ihren 
Verlauf  eingehen. 

Die  Gefässbündel  des  Cotyledonarstieles  und  der  Scheide 
sind  auf  dem  Querschnitte  annähernd  kreisförmig  gelagert. 
Der  Durchmesser  dieses  Kreises  ist  im  Halstheil  des  Hau- 
storiums  relativ  am  grössten,  im  Cotyledonarstiel  rücken  die 
Gefässbündel  immer  mehr  gegen  das  Centrnm  zu,  so  dass 
der  Durchmesser  des  Gefässbündelkreises  bis  fast  zu  einem 
Drittel  des  Durchmessers  des  Stieles  herabsinkt  (Fig.  5).  Die 
Anzahl  der  Gefässbündel  beträgt  im  Cotyledonarstiel  und  der 
Scheide  gewöhnlich  unter  zehn.  In  ihrem  Verlaufe  nach  oben  zu 
gabelt  sich  die  Mehrzahl  der  Gefässbündel.  So  zählte  ich  bei- 
spielsweise im  unteren  Theil  des  Cotyledonarstieles  9,  im  Hals- 
theil 15  Gefässbündel  auf  dem  Querschnitte.  Die  Gabelung  der 
Gefässbündel  erfolgt  in  der  Weise,  dass  die  Schutzscheide  mit 
ihrem  innenseitigen  Bastbelege  von  der  Leptomseite  aus  eindringt 
und  zunächst  das  Leptom,  später  auch  den  Hadromtheil  in  zwei 
Theile  spaltet  (Fig.  8). 

Was  den  Bau  der  Gefässbündel  betriift,  so  wäre  zu 
erwähnen,  dass  der  nach  auswärts  gekehrte  Leptomtheil  ziemlich 
stark  entwickelt  ist,  und  dass  sich  der  Hadromtheil  durch  ver- 
hältnissmässig  sehr  enge  Gefässe  kennzeichnet.  Dafür  befindet 
sich  in  dem  gegen  das  Centrum  gekehrten  Theil  des  Hadroms  ein 
weiter,  auf  dem  Querschnitt  unregelmässig  geformter  Inter- 
cellulargang  (Fig.  8).  Es  zeigt  sich  hierin  eine  Annäherung  au 
den  Gefässbüudelbau  verschiedener  monocotyler  Wasser-  und 
Sumpfgewächse  [Sagittaria  sagittuefoHa  Blattstiel,  Butomus 
nmbellatus  Blatt,  AUsma  Plantafjo  Blattstiel,  Heleocharis  palustris 
Halm,  Scirpus  silvaticus  Halm  u.  a.  m.).^ 

Die  Schutzscheiden  der  Gefässbündel  sind  in  aus- 
gesprochenster Weise  C-förmig  verdickt  (Fig.  8,  9).  Wie  schon 
erwähnt ,  besitzen  sie  auf  ihren  Innenseiten  Verstärkungen, 
welche  aus  typischen  stark  verdickten  Bastzellen  bestehen.  Die- 
selben bilden  1  bis  3  Lagen;  auf  der  Leptomseite  ist  der  Bastbeleg 


1    Westermaier,    Untersuchimg-en    über    die    Bedeutung-    todter 
Röhren  etc.  Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  1884,  pag.  1107. 


•>48  Firtsch, 

dicker  als  auf  der  Hadromseite.  Eine  derartige  verstärkte  Schutz- 
scheide  wurde  bisher  blos  in  der  Wurzel  von  Bestio  sulcatus 
beobachtet.^ 

Die  Schutzscheide  selbst  mit  ihren  kurzen  Zellen  uud 
typischen  Querwänden  ist  gruudparencbymatischen  Ursprunges 
(Fig.  10).  Die  Verdickung  ihrer  Wände  beginnt  später  als 
die  Verdickung  der  sie  verstärkenden  Bastzellen;  diese  letzteren 
werden  auf  der  Leptomseite  früher  differenzirt  als  auf  der  Hadrom- 
seite, so  dass  in  einem  gewissen  Entwickluiigsstadium  das 
GefässbUndel  blos  eine  Bastsicbel  zu  besitzen  scheint.  Durch- 
lasszelleu  fehlen  diesen  Schutzscheiden. 

Ich  glaube  nicht,  dass  diese  so  mächtigen  Verstärkungen 
der  Schutzscheiden  blos  eine  localmechanische  Bedeutung  be- 
sitzen, dasheisst,  blos  die  G-efässbündel  vor  zu  starken  Zerrungen 
bewahren.  Sie  repräsentiren  hier  vielmehr  zweifelsohne  das  zugfeste 
mechanische  System  des  Cotyledonarstiels.  Wie  wir  schon  oben 
gesehen  haben,  sind  ja  thatsächlich  die  einzelnen  GefässbUndel 
dem  Centrum  näher  als  der  Peripherie. 

DasGrundparenchym  des  Cotyledonarstieles  und  der  Scheide 
wird  von  sehr  zahlreichen  ungleichweiten  und  auf  dem  Quer- 
schnitt unregelmässig  geformten  Luftc analen  durchzogen. 

Dieselben  treten  nicht  nur  ausserhalb,  sondern  auch  innerhalb 
des  Gefässbündelkreises  auf.  Diese  Luftgänge  werden  meist  in 
der  Querrichtung  von  annähernd  radial  gestellten  Zellen  durch- 
zogen, deren  unverdickte  Wandungen  vollständig  collabirt  sind. 
Die  beiderseitigen  Enden  dieser  Zellen  sind  oft  unregelmässig 
erweitert  (Fig.  7).  Zw^eifellos  handelt  es  sich  hier  um  eine 
ähnliche  Aussteifungseinrichtung,  wie  sie  in  den  Luftgängen  ver- 
schiedener Cyperaceen  in  Form  von  ausgespannten  Zellfäden 
besteht.^ 

III.  Die  Hauptwurzel. 

Das  Absorptionsgewebe  besitzt  in  der  Regel  keine  Wurzel- 
haare, blos  hin  und  wieder  wachsen  einzelne  Zellen  zu 
kurzen  Haaren   aus.  Diese  Zellschichte   wird,   gleichwie   beim 


1   Schwendener,    Die    Schutzscheiden    und    ihre    Verstärkungen. 
Abhandlungen  der  Berl.  Akad.  1882,  pag.  34. 

-  Vergl.  Schwendener,  Das  mechanische  Princip,  pag.  91. 


Anatomisch-phj^siolog-isehe  Untersuchimgen  etc.  349 

Cotyledouarstiele,  frühzeitig-  abgestossen.  Die  Wandungen  der 
darunter  liegenden  4  bis  5  Zellageu  verkorken  und  bilden  so 
eine  äussere  Schutzselieide. 

Darunter  liegt  nun,  so  wie  beim  Cotyledonarstiel,  ein  zwei- 
bis  dreischichtiger  mechanischer  Ring  (Fig.  15) ,  dessen 
prosenehymatische  Zellen  mit  spaltenförmigen  links-schiefen 
Tüpfeln  versehen  sind.  Interessant  ist,  in  welcher  Weise  die 
Neben  würze  In  diesen  mechanischen  Hohlcylinder  durch- 
brechen (Fig.  16,  17).  Führt  man  in  einer  Entfernung  von  3  bis 
4  Ctni.  von  der  Spitze  Querschnitte  durch  die  Hauptwurzel,  so 
beobachtet  man  an  einzelnen  Schnitten,  dass  stellenweise  der 
mechanische  Eing  in  einer  Breite  von  ungefähr  0-3  Mm.  im 
cambialen  Zustande  verblieben  ist,  während  die  angrenzenden 
Partien  des  Ringes  schon  ziemlich  stark  verdickte  Membranen 
besitzen.  Dieser  cambialen  Ringpartie  genau  opponirt  beob- 
achtet man  im  Centraleylinder  die  ersten  Anlagen  der  Neben- 
wurzeln: eine  Reihe  von  Pericambiumzellen,  8  bis  10  auf  dem 
Querschnitte,  haben  sich  radial  gestreckt  und  tangential  getheilt. 
Damit  ist  auch  schon  eine  leichte  Ausbuchtung  der  Schutzscheide 
gegen  die  Rinde  zu  gegeben.  Untersucht  man  ältere  Stadien,  so 
sieht  man,  dass  thatsächlich  die  jnngen  Nebenwurzeln  durch  die 
cambialen  Lücken  des  mechanischen  Hohlcylinders  dringen. 

Wie  erklärt  sich  nun  die  genaue  Opposition  der  jungen 
Wurzelanlagen  und  dieser  cambialen  Lücken? 

Nach  Untersuchungen  Vonhöne's  ^  über  das  Hervorbrechen 
von  Nebenwurzeln  aus  der  Mntterwurzel,  welches  er  bei  zwei 
Orchideen,  Laelia  Barkeri  und  Oucidiiim  spec.  genauer  studirt 
hat,  werden  sowohl  die  verdickten  Wände  der  inneren,  als  auch 
jene  der  äusseren  Schutzscheide  durch  ein  von  der  jungen  Wurzel 
ausgeschiedenes  Lösungsmittel  (zweifellos  ein  Ferment)  gelöst,  so 
dass  der  mechanische  Widerstand  der  Scheiden  beträchtlich  ver- 
ringert wird.  An  den  Rhizomen  von  Carex  hirta  und  den  Wurzeln 
einer  Bumbusa  beobachtete  er  eine  so  frühe  Anlage  der  Seiten- 
wurzeln, dass  der  Ring  durchbrochen  wird,  bevor  er  ausgebildet  ist. 


1  Vouhöue.  Über  das  Hervorbrechen  endog'ener  Orgaue  aus  dem 
Mutterorgan.  Flora  1880,  pag.  270. 


350  Firtsch, 

„Kommt  eine  Wurzel  in  die  Nähe  von  Zellen,  die  immerbin 
schon  einige  Verdickungen  zeigen,  so  verschwindet  aus  denselben 
die  Verdickungssubstanz  ganz  so  wie  bei  den  Scheidenzellen  der 
Orchidee." 

Bei  der  Dattelwurzel  liegt  das  Auffallende  darin,  dass  die 
Lücke  im  mechanischen  Ringe  schon  zu  einer  Zeit  vorhanden  ist, 
in  welcher  die  Nebenwurzelu  sich  noch  im  ersten  Anlagestadium 
befinden.  Nachdem  zweifellos  die  Anlage  der  Wurzel  der  Bildung 
der  Lücke  vorausgeht,  so  erscheint  es  mir  am  wahrscheinlichsten, 
dass  bereits  von  der  jungen  Wurzelanlage  ein  lösendes  Ferment 
ausgeschieden  wird,  welches,  radial  in  der  Rinde  sich  verbreitend, 
an  der  opponirten  Stelle  die  Verdickung  der  Wände  des 
mechanischen  Hohlcylinders  unmöglich  macht. 

Das  Rindenparenchym  der  Wurzel  wird  von  einem  Kranze 
von  Luftcanälen  durchzogen,  welche  auf  dem  Querschnitte  in 
radialer  Richtung  gestreckt  sind.  Aus  collabirten  Zellen  bestehende 
Zugbänder,  wie  sie  in  den  Luftgängen  des  Cotyledonarstieles  auf- 
treten, fehlen  hier.  Der  Centralstrang  besitzt  eine  un  verdickte 
Scheide,  deren  radiale  Wände  verkorkt  und  wellig  verbogen 
sind;  an  sie  grenzt  nach  innen  das  Pericambium.  Im  Bau  und  in 
der  Anordnung  der  Hadromplatten  und  der  dazwischen  liegenden 
Leptomstränge  zeigt  sich  nichts  AutFallendes,  von  dem  bisher 
Bekannten  Abweichendes. 

Dei-  mittlere  Theil  des  Centralstranges  besteht  aus  einem 
starken  Bastbündel,  welches  nach  aussen  zu  mit  vorspringenden 
Leisten  versehen  ist,  die  sich  zwischen  die  Hadromplatten  ein- 
schieben. Die  Mitte  des  Bündels  wird  von  einem  ganz  dünnen, 
auf  dem  Querschnitt  nur  wenigzelligen,  parenchymatischen  Mark- 
strange durchzogen. 

IT.  Die  ersten  Blätter. 

Das  erste  blos  scheidenförmig  entwickelte  Blatt 
des  Keimlings  hat  nur  die  Aufgabe,  als  Durchbruchsorgan  zu 
dienen;  es  ist,  wie  aus  der  Anordnung  seiner  mechanischen 
Stränge  auf  dem  Querschnitte  hervorgeht,  entschieden  biegungs- 
fest gebaut.  Knapp  unter  der  Aussenseite  treten  in  unregelmässigen 
Abständen  isolirte  Bastbündel  und  ganz  kleine  stark  reducirte 
Oefässbündel  auf,  welche  auf  ihren  Aussenseiten  starke  Bastbelege, 


Anatomiach-jDhysiologische  Untersuchimgen  etc.  351 

oder  ringsherum  Bastscheiden  besitzen.  Die  grösseren,  weiter 
innen  gelegenen  Gefässbündel  besitzen  beiderseits  Bastbelege,  von 
welchen  die  äusseren  aus  sehr  stark  verdickten  englumigen  Bast- 
zellen, die  inneren  aus  schwächer  verdickten  mechanischen 
Elementen  mit  fast  doppelt  so  grossem  Querdurchmesser  bestehen. 

Die  kegelförmige  Spitze  dieses  scheidenförmigen  Blattes,  mit 
welcher  es  den  Boden  durchbricht,  besitzt  einen  dem  entsprechen- 
den festen  Bau.  Die  Wandungen  der  Epidermiszellen  sind 
bedeutend  stärker  verdickt  als  weiter  unten,  und  auch  die 
darunterliegenden  zwei  bis  drei  Zellschichten  haben  sich  als 
mechanisches  Gewebe,  das  man  als  eine  Art  Hornparenchym 
bezeichnen  könnte,  ausgebildet.  Die  gestreckten  Zellen  desselben 
besitzen  nicht  unbeträchtlich  s^erdickte  Wandungen  mit  zahl- 
reichen Tüpfeln  (Fig.  19). 

In  dieser  Blattspitze  vereinigen  sich  die  Hadromtheile  der 
Gefässbündel,  welche  ihre  Bastbclege  schon  früher  verloren 
haben,  zu  einem  Complex  von  kurzen,  theilweise  isodiametrischen 
Tracheiden,  über  welchen  in  der  Epidermis  Wasserspalten  auf- 
treten. Übrigens  besitzt  dieses  Blatt  auch  gewöhnliche  Spalt- 
öffnungen, welche  namentlich  gegen  die  Spitze  zu  häufiger  sind. 

Das  nunmehr  folgende  Laubblatt  besitzt  bekanntlich  eine 
lineale  Form;  seine  Spitze  ist  gleichfalls  als  kegelförmiges 
Durchbrucbsorgan  ausgebildet  (Fig.  18) ,  welches  fast  genau 
denselben  Bau  zeigt,  wie  die  vorhin  beschriebene  Spitze  des 
ersten  scheidenförmigen  Blattes.  Die  Schliesszellen  der  Wasser- 
spalten sind  blos  im  jugendlichen  Zustande  erhalten,  später 
sterben  sie  ab  und  es  sind  jetzt  nur  mehr  rundliche  Löcher  vor- 
handen. Die  Zahl  der  Wasserspalten  steigt  bis  auf  zehn. 

V.  Der  anatomische  Bau    des  Dattelkeimlings   in  seinen 
Beziehungen  zu  Klima  und  Standort. 

Die  Dattelpalme  ist  bekanntlich  eine  ausgesprochene 
Wüsten  pflanze,  sie  ist  der  einzige  Baum,  der  in  der  Sahara 
seine  ursprüngliche  Heimat  hat.*  Nichts  desto  weniger  bedarf  sie 
zu  ihrem  Gedeihen,  wie  Cosson  gezeigt  hat  und  Grisebach 
wiederholt  ausdrücklich  hervorhebt,  beträchtlicher  Wassermengen. 


1  Griesebach,  Die  Vegetatiou  der  Erde.  IL  Aufl.,  Bd.  IL,  pag.  82. 


352  F  i  r  t  s  c  h , 

„Sie  entwickelt  sieh  nur  da,  wo  ihre  Wurzeln  mit  den  uner- 
schöpflichen Wasservorräthen  in  Verbindung  stehen,  die  allein 
die  Wüste  befeuchten."  Nur  in  jenen  Theilen  der  Wüste,  wo  die 
Wurzeln  das  höher  stehende  Grundwasser  erreichen  können, 
konnte  die  Dattelpalme  ohne  künstliche  Bewässerung-  von  jeher 
sich  erhalten. 

In  der  inneren  Organisation  des  Dattelkeimlings  macht  sich 
nun,  wie  wir  gesehen  haben,  eine  ganze  Reihe  von  Eigeuthümlich- 
keiten  geltend,  welche  sich  überraschenderweise  auf  Anpas- 
sung an  sehr  feuchten,  mit  Wasser  durchtränkten 
Boden  zurückführen  lassen. 

Im  Bau  des  Co tyledonar Stieles  sind  diese Eigenthümlich- 
keiten  folgende: 

1.  Die  über  das  Niveau  der  Epidermis  hervorragenden 
Spaltöffnungen;  2.  die  zablreichen  Luftcanäle  der  Rinde;  3.  der 
mechanische  Hohlcylinder  der  Rinde ;  4.  die  Intercellularcanäle 
in  den  Hadromtheilen  der  Grefassbündel. 

Eine  besondere  Besprechung  verlangt  der  Umstand,  dass  die 
C-fÖrmig  verdickten  Schutzscheiden  des  Cotyledonarstieles,  wie 
wir  gesehen  haben,  sehr  beträchtlich  verstärkt  sind.  Wie 
Schwendener  gezeigt  hat,  sind  derartig  verstärkte  Scheiden  in 
der  Regel  eine  Anpassung  an  periodischen  Wechsel  zwischen 
reichem  Wasserzufluss  und  anhaltender  Trockenheit.  Ahnliche 
Verstärkungen  finden  sich  auch  bei  manchen  hydrophilen 
Gewächsen,  deren  Standorte  zeitweilig  austrocknen.  Diese 
letzteren  Verhältnisse  werden  wohl  auch  für  den  in  den  obersten 
Erdschichten  befindlichen  Cotyledonarstiel  massgebend  sein  und 
zur  C-förmigen  Verdickung  der  Scheiden  geführt  haben.  Die 
beträchtlichen  innenseitigen  Bastverstärkungen  dieser  Scheiden 
dürften  aber  wohl  von  einem  anderen  Gesichtspunkte  aus  zu 
betrachten  sein,  nämlich  als  das  zugfeste  mechanische  System 
des  Cotyledonarstieles. 

Was  die  Wurzel  betrifft,  so  zeigt  dieselbe  durchgehends 
anatomische  Eigenthümlichkeiten,  welche  auf  das  Vegetiren  in 
beständig  feuchtem  Boden  hinweisen.  Diese  Eigenthümlichkeiten 
sind:  1.  Das  fast  vollständige  Fehlen  der  Wurzelhaare,  welches, 


Anatomisch-physiologische  Untersuchungen  etc.  353 

wie  Schwarz*  gezeigt  hat,  für  die  Wurzeln  der  Sumpf-  und 
Wasserpflanzen  charakteristisch  ist;  2.  die  zaldreichen  weiten 
Luftcanäle  der  Rinde;  3.  der  mechanische  Hohlcylinder  der 
Rinde;   4.   die  unverdickte  Schutzscheide  des  Centralstranges. 

Auf  reichliche  Wasserzufuhr  weist  endlich  auch  das  Vor- 
kommen von  Wasserspalten  auf  den  Spitzen  der  beiden  ersten 
Blätter  hin. 

Alle  diese  Orgaiiisationsmerkmale  sprechen  also  sehr  ent- 
schieden dafür,  dass  die  Keimung  der  Dattelsamen  und  die  ganze 
erste  Entwicklung  des  Keimlings  bei  Gegenwart  beträchtlicher 
Feuchtigkeitsmengen  stattfindet,  das  heisst  auf  die  Dauer  der 
Regenzeit  beschränkt  ist.  In  dieser  Hinsicht  schliesst  sich  also 
die  Keimpflanze  der  Dattelpalme  jenen  Wüstenpflanzen  an,  welche 
ihre  ganze  Entwicklung  von  der  Keimung  bis  zur  Fruchtreife 
während  der  Regenzeit  durchmachen.  Wie  Volkens^  in  seiner 
interessanten  „Skizze  zur  Flora  der  ägyptisch-arabischen  Wüste" 
hervorhebt,  haben  diese  „ephemeren  Wüstenpflanzen"  gut  ent- 
wickelte Blätter  von  zartem  Bau,  sie  bleiben  saftig  und  krautig, 
und  ihre  Wurzeln  dringen  nicht  tiefer  in  den  Boden,  als  die  der 
Wald-  und  Wiesenpflanzen  regenreicherer  Zonen. 

In  letzterer  Hinsicht  unterscheidet  sich  allerdings  der  Dattel- 
keimling von  diesen  ephemeren  Wüstenpflanzen  dadurch,  dass  er 
gleich  bei  seiner  ersten  Entwicklung  bestrebt  ist,  durch  beträcht- 
liche Streckung  des  Cotyledouarstieles  und  der  Scheide  den 
Stammvegetationspunkt,  welcher  ja  regenlose  Zeitperioden  über- 
dauern soll,  in  eine  möglichst  grosse  Tiefe  einzupflanzen. 

1  Fr.  Schwarz,  Die  Wnrzelhaare  der  Pflanzen  etc.  Unters,  des  bot. 
Inst,  zu  Tübingen.  Heft  11. 

2  Sitzungsberichte  der  Berl.  Akad.  1886. 


Erklärung-  der  Abbildungen. 


Fig.     1.  Haustorium  eines  Dattelkeimlings  zu  Beginn  der  Entfaltung  des 
ersten  Laubblattes;  herauspräparirt  (3:  1). 
„      2.  Theil  eines  Schnittes  durch  das  Haustorium  senkrecht  auf  die 
Gefässbündel;  dadurch  wird   die   bogige  Anordnung   der  Leit- 
parenchymzellen  ersichtlich  (100  : 1). 


354        Firtsch,  Anatomisch-physiologische  Untersuchungen  etc. 

Fig.  3.  Theil  eines  Schnittes  durch  das  Haustorium  purallel  einem  Gefäss- 
bündel.  Die  Leitparenchymzellen  schief  gestellt;  der  Pfeil  zeigt 
die  Ableitungsrichtung  der  absorbirten  Stoffe  an,  die  Wachsthums- 
richtung  ist  entgegengesetzt  (100  : 1). 

„  4.  Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Halstheil  des  Haustoriums 
(300 :  1). 

„  5.  Querschnitt  durch  den  Cotyledonarstiel,  15  Mm.  vom  Hauatorium- 
hals  entfernt  (30  : 1). 

„  6.  Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Cotyledonarstiel,  3  Ctm.  vom 
Haustoriumhals.  Einfacher  mechanischer  Ring  mit  Durchlasszellen, 
äussere  Eindenschicht  verkorkt;  Epidermis  abgestossen  (300:1). 

„  7.  Theil  eiues  Querschnittes  durch  den  Cotyledonarstiel,  15  Mm.  vom 
Haustoriumhals.  Die  Lufträume  sind  durch  radial  gestellte  colla- 
birte  Zellen  versteift  (550  : 1). 

„  8.  Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Cotyledonarstiel,  5  Mm.  vom 
Haustoriumhals.  Ein  sich  gabelndes  Gefässbündel ;  im  getheilten 
Hadromtheil  die  Intercellularcanäle  (300 :  1). 

„  9.  Ein  Gefässbündel  des  Cotyledonarstiels  im  Querschnitt;  zeigt  die 
C- förmig  verdickte  Schutzscheide  und  den  starken  inneren  Bast- 
beleg derselben.  Gefässbündel  bis  auf  den  Leptomtheil  reducirts 
(550  :  1). 

„  10.  Theil  eines  radialen  Längsschnittes  durch  die  Schutzscheide  und 
den  daran  grenzenden  Bastbeleg  (550 :  1). 

„     11.  Theil  eiues  Längsschnittes  durch  den  Cotyledonarstiel  (300 : 1). 

„     12.  Querschnitt  einer  Spaltöffnung  des    Cotyledonarstieles  (400 :  1). 

„     13.  Eiue  stark  in  die  Breite  gezerrte  Spaltöffnung  (300  : 1). 

„  14.  Theil  eines  Querschnittes  durch  den  Cotyledonarstiel  5  Mm.  vom 
Haustoriumhals;  die  Epidermis  beginnt  sich  abzulösen  (300:1). 

„     15.  Querschnitt  durch  die  Hauptwurzel  (25 :  1). 

„  16.  Theil  eines  Querschnittes  durch  die  Hauptwurzel ;  über  der  Gefäss- 
platte  die  Anlage  einer  Nebenwurzel  (200  :  1). 

„  17.  Theil  eines  Querschnittes  durch  die  Hauptwurzel;  die  obiger 
Wurzelanlage  opponirte  Stelle  der  Rinde  und  des  mechanischen 
Ringes  zeigend,  welcher  an  der  künftigen  Durchbruchstelle  der 
Nebenwurzel  in  cambialem  Zustande  verblieben  ist  (200  : 1). 

„     18.  Kegelförmige  Spitze  des  ersten  Lanbblattes  (3  : 1). 

„  19.  Längsschnitt  durch  diese  Spitze;  unter  der  Epidermis  das  Horn- 
parenchym  (550 :  1). 


(I.Firlsc 


h: ,-,  .o-iTOScli  physiologische  Untersuchungen  über  die  Keimpflanze  der  Datielpalme 


5  Witsch  d?: 


lith.Ajist-  v.Th.Banawartli.-' 


Sitzimäsber.d.kaiserl.Akad.d."Wiss.iuath.natun»'.n.XCIff.Bd.I.AtK.1886. 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


miiü  iiiii  M  wiss 


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MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE  CLASSE. 


XOm.  Band.  V.  Heft. 


ERSTE  ABTHEILUNG. 


Enthält  die  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Mineralogie,  Botanik, 
Zoologie,  Geologie  und  Paläontologie. 


357 


XI.  SITZUNG  VOM  6.  MAI  1886. 


Der  Vorsitzende  gedenkt  des  Verlustes,  welchen  die  Aka- 
demie und  speeiell  diese  Classe  durch  das  am  24.  April  d.  J.  er- 
folgte Ableben  des  wirklichen  Mitgliedes  Herrn  Professor  Dr. 
Eduard  Linnemann  in  Prag  erlitten  hat. 

Die  Anwesenden  geben  ihrem  Beileide  durch  Erheben  von 
den  Sitzen  Ausdruck. 

Herr  Director  Dr.  A.  B.  Meyer  in  Dresden  übermittelt  im 
Namen  des  Verfassers  das  Werk:  „De  Sluik-en  Kroesharige 
Rassen  t usscbe  11  Selebes  en  Papua",  von  I.  Gr.  F.  Riedel, 
vormals  Resident  von  Timor  und  Amboina  in  niederländ.  Ost- 
indien, d.  Z.  in  Utrecht. 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  F.  Lippich  in  Prag  übersendet  ein 
Manuscript  aus  dem  literarischen  Nachlasse  weiland  des  w.  M. 
Herrn Prof.E.  Linnemann,  welches  den  Titel  führt:  „Austrium, 
ein  neues  metallisches  Element". 

Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Prof.  A.  Rollett  übersendet 
eine  Abhandlung  des  Privatdocenten  Herrn  Dr.  Otto  Drasch  in 
Graz:  „Zur  Frage  der  Regeneration  und  der  Aus-  und 
Rückbildungsformen  der  Epithelzelleu". 

Ferner  übersendet  Herr  Regierungsrath  Rollett  eine  Ab- 
handlung des  Herrn  Prof.  Dr.  Rudolf  Klemensiewicz  in  Graz: 
„Experimentelle  Beiträge  zur  Kenntniss  des  nor- 
malen und  pathologischen  Blutstroraes". 

Das  c.  M.  HeiT  Prof.  R.  Maly  in  Graz  übersendet  eine 
in  seinem  Laboratorium  von  Herrn  Rudolf  Andreasch,  Privat- 
docenten, ausgeführte  Arbeit:  „Über  die  Chloressigsulfon- 
säure  und  einige  andere  halogensubstituirte  Sulfon- 
säuren". 


358 

Der  Se  cretär  legt  folgende  eingesendete  Abhandlungen  vor: 

1.  „Beobachtungen  über  Entstehen  und  Vergehen 
der  Samenkörper  bei  Triton",  von  Herrn  Dr.  Gustav 
Kitter  v.  W  i  e  d  e  r  s  p  e  r  g. 

2.  „Über  die  Maassverhältnisse  der  Pyramide  von 
Gizeh",  von  Herrn  A.  Jarolimek  in  Hainburg. 

3.  „Über  eine  Classe  von  algebraisch  auflösbaren 
Gleichungen  fünften,  sechsten  und  siebenten 
Grades",  von  Herrn  Dr.  Max  Man  dl  in  Wien. 

4.  „Der  Pohlke'sche  Lehrsatz  der  Axonometrie  und 
eine  Verallgemeinerung  desselben*,  von  Herrn  Julius 
Man  dl,  k.  k.  Lieutenant  in  Krakau. 

5.  „Über  das  verallgemeinerte  C  o  rr  espo  n  d  en  z- 
princip",  von  Herrn  Dr.  Karl  Bobek  in  Prag. 

6.  „Über  die  Einwirkung  von  Acetessigäther  und 
Acetondicarbonsäure-Ester  auf  Hydrazoverbin- 
dungen",  von  Herrn  Prof.  Dr.  H.  Ritter  v,  Perger  in 
Reichenberg. 

7.  Einige  Mittheilungen  über  die  Gleichung  X'r--hY-rZ,  von 

aa^         dy 

Herrn  D.  A.  Pio  in  Syra. 

Die  Herren  Dr.  0.  Tumlirz  und  H.  Luggin  in  Prag  senden 
eine  vorläufige  Mittheilung  über  das  remanente  magnetische 
Moment  des  Bcrgkrystalls  betreffende  Versuche,  welche 
von  ihnen  im  physikalischen  Institute  der  deutschen  Universität 
zu  Prag  gemeinschaftlich  ausgeführt  wurden. 

Ferner  legt  der  Secretär  eingesendete  versiegelte 
Schreiben  behufs  Wahrung  der  Priorität  vor,  und  zwar: 

1.  Von  Herrn  k.  k.  Feldmarschall-Lieutenant  Johann  Roskie- 
wicz  in  Krems,  mit  der  Aufsclirift:  „Ermittlung  des 
Cursesund  derFalirge  seh  windigkeit  ein  es  Schiffes 
von  einem  Standpunkte  der  Küste  aus". 

2.  Von  Herrn  Prof.  Theodor  Maryniak  in  Lemberg,  mit  der 
Aufschrift:  „Theorie  der  Propeller-Schraube  und 
des  Schiffswiderstandes".  Derselbe  ersucht  gleichzeitig 
um  die  Zurücknahme  seiner  beiden  über  denselben  Gegen- 
stand unter  dem  IL  October  1883  und  9.  October  1884 
vorgelegten  versiegelten  Mittheilungen. 


359 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  E.  Ritter  v.  Brücke  überreicht 
eine  im  physiologischen  Institute  der  Wiener  Universität  aus- 
geführte Arbeit  des  Herrn  stud.  med.  Ludwig  Rosenberg: 
„Über  Nervenendigungen  in  der  Schleimbaut  und  im 
Epithel  der  Säugethierzunge". 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Th.  Ritter  v.  Oppolzer  überreicht 
die  auf  die  Beobachtungen  zweier  Oppositionen  gegründete 
„Bahnbestimmung  des  Planeten  Cölestina". 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  L.  v,  Barth  überreicht  eine  im 
chemischen  Laboratorium  der  Staatsgewerbeschule  in  Bielitz 
ausgeführte  Arbeit  der  Herren  J.  Stingl  und  Th.  Morawski: 
„Zur  Kenntniss  der  Sojabohne". 

Das  w.  M.  Herr  Director  E.  Weiss  berichtet  über  zwei 
Kometenentdeckungen,  welche  beide  Herrn  Brooks  zu  Phelps 
(N.  Y.)  gelangen:  die  erste  am  27.,  die  zweite  am  30.  April. 

Herr  Dr.  Hans  Moliseh,  Privatdocent  an  der  Wiener  Uni- 
versität, überreicht  eine  im  pflanzenphysiologischen  Institute  aus- 
geführte Arbeit  unter  dem  Titel:  „Zwei  neue  Zucker- 
reactionen". 


Sitib.  d.  matheia.-uaiurw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  24 


360 


XII.  SITZUNG  VOM  13.  MAI  1886. 


Se.  Excellenz  der  Herr  Curator-Stellvertreter  macht 
der  Akademie  mit  hohem  Erlasse  vom  10.  Mai  die  Mittheilung, 
dass  Seine  kaiserliche  Hoheit  der  durchlauchtigste 
Herr  Erzherzog-Curator  in  der  diesjährigen  feierlichen 
Sitzung  am  29.  Mai  erscheinen  und  dieselbe  mit  einer  An- 
sprache eröffnen  werde. 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  L.  Gegenbauer  in  Innsbruck  über- 
sendet eine  Abhandlung:  „über  Raumcurven  vierter  Ord- 
nung erster  Species". 

Das  w.  M.  H.  Director  E.  Weiss  theilt  mit,  dass  inzwischen 
von  dem  Assistenten  der  hiesigen  Sternwarte  R.  Spitaler  auch 
ein  Elementeusystem  für  den  zweiten  von  Brooks  am  30.  April 
d.  J.  entdeckten  Kometen  berechnet,  und  durch  das  CircularNr.  LX 
der  kais.  Akad.  veröffentlicht  wurde. 

Herr  Regiernngsrath  Dr.  A.  Bauer,  Professor  an  der  tech- 
nischen Hochschule  in  Wien,  überreicht  eine  Abhandlung  über 
die  von  ihm  in  G-emeinschaft  mit  Herrn  K.  Hazura  ausgeführ- 
ten „Untersuchungen  über  die  Hanfölsäure". 

Herr  Major  A.  v.  Obermayer  in  Wien  überreicht  eine 
von  ihm  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  M.  Ritter  v.  Pichler  aus- 
geführte Untersuchung :  „Über  die  Entladung  hoch- 
gespannter Elektricität  aus  Spitzen", 

Herr  Dr.  Zd.  H.  Skraup  in  Wien  überreicht  eine  Unter- 
suchung, betitelt:  „Farbenreactionen  zur  Beurtheilung 
der  Constitution  von  Carbonsäuren  der  Pyridin- 
Chinolin-  und  verwandten  Reihen". 

Selbständige  Werke,  oder  neue ,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt! 

Gilberte  Govi:  L'Ottica  di  Claudio  Tolomeo  (Ridotta  in  latino 
sovra  la  traduzioue  araba  di  uu  testo  greco  imperfetto) 
Torino  1885;  8». 


361 


XIIL  SITZUNG  VOM  20.  xMAI  1886. 


Das  k.  und  k.  Reichsfinanzministerium  übermittelt 
ein  Exemplar  der  „Ortschafts-  und  Bevölkerung'S  -  Sta- 
tistik von  Bosnien  und  der  Herzegovina  nach  dem 
Volkszählung-s-Ergebuisse  vom  1.  Mai  1885-'. 

Das  w.  M.  Herr  Eegieriingsrath  Prof.  L,  Boltzmann  in 
Graz  übersendet  eine  weitere  Mittheilung  über  das  Integrale 
für  eine  kreisförmige  Platte. 

Ferner  übersendet  Herr  Regierungsrath  Boltzmann  eine 
vorläufige  Mittheilung  der  Herren  Prof.  Albert  v.Ettingshausen 
und  stud.  Walther  Nernst:  „Über  das  Auftreten  elektro- 
motorischer Kräfte  in  Metallplatten,  welche  von 
einem  Wärmestrome  durchflössen  werden  und  sich 
im  magnetischen  Feld  befinden". 

Endlich  übersendet  Herr  Regierungsrath  Boltzmann  eine 
Abhandlung  von  Herrn  Professor  Dr.  J.  Korteweg  in  Amsterdam : 
„Über  Stabilität  periodischer    ebener   Bahnen". 

Das  c.  M.  Herr  Prof.  E.  Ludwig  in  Wien  übersendet  eine 
in  seinem  Laboratorium  von  den  Herren  Dr.  J.  Mauthner  und 
Dr.  W.  Suida  ausgeführte  Arbeit,  betitelt:  „Zur  Gewinnung 
von  Indol  aus  Derivaten  des  Orthotoluidins". 

Der  Secretär  legt  folgende  eingesendete  Abhandlungen  vor: 

1.  „Differentialresultante  von  drei  Variabein  und 
ihre  Anwendung  auf  die  Integration  partieller 
Differentialgleichungen"  und 

2.  „Differentialresultante  von  zwei  Variabein  und 
ihre  Anwendung  zur  Integration  linearer  Diffe- 
rentialgleichungen", vorstehende  zwei  Abhandlungen 
von  Herrn  Emanuel  Puchberger,  quiesc.  k.  k.  Bezirks- 
hauptmann in  St.  Polten. 

24* 


362 

3.  „Bestimmung-  der  Zerstreuungsweite  einer  Con- 
cavlinie  mittelst  des  zusammengesetzten  Mikro- 
skopes",  vonHerrnDr.W.  Psclieidl,  Professor  am  Staats- 
gymnasium im  VI.  Bezirk  in  Wien. 

Das  w.  M.  Herr  Prof.  v.  Barth  überreicht  eine  in  seinem 
Laboratorium  von  Herrn  Ladislaiis  Niemilowicz  ausgeführte 
Untersuchung:  »Zur  Kenntniss  einiger  cholinartiger 
Verbindungen". 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  Th.  Ritter  v.  Oppolzer  überreicht 
eine  für  die  Denkschriften  bestimmte  Abhandlung:  „über  die 
astronomische  Refraction". 

Das  w.  M.  Herr  Director  J.  Hann  tiberreicht  eine  Abhand- 
lung, betitelt:  „Bemerkungen  zur  täglichen  Oscillation 
des  Barometers". 


Selbständige  Werke  oder  neue ,  der  Akademie  bisher  nicht 
zugekommene  Periodica  sind  eingelangt: 

Delgado,  J.  F.  N.,  Etüde  sur  les  Bilobites  et  autres  fossiles  des 
quartzites  de  la  base  du  Systeme  silurique  du  Portugal. 
Lisbonne,  1886;  folio. 


363 


Verzeichniss 

der  an   die   mathematiscli-natiirwissenschaftliche   Classe  der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften   vom   1.   Jänner 

bis  30.  Jnni  1886  gelangten  periodischen  Druckschriften. 

Altenburg,  Naturforscheude  Gesellschaft  des  Osterlandes : 
Mittheiluugen  ans  dem  Osterlande.  N.  F.  III.  Band. 

Baltimore,   Johns    Hopkins    University:    American    Chemical 
Journal.  Vol.  VII,  Nrs.  4—7,  Vol.  VIH,  Nrs.  1  und  2. 
American  Journal  of  Mathematics.  Vol.  XIII,  Nr.  2. 

—  —   Studies  from  the  Biological  Laboratory.  Vol.  III,  Nrs.  5 
und  6. 

—  —  University  Circulars.  Vol.  V,  Nrs.  45  und  47. 
Barcelona,  Almanaque  nantico  para  1887. 

Batavia,  s'Hage,  Bataviaasch  Genootschap  van  Künsten  en 
Wetenschappen:  Verbandelingen.  Deel  XV,  Aflevering  1. 

—  Notulen   van  de  algemeene  Bestuursvergaderingen.    Deel, 
XXIII,  Aflevering  1. 

—  Tijdschrift  voor  indische  Taal-,  Land-  en  Volkenkunde.  Deel 
XXX,  Aflevering  3,  4,  5. 

Bergen,  Bergens  Museum:  Bidrag  tili  Myzostomernes  Anatomi 
og  Histologie  of  Fridtjof  Nansen  med  9  Plancher. 

Berlin,  Akademie  der  Wissenschaften,  königl.  preussische: 
Sitzungsberichte  Nr.  XL— LH.  1885. 

—  Centralblatt    für   klinische   Medicin.    VII.  Jahrgang,   1886. 
Nro.  1—9,  11—14,  16—23. 

—  Deutsche  Medicinal-Zeitung :    Centralblatt.  VII.   Jahrgang, 
1886.  N.  1—46. 

—  Elektrotechnischer  Verein:   Zeitschrift.  Heft  XII  ex  1885. 
1886.  I— V  Heft. 

—  Entomologischer    Verein:     Berliner    Entomologische    Zeit- 
schrift. XXIX.  Band.  1885. 


364 

Berlin,  Fortschritte  der  Mathematik:  Jahrbuch  über  die. 
Jahrgang  1883.  XV.  Band,  2.  Heft. 

—  Fortschritte  derMedicin.  Bandlll,  Nr.24,  BandIV,  Nr.3— 11. 

—  Gesellschaft,  Berliner  medicinische:  Verhandlungen  aus  dem 
Gesellschaftsjahre  1884—1885.  Band  XVI. 

—  Gesellschaft,  deutsche  chemische:  Berichte.  XVIII. Jahrgang. 
Nr.  17—19.  XIX.  Jahrgang,  Nr.  1—8. 

—  Gesellschaft,  deutsche  geologische:  Zeitschrift.  XXXVII. 
Band.  3.  und  4.  Heft. 

—  Königliche  Sternwarte:  Berliner  astronomisclies  Jahrbuch 
für  1888  mit  Ephemeriden  (1—247)  für  1886. 

—  Zeitschrift  für  Instrumentenkunde:  Organ.  V.  Jahrgang 
1885,  XIL  Heft.  VI.  Jahrgang  1886,  I.— V.  Heft. 

—  Zoologische  Station  zu  Neapel:  Mittheilungen.  VI.  Band, 
3.  Heft. 

Bern,  Naturforschende  Gesellschaft:  Mittheilungen  aus  dem 
Jahre  1885.  II.  Heft.  1119—1132. 

Bologna,  Accademia  delle  scienze  dell'  Istituto  di  Bologna: 
Memorie.  Serie  4*.  Tomo  4. 

Bonn,  Naturhistorischer  Verein  der  preussischen  Rheinlande, 
Westphalens  und  des  Eegierungsbezirkes  Osnabrück:  Ver- 
handlungen. XLn.  Jahrgang;  5.  Folge.  IL  Jahrgang, 
2.  Hälfte.  1885. 

Bordeaux,  Societe  Linn6enne:  Actes.  4*^  serie.  Vol.  VII. 

—  Societe  de  Medecine  et  de  Chirurgie:  Memoires  et  Bulletins. 
3*^  et  4«  fascicules,  1883.  l'^'^et  2"  fascicules,  1884. 

Boston,  Boston  Society  of  Natural  History:  Memoirs.  Vol.  V, 
Nr.  11.  —  Proceedings.  Vol  XXII,  part  4"^  and  Vol.  XXIII, 
part  1^\ 

Bremen,  Naturwissenschaftlicher  Verein:  Abhandlungen. 
IX.  Band,  3.  Heft. 

Brunn:  Mittheilungen  der  k.  k.  mährisch-schlesischen  Gesell- 
schaft zur  Beförderung  des  Ackerbaues,  der  Natur-  und 
Landeskunde.  1885.  LXV.  Jahrgang. 

—  Naturforschender  Verein:  Verhandlungen.  XXIII.  Band, 
1.  und  2.  Heft.  —  Bericht  der  meteorologischen  Commission 
über  die  Ergebnisse  der  meteorologischen  Beobachtungen 
im  Jahre  1883. 


365 

Briixelles:  Annales  de  la  Society  entomologiqiie  de  Belgique. 

Tome  XXIX,  2«^  partie. 
Budapest,  Geologische  Eeichsanstalt:  Jahresbericht  für  1884. 

—  BndapesterLaDdesausstelluug-:  SpecialcatalogderVI.  Gruppe. 

—  Mathematische  und  naturwissenschaftliche  Berichte  au» 
Ungarn.  III.  Band. 

—  Komanische  Revue.  1886.  II.  Jahrgang.  III  und  IV. 

—  Ungarische  Revue.  1886.  VI.  Jahrgang.  II — IV. 
Buenos  Aires:   Actas  de  la  Academia  nacional  de  ciencias  en 

Cordoba.  Tomo  V,  Entrega  2*. 

—  Boletin.  Tomo  VIII,  Entrega  2'^  und  3^ 

—  Anales  de  Museo  nacional.  Entrega  14''  2*  del  Tomo  III. 
Calcutta,   Asiatic  Society  of  Bengal:  Journal.  N.  S.  Vol.  LIV, 

part  n.  Nrs.  1—3. 

—  Indian  Meteorological  Memoirs.  Vol.  11,  parts  4  und  5. 

—  Palaeontologia  Indica.  Serie  XIII,  Vol.  I,  part  4  (fasc.  5); 
Ser.  X,  VolIII,  part  6;  Ser.  IV,  Voll,  part  5;  Ser.  XIV. 
Vol.  I,  fasc.  5. 

—  Memoirs  of  the  geological  Survey  of  India.  Vol.  XXI,  parts  3 
und  4. 

—  Records  of  tlie  geological  Survey  of  India.  Vol.  XVIII,  part  4; 
Vol.  XIX,  parts  1  und  2. 

—  Report  ou  the  Meteorology  of  India  in  1883.  IX*  year. 

—  Report  on  the  Administration  of  the  Meteorological  Depart- 
ment in  1884-1885. 

Cambridge,     Philosophical    Society:    Proceedings.    Vol.    V^ 
part  5. 

—  Museum  of  comparative  Zoology  at  Harvard  College :  Annual 
Report  for  1884—85. 

Bulletin.  Vol  XII,  Nrs.  2—4. 

Memoirs.  Vol.   X,  Nr.  4;    Vol.  XI,    part  2;    Vol.  XII 

and  XIII.  The  Water  Birds  of  North  America.  Vol.  I  and  II, 
Vol,  XIV.,  Nr.  1,  part  1  and  Embryology  of  the  Ctenophorae 
by  A.  Agassiz. 

—  AstronomicalObservatory :  40'^AnnualReport  of  theDirector. 
^1886.) 

Cape  Town,  Scientific  Results  of  the  second  Yarkand  Mission 
Araneidea  by  the  Revd.  0.  P.  Cambridge,  M.  A.  C.  M.  Z.  S. 


366 

Cassel,  Verein  für  Naturkunde:  Festschrift  zur  Feier  seines 
fünfzigjährigen  Bestehens. 

Catania,  Accademia  Gioenia  di  seienze  naturali:  Atti.  Ser.  3^ 
Tomo  XVm. 

Cincinnati,  Observatory:  Publications.  Observations  of  the 
Comets  of  1883. 

Coethen,  Chemiker-Zeitung:  Centralorgan.  X.Jahrgang,  1 — 34. 

Colmar,  Societe  d'Histoire  naturelle:  Bulletin.  24 — 26.  Annees 
1883—1885  et  Supplement  au  Bulletin  1883-1885. 

Danzig,  Naturforschende  Gesellschaft:  Schriften.  N.F.VI.Band, 
3.  Heft. 

Des  Meines,  Jowa:  Jowa  Weather  Report.  1877 — 1883. 

Dresden,  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  Isis :  Sitzungs- 
berichte und  Abhandlungen.  Jahrgang  1885. 

—  Verein  für  Erdkunde.  XXI.  Jahresbericht. 

Dublin,  Royal  Dublin  Society:  The  scientific  Proceedings. 
Vol.  IV,  parts  7—9 ;  Vol.  V,  parts  1  und  2. 

—  —  Transactions.  Vol.  III  (serie8  II),  VII — X. 

—  Royal  geological  Society  of  Ireland:  Journal.  N.  S.  Vol.  VI, 
part  III  (1882—1884). 

Edinburgh:  The  Scottish  geographical  Magazine.  Vol.  II,  Nrs. 
1—4. 

Emden,  Naturforschende  Gesellschaft:  70.  Jahresbericht. 

Erlangen,  Physikalisch -medicinische  Societät:  Sitzungs- 
berichte. 17.  Heft. 

Firenze:  Archivio  per  l'Antropologia  e  I'Etnologia.  XV.  Vol. 
Fase.  1''  e  2°.^  —  Quadri  statistici  „Sui  Denti  incisivi  dell' 
Uomo". 

—  Archivio  della  Scuola  d'Anatomia  patologica.  Vol.  I. 

—  R.  Istituto  di  studi  superiori  pratici  e  di  Perfezionamento  in 
Firenze:  Publieazioni,  Sülle  convulsioni  epilettiche. 

Frankfurt  am  Main,  Bericht  über  die  Seuckenbergische 
naturforschende  Geselschaft.  1885.  —  Reiseerinnerungen 
aus  Algerien  und  Tunis,  von  D.  W.  Kobelt. 

Genöve,  Bibliotheque  universelle:  Archives  des  sciences  phy- 
siques  et  naturelles.  Tome  XIV,  Nrs.  11  et  12.  Tome  XV, 
Nrs.  1—4. 

—  Institut  national  genevois:  Bulletin.  Tome  XXVII. 


367 

Geneve,  Society  de  Physique  et  d'Histoire  naturelle.  Memoires. 

Tome  XXIX.  V^  partie. 
Genova,   Miiseo   civico   di   Storia  naturale:   Annali.    Serie  2*. 

Vol.  I  und  II. 
Gi essen:   Jahresbericht  über  die  Fortschritte   der  Chemie  für 

1883  V.  Heft,  für  1884.  I.  und  II.  Heft. 
Görz,  Societä  J.  R.  agraria  di  Gorizia:   Atti  e  Memorie.  Anno 

XXIV,  Nr.  12.  Anno  XXV,  Nrs.  1—5. 
Gotha:   D.  A.  Petermann's   Mittheiluugen  aus  Justus  Perthes' 

geographischer  Anstalt.  31.  Band,  XII.  und  Ergänzungsheft 

j^r.  80.  —  32.  Band,  I— VI. 
Güstrow,  Verein  für  Freunde  der  Naturgeschichte  in  Mecklen- 
burg: Archiv.  39.  Jahr. 
Habana.  Real  Academia  de  ciencias  medicas,  fisicas  y  naturales 

de  la  Habana:  Anales.  Tomo  XXII,  Entrega  256 — 261. 
Halle  a.  S.,  Zeitschrift   für   Naturwissenschaften.   Der   ganzen 

Reihe  LVIII.  Band,  4.  Folge.  IV.  Band,  4—6.  Heft. 

—  Leopoldina.  Organ  der  kaiserlichen  Leopoldino-Cavolinischen 
deutschen  Akademie  der  Naturforscher,  Heft  XXII, 
Nr.  1—6. 

Hanau,  Wetterauische  Gesellschaft  für  die  gesammte  Natur- 
kunde: Bericht  vom  1.  Jänner  1883  bis  31.  März  1885. 

Harlem,  Musee  Teyler:  Archives,  Ser.  II,  Vol.  II,  3- partie. — 
Catalogue  de  la  Biblioth^que,  1'^  &  2*^  livraisons. 

—  Societe  Hollandaise  des  sciences  ä  Harlem:  Archives  Neer- 
landaises  des  sciences  exactes  et  naturelles  a  Harlem. 
Tome  XX.  4«  livraison. 

Kiew:  Universitäts-Nacbrichten.  Jahrgang  XXV,  Nrs.  9  bis  12. 

Jahrgang  XXVI.  Nr.  1  bis  3. 
Kjöbenhavn:  Memoires  de  l'Acadömie  Rojale.  6'' serie.  Classe 

des  sciences.  Vol.  HI,  Nos.  1  et  3. 

—  Oversigt  over  det  Forhandlingar  og  dets  Medlemmers 
Arbejder  i  Aaret  1885. 

Krakau,  Akademia  umiejetnosci:  Pamietnik.  Wydzial  matema- 
ticzno-przyrodniczy.  Tom  X  &  XI. 

Laibach:  Statistischer  Bericht  der  Handels-  und  Gewerbe- 
kammer über  die  volkswirthschaftlichen  Zustände  in  Krain 
für  das  Jahr  1880. 


368 

Le  Caire:  Institut  Egyptien. 

Leide:  Annales  de  l'Ecole  polytechniqiie  de  Delft.  3^  &  4^  liv- 

raisons. 
Leiden:  Tijdschrift  derNederlandsche  dierkundige Vereeniging. 

2^  Serie,  Deel  I.  Afl.  2. 
Leipzig:  Archiv  für  Mathematik  und  Physik.  IIL  Theil,  2.  bis 

4.  Heft. 

—  Astronomische  Gesellschaft:  Vierteljahrsschrift.  XX.  Jahr- 
gang, 4.  Heft. 

—  Journal  für  praktische  Chemie.  Band  XXXE.  Nr.  21  und  22. 
Band  XXXHI,  1.— 9.  Heft. 

—  Königlich  sächsische  Gesellschaft  der  Wissenschaften:  Be- 
richte über  die  Verhandlungen.  HL 

—  —  Abhandlungen.  XHL  Band.  Nr.  V. 

Liege:  Annales  de  la  Societe  göologique  de  Belgique.  TomeXH. 

—  Memoires    de   la   Societe    royale   des   sciences.    2*^  serie, 
tome  XL 

Liverpool:    Proceedings    of    the    literary   and   philosophical 

Society.  73'^  session  1883—1884.  Nr.  XXXVHL 
London,  British  Museum:  Catalogue  of  the  palaeozoic  plants. 

—  — :  Mammalia.  Part  IL 

—  Nature.  Vol.  XXXIII,  Nos.  842-861.  Vol.XXXIV,  Nos.862 
bis  866. 

—  Meteorological   Office:    Monthly   Weather  Report  for  Sep- 
tember— December  1885.  January  1886. 

:  Weekly  Weather  Report.    Vol.   IL  Nos.   47—52  and 

Appendix.  Vol.  III.  1  —  15.    ^ 

—  — :  Meteorological  Council:  Report  to  the  Royal  Society  for 
the  year  ending  31-'  of  March  1885. 

—  The  Observatory.  Nos.  105—111. 

—  The  royal   Society:    Proceedings.   Vol.  XXXIX,   Nos.  241 
&242. 

—  The  royal  astronomical  Society.  Vol  XLVI,  Nos.  1  —  6. 

—  The  royal  geographical  Society.  Vol.  VII,  Nro.  12.  Vol.  VIII, 
Nos.  1—4. 

—  The  royal  microscopical  Society:    Journal.    Ser.  II,  Vol.  V, 
part  6.  Vol.  VI,  parts  1  &  2. 


369 

London,  The  pathological  Society:  Transactions.  Vol.  XXXIV. 
—  The  zoological  Society  of  London:  Proceedings  of  the  scien- 
tific Meetings  for  the  year  1885. 
Transactions,  Vol.  XI,  part  11.  Vol.  XII,  part  I. 

Lucern:  Verhandlungen  der  Schweizerischen  naturforschenden 
Gesellschaft  den  16.,  17.  und  18.  September  1884.  67.  Jahres- 
versammlung. Jahresbericht  1883 — 1884. 

Lund:  Acta  Universitatis  Lundunensis.  Tom.  XXL  Mathematik 
och  Natuurwetenskap,  Medicin. 

Madison:  Publications  of  the  Washburn  Observatory  of  the 
University  of  Wisconsin.  Vol.  ELL 

Madrid:  Resumen  de  las  Observaciones  meteorolögicas  de  1881. 

Magdeburg,  Naturwissenschaftlicher  Verein :  Jahresbericht  und 
Abbandlungen  1885. 

Mailand,  R.  Osservatorio  astronomico  di  Brera:  Osservazioni 
meteorologiche  esseguite  nell'  anno  1885. 

Manchester:  The  Journal  of  the  Society  of  Chemical  Industry. 
Vol.  IV,  Nos.  11  &  12.  Vol.  V,  Nos.  1—4. 

Mantova:  Atti  e  Memorie  della  R.  Accademia  Virgiliana  di 
Mantova.  Biennio  1884—1885. 

Mexico:  Aanuario  del  Observatorio  astronomico  nacional  de 
Tacubaya  para  el  ano  1886.  Ano  VI. 

—  Estudios  de  Meteorologia  comparata.  Tomo  I. 

Milano,  Accademia  fisico-medico  statistica:  Atti.  1885.  Ser.  4', 
Vol.  3«. 

—  Reale  Istituto  Lombarde  di  scienze    e  lettere:    Rendiconti. 
Ser.  II,  Vol.  XVII. 

Montpellier,  Academie  des  sciences  et  lettres:  Memoires 
de  la  section  de  Medecine.  Tome  V,  3®  fascicule.  Annees 
1880—1884. 

Montreal,  Royal  Society  of  Canada:  Proceedings  and  Trans- 
actions for  the  year  1884. 

—  The  Canadian  Record  of  science:  The  Canadian  Naturalist. 
Vol.  I,  Nr.  4.  Vol.  U,  Nos.  1  &  2. 

Moscou,  Societe  Imperiale  des  Naturalistes:   Bulletin.  Annee 

1884,  No.  4.  Annee  1885,  Nos.  1—4. 
Moskba,  Astronomisch-physikalisches  Observatorium:  Zapiski. 

I.  Band. 


370 

München,  Königlich  bayerische  Akademie  der  Wissenschaften: 
Abhandlungen.  XV.  Band,  2.  Abtheilung. 
Sitzungsberichte.  Heft  IV. 

—  Königliche  meteorologische  Centralstation:  Beobachtungen. 
Jahrgang  VII,  3.  und  4.  Heft. 

—  —  Übersicht  über  die  "Witterungsverhältnisse  im  Königreich 
Bayern.  December  1885.  Jänner — März  1886. 

—  Eepertorium  der  Physik.  XXI.  Band,  12.  Heft.  XXII.  Band, 
1.-4.  Heft. 

Napoli:  Memorie  di  Matematica  e  di  Fisica  della  Societä  Italiana 
delle  Scienze.  Ser.  3*,  tomo  V.  Appendice.  1885. 

—  Rendiconto  dell'  Accademia  delle  Scienze  fisiche  e  matema- 
tiche.  Anno  XXII— XXV,  fasc.  1°  e  2\ 

Newcastle,-upon-Tyne:  Transactions  of  the  North  of  Eng- 
land Institute  of  Mining  and  Mechanical  Engineers.  Vol. 
XXXV,  parts  1  &  2. 

New  Haven,  The  American  Journal  of  Science.  Vol.  XX, 
Nr.  180.  Vol  XXI,  Nos.  181—185. 

—  Contributions  to  Meteorology  by  Elias  Loomis,  L.  L.  D. 
1885. 

New  York:  Anuals  of  the  New  York  Academy  of  Sciences. 

Vol.  III,  Nos.  3—6. 
Odessa:    Algologische    Untersuchungen.    I.   Materialien     zur 

Morphologie  und  Systematik  der  Pflanzen   im  schwarzen 

Meere.  Atlas  von  L.  Reinhard. 

—  Flora  Cbersonensis,  auctore  Eduardo  a  Lindemann.  Vol.  I. 

—  Gesellschaft  der  Naturforscher  von  Neu-Russland.  Zapiski. 
IX.  Tb  eil  1.  &  2.  Nr. 

Oxford,  Radcliff  Observatory:  Results.  Vol.  XL. 

Paris,  Academie  des  Sciences:  Comptes  rendus  hebdomadaires 

des    s^ances.    Tomes  96—99.    Tome   101,    Nos.  23—26. 

Tome  102,  Nos.  1—21. 

—  Acadömie    de    Medecine:     Bulletin.    2''  s6rie,     tome   XIV, 
49«  annee,  Nos  48—52.  Tome  XV,  Nos.  1—22. 

—  Annales  de  la  Facult6  des  Lettres  de  Bordeaux.  2^  sörie. 
No.  2. 

—  Annales  des  Mines.  8'^  serie,   tome  VIII,  4« — 6'^  livraisons. 


371 

Paris:   Annales  des  Ponts  et   Chaussöes.   b"  annee,  6^  s6rie, 
10^ — 12*^  cahiers.  6«  annee,  6®  sörie,  l^'" — 3«  cahiers. 

—  Arcliives  slaves  de  Biologie.  Tome  I,  fascieule  1. 

—  Bureau  des  Longitudes:  Coimaissance  des  Temps  pour  l'an 
1886.  —  Annuaire  pour  l'an  1885.  —  Ephemerides  des 
Etoiles  de  culmination  lunaire  et  de  longitude  pour  1885. 
—  Bulletin  astronomique:  Description  d'un  nouveau  systfeme 
de  Telescope,  par  M.  Loewy.  —  Euquetes  et  Documents 
relatifs  ä  l'Enseig-nement  supörieur.  XIV.  —  Rapport  sur 
les  Observations  astrouomiques  de  Province.  (1884.) 

—  Comite  international  des  Poids  et  Mesures :  Proces  verbaux 
des  seances  de  1884. 

—  Encyclopedie  chimique.  Tome  II. 

—  Journal  de  l'Ecole  polytechuique.  54''  eahier. 

—  Moniteur  scientifique  du  Docteur  QuesneWlle:  Journal  men- 
suel.  Tome  XVI,  529*^—534«  livraisons. 

—  Revue  internationale  de  l'Electricite  et  de  ses  Applications, 
l'"^  annöe.  Nos.  2 — 11. 

—  Soeiete  de  Biologie:  Comptes  rendus  hebdomadaires.  8®  s6rie. 
Tome  1.  Nos.  36—44.  Tome  IL  Nos.  1—21. 

—  Soeiete  des  Ingenieurs  civils:  Memoires  et  Compte  rendu. 
4^'!erie,38'^  annee,  8''— l^**  cahiers.  39-^  annee,  1''  &2'^ cahiers. 

—  Soeiete  geologique:  Bulletin.  3*^  serie.  Tome  XII.  No.  8. 
Tome  XIII,  Nos.  1—3. 

—  Soeiete  mathematique  de  France:  Bulletin.  Tome  XIV. 
Nos.  1  &  2. 

—  Soeiete  philomatique  de  Paris:  Bulletin,  7"^  serie,  tome  IX. 
Nos.  3  &  4.  Tome  X,  No  1. 

—  Soeiete  zoologique:  Bulletin  pour  l'annee  1884.  5"^  &  6'^ 
parties.  Pour  l'annee  1886,  l""®  partie. 

Petersburg,  Academie  Imperiale  des  sciences:  Melanges  phy- 
siques  et  chimiques.  Tome  XIII,  livre  3. 

Memoires.  Tome  XXXTI,  Nos.  14—18.  Tome  XXXIU, 

Nos.  1 — 5. 

—  Bulletin  der  russischen  physikalisch-chemischen  Gesell- 
schaft. XVII.  Theil,  8.  &  9.  Nr.  XVIII.  Theil,  1.— 4.  Nr. 

—  Geologisches  Comite.  Nr.  8  — 10  und  Turkestan  von 
J.  W.  Mouchketow.  I.  Theil. 


372 

Petersburg:  Horae   societatis   entomologicae  Rossicae.   Tome 
XIX. 

—  Physikalisches  Central-Ohservatorium:  Annalen.  Jahrgang 
1884.  I.  &  II.  Theil. 

—  Repertorium  für  Meteorologie,  IX.  Band. 
Philadelphia:  Proceedings  of  theAcademy  of  Natural  Sciences. 

Part  III.  August  to  December  1885. 

—  Proceedings  of  tlie  American  Pharmaceutical  Association 
of  tlie  33'^  annual  meeting. 

—  Proceedings  of  the  American  philosophical  Society.  Vol. 
XXII,  Nos.  117—119. 

Pisa:   H  Nuovo    Cimento.    3^  serie,    tomo    XVIII.  Luglio — Di- 
cembre. 

—  Societä  Toscana  di  scienze  natnrali:  Atti.  Memorie.  Vol.  VII. 
Pola,    Hydrographisches    Amt,    k.   k.  Marine-Bibliothek:   Mit- 
theilungen. XIII.  Bd.,  10.— 12.  Nr.  XIV.  Bd.,  1.-5.  Nr. 

:  Kundmachungen.  7.  &  8.  Heft  ex  1885.  1886,  1.— 3.  Heft. 

:  Die  Reise  S.  M.  Corvette   „Aurora"  nach  Brasilien  und 

den  La  Plata-Staaten  in  den  Jahren  1884—1885. 

:  Reise  S.  M.   Corvette   „Helgoland«   ;in   der  Westküste 

Afrikas  in  den  Jahren  1884 — 1885. 
Potsdam:  Publication  des  astrophysikalischen  Observatoriums 

zu  Potsdam.  V,  Band. 
Prag,  Astronomische  Beobachtungen  an  der  k.  k.  Sternv^arte  im 
Jahre    1884.  Appendix  zum  45.  Jahrgang.    Originalzeich- 
nungen des  Mondes. 

—  Berichte  der  österreichischen  Gesellschaft  zur  Förderung 
der  chemischen  Industrie.  VII.  Jahrgang.  Nr.  9  &  10. 
Vm.  Jahrgang.  Nr.  1—4. 

—  Königl.  böhmische  Gesellschaft  der  Wissenschaften :  Bericht 
über  die  mathematischen  und  naturwissenschaftlichen 
Publicationen  während  ihres  hundertjährigen  Bestandes  von 
D.  F.  J.  Studniczka.  1.  &  2.  Heft. 

Regens  bürg:  Flora.  N.  R.  43.  Jahrgang.  (1885.) 

Riga,  Naturforscher- Verein :  Correspondenzblatt  XXVIII. 

Rio  de  Janeiro:   Revista  do  Observatorio.   Anno  I.  Nos.  1 — 5. 


373 

Rom,  Accademia  Reale  dei  Liueei:  Atti.  Anuo  CCLXXXII. 
1884—1885.  Ser.  4\  Rendiconti.  Vol.  I.  Fascicoli  25—28. 
Anno  CCLXXXII.  Rendiconti.  Vol.  II.  Fascicoli  P— 11". 

—  BibliograpMa  e  Storia  delle  scienze  matematielie  e  fisiche: 
Bollettino.  Tomo  XVIII.  Febbraio — Lnglio. 

—  Societä  degli  Spettroscopisti  Italiani:  Memorie.  Vol.  XIV. 
Disp.  10^— 12^  Vol.  XV.  Disp.  1^— 4'\ 

—  Ufficio  centrale  di  Meteorologia  Italiana:  Annali.  Ser.  II. 
Vol.  V,  parte  I— VII. 

Salzburg-:  Mittheiliingen  der  Gesellschaft  der  Salzburger 
Landeskunde.  XXV.  Vereinsjahr. 

—  Jahresbericht  des  Museum  Carolino  Augasteum  für  1884. 
Stockholm:    Antiquarisk    Tidskrift    for  Sverige.    VII.   Delcn. 

4.  Haftet. 

—  Entomologisk  Tidskrift.  VI  Arg,  1..  3.  &  4.  Haftet. 

—  Köuigl.  Vetenskaps  Akademiens  Öfversigt  af  Förhandlingar. 
42^  Arg.  Nr.  7—10.  43«  Arg.  1—4.  —  Bihaug.  10.  Band. 
1.  &  2.  Haftet. 

—  Strassburg:  Zeitschrift  für  physiologische  Chemie, 
Tokio,  Seisraological  Society  of  Japan:  Transactions.  Vol.  VIII. 
Torino,  R.  Accademia  delle  Scienze  di  Torino:  Atti.  Vol.  XX, 

Disp.  7^  u.  8\  Vol.  XXI,  Disp.  2\ 

—  Archivio  per  le  scienze  mediche.  Vol.  X.  Fase.  1*^. 

—  Osservatorio  della  R.  Universitä:  Bollettino.  Anno  XIX. 

—  Societa  meteorologica  Italiana:  Bollettino  mensuale.  Ser.  II. 
Vol.  V,  Nr.  8—12.  Vol.  VI,  Nr.  1  &  2. 

:  Bollettino  decadico.  Anno  XHI.  Nos.  3 — 12.  Anno  XIV. 

Nos.  1—8. 
Toronto:   Proceedings   of  the   Canadian   Institute.   3'^  series. 

Vol.  m,  fasc.  3. 
Trieste:  Annuario  marittimo  per  l'anno  1886. 

—  Rapporto  annuale  dell'  Osservatorio  marittimo  per  l'anno 
1884.  L  Volume. 

Utrecht,  Koninklijk  Nederlandsch  meteorologisch  Instituut :  Jaar- 
boek  voor  1885.  37.  Jaargang. 

—  Provinciaal  Utrechtsche  Genootschap  van  Künsten  en 
Wetenschappen :  Proeve  eener  Ontwikkelingsgeschiedenis 
van  Lineus  obscurus  Barrois  door  D.  A.  A.  W.  Hubrecht. 


374 

Wasliington,  United  States  Coast  and  geodetic  Survey:  Appen- 
dix 15  &  16.  —  Report  for  1884.  Parts  I  &  II. 

—  U.  St.:  Geological  Survey.  IV.  Annual  Report  of  tbe  Director 

—  (1882—1883). 

—  U.  St.  Naval  Observatory:  Astronomieal  and  meteorological. 
Observations  made  during  tbe  year  1881. 

—  National  Academy  of  Sciences:  Proceedings.  Vol.  I,  part  2. 

—  — :  Memoirs.  Vol.  III,  part  1. 

:  Report  for  tbe  years  1883  &  1884. 

—  Pbilosophical  Society:  Bulletin.  Vol.  VIII. 

Wien,  Ackerbau-Ministerium,  k.  k.:  Statistisches  Jahrbuch  für 

1884.  III.  Heft,  2.  Lieferung. 

—  Apotbeker-Verein,  allgem.  österr.:  Zeitschrift  und  Anzeigen. 
XXIV.  Jahrgang.  1^86.  Nr.  1—17. 

—  Bureau  der  k.  k.  statistischen  Central-Coramission.  X.  Band. 
2.  &  3.  Heft. 

—  Gesellschaft  der  Arzte :  Medizinische  Jahrbücher.  Jahrgang 

1885.  IV.  Heft.  Jahrgang  1886.  I.— IV.  Heft. 

—  Gesellschaft,  k.  k.  geographische  in  Wien:  Mittheilungen 
Nr.  1  &  2. 

—  Gewerbeverein,  niederösterr.:  Wochenschrift.  XL VII.  Jahr- 
gang. Nr.  1 — 23. 

—  Handelsministerium,  k,  k..  Statistisches  Departement:  Nach- 
richten über  Industrie,  Handel  und  Verkehr.  XXXI.  Band, 
1. — 4.  Heft.  —  Statistik  des  österreichischen  Post-  und 
Telegraphenwesens  im  Jahre  1884.  3.  Heft. 

—  Ingenieur-  und  Architekten- Verein,  österreichischer:  Wochen- 
schrift. XL  Jahrgang  1886.  Nr.  1—23. 

Zeitschrift.  1885,  IV.  Heft.  1886,  L  Heft. 

—  Militär-Comite,  technisches  und  administratives :  Mittheilungen 
1885,  XII.  Heft.  1886.  L— 4.  Heft. 

—  Militärwissenscbaftliche  Vereine:  Organ.  XXXI.  Band, 
XXXII.  Band,  1.,  2.  und  3.  Heft  und  Separatbeilage  zum 
1.  Heft. 

—  Naturhistorisches  Hofmuseuni,  k.  k. :  Aunalen.  I.  Band,  Nr.  1. 
Jahresbericht  für  1885. 

—  Österreichische  Gesellschaft  für  Meteorologie:  Zeitschrift. 
XX.  Band,  Decemberheft. 


375 

Wien,  ÖsteiTeichische  Gesellschaft  für  Meteorologie:  Jahrbücher. 
N.  F.  XXL  Band. 

—  Österreichische  Vierteljahresschrift  der  wissenschaftlichen 
Veterinärkunde.  LVI.  Band.  1.  &  2.  Heft. 

—  Reichsanstalt,  k.  k.  geologische:  Verhandlungen.  1885, 
Nr.  14—18  (1886,)  Nr.  1  —  7. 

:  Jahrbuch.  XXXV.  Band.  4.  Heft.  XXXVI.  Band.  1.  Heft. 

—  Reichsforst-Verein,  österr.:  Österreichische  Vierteljahres- 
schrift  für  Forstwesen.  N.  F.  IIL  Band,  4.  Heft.  IV.  Band, 
1.  &  2.  Heft. 

—  Statistische  Central  -  Commission,  k.  k.:  Österreichische 
Statistik.  XL  Band,  4.  Heft. 

—  Wiener  medizinische  Wochenschrift.  XXXVI.  Jahrgang. 
Nr.  1—23. 

—  Wissenschaftlicher  Club  in  Wien:  Monatsblätter.  VII.  Jahr- 
gang. Nr.  3 — 9  und  ausserordentliche  Beilage  I — VII. 

—  Zoologisch- botanische  Gesellschaft,  k.  k. :  Verhandlungen. 
XXXV.  Band.  XXXVL  Band,  1.  Quartal. 

Wiesbaden,    Jahrbücher    des    Nassauischen    Vereins.    Jahr- 
gang XXXVIII. 

Würzburg,   Physikalisch-medizinische  Gesellschaft:    Sitzungs- 
berichte. Jahrgang  1885. 
:  Verhandlungen.  N.  F.  XIX.  Band. 

Yokohama,  Deutsche  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde 
Ostasiens :  Mittheilungen.  34.  Heft. 

Zagreb,    Rad  lugoslavenske  Akademiji  znanosti  i  umjetnosti. 
Knjiga  LXXV,  VI^. 

Zürich,     Allgemeine     schweizerische     Gesellschaft     für     die 
gesammten     Naturwissenschaften:     Neue     Denkschriften. 
XXIX.  Band,  Abthlg.  2. 
— :  Astronomische  Mittheilungen  von  D.  R.  Wolf.  LXV.  &LXVI. 

—  Schweizerische  meteorologische  Centralanstalt :  Aunalen. 
1884.  XXI.  Jahrgang.  —  Supplementband,  6.  Lieferung. 
(Schluss.) 


Sitzb.  d.  mathem.-naturw.  Cl.  XCIII.  Bd.  I.  Abth.  25 


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